BAG 3 AZR 601/16

September 29, 2017

BAG 3 AZR 601/16 Urteil vom 11.7.2017, Betriebliche Altersversorgung – Änderung einer Anpassungsregelung – Anpassung des Ruhegeldes

RA und Notar Krau

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) befasste sich in diesem Fall mit der Frage, wie die betriebliche Altersversorgung eines ehemaligen Arbeitnehmers anzupassen ist.

Im Mittelpunkt stand die Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung, die die Anpassung des Ruhegeldes an neue Kriterien knüpfte.

Kernaussagen des Urteils:

  • Anwendbarkeit der Betriebsvereinbarung: Die nach dem Ausscheiden des Klägers geschlossene Betriebsvereinbarung (BV 2005.03) ist auf sein Versorgungsverhältnis anwendbar, da er bei ihrem Inkrafttreten noch im Arbeitsverhältnis stand und sie nach den Umstrukturierungen gemäß § 613a Abs. 1 BGB weiterhin für ihn galt.

  • Eingriff in Versorgungsrechte: Die BV 2005.03 greift in die Versorgungsrechte des Klägers ein, indem sie die bisherige automatische Anpassung des Ruhegeldes an die Gehaltstarife durch eine Ermessensentscheidung ersetzt, die neben der Gehaltsentwicklung auch die Lebenshaltungskosten, die Realeinkommen und die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers berücksichtigt.

  • Unzulässige Verschlechterung: Diese Änderung ist unzulässig, da der Arbeitgeber keine ausreichenden Gründe für die Verschlechterung der Anpassungsregelung darlegen konnte. Die Möglichkeit, dass die Anpassung des Ruhegeldes ganz unterbleibt oder hinter der Gehaltsentwicklung zurückbleibt, stellt einen Eingriff in die Versorgungsrechte des Klägers dar.

BAG 3 AZR 601/16

  • Teilunwirksamkeit der Betriebsvereinbarung: Die Unwirksamkeit der neuen Anpassungsregelung führt nicht zur Gesamtnichtigkeit der Betriebsvereinbarung, sondern nur zur Unanwendbarkeit der betreffenden Klausel. Die übrigen Regelungen, die den Anpassungszeitpunkt betreffen, bleiben wirksam.

Ergebnis:

Das BAG entschied, dass der Kläger Anspruch auf Anpassung seines Ruhegeldes entsprechend der Entwicklung der Gehaltstarife hat.

Die Revision des Arbeitgebers wurde zurückgewiesen.

Detaillierte Zusammenfassung:

1. Formelle Wirksamkeit der BV 2005.03:

  • Die BV 2005.03 ist formell wirksam. Sie bedurfte weder der Zustimmung der Gewerkschaft ver.di noch der Zustimmung des Aufsichtsrats.
  • Die Zustimmung der IG Metall als tarifschließende Gewerkschaft war ausreichend.
  • Eine etwaige fehlende Zustimmung des Aufsichtsrats wäre unbeachtlich, da Dritte (Arbeitnehmer) nicht an interne Beschränkungen der Vertretungsmacht des Vorstands gebunden sind.

2. Anwendbarkeit der BV 2005.03:

  • Die BV 2005.03 ist auf das Versorgungsverhältnis des Klägers anwendbar, da er bei ihrem Inkrafttreten noch im Arbeitsverhältnis stand und die Betriebsvereinbarung nach den Umstrukturierungen gemäß § 613a Abs. 1 BGB weiterhin für ihn galt.

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3. Materielle Unwirksamkeit der neuen Anpassungsregelung:

  • Die neue Anpassungsregelung in der BV 2005.03 stellt einen unzulässigen Eingriff in die Versorgungsrechte des Klägers dar.
  • Der Arbeitgeber konnte keine ausreichenden Gründe für die Verschlechterung der Anpassungsregelung darlegen.
  • Die Unwirksamkeit der neuen Anpassungsregelung führt zur Unanwendbarkeit dieser Bestimmung, nicht aber zur Unwirksamkeit der gesamten Betriebsvereinbarung.

4. Zahlungsanspruch und Zinsen:

  • Der Kläger hat Anspruch auf Nachzahlung des Ruhegeldes entsprechend der Entwicklung der Gehaltstarife.
  • Zinsen stehen ihm ab dem Tag nach Zustellung der Klage zu.

Fazit:

Das Urteil verdeutlicht den Schutz von Versorgungsanwartschaften und die Grenzen der Änderungsbefugnis von Betriebsparteien.

Eingriffe in die betriebliche Altersversorgung, insbesondere Verschlechterungen von Anpassungsregelungen, bedürfen einer triftigen Rechtfertigung.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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