Bayerisches Oberstes Landesgericht 1. Zivilsenat, BReg 1 Z 62/91
Gemeinschaftliches Testament aus zwei Einzelurkunden; Enterbung eines Abkömmlings durch wechselbezügliche Verfügung
I.
Der am 16.9.1989 im Alter von 82 Jahren verstorbene Erblasser war in zweiter Ehe verheiratet. Aus seiner ersten Ehe mit der am 12.9.1984 vorverstorbenen X. sind die Beteiligten zu 1 und 2 sowie die im Jahr 1969 vorverstorbene B. hervorgegangen. Deren Kinder sind die Beteiligten zu 3 und 4.
Mit seiner ersten Ehefrau hatte der Erblasser am 11.9.1962 einen notariellen Ehe- und Erbvertrag geschlossen. Darin hatten sich die Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt und angeordnet, daß die getroffenen Bestimmungen nur von den Beteiligten gemeinsam geändert oder aufgehoben werden könnten. Am 1.5.1981 errichtete jeder der Ehegatten ein eigenhändig geschriebenes und unterzeichnetes Testament. Die letztwillige Verfügung der Ehefrau ist auf einem mit ihrem Namen bedruckten Briefbogen niedergeschrieben und lautet:
„Im Falle meines Ablebens bestimme ich zu meinen Erben meinen Ehemann X. sowie meine Kinder H. u. E. nicht dagegen meinen Schwiegersohn X. u. dessen Kinder.“
Der Erblasser hat auf einem mit seinem Namen und seiner Anschrift bedruckten Briefbogen testiert wie folgt:
„Im Falle meines Ablebens bestimme ich zu meinen Erben, meine Ehefrau X. sowie meine Kinder H. + E. nicht dagegen meinen Schwiegersohn und dessen Kinder.“
Nach dem Tod seiner ersten Ehefrau legte der Erblasser den Erbvertrag vom 11.9.1962 und die beiden Testamente vom 1.5.1981 dem Nachlaßgericht vor. Dieses betrachtete die beiden inhaltsgleichen und gleich datierten letztwilligen Verfügungen als gemeinschaftliches Testament der Ehegatten, das den Erbvertrag aufgehoben habe, und erteilte am 26.11.1984 einen entsprechenden Erbschein.
Am 17.4.1988 errichtete der Erblasser folgende eigenhändig geschriebene und unterzeichnete letztwillige Verfügung:
„Mein Testament!
Nach meinem Tode setze ich meine Kinder:
H., (Beteiligter zu 1) … zu 1/3
E., (Beteiligte zu 2) … zu 1/3
sowie die beiden Kinder meiner verstorbenen Tochter B. (Beteiligter zu 4) … u. … (Beteiligte zu 3) … zu je 1/3 als Erben ein.
…“
Am 18.4.1988 schloß der Erblasser mit seiner zweiten Ehefrau einen notariellen Vertrag, worin jeder der Ehegatten gegenüber dem anderen auf sein Pflichtteilsrecht verzichtete.
Der Beteiligte zu 1 hat beim Nachlaßgericht am 17.11.1989 einen Erbschein beantragt, wonach der Erblasser aufgrund des Testaments vom 17.4.1988 von ihm und seiner Schwester zu je 1/3 sowie von den Beteiligten zu 3 und 4 zu je 1/6 beerbt worden sei. Diesem Antrag haben sich die Beteiligten zu 3 und 4 angeschlossen. Am 23.11.1989 hat der Beteiligte zu 1 einen neuen Erbscheinsantrag des Inhalts gestellt, daß er und seine Schwester aufgrund gemeinschaftlichen Testaments vom 1.5.1981 je zur Hälfte Erben geworden seien. Diesem Antrag sind die Beteiligten zu 3 und 4 entgegengetreten. Das Nachlaßgericht hat alle Beteiligten sowie die zweite Ehefrau des Erblassers angehört. Mit Beschluß vom 4.4.1991 hat es die Erteilung eines Erbscheins angekündigt, wonach der Erblasser aufgrund des Testaments vom 17.4,1988 von den Beteiligten zu 1 und 2 jeweils zu 1/3 und den Beteiligten zu 3 und 4 jeweils zu 1/6 beerbt worden sei. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat das Landgericht mit Beschluß vom 13.8.1991 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich seine weitere Beschwerde, mit der er beantragt, die Entscheidungen des Landgerichts und des Amtsgerichts aufzuheben sowie das Nachlaßgericht zur Erteilung eines Erbscheins entsprechend seinem Antrag vom 23.11.1989 anzuweisen.
II.
Die weitere Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
Im Ergebnis zu Recht habe das Nachlaßgericht die Erbfolge nach dem formgerecht errichteten Testament vom 17.4.1988 beurteilt. Dieses enthalte zwar eine sprachliche Ungenauigkeit, weil es auch im Hinblick auf die Beteiligten zu 3 und 4 einen Erbteil von 1/3 nenne. Aus dem Zusammenhang der Urkunde ergebe sich jedoch eindeutig, daß sie zu je 1/6 eingesetzt werden sollten. Das Amtsgericht habe auch zu Recht geprüft, ob der Erblasser durch die beiden Testamente vom 1.5.1981 in seiner Testierfreiheit eingeschränkt gewesen sei. Allerdings hätte es keiner Erörterung der Wechselbezüglichkeit der in diesen Testamenten enthaltenen Verfügungen bedurft, denn sie stellten kein gemeinschaftliches Testament im Sinn von § 2265 BGB dar. Ein gemeinschaftliches Testament könne zwar auch aus zwei Einzelurkunden bestehen, jedoch müsse aus dem Wortlaut der Testamentsurkunden zumindest andeutungsweise erkennbar sein, daß es sich um eine gemeinschaftliche Erklärung handle. Die gesonderte Errichtung zweier sich inhaltlich entsprechender Testamente am gleichen Ort und zur gleichen Zeit reiche nicht aus, auch nicht die Verwahrung der beiden Urkunden an der gleichen Stelle. Im Wortlaut der beiden Einzeltestamente vom 1.5.1984 finde sich nicht einmal andeutungsweise ein Hinweis darauf, daß die Ehegatten ihre Erklärungen als gemeinschaftliches Testament verstanden wissen wollten. Der Erbvertrag vom 11.9.1962 hätte nur durch ein gemeinschaftliches Testament aufgehoben werden können, nicht durch übereinstimmende Einzeltestamente. Die erste Ehefrau des Erblassers sei daher aufgrund dieses Erbvertrags von ihrem Ehemann allein beerbt worden. Mit ihrem Tod habe der Erbvertrag seine Wirkung verloren und der Erblasser die Freiheit erlangt, das Testament vom 17.4.1988 zu errichten.
(1) Das Landgericht ist davon ausgegangen, daß ein gemeinschaftliches Testament im Sinn von § 2265 BGB nicht schon deshalb ausscheidet, weil die Eheleute in zwei getrennten Urkunden testiert haben. Das war richtig, denn die Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments in getrennten Urkunden wird allgemein für zulässig erachtet (BayObLG FamRZ 1991, 1485/1486; Palandt/Edenhofer Einf.9 vor § 2265).
(2) Das Landgericht mußte aus dem Inhalt der Urkunden nicht den Schluß ziehen, die Eheleute hätten gemeinschaftlich testiert. Der Wortlaut der beiden Testamente enthält nichts, was die Annahme gestattet, es liege ein gemeinschaftliches Rechtsgeschäft vor. Dies wäre insbesondere dann der Fall, wenn die Worte „wir“ oder „gemeinsam“ verwendet worden wären (BayObLG aaO). Für die Annahme einer gemeinschaftlichen Testamentserrichtung reichen die außerhalb der Urkunde liegenden Umstände nicht aus, daß die beiden Testamente zusammen in einer Ausfertigung des Erbvertrags vom 11.9.1962 aufbewahrt wurden, und daß der Erblasser nach dem Tod seiner Ehefrau beide Testamente beim Nachlaßgericht vorgelegt hat. Ein Wille der Ehegatten, gemeinsam letztwillig über ihren Nachlaß zu verfügen, ist nicht im Inhalt der Urkunde und damit nicht formgerecht zum Ausdruck gekommen. Das wäre jedoch erforderlich gewesen (BGHZ 9, 113/116 f; BayObLGZ 1959, 228/231 und BayObLG FamRZ 1991, 1485/1486 m.w.Nachw.).
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