Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 38/99

September 14, 2017

Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 38/99 – Testierwillen – Schriftstück das die formellen Anforderungen an ein Testament erfüllt

Die Frage, ob eine Erklärung auf einem Testierwillen beruht, stellt sich nur, wenn ein Schriftstück vorliegt, das die formellen Anforderungen an ein Testament erfüllt.

Tenor

Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 wird der Beschluß des Landgerichts Deggendorf vom 15. Januar 1999 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und neuen Entscheidung an das Landgericht Deggendorf zurückverwiesen.

Gründe Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 38/99

I.

Der am 27.4.1998 im Alter von 83 Jahren verstorbene Erblasser war in zweiter Ehe mit der Beteiligten zu 1 verheiratet. Die Beteiligte zu 2 ist seine Tochter aus erster Ehe.

Das Nachlaßgericht hat ein von der Beteiligten zu 1 eingereichtes handschriftliches Testament des Erblassers vom 16.4.1997 eröffnet, mit dem der Erblasser die Beteiligte zu 1 zur Alleinerbin bestimmt und die Beteiligte zu 2 “auf den Pflichtteil gesetzt” hat. Die Beteiligte zu 1 hat dem Nachlaßgericht außerdem eine maschinengeschriebene “Erklärung” des Erblassers vom 12.8.1997 vorgelegt, in der der Erblasser seiner Vermutung Ausdruck gibt, daß er nicht der leibliche Vater der Beteiligten zu 2 sei, und darin fortfährt:

“Ich meine, daß die Tochter aus meinem Nachlaß keine Ansprüche mehr herleiten kann. Zumindest muß dies schon aus moralischen Gründen akzeptiert werden … Ich behalte mir vor, die Ehelichkeit der Tochter anzufechten. Ungeachtet dessen bestimme ich im Hinblick auf ein mögliches gesetzliches Pflichtteilsrecht, daß sämtliche Zuwendungen in voller Höhe … an die Tochter auf etwaige Pflichtteilsansprüche anzurechnen sind, soweit solche überhaupt darin noch bestehen sollten …”

Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 38/99

Die Unterschrift des Erblassers unter dieser Erklärung ist notariell beglaubigt.

Die Beteiligte zu 1 hat die Annahme der Erbschaft erklärt und einen Erbschein beantragt, der sie als Alleinerbin ausweist. Zum Nachlaß gehört ein 3/4 Anteil an einer Eigentumswohnung.

Die Beteiligte zu 2 ist dem Erbscheinsantrag entgegengetreten. Nach ihrer Ansicht ist das Testament vom 16.4.1997 unwirksam, da es vom Erblasser weder eigenhändig geschrieben noch eigenhändig unterschrieben sei. Der Erblasser habe seit längerem an Morbus Parkinson gelitten, so daß seine rechte Hand stark gezittert habe. Er sei daher nicht in der Lage gewesen, einen längeren Text wie das Testament vom 16.4.1997 zu schreiben. Jedenfalls aber sei die Unterschrift unter diesem Testament nicht von ihm geschrieben.

Das ergebe sich zum einen aus dem Schriftbild im Vergleich mit dem Schriftbild z.B. unter der Erklärung vom 12.8.1997 und einer notariellen “Altersvorsorgevollmacht” vom 22.4.1997. Zum anderen ergebe es sich daraus, daß der Erblasser stets mit nachgestelltem Vornamen unterschrieben habe, während bei der Unterschrift unter dem Testament vom 16.4.1997 der Vorname vorangestellt ist.

Das Nachlaßgericht erließ einen Vorbescheid, mit dem es ankündigte, einen Erbschein zugunsten der Beteiligten zu 1 als Alleinerbin zu erteilen. Unabhängig von der Frage der Echtheit des Testaments sei jedenfalls in der “notariellen Erklärung vom 12.8.1997” eine Enterbung der Beteiligten zu 2 enthalten, so daß die Beteiligte zu 1 auch bei gesetzlicher Erbfolge Alleinerbin wäre.

Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 38/99

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 hat das Landgericht mit Beschluß vom 15.1.1999 zurückgewiesen. Es führte aus, die Wirksamkeit des handschriftlichen Testaments vom 16.4.1997 könne dahinstehen.

Auch wenn “die notarielle Urkunde vom 12.8.1997” nicht mit “Testament”, sondern mit “Erklärung” überschrieben sei, bestehe kein Zweifel am Testierwillen des Erblassers. Dieser habe die Beteiligte zu 2 damit von der Erbfolge ausgeschlossen. Bereits die Tatsache, daß er “die notarielle Form” für seine Erklärung gewählt habe, zeige, daß er Anordnungen über sein Vermögen nach seinem Tod habe treffen wollen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2.

II.

Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 ist zulässig. Sie ist nach § 27 Abs. 1 FGG statthaft und in der Form des § 29 Abs. 1. Satz 2 FGG eingelegt worden. Die Beschwerdeberechtigung der Beteiligten zu 2 ergibt sich aus der Zurückweisung ihrer Erstbeschwerde (Bassenge/Herbst FGG/RPflG 8. Aufl. § 27 FGG Rn. 7).

Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen, da diese auf einer Verletzung des Gesetzes beruhen, und zur Zurückverweisung an das Nachlaßgericht.

Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 38/99

Das Gericht der weiteren Beschwerde hat die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung der Vorinstanz zu prüfen, ohne an die Beschwerderügen gebunden zu sein (Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 27 Rn. 15).

Die Beteiligte zu 2 war beschwerdeberechtigt (§ 20 Abs. 1 FGG), da sie ein gesetzliches Erbrecht beansprucht, das durch einen Erbschein gemäß dem Vorbescheid beeinträchtigt wäre.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen beruhen insofern auf einem Rechtsfehler (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO), als sie der Erklärung des Erblassers vom 12.8.1997 eine Enterbung der Beteiligten zu 2 entnehmen.

Nach § 1938 BGB kann der Erblasser einen Verwandten durch Testament von der gesetzlichen Erbfolge ausschließen. Für Testamente besteht ein Formzwang; die Errichtung von Testamenten ist nur in den gesetzlich festgelegten Formen möglich (Palandt/Edenhofer BGB 58. Aufl. Einf vor § 2229 Rn. 1, 2231 Rn. 1). Die Vorinstanzen haben nicht beachtet, daß die Erklärung vom 12.6.1997 keiner der durch das Gesetz vorgeschriebenen Testamentsformen entspricht. Es handelt sich weder um eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung (§ 2231 Nr. 2, § 2247 BGB) noch um ein Testament zur Niederschrift eines Notars (§ 2231 Nr. 1, § 2232 BGB).

Die Formerfordernisse eines “zur Niederschrift eines Notars” errichteten Testaments ergeben sich aus § 2232 BGB und §§ 8 ff. BeurkG. Die Testamentserrichtung besteht danach aus einer vom Notar zu führenden Verhandlung, bei welcher der Erblasser seinen letzten Willen mündlich erklärt und über die der Notar eine Niederschrift aufnimmt.

Diese muß dem Erblasser vorgelesen, von ihm genehmigt und eigenhändig unterschrieben werden. Die Niederschrift wird abgeschlossen durch die Unterschrift des Notars und etwaiger sonst mitwirkender Personen (Palandt/Edenhofer § 2232 Rn. 4). Auch bei der Errichtung durch Übergabe einer Schrift mit der Erklärung des Erblassers, daß sie seinen letzten Willen enthalte, muß der Notar eine Niederschrift aufnehmen (Palandt/Edenhofer aaO Rn. 14).

Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 38/99

Unter der “Erklärung” des Erblassers vom 12.8.1997 hat der Notar lediglich die Echtheit der vor ihm vollzogenen Unterschrift des Erblassers beglaubigt. Es handelt sich nicht um eine vom Notar aufgenommene Niederschrift über eine Verhandlung mit dem Erblasser.

Die vom Landgericht behandelte Frage, ob die Erklärung, obwohl sie nicht als “Testament” bezeichnet ist, auf einem Testierwillen beruhe, würde voraussetzen, daß die “Erklärung” die formellen Voraussetzungen eines Testaments erfüllt, denn nur dann, wenn ein Schriftstück den formellen Anforderungen an ein Testament genügt, kann sich die Frage stellen, ob sein Inhalt eine letztwillige Verfügung darstellt (vgl. BayObLG NJW-RR 1999, 88).

Ob sich der Vorbescheid des Nachlaßgerichts aus anderen Gründen als richtig erweist, kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden. Hierfür kommt es auf die von den Vorinstanzen offen gelassene Frage an, ob das Testament vom 16.4.1997 vom Erblasser eigenhändig geschrieben und unterschrieben ist. Die Beteiligte zu 2 hat Gründe vorgebracht, die zu weiteren Ermittlungen Anlaß geben. Der Senat kann deswegen nicht selbst entscheiden, sondern muß zurückverweisen.

Eine Entscheidung über die Erstattung von Kosten des Beschwerdeverfahrens unterbleibt bei einer Zurückverweisung; sie ist der wieder mit der Sache befaßten Vorinstanz überlassen (vgl. Keidel/Zimmermann § 13a Rn. 38 ff.).

Da wegen des Erfolgs der weiteren Beschwerde auch Gerichtskosten nicht anfallen (§ 131 Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 KostO), bedarf es keiner Festsetzung des Gegenstandswerts.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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