Bayerisches Oberstes Landesgericht BReg 1 a Z 55/90

September 15, 2017

Bayerisches Oberstes Landesgericht BReg 1 a Z 55/90 – Ersatzerbe – Anwachsung – Erbschein beantragt – Beschwerde

I.Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 25.Juli 1990 wird zurückgewiesen.
II.Die Beteiligte zu 2 hat die den Beteiligten zu 1 und 3 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III.Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 5 417,- DM festgesetzt.

Gründe Bayerisches Oberstes Landesgericht BReg 1 a Z 55/90

I.

Die verwitwete Erblasserin ist am 17.9.1989 im Alter von 80 Jahren verstorben. Der Beteiligte zu 1 ist ihr Sohn, die Beteiligte zu 2 ihre Tochter. Ein weiterer Sohn ist am 1.4.1989 verstorben; die Beteiligte zu 3 ist dessen Tochter.

Die Erblasserin hat am 28.2.1988 ein eigenhändig geschriebenes und unterzeichnetes Testament errichtet, das auszugsweise wie folgt lautet:

“… Ich habe 3 Kinder meine Tochter M. … (Beteiligte zu 2) … mein Sohn F. … (Beteiligter zu 1) … mein Sohn H. … (Vater der Beteiligten zu 3) …

… Nach meinem Tode vermache ich meinem Sohn F. … die gesamte Wohnung mit Einrichtung bestehend … Meine Tochter M. … bekommt den sämtlichen Schmuck und Kleider. Mein Sohn H. … bekommt die 4 Goldmünzen. Alle drei Kinder bekommen ein Drittel von den 2 Sparbücher die noch vorhanden sind.”

Der Nachlaß besteht im wesentlichen aus Sparguthaben im Wert von etwa 30 000,- DM.

Die Beteiligte zu 2 hat beim Nachlaßgericht einen Erbschein beantragt, der sie als Miterbin neben dem Beteiligten zu 1 zur Hälfte ausweisen sollte. Die Beteiligte zu 3 hat einen Erbschein beantragt, der sie als Miterbin neben den Beteiligten zu 1 und 2 zu je einem Drittel ausweisen sollte.

Bayerisches Oberstes Landesgericht BReg 1 a Z 55/90

Dem hat sich der Vertreter des Beteiligten zu 1 angeschlossen. Mit Beschluß vom 11.4.1990 hat das Nachlaßgericht die Erteilung eines Erbscheins angekündigt, der bezeugt, daß die Erblasserin von den Beteiligten zu 1, 2 und 3 zu je einem Drittel beerbt worden ist. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 2 hat das Landgericht mit Beschluß vom 25.7.1990 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2, der die Beteiligten zu 1 und 3 entgegengetreten sind.

II.

Die zulässige weitere Beschwerde ist nicht begründet.

Das Landgericht hat ausgeführt, die Erblasserin habe durch Testament ihre drei Kinder zu Erben bestimmt, indem sie ihnen die Sparguthaben als wesentlichen Teil ihres Vermögens zugewendet habe, und ihre restlichen Wertgegenstände als Vorausvermächtnis verteilt. Eine Anwachsung nach dem Tod des vorverstorbenen Sohnes komme nicht in Betracht. Die Erblasserin habe ihre gesetzlichen Erben bedacht und damit die gesetzliche Erbfolge nicht ausgeschlossen. Ferner ergebe die Auslegung des Testaments, daß die Erblasserin Anwachsung ausgeschlossen habe.

Dem ausdrücklich eingesetzten Ersatzerben stünden die nachrückenden Abkömmlinge eines Erben gleich. Anhaltspunkte für einen entgegenstehenden Erblasserwillen fehlten. Die Erblasserin habe ihre Kinder über die Vorausvermächtnisse hinaus gleichmäßig zu je einem Drittel bedacht. Daß sie im Fall des Todes eines Kindes dessen Stamm von der Erbfolge ausschließen wollte, sei weder ausdrücklich noch stillschweigend erklärt, noch im Wege der Auslegung anzunehmen.

Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 27 FGG, § 550 ZPO).

Bayerisches Oberstes Landesgericht BReg 1 a Z 55/90

a) Es kann dahingestellt bleiben, ob die Annahme des Landgerichts zutreffend ist, eine Anwachsung gemäß 2094 Abs.1 Satz 1 BGB komme schon deshalb nicht in Betracht, weil die Erblasserin die gesetzliche Erbfolge (§ 1924 Abs.1 BGB) nicht ausgeschlossen (§ 1938 BGB), sondern lediglich bestätigt und somit keine Erbeinsetzung (§ 1937 BGB) gewollt habe (vgl. § 1948 BGB, Motive Bd.V S.509 zu § 2038; Palandt/Edenhofer BGB 50.Aufl. § 1937 Rn.10 a.E.; Strobl DNotZ 1965, 337/338 f.; Schramm DNotZ 1965, 734/735; Brox Erbrecht 10.Aufl. Rn.322; Schopp MDR 1978, 10).

b) Das Landgericht hat nämlich ohne Rechtsfehler festgestellt, daß die Erblasserin die Anwachsung gemäß 2094 Abs.3 BGB ausgeschlossen hat.

aa) Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht angenommen, daß das Testament vom 28.2.1988 insoweit auslegungsbedürftig ist. Die Frage, ob eine Verfügung von Todes wegen eindeutig und damit nicht auslegungsfähig oder aber unklar und damit auslegungsbedürftig ist, stellt eine Rechtsfrage dar, die vom Rechtsbeschwerdegericht nachzuprüfen und deren Verkennung als eine Gesetzesverletzung im Sinn des 27 FGG anzusehen ist (vgl. BayObLGZ 1983, 213/218 m.w.Nachw.).

Eine Auslegung war hier geboten, weil die Erblasserin zwar eindeutig ihre Kinder als Erben eingesetzt und sie hinsichtlich der restlichen Nachlaßgegenstände mit Vorausvermächtnissen (§ 2150 BGB) bedacht hat, jedoch keine ausdrückliche Bestimmung für den Fall getroffen hat, daß einer der Bedachten den Erbfall nicht erlebt (§ 1923 Abs.1 BGB).

bb) Rechtlich zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, daß das Recht des Ersatzerben der Anwachsung vorgeht ( 2099 BGB) und deshalb bei der Auslegung einer Verfügung von Todes wegen vorweg zu prüfen und festzustellen ist, ob der Erblasser Ersatzerben bestimmt hat (vgl. Faber BWNotZ 1987, 7).

cc) Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht festgestellt, daß hier eine Ersatzerbenvermutung eingreift, weil gemäß der Auslegungsregel des 2069 BGB die nach der gesetzlichen Erbfolge berufenen Abkömmlinge an die Stelle des erstberufenen Erben treten und ein davon abweichender und vorrangiger Erblasserwille nicht feststellbar ist (vgl. Palandt/Edenhofer Rn.4, Soergel/Damrau BGB 11.Aufl. Rn.7, RGRK/Johannsen BGB 12.Aufl. Rn.7, Staudinger/Otte BGB 12.Aufl. Rn.12, MünchKomm/Skibbe BGB 2.Aufl. Rn.5, jeweils zu § 2094; Faber BWNotZ 1987, 7/8; Schopp MDR 1978, 10/11).

Bayerisches Oberstes Landesgericht BReg 1 a Z 55/90

dd) Zu Recht hat das Landgericht angenommen, daß im vorliegenden Fall eine Ersatzerbeneinsetzung, also die Anwendung der Auslegungsregel des 2069 BGB, nicht durch einen entgegenstehenden Erblasserwillen ausgeschlossen ist (vgl. Palandt/Edenhofer § 2069 Rn.1 m.w.Nachw.).

Die Erblasserin hat ihre Kinder in dem Testament vom 28.2.1988 zu gleichen Teilen bedacht. Diese waren ersichtlich wegen ihrer Eigenschaft als Abkömmlinge zu Miterben eingesetzt. Die Erblasserin ist damit offensichtlich von den allgemeinen Wertvorstellungen geleitet worden, die sowohl beim gesetzlichen Erbrecht in der Erbfolge nach Stämmen (§ 1924 Abs.3 BGB) als auch in der Auslegungsregel des § 2069 BGB zum Ausdruck kommen.

Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Erblasserin für den Fall des Todes eines ihrer Kinder vor dem Erbfall dessen Stamm von der Erbfolge ausschließen wollte. Auch der Umstand, daß die Erblasserin nach dem Tod ihres Sohnes das Testament vom 28.2.1988 nicht entsprechend geändert hat, rechtfertigt nicht die Folgerung, daß sie eine Ersatzerbeneinsetzung nicht wollte. Die Erblasserin kann auch von der Vorstellung ausgegangen sein, daß die Abkömmlinge eines weggefallenen Erben ohnehin an seine Stelle treten (vgl. MünchKomm/Leipold § 2069 Rn.18).

Gemäß § 13 a Abs.1 Satz 2 FGG hat die Beteiligte zu 2 die den Beteiligten zu 1 und 3 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

Die Festsetzung des Geschäftswerts für das Verfahren der weiteren Beschwerde beruht auf § 131 Abs.2, § 31 Abs.1, § 30 Abs.1 KostO. Maßgeblich ist das Interesse der Beteiligten zu 2 am Erfolg ihres Rechtsmittels. Dieses ergibt sich aus dem Unterschied zwischen der Hälfte und einem Drittel des Reinnachlasses, dessen Wert nach den Feststellungen im Nachlaßverzeichnis auf 32 502,- DM anzusetzen ist. In Übereinstimmung mit dem Landgericht wird der Geschäftswert daher auf 5 417,- DM festgesetzt.

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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