BayObLG München 102 VA 57/22

August 31, 2022

BayObLG München 102 VA 57/22, Beschluss v. 23.08.2022

Tenor
1. Der Antrag vom 17. Mai 2022 in der Fassung vom 8. Juni 2022 wird als unzulässig verworfen.
2. Der Geschäftswert des Verfahrens wird auf bis zu 2.000,00 Euro festgesetzt.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

BayObLG München 102 VA 57/22
I.

Der Antragsteller begehrt, nach §§ 23, 27 EGGVG das Amtsgericht M. in einem Vollstreckungsverfahren zum Tätigwerden zu verpflichten.

Nach Vortrag des Antragstellers habe er in einem Verfahren vor dem Landgericht D., Az. 5 O 390/16, ein zwischenzeitlich rechtskräftiges Urteil erstritten. In diesem sei die in U. ansässige Beklagte zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung über die Richtigkeit erteilter Auskünfte verurteilt worden.

Da sich die Beklagte geweigert habe, dem nachzukommen, habe das Amtsgericht M. im Vollstreckungsverfahren (Az. 1537 M 30975/21) auf Antrag des Klägers und hiesigen Antragstellers gegen die Beklagte ein Zwangsgeld von 15.000,00 Euro festgesetzt.

Dieses sei vollstreckt worden. Dennoch habe sich die Beklagte auch im Folgenden geweigert, die eidesstattliche Versicherung abzugeben.

Der Antragsteller habe mit Schriftsatz vom 14. September 2021 beim Amtsgericht M. unter obigem Aktenzeichen den Antrag gestellt, nunmehr gegen die Beklagte und Schuldnerin ein weiteres Zwangsgeld von 25.000,00 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden könne, Zwangshaft festzusetzen.

Das Amtsgericht habe den Eingang des Antrags mit Schreiben vom 17. September 2021 bestätigt, aber im Schreiben vom 5. Oktober 2021 mitgeteilt, der Festsetzung des weiteren Zwangsgelds stehe die fehlende Vollstreckung des zunächst verhängten Zwangsgelds entgegen.

Der Antragsteller habe dies in einem Telefonat mit der zuständigen Geschäftsstelle richtiggestellt. Dennoch sei das Amtsgericht nicht tätig geworden.

Auch auf die Wiederholung des Antrags in den Schriftsätzen vom 26. Januar 2022, 11. März 2022 und 1. Mai 2022 habe das Amtsgericht in keiner Weise reagiert.

Der Antragsteller hat durch seinen Verfahrensbevollmächtigen mit Schriftsatz vom 17. Mai 2022, adressiert an das Oberlandesgericht M., eingegangen am selben Tag beim Bayerischen Obersten Landesgericht durch Übermittlung des Verfahrensbevollmächtigten,

einen Antrag nach „§§ 23, 27 EGGVG“ gestellt und beantragt, das Amtsgericht M. zu verpflichten, gegen die Schuldnerin zur Erzwingung der Versicherung an Eides Statt gemäß §§ 889 Abs. 2, 888 ZPO ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 25.000,00 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden könne, Zwangshaft festzusetzen.

Die „Beschwerde“ nach §§ 23, 27 EGGVG sei statthaft, weil es sich bei der beantragten Festsetzung des weiteren Zwangsgelds nicht um einen Akt der Rechtsprechung handele.

Zureichende Gründe, die gegen die Festsetzung sprächen, seien nicht ersichtlich. Das angerufene Oberlandesgericht sei sachlich und örtlich zuständig.

Dem vorgenannten Schriftsatz ist ein Schriftstück mit dem Inhalt „Betreff: Antrag nach §§ 23, 27 EGGVG“ „Anbei mein heute an das Bayerische Oberste Landgericht München gerichteter Antrag“ beigefügt, das ebenfalls der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers übermittelt hat.

Der Vorsitzende des Senats hat mit Verfügung vom 23. Mai 2022 den Antragsteller darauf hingewiesen, dass gegen die Zulässigkeit des Antrags erhebliche Bedenken bestünden.

Zum einen handele es sich bei der begehrten Maßnahme nicht um einen Justizverwaltungsakt, sondern um einen Akt der Rechtsprechung.

Zum anderen liege nach § 23 Abs. 3 EGGVG Subsidiarität des Verfahrens nach §§ 23 ff. EGGVG vor, da dem Gläubiger gegen die Zurückweisung seines Antrags die sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO zustehe.

Der Antragsteller hat sodann mit Schriftsatz vom 8. Juni 2022 seinen Antrag abweichend formuliert.

Er beantragt, das Amtsgericht M. als Vollstreckungsgericht zu verpflichten, sich mit dem Vollstreckungsantrag des Antragstellers vom 14. September 2021 zu befassen und Auskunft über den Stand des Verfahrens zu erteilen oder – alternativ –

mittels eines (rechtsmittelfähigen) Beschlusses mitzuteilen, welche zureichenden Gründe gegen die beantragte Vollstreckungsmaßnahme sprächen.

Zur Begründung führt der Antragsteller aus, es gehe ihm nicht um die Überprüfung einer Entscheidung des Amtsgerichts M. als Vollstreckungsgericht.

Vielmehr sei das Amtsgericht M. seit fast neun Monaten untätig, habe keine Entscheidung getroffen, keine Mitteilungen veranlasst oder Verfahrenshandlungen vorgenommen.

Damit werde dem Antragsteller das Recht auf effektiven Rechtsschutz faktisch entzogen.

Der Antragsteller mahne eine justizbehördliche Aufgabe, ein Tätigwerden, an und nicht eine richterliche Entscheidung.

Die Subsidiarität des Antrags nach §§ 23, 27 EGGVG stehe nicht entgegen, da ihm mangels einer angreifbaren Entscheidung des Amtsgerichts kein anderer Rechtsbehelf zur Verfügung stehe.

II.
BayObLG München 102 VA 57/22

Der Antrag nach § 27 Abs. 1 EGGVG ist unstatthaft und daher als unzulässig zu verwerfen.

1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Entscheidung über den Antrag berufen.

Zwar ist der Schriftsatz des Antragstellers vom 17. Mai 2022 ausdrücklich an das „Oberlandesgericht M.“ adressiert. Jedoch hat der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers diesen Schriftsatz selbst aus einem besonderen Anwaltspostfach an das Bayerische Oberste Landesgericht übermittelt und ein Schriftstück beigefügt, dass er „anbei“ seinen heute „an das Bayerische Oberste Landgericht München“ gerichteten Antrag nach „§§ 23, 27 EGGVG“ übermittele.

Das Bayerische Oberste Landesgericht ist gemäß § 25 Abs. 1, 2 EGGVG i. V m. Art. 12 Nr. 3 AGGVG für die Entscheidung über den Antrag zuständig.

2. Der Antrag ist unstatthaft, da sämtliche vom Antragsteller begehrten Maßnahmen des Amtsgerichts M. Akte der Rechtsprechung und keine Justizverwaltungsakte darstellen.

Bei einem Antrag nach § 27 EGGVG handelt es sich nicht um eine selbständige Antragsart. Vielmehr knüpft die Bestimmung an § 23 EGGVG an und setzt voraus, dass entweder über einen an die Justiz- oder Vollzugsbehörden gerichteten Antrag, eine Maßnahme im Sinne des § 23 Abs. 1 EGGVG zu treffen, oder über eine Beschwerde oder einen anderen förmlichen Rechtsbehelf im Sinne des § 24 Abs. 2 EGGVG noch nicht entschieden wurde

(OLG Hamm, Beschluss vom 23. September 1982, 7 VAs 68/82, NStZ 1983, 38;

Köhnlein in BeckOK GVG, 15. Ed. Stand 15. Mai 2022, EGGVG § 27 Rn. 2;

Mayer in Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl. 2021, EGGVG § 27 Rn. 8;

Mayer in Karlsruher Kommentar zur StPO, 8. Aufl. 2019, EGGVG § 27 Rn. 7).

Zudem muss der Antrag auf eine bestimmte, bereits bei der Justizbehörde beantragte Maßnahme und nicht nur auf Bearbeitung schlechthin gerichtet sein

(KG, Beschl v. 20. Dezember 1967, 2 VA 67/67, NJW 1968, 609;

Mayer in Kissel/Mayer, GVG, EGGVG § 27 Rn. 8;

Mayer in Karlsruher Kommentar zur StPO, EGGVG § 27 Rn. 7).

Vorliegend begehrt der Antragsteller die Verpflichtung des Amtsgerichts M. zu Akten der Rechtsprechung und keine Maßnahmen im Sinne des § 23 Abs. 1, 2 EGGVG.

Rechtsprechungsakte unterscheiden sich von Justizverwaltungsakten dadurch, dass sie durch den sachlich und persönlich unabhängigen, neutralen Richter ergehen und der Rechtsgewinnung dienen.

Ziel ist allein die richtige Rechtserkenntnis. Rechtsprechung ist dabei nicht nur das Resultat eines Verfahrens in Form von Urteilen oder Beschlüssen. Dazu gehört vielmehr das gesamte damit verbundene Verfahren.

Auch verfahrensleitende und verfahrensfördernde Maßnahmen sind deshalb wegen ihres Zusammenhangs mit der Rechtsgewinnung der Kontrolle im Verfahren nach §§ 23 bis 30 EGGVG entzogen.

Entscheidend ist der Zusammenhang mit einem konkreten, in richterlicher Unabhängigkeit durchgeführten Verfahren

(Pabst in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2022, § 23 EGGVG Rn. 5;

Rathmann in Saenger, ZPO, 9. Aufl. 2021, EGGVG § 23 Rn. 1;

Schmidt in Anders/Gehle, ZPO, 80. Aufl. 2022, EGGVG § 23 Rn. 3;

A. Schreiber in Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl. 2022, EGGVG § 23 Rn. 8).

BayObLG München 102 VA 57/22

Soll allerdings mit der fraglichen Handlung keine Streitbelegung oder letztverbindliche Klärung der Rechtslage in dem zugrundeliegenden Rechtsstreit erreicht werden, fehlt es regelmäßig am Rechtsprechungscharakter

(Pabst in Münchener Kommentar zur ZPO, § 23 EGGVG Rn. 6).

Die Gewährung von Akteneinsicht für Verfahrensbeteiligte während des laufenden Verfahrens ist hingegen Teil der Rechtsprechung und fällt daher nicht unter § 23 EGGVG

(Schmidt in Anders/Gehle, ZPO, EGGVG § 23 Rn. 7).

Soweit der Antragsteller begehrt, dass das Amtsgericht M. im Vollstreckungsverfahren durch Beschluss ein weiteres Zwangsgeld von 25.000,00 Euro festsetzen solle, handelt es sich um einen Akt der Rechtsprechung.

Der Richter hat in dem fraglichen Vollstreckungsverfahren in richterlicher Unabhängigkeit darüber zu entscheiden, ob die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die Festsetzung eines weiteren Zwangsgelds in der beantragten Höhe vorliegen.

Aber auch soweit der Antragsteller im Schriftsatz vom 8. Juni 2022 nunmehr begehrt, das Amtsgericht M. zu verpflichten, sich mit dem Vollstreckungsantrag des Antragstellers zu befassen und Auskunft über den Stand des Verfahrens zu erteilen

oder – alternativ – mittels eines (rechtsmittelfähigen) Beschlusses mitzuteilen, welche zureichenden Gründe gegen die beantragte Vollstreckungsmaßnahme sprächen, ist der Antrag auf Rechtsprechungsakte gerichtet.

Ein Beschluss, durch den mitgeteilt wird, aus welchen Gründen ein Zwangsgeld nicht festgesetzt werden kann, ist ebenso ein Akt der Rechtsprechung wie ein stattgebender Beschluss.

Auch eine Auskunft über den Stand des Verfahrens gegenüber dem dortigen Antragsteller ist ähnlich wie die Akteneinsicht durch einen Beteiligten in einem laufenden Verfahren Bestandteil der Rechtsprechung.

Soweit der Antragsteller die Verpflichtung des Amtsgerichts zur „Befassung“ mit dem Antrag auf Festsetzung des Zwangsgelds begehrt, fehlt es schon an einer beantragten konkreten Maßnahme, es geht um die Bearbeitung schlechthin.

Im Übrigen wäre die Bearbeitung des Antrags eine verfahrensleitende und gegebenenfalls verfahrensfördernde Maßnahme im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens und daher ebenfalls der Rechtsprechung zuzuordnen.

Entgegen der Ansicht des Antragstellers wird er auch nicht völlig rechtlos gestellt, wie sich aus § 198 GVG ergibt.

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da der Antragsteller die gerichtlichen Kosten des Verfahrens bereits nach den gesetzlichen Bestimmungen zu tragen hat (§ 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 19 GNotKG i. V. m. § 22 Abs. 1 GNotKG) und für eine Anordnung nach § 30 EGGVG im Hinblick auf außergerichtliche Kosten keine Gesichtspunkte sprechen.

Die nach § 3 Abs. 2 GNotKG i. V. m. Nr. 15301 KV GNotKG erforderliche Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 36 Abs. 1 GNotKG.

Die Voraussetzungen, unter denen gemäß § 29 Abs. 2 EGGVG die Rechtsbeschwerde zuzulassen ist, liegen nicht vor.

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

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Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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