Bemessung des angemessenen Unterhalts eines Beschenkten § 529 II BGB – Übergang von Unterhaltsansprüchen auf Sozialhilfeträger – BGH Urteil vom 16.04.2024 – X ZR 14/23

August 20, 2024

Bemessung des angemessenen Unterhalts eines Beschenkten § 529 II BGB – Übergang von Unterhaltsansprüchen auf Sozialhilfeträger – BGH Urteil vom 16.04.2024 – X ZR 14/23

RA und Notar Krau



Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 16. April 2024 (Az. X ZR 14/23) behandelt die Frage, ob bei der Bemessung des angemessenen Unterhalts eines Beschenkten im Rahmen des § 529 Abs. 2 BGB

die Einkommensgrenze von 100.000 Euro pro Jahr, die gemäß § 94 Abs. 1a SGB XII für den Übergang von Unterhaltsansprüchen auf Sozialhilfeträger maßgeblich ist, eine Rolle spielt.

Sachverhalt

Der Kläger, ein Sozialhilfeträger, verlangte vom Beklagten die Herausgabe einer Schenkung, die dieser von seiner inzwischen verstorbenen Mutter erhalten hatte.

Die Mutter des Beklagten hatte ihm 2011 ein Sparkonto mit einem Guthaben von 20.494,59 Euro geschenkt.

Später, ab 2018, erhielt die Mutter Pflegewohngeld und Sozialhilfe, was zu einem Herausgabeanspruch des Klägers führte, da sie bedürftig war.

Das Landgericht und das Oberlandesgericht (OLG) München hatten die Klage abgewiesen, weil der Beklagte sich auf Entreicherung berief und geltend machte, dass die Rückforderung der Schenkung seinen angemessenen Unterhalt gefährden würde.

Das OLG berücksichtigte dabei die Einkommensgrenze von 100.000 Euro aus § 94 Abs. 1a SGB XII und argumentierte, dass diese Grenze für den Beklagten maßgeblich sei.

Bemessung des angemessenen Unterhalts eines Beschenkten § 529 II BGB – Übergang von Unterhaltsansprüchen auf Sozialhilfeträger – BGH Urteil vom 16.04.2024 – X ZR 14/23

Entscheidung des BGH

Der BGH hob das Urteil des OLG München auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

In seiner Begründung stellte der BGH klar, dass die Einkommensgrenze von 100.000 Euro aus § 94 Abs. 1a SGB XII für die Bemessung des angemessenen Unterhalts eines Beschenkten nach § 529 Abs. 2 BGB keine Bedeutung hat.

Der BGH führte aus, dass § 529 Abs. 2 BGB die Leistungsfähigkeit des Beschenkten unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen prüft, ohne dass dabei die Einkommensgrenze aus dem Sozialhilferecht herangezogen werden sollte.

Der angemessene Unterhalt eines Beschenkten im Sinne des § 529 Abs. 2 BGB orientiert sich nach wie vor an den familienrechtlichen Vorschriften, insbesondere den Regelungen in § 1603 Abs. 1 und § 1610 Abs. 1 BGB.

Eine entsprechende Anwendung der sozialhilferechtlichen Einkommensgrenze wäre systemwidrig, da das Sozialhilferecht und das Zivilrecht unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen.

Rechtsfolge und weitere Anweisungen

Das Berufungsgericht muss nun den Selbstbehalt des Beklagten neu bemessen, dabei jedoch ohne Berücksichtigung der 100.000-Euro-Einkommensgrenze vorgehen.

Der BGH betont, dass die zivilrechtlichen Grundsätze zur Bemessung des Selbstbehalts weiterhin gelten und dass die Regelung aus dem Angehörigen-Entlastungsgesetz keine Auswirkungen auf das Schenkungsrecht hat.

Bemessung des angemessenen Unterhalts eines Beschenkten § 529 II BGB – Übergang von Unterhaltsansprüchen auf Sozialhilfeträger – BGH Urteil vom 16.04.2024 – X ZR 14/23

Vielmehr sind die Maßstäbe der bisherigen Rechtsprechung anzuwenden, die auf dem Sockelbetrag sowie der Hälfte des darüber hinausgehenden Einkommens basieren.

Sollte das Berufungsgericht zu dem Schluss kommen, dass der Beklagte tatsächlich leistungsfähig ist, muss es sich auch mit der Frage der Entreicherung befassen, die bisher nicht geprüft wurde.

Fazit

Das Urteil verdeutlicht die Trennung zwischen sozialhilferechtlichen Regelungen und zivilrechtlichen Ansprüchen.

Während die Einkommensgrenze von 100.000 Euro im Sozialhilferecht für den Übergang von Unterhaltsansprüchen relevant ist, bleibt sie für die Frage des angemessenen Unterhalts nach § 529 Abs. 2 BGB unberücksichtigt.

Das Berufungsgericht muss nun die Leistungsfähigkeit des Beklagten ohne Rückgriff auf die sozialhilferechtliche Einkommensgrenze neu bewerten.

Schlagworte

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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