Beschränkte Haftung des Erben für Gesellschaftsschulden – BGH Urteil vom 21. Dezember 1970 – II ZR 258/67

Juni 22, 2020

Beschränkte Haftung des Erben für Gesellschaftsschulden – BGH Urteil vom 21. Dezember 1970 – II ZR 258/67

Zusammenfassung RA und Notar Krau

Tenor

Das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 28. April 1967 wurde aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Die Klägerin führte Bauarbeiten für die Wilhelm R KG aus, die am 22. Dezember 1959 beauftragt wurden.

Die Beklagten, die Erben des am 11. April 1959 verstorbenen persönlich haftenden Gesellschafters Dr. Hans Sch, sollen für einen Teil der Bauforderungen haften.

Die Beklagte zu 1 ist die Ehefrau, der Beklagte zu 2 der minderjährige Sohn des Erblassers.

Bereits vor dem Erbfall war die Beklagte Kommanditistin der KG. Laut Gesellschaftsvertrag (§ 5) wird die Gesellschaft mit den Erben eines verstorbenen Gesellschafters fortgesetzt.

Nach Dr. Hans Sch’s Tod meldeten die Beklagte zu 1 und die übrigen Gesellschafter in notariell beglaubigter Urkunde die Änderungen an das Handelsregister an, darunter das Ausscheiden des verstorbenen persönlich haftenden Gesellschafters und das Eintreten der Beklagten zu 1 als persönlich haftende Gesellschafterin.

Diese Anmeldung führte jedoch nicht zur Eintragung ins Handelsregister.

Beschränkte Haftung des Erben für Gesellschaftsschulden – BGH Urteil vom 21. Dezember 1970 – II ZR 258/67

Am 27. Januar/4. Februar 1960 vereinbarten die Beklagte zu 1 und die übrigen Gesellschafter, dass die Erbengemeinschaft aus der KG ausscheidet.

Die Klägerin fordert 35.406,78 DM nebst Zinsen von den Beklagten, da sie ihrer Ansicht nach als persönlich haftende Gesellschafter die Schulden übernommen hätten und erst durch den notariellen Vertrag vom 27. Januar 1960/4. Februar 1960 aus der Gesellschaft ausgeschieden seien.

Die Beklagten beantragen die Abweisung der Klage und bestreiten die Haftung, da ihnen bereits vor dem Vertrag vom 22. Dezember 1959 die Stellung von Kommanditisten eingeräumt worden sei.

Das Landgericht wies die Klage ab, das Oberlandesgericht erklärte sie dem Grunde nach für gerechtfertigt. Die Beklagten beantragen die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

I. Eintritt in die Stellung als persönlich haftende Gesellschafter

Das Berufungsgericht befand, dass die Beklagten durch den Gesellschaftsvertrag (§ 5) mit dem Tod von Dr. Hans Sch als dessen Erben die Stellung als persönlich haftende Gesellschafter übernahmen, ohne dass eine besondere Erklärung erforderlich war.

Diese Nachfolge richtete sich nach allgemeinen erbrechtlichen Regeln und trat automatisch mit dem Erbfall ein.

II. Haftung für Verbindlichkeiten nach Ausscheiden

Das Berufungsgericht entschied weiter, dass das Ausscheiden der Beklagten aus der Gesellschaft ihre Haftung für die am 22. Dezember 1959 geschlossenen Verträge nicht beeinflusste.

Beschränkte Haftung des Erben für Gesellschaftsschulden – BGH Urteil vom 21. Dezember 1970 – II ZR 258/67

Nach § 159 HGB haften Gesellschafter auch nach ihrem Ausscheiden für bereits begründete Verbindlichkeiten.

III. Kommanditistenstellung und § 181 BGB

Das Berufungsgericht sah die Vereinbarungen über die Kommanditistenstellung aufgrund eines Verstoßes gegen § 181 BGB als unwirksam an, da die Beklagte zu 1 sowohl im eigenen Namen als auch als gesetzliche Vertreterin des minderjährigen Beklagten zu 2 handelte.

A. Anspruch gegen die Beklagte zu 1

Bei mehreren Erben wird jeder Erbe entsprechend seiner Erbquote Inhaber des Gesellschaftsanteils des Erblassers.

Der Antrag nach § 139 HGB war an die “übrigen Gesellschafter” zu richten, nicht an die Miterben.

Die Beklagte zu 1 erhielt die Kommanditistenstellung wirksam, da ihr Antrag von den anderen alten Gesellschaftern angenommen wurde. Ein Verstoß gegen § 181 BGB lag nicht vor.

Die Stellung als Kommanditistin wäre auch bei negativem Kapitalanteil des Erblassers nicht hinderlich gewesen.

Das Berufungsgericht muss prüfen, ob die Vereinbarung über die Kommanditistenstellung getroffen wurde und ob sich die Klägerin auf §§ 15, 176 Abs. 2 HGB berufen kann.

Beschränkte Haftung des Erben für Gesellschaftsschulden – BGH Urteil vom 21. Dezember 1970 – II ZR 258/67

B. Anspruch gegen den Beklagten zu 2

Die Vereinbarung über die Kommanditistenstellung war ein Vertrag zwischen dem Beklagten als Erben und den übrigen Gesellschaftern der KG, zu denen auch die Beklagte zählte.

Die Beklagte war von der Vertretung des Beklagten nach § 181 BGB ausgeschlossen.

Der Vertrag war schwebend unwirksam und bedurfte der Genehmigung durch den Beklagten.

Diese erfolgte nicht, da die Erklärung vom 9. März 1960 nur den notariellen Vertrag vom 27. Januar 1960/4. Februar 1960 betraf.

Der Beklagte wollte die schwebend unwirksame Vereinbarung nicht genehmigen.

Das Berufungsgericht hat den Hilfsantrag des Beklagten auf Beschränkung der Haftung auf den Nachlass übersehen.

Der Beklagte haftet für die Forderung der Klägerin nur nach erbrechtlichen Grundsätzen, kann aber seine Haftung auf den Nachlass beschränken.

§ 15 Abs. 1 HGB greift nicht, da es sich bei der beschränkten Erbenhaftung nicht um eine einzutragende Tatsache handelt.

Der Rechtsstreit muss auch in Bezug auf den Beklagten zu 2 zurückverwiesen werden, um zu klären, ob die Haftungsbeschränkung noch besteht und ob der Nachlass haftbar ist.

Fazit

Das Urteil des Oberlandesgerichts wurde aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, um die Fragen der Wirksamkeit der Kommanditistenstellung und der erbrechtlichen Haftungsbeschränkung zu klären.

Schlagworte

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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