BFH IX R 31/16

September 3, 2017

BFH IX R 31/16 Beitrittsaufforderung an BMF: Entschädigung für Überspannung eines Grundstücks mit einer Stromleitung

Leitsätze

Das BMF wird aufgefordert, dem Verfahren beizutreten, um zu der Frage Stellung zu nehmen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine einmalige Entschädigung, die für die Überspannung eines zum Privatvermögen gehörenden Grundstücks mit einer Hochspannungsleitung gezahlt wird, zu den nach dem EStG steuerbaren Einkünften zählt.

Tenor

Das Bundesministerium der Finanzen wird aufgefordert, dem Verfahren IX R 31/16 beizutreten.

Tatbestand BFH IX R 31/16

I.
1
Streitig ist, ob die anlässlich der Überspannung eines Grundstücks mit einer Hochspannungsleitung gezahlte Einmalentschädigung steuerbar ist.
2
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Ehegatten und wurden im Streitjahr 2008 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist Eigentümer eines bebauten und von den Ehegatten selbst bewohnten Grundstücks.

Anlässlich der Planung einer Hochspannungsleitung, die genau über das Grundstück führen sollte, schloss der Kläger mit der D-GmbH im Oktober 2008 eine Vereinbarung, wonach die D-GmbH “zum Zwecke von Bau, Betrieb und Unterhaltung elektrischer Leitungen nebst Zubehör einschließlich Steuer- und Telekommunikationskabel und aller dazu erforderlichen Vorkehrungen” berechtigt war, das Grundstück des Klägers in Anspruch zu nehmen. Hierfür wurde dem Kläger, der sich zu der Bewilligung einer entsprechenden beschränkten persönlichen Dienstbarkeit im Grundbuch verpflichtete, eine einmalig zu zahlende Gesamtentschädigung in Höhe von 17.904 EUR gewährt.

Der Betrag der Entschädigung wurde wie folgt ermittelt: Verkehrswert für das betroffene Bau-/Gewerbeland 170 EUR/qm, davon 10 % = 17 EUR/qm x 1.050 qm = 17.850 EUR, zzgl. 54 EUR für 36 m Telekommunikationslinie. Etwaige Verpflichtungen hinsichtlich der künftigen Nutzung bzw. Nichtnutzung des Grundstücks wurden dem Kläger nicht auferlegt. Die Zahlung erfolgte am 27. November 2008. Ein Mast wurde auf dem Grundstück des Klägers nicht erbaut. Dieses wurde lediglich überspannt.

3
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2008 ließen die Kläger die Entschädigung unberücksichtigt. Die Einkommensteuer 2008 wurde mit Bescheid vom 16. September 2009 auf 17.529 EUR festgesetzt.
4
Im Oktober 2012 erfuhr der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) durch eine Kontrollmitteilung des Finanzamts für Groß- und Konzernbetriebsprüfung von dem o.g. Vertrag. Es nahm dies zum Anlass, die Einkommensteuer 2008 mit Änderungsbescheid vom 31. Oktober 2012 unter Hinweis auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung auf 24.094 EUR heraufzusetzen. Dabei wurden Einkünfte aus sonstigen Leistungen nach § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 17.904 EUR berücksichtigt.
5
Das dagegen angestrengte Einspruchsverfahren der Kläger blieb mit Einspruchsentscheidung vom 11. Juni 2013 erfolglos.

BFH IX R 31/16

6
Mit seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 1877 veröffentlichten Entscheidung wies das Finanzgericht (FG) die Klage ab. Zwar lägen keine Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 3 EStG vor.

Denn sowohl die Überspannung des Grundstücks als auch die Eintragung einer entsprechenden Grunddienstbarkeit hätten notfalls auch zwangsweise durch Enteignung durchgesetzt werden können. Es lägen jedoch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG vor. Das Entgelt für die Belastung eines Grundstücks mit einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit habe keinen endgültigen Rechtsverlust zur Folge und sei hier als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung zu beurteilen.

Die Gegenleistung des Klägers bestehe ausschließlich darin, der D-GmbH einen Teil des Luftraums über seinem Grundstück für den Betrieb der Hochspannungsleitung zur Nutzung zu überlassen und der Eintragung einer entsprechenden Grunddienstbarkeit zuzustimmen. Damit liege der Vereinbarung nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt eine Nutzungsüberlassung gegen Entgelt zu Grunde.

7
Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung von Bundesrecht. Sie hätten keine Chance gehabt, die Überspannung zu verhindern, da sie ansonsten zwangsweise dazu verpflichtet worden wären. Dies hätte zu einer Teilenteignung geführt. Die Überspannung habe zu einer erheblichen Wertminderung geführt. Diese werde nicht durch den gezahlten Betrag ausgeglichen. Ein derartiger endgültiger Rechtsverlust führe nicht zu Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung.
8
Die Kläger beantragen sinngemäß,

die Entscheidung des FG vom 20. September 2016  10 K 2412/13 E, die Einspruchsentscheidung vom 11. Juni 2013 und den Einkommensteuerbescheid 2008 vom 31. Oktober 2012 aufzuheben.

9
Das FA beantragt sinngemäß,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

10
Es hält daran fest, dass die erhaltene Entschädigungszahlung den Einkünften nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zuzuordnen sei.

Entscheidungsgründe BFH IX R 31/16

II.
11
Der Senat nimmt das Revisionsverfahren zum Anlass, sich grundlegend mit der Rechtsfrage zu befassen, ob, unter welchen Voraussetzungen und gegebenenfalls in welchem Umfang eine einmalige Entschädigung, die für die Überspannung eines zum Privatvermögen gehörenden Grundstücks mit einer Hochspannungsleitung gezahlt wird, nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes steuerbar ist, wenn der Grundstückseigentümer hierfür eine Grunddienstbarkeit bewilligen muss. Der Senat hält es für angezeigt, das Bundesministerium der Finanzen (BMF) an diesem Revisionsverfahren zu beteiligen und zum Beitritt aufzufordern (§ 122 Abs. 2 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung).

BFH IX R 31/16

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

Inhalt Rechtsmittelbelehrung im Hinblick auf § 52d FGO – Wiedereinsetzung in vorigen Stand Wechsel Prozessbevollmächtigten – BFH VI B 13/23

Februar 18, 2024
Inhalt Rechtsmittelbelehrung im Hinblick auf § 52d FGO – Wiedereinsetzung in vorigen Stand Wechsel Prozessbevollmächtigten – BFH VI B 13/23Zus…
blue and gray high rise building

(Teilweise) Aussetzung der Festsetzung oder Feststellung nach § 165 I 4 AO – BFH IV R 13/21

Februar 4, 2024
(Teilweise) Aussetzung der Festsetzung oder Feststellung nach § 165 I 4 AO – BFH IV R 13/21 – Urteil vom 30. November 2023,vorgehend FG Düss…
loving family laughing at table having cozy meal

BFH III R 40/22 – Kindergeld im Vereinigten Königreich vor dem Brexit

Februar 4, 2024
BFH III R 40/22 – Kindergeld im Vereinigten Königreich vor dem Brexit – Urteil vom 30. November 2023, Koordinierungsverfahrenvorgehend Finanz…