BGH IV ZR 60/22

Februar 7, 2023

BGH IV ZR 60/22 Pflichtteilsberechtigten steht nach Ausschlagung Erbteil gem. § 2306 I BGB Auskunftsanspruch gem. § 2314 I BGB zu

Zusammenfassung RA und Notar Krau

Sachverhalt:

Der Kläger und der Beklagte waren Kinder eines Erblassers.

Der Erblasser hatte in seinem Testament unter anderem Grundstücksvermächtnisse und eine Testamentsvollstreckung angeordnet.

Der Kläger schlug die Erbschaft aus und trat seinen Pflichtteilsanspruch an seine Stieftochter ab.

Er verlangte vom Beklagten Auskunft über den Nachlass, um seinen Pflichtteilsanspruch beziffern zu können.

Entscheidung des BGH:

Der BGH wies die Revision des Beklagten zurück. Dem Kläger stand auch nach Ausschlagung des Erbteils ein Auskunftsanspruch zu.

BGH IV ZR 60/22

Begründung:

Der BGH führte aus, dass § 2314 BGB nicht nur dem enterbten Pflichtteilsberechtigten, sondern auch demjenigen zusteht, der die Erbschaft ausgeschlagen hat.

Zentrale Argumente des Gerichts:

  • Wortlaut und Systematik: Der Wortlaut des § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB („Der Pflichtteilsberechtigte, der nicht Erbe ist, …“) differenziert nicht nach dem Grund der fehlenden Erbenstellung. Die Vorschrift umfasst daher sowohl die Enterbung als auch die Ausschlagung.
  • Gesetzessystematik: Der vorläufige Erbe, der seinen Erbteil wirksam ausgeschlagen hat, ist gemäß § 1953 Abs. 1 BGB rückwirkend als Nichterbe anzusehen.
  • Entstehungsgeschichte: Die Entstehungsgeschichte des § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB spricht ebenfalls für die Annahme eines Auskunftsanspruchs nach Ausschlagung.
  • Sinn und Zweck: Der Sinn und Zweck des § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB, dem Pflichtteilsberechtigten die notwendigen Informationen zur Berechnung seines Anspruchs zu verschaffen, sprechen gegen eine einschränkende Auslegung.
  • Hilfsanspruch: Der Auskunftsanspruch ist ein unselbständiger Hilfsanspruch, der dem Pflichtteilsberechtigten die Berechnung seines Anspruchs ermöglichen soll.
  • Keine Verbesserung der Rechtsstellung: Die Annahme eines Auskunftsanspruchs nach Ausschlagung führt nicht zu einer Verbesserung der Rechtsstellung des Pflichtteilsberechtigten gegenüber dem Miterben.
  • Prozessführungsbefugnis: Der Kläger war trotz der Abtretung seines Pflichtteilsanspruchs prozessführungsbefugt, da er in der Klageschrift behauptet hatte, dass ihm der Auskunftsanspruch zusteht.
  • Aktivlegitimation: Der Kläger war auch aktivlegitimiert, da er den Auskunftsanspruch im eigenen Namen geltend machen konnte.

BGH IV ZR 60/22

Fazit:

Der BGH hat entschieden, dass der Kläger auch nach Ausschlagung des Erbteils einen Anspruch auf Auskunft über den Nachlass hat.

Die Entscheidung stärkt die Rechte der Pflichtteilsberechtigten und erleichtert ihnen die Durchsetzung ihrer Ansprüche.

RA und Notar Krau

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