FG München 4 K 4978/03

September 16, 2017

FG München 4 K 4978/03 Kaufrechtsvermächtnis oder Teilungsanspruch im ErbStG – Vorausvermächtnis in Form eines Kaufrechtsvermächtnisses

Tatbestand FG München 4 K 4978/03

Streitig ist, ob ein Vorausvermächtnis in Form eines Kaufrechtsvermächtnisses vorliegt, bzw. die Höhe eines solchen Vermächtnisses.

Die Erblasserin, Frau, verstarb am 08. März 1994. Sie wurde von 17 Erben beerbt. Die Erbquote des Klägers beträgt 2 %. Im ursprünglichen, mit ihrem bereits früher verstorbenen

Ehemann Dr. gemeinsamen Testament vom 08. Juli 1975, geändert und ergänzt in mehreren Nachträgen, verfügte sie am 01. März 1967 über das Anwesen L (Einheitswert 140 % 93.240 DM, Bl. 4, 59 Bd. I./FA-Akte): “Der Testamentsvollstrecker soll bezüglich dieses Hauses eine geschlossene Versteigerung durchführen nach folgenden Regeln:

Zugelassen zur 1. Versteigerung werden:

a) …..
b) Dr. med.A (gest. 20. Juni 1977), Berlin, sowie seine 2 Kinder
c) Maria und ihre 3 Kinder
d) Irmgard und ihre 4 Kinder
e) Dr. J und seine 4 Kinder

Das Grundstück erhält derjenige von den zur Versteigerung zugelassenen Personen, der das höchste Gebot legt, mindestens jedoch 7/10 des Verkehrswertes, den der Testamentsvollstrecker durch einen vereidigten Sachverständigen hat ermitteln lassen.

FG München 4 K 4978/03

Derjenige, der auf diese Weise das Meistgebot gelegt hat, erwirbt dann von der Erbengemeinschaft, vertreten durch den Testamentsvollstrecker, das Grundstück zu den Bedingungen des Meistgebotes mit folgender Zahlungsmodalität:

Binnen 3 Monate nach Legung des Gebotes ist die Hälfte des Kaufpreises in bar an den Testamentsvollstrecker zu bezahlen. Die 2. Hälfte des Kaufpreises ist in 10 gleichen Jahresraten zu bezahlen, der jeweilige Kaufpreisrest ist mit 4 % zu verzinsen. Für die 2. Kaufpreishälfte ist eine Sicherungshypothek am Grundstück zu bestellen, die die Rangstelle nach einer vorrangigen Hypothek von höchstens 50 % des Gesamtkaufpreises hat. Bei Zahlungsverzug kann die Restforderung sofort fällig gestellt werden. Im Übrigen bestimmt die Bedingungen der Testamentsvollstrecker.

Kommt es bei dieser 1. Ausbietung im geschlossenen Kreis zu keinem Gebot, das 70 % des Verkehrswertes erreicht, so hat der Testamentsvollstrecker ein 2. Bietungsverfahren mit folgenden Personen durchzuführen:

a) C mit Tochter
b) E mit Tochter
c) Dr. H mit Kindern

Wird auch von diesem Personenkreis kein Angebot in Höhe von 7/10 des Verkehrswertes abgegeben, hat der Testamentsvollstrecker das Anwesen L bestmöglich zu verwerten”.

Mit Gutachten vom 16. Dezember 1994 ermittelte Herr Dipl-Ing. (von der Industrie- und Handelskammer öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für bebaute und unbebaute Grundstücke) den Verkehrswert des Wohn- und Geschäftshauses in  L mit 1.312.000 DM.

Bei der ersten geschlossenen Versteigerung gab der Kläger das höchste Gebot und erwarb das Grundstück mit Kaufvertrag vom 27. November 1995 für 871.652 DM, wobei auf Stundung der zweiten Kaufpreishälfte verzichtet und der Zahlungsbetrag entsprechend abgezinst wurde.

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Mit Erbschaftsteuerbescheiden vom 26. März 1996 ermittelte der Beklagte, das Finanzamt, den Wert des Reinnachlasses auf 1.349.589 DM (EW-Grundstück 93.240 DM zuzüglich Wertpapiere und Guthaben s. Bl. 114). Bei dem Kläger ging das Finanzamt zusätzlich neben seinem Erbanteil von 26.991 DM (s. Bl. 118/FA-Akte) bezüglich des Grundstücks von einem ihm zusätzlich zugewandten Kaufrechtsvermächtnis in Höhe von 470.375 DM (gemeiner Wert des Grundstücks lt. Gutachten 1.312.000 DM ./. Zahlung an die Erben 871.625 DM) aus. Bei den übrigen Erben ging das Finanzamt vom Einheitswert abzüglich des gemeinen Werts des Kaufrechtsvermächtnisses in Höhe von 440.375 DM aus (Bl. 67/FA-Akte).

Die Bescheide ergingen auch vorläufig gem. § 165 Abs. 1 AO hinsichtlich der Höhe von Steuererstattungen und Steuerschulden der Erblasserin. Diese Bescheide wurden gem. § 165 Abs. 2 AO am 17. Juni 1992 wegen Steuererstattung i. H. v. 1.620 DM geändert (s. Bl. 136/FA-Akte), wobei ein Reinnachlass i. H. v. 1.351.209 DM zu Grunde gelegt wurde.

Im Einspruchsverfahren brachte der Kläger vor, dass kein Kaufrechtsvermächtnis vorgelegen habe. Die Erblasserin habe lediglich mit ihren Anweisungen eine Verwertungsregelung treffen, aber niemandem einen besonderen Kaufvorteil zugestehen wollen. Abgesehen davon sei der gemeine Wert des Grundstücks vom Gutachter falsch ermittelt worden. Danach ergebe sich lediglich ein Verkehrswert i. H. v. 865.492 DM, sodass der Kaufpreis i. H. v. 871.625 DM bereits darüber läge.

Das Finanzamt zog mit Schreiben vom 26. Juli 1996 die übrigen Miterben gem. § 174 Abs. 4 und 5 AO förmlich zum Verfahren hinzu.

Im Hinblick auf die damals anhängigen Verfahren zur Besteuerung von Kaufrechtsvermächtnis beim BFH stellte das Finanzamt die Entscheidung zunächst zurück. Mit Einspruchsentscheidung vom 13. November 2003 wies es den Einspruch dann als unbegründet zurück.

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Mit der Klage trägt der Kläger vor, dass kein Kaufrechtsvermächtnis vorliege, weil keinem Miterben ein Anspruch auf Erwerb des Grundstücks zu einem bestimmten Preis eingeräumt worden wäre, was der ehemalige Testamentsvollstrecker als Zeuge bestätigen könne. Falls doch, so werde die Richtigkeit des Verkehrswertgutachtens des Dipl.-Ing. vom 16. Dezember 1994 bestritten insoweit, wie es um die Ertragswerterhöhung um 334.222 DM gehe (wegen der weiteren Einzelheiten und der Beweisanträge hierzu wird auf den Klägerschriftsatz vom 25. März 2004 verwiesen). Dadurch ergebe sich keine positive Differenz zwischen Verkehrswert und Kaufpreis und somit kein Kaufrechtsvermächtnis und hilfsweise sei durch ein vom Gericht angeforderten Sachverständigengutachten der richtige Verkehrswert festzustellen.

Der Kläger beantragt, den Erbschaftsteuerbescheid vom 26. März 1996 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 17. Juni 1996 und der Einspruchsentscheidung vom 13. November 2003 dahingehend zu ändern, dass das Vorausvermächtnis nicht berücksichtigt wird.

Das Finanzamt beantragt Klageabweisung, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Mit Beschluss vom 10. November 2005 wurden die Miterben zum Verfahren beigeladen.

Am 23. März 2006 hat vor dem Senat mündliche Verhandlung in öffentlicher Sitzung stattgefunden. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.

Entscheidungsgründe FG München 4 K 4978/03

  1. Die Klage ist begründet.

Entgegen der Auffassung des Finanzamts liegt kein Vorausvermächtnis in Gestalt eines Kaufrechtsvermächtnisses zu Gunsten des Klägers vor. Die Anordnung der Erblasserin stellt nur eine Teilungsanordnung gemäß § 2048 BGB dar, die nur die Erbauseinandersetzung betrifft und deshalb für die Bemessung der Erbst unbeachtlich ist (s. BFH-Urteil vom 1.4.1992 II R 21/89, BStBl II 1992, 669).

Ein Vorausvermächtnis liegt nämlich nur vor, wenn zu Lasten der übrigen Miterben ein Miterbe vom Erblasser zusätzlich zu seinem Erbteil etwas erhalten soll (§ 2150 BGB).Dies gilt auch im ErbStG, das der zivilrechtlichen Betrachtungsweise folgt (zum Vorausvermächtnis s. BFH-Urteil vom 2.7.2004 II R 73/01, BFH/NV 2005, 2114, 216 sowie Urteil des Senats vom 3.7.2002 4 K 4893/00 EFG 2002, 1464). Hier hatte jedoch jeder Miterbe das Recht, sich an der Versteigerung zu beteiligen.

Entgegen der Auffassung des Finanzamts stellt dies nicht jeweils ein aufschiebend bedingtes Vorausvermächtnis für alle Miterben dar, weil ein Vorausvermächtnis den Begünstigungswillen des Erblassers für einen bestimmten Miterben voraussetzt (s. Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl. § 2150 RdNr. 7 und § 2048 RdNr.16 m.w.N. zur BGH-Rspr. in Fußnote 59; Palandt BGB 64. Aufl. § 2048 Rn. 5) oder zumindest in Sonderfällen(s. dazu BGH-Urteil vom 7.12.1994 IV ZR 291/93, NJW 1995, 721) den Willen aus einem anderen Grund als der Erbeinsetzung einem der Miterben einen bestimmten Gegenstand zuzuwenden (s. dazu Troll/Gebel/Jülicher ErbStG § 3 Tz.116).

Ein solcher Wille ist hier nicht ersichtlich, abgesehen davon, dass hier nur mindestens 7/10 des Verkehrswerts vom Ersteigerer zu zahlen waren, er u.U, sogar den Verkehrswert oder sogar einen höheren Preis hätte zahlen müssen und damit gar keinen Vermögensvorteil im Sinn von § 1939 BGB gehabt hätte.

FG München 4 K 4978/03

Zudem würde ein Kaufrechtsvermächtnis (s. dazu BFH-Urteile vom 6.6.2001 II R 76/99, BStBl II 2001, 605 und vom 1.8.2001 II R 47/00, BFH/NV 2002, 788) voraussetzen, einen Nachlassgegenstand zu einem unter dem Verkehrswert liegenden Preis zu erwerben und nicht nur wie in der Streitsache die Chance, u.U. je nach Bieterkonkurrenz, ihn günstig zu einem Mindestpreis zu erwerben.

Der Nachlasswert der Aktiva in Höhe von 1.951.082 DM (Bl. 114 RsFA /Akte), erhöht um die Steuererstattungen in Höhe von 1620 DM (Bl. 136 FA-Akte), ist demnach nicht um den vom Finanzamt angesetzten Wert von 440.375 DM für ein Kaufpreisvermächtnis, sondern nur um 161.118 DM unstr. Nachlassverbindlichkeiten (601.493 DM ./. 440.375 DM)zu mindern, so dass 2% Erbquote des Klägers vom Nachlasswert 35.831 DM ergeben.

Abzüglich des Freibetrags von 3.000 DM in Steuerklasse IV sind dies abgerundet 32.800 DM. Dies ergibt bei einem Steuersatz von 20 % eine Erbschaftsteuer in Höhe von 6.560 DM (= 3.354,06 €).

Die Kostenentscheidung erfolgt gemäß § 135 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 FGO. Da von den Beigeladenen keine Sachanträge gestellt wurden, kam eine Kostenerstattung nicht in Betracht (s. Gräber FGO, 5. Aufl. § 139 Rz. 34).

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

Wegen Fehlens grundsätzlicher Bedeutung war die Revision nicht zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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