LG Gera 4 O 1999/19

August 12, 2022

LG Gera 4 O 1999/19,

Beschluss vom 16.04.2021

Tenor

Der Antrag des Klägers vom 17.12.2019 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe LG Gera 4 O 1999/19

I.

Der Antragsteller ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der hiesigen Gemeinschuldnerin, der S- und I S GmbH. Er ist des weiteren Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn S T. Herr T wiederum ist der alleinige Geschäftsführer der hiesigen Gemeinschuldnerin.

Mit der nach Gewährung von Prozesskostenhilfe zu erhebenden Klage beabsichtigt der Antragsteller, die Zustimmung der Antragsgegnerin zur Freigabe einer beim Amtsgericht Altenburg hinterlegten Sicherheit in Höhe von 7.945,50 Euro zu erlangen.

Die Antragsgegnerin hatte gegen Herrn S.T. persönlich ein Klageverfahren angestrengt, welches am Landgericht Gera zum Aktenzeichen 3 O 1346/14 geführt wurde. In diesem Verfahren erging am 10.02.2015 Versäumnisurteil gegen Herrn T. persönlich. Die damaligen Prozessbevollmächtigten des Herrn T. legten gegen dieses Versäumnisurteil mit Schriftsatz vom 24.02.2015 Einspruch ein und beantragten, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne Sicherheitsleistung, hilfsweise gegen Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen.

Zur Begründung führten sie aus, dass Herr T. über kein nennenswertes Vermögen verfüge und daher nicht in der Lage sei, die Sicherheit in der notwendigen Höhe zu erbringen. Daraufhin beschloss das Landgericht Gera am 30.03.2015 die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus diesem Versäumnisurteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages. Auf dieser Grundlage erfolgte am 24.04.2015 die Hinterlegung einer Sicherheit in Höhe von 7.945,50 Euro beim Amtsgericht Altenburg zum Aktenzeichen 0569 HL 19/15.

Die Antragsgegnerin als damalige Klägerin erhielt zur Kenntnis dessen den an das Amtsgericht Altenburg gerichteten Antrag auf Annahme von Geldhinterlegungen sowie einen entsprechenden Überweisungsbeleg übersandt. In dem Hinterlegungsantrag war Herr S.T. persönlich als Antragsteller sowie – neben der Antragsgegnerin – auch als Empfangsberechtigter der hinterlegten Sicherheit eingetragen. Aus dem Überweisungsbeleg ging hervor, dass die Zahlung der Sicherheitsleistung über ein Konto der Gemeinschuldnerin bei der Commerzbank erfolgt war.

LG Gera 4 O 1999/19

Am 03.06.2016 erging in dem am Landgericht Gera zum Aktenzeichen 3 O 1346/14 geführten Verfahren zweites Versäumnisurteil gegen Herrn S.T. persönlich. Am 13.06.2016 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Herrn S.T. eröffnet. Aus diesem Grund trat in dem genannten Verfahren 3 O 1346/14 gemäß § 240 ZPO Unterbrechung ein, bevor das zweite Versäumnisurteil in Rechtskraft erwuchs. Am 28.12.2017 nahm die hiesige Antragsgegnerin und dortige Klägerin den dortigen Rechtsstreit wieder auf. In diesem Zusammenhang erklärte der hiesige Antragsteller mit Schriftsatz vom 12.03.2018, dass die im dortigen Verfahren gestellte Sicherheit von der hiesigen Gemeinschuldnerin geleistet worden war. Am 17.08.2018 wurden die Versäumnisurteile im Verfahren 3 O 1346/14 für rechtskräftig erklärt.

Der Antragsteller ist der Ansicht, es handele sich bei der hinterlegten Sicherheit um eine unentgeltliche Leistung der hiesigen Gemeinschuldnerin, die deshalb der insolvenzrechtlichen Anfechtung unterliege. Insbesondere sei die der unentgeltlichen Leistung zu Grunde liegende Rechtshandlung erst mit Erteilung des Rechtskraftvermerks vom 17.08.2018 betreffend die im Verfahren 3 O 1346/14 ergangenen Versäumnisurteile abgeschlossen worden.

Zu diesem Zeitpunkt habe die Antragsgegnerin aber – was unstreitig ist – Kenntnis davon gehabt, dass die im dortigen Verfahren hinterlegte Sicherheit von der hiesigen Gemeinschuldnerin aufgebracht worden war. Ungeachtet dessen hätte der Antragsgegnerin aber auch bereits zum Zeitpunkt der Hinterlegung der Sicherheit bekannt sein müssen, dass der Herr T. persönlich über kein hinreichendes Vermögen zur Gestellung der Sicherheit verfüge.

Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, dass die Hinterlegung als anzufechtende Rechtshandlung bereits zum Zeitpunkt des Eingangs des Geldes auf dem Hinterlegungskonto im April 2015 als beendet anzusehen sei. Zu diesem Zeitpunkt habe die Antragsgegnerin und Klägerin in dem Verfahren, in dem die Hinterlegung erfolgte, ein Recht, nämlich ein Pfandrecht an der Sicherheitsleistung erlangt. Zu diesem Zeitpunkt habe sich die Hinterlegung der Sicherheit aber als Leistung des Herrn T. persönlich dargestellt.

II.

Das Gesuch des Antragstellers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe bleibt ohne Erfolg, weil die beabsichtigte Klage keine hinreichenden Erfolgsaussichten bietet, § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Der Antragsteller hat keinen Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf Zustimmung zur Auszahlung der beim Amtsgericht Altenburg hinterlegten Sicherheit i.H.v. 7.945,50 Euro, da der Antragsgegnerin ein Pfandrecht an dieser Sicherheit gem. § 233 BGB zusteht (vgl. dazu auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 03. Januar 2017 – 20 VA 3/16 -, Rn. 33, juris).

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1. Dieses Pfandrecht hat die Antragsgegnerin nicht in anfechtbarer Weise gem. § 134 Abs. 1 InsO als unentgeltliche Leistung der hiesigen Gemeinschuldnerin erlangt.

Die Hinterlegung der Sicherheit stellt keine (unentgeltliche) Leistung der hiesigen Gemeinschuldnerin dar. Ob eine angefochtene Rechtshandlung als eine solche des Insolvenzschuldners anzusehen ist, beurteilt sich bei Zahlungen in Drei-Personen-Verhältnissen nach objektiven Maßstäben aus der Sicht des Empfängers (s. BGH, Urteil vom 05. Juli 2018 – IX ZR 126/17 -, juris).

Im Falle einer – wie hier vorliegenden – mittelbaren unentgeltlichen Zuwendung, bei der der Insolvenzschuldner durch Zahlung an den Anfechtungsgegner als Drittgläubiger – hier die hiesige Antragsgegnerin – eine unentgeltliche Leistung zugunsten des Drittschuldners – hier des Herrn T. persönlich – erbringt, muss der Empfänger der Leistung erkennen, von wem diese erfolgt. Ihm muss bekannt sein, dass es sich um eine freigiebige Leistung des Insolvenzschuldners und nicht um eine solche seines Drittschuldners handelt (s. BGH, Urteil vom 05. Juli 2018 – IX ZR 126/17 -, Rn. 14 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Der maßgebliche Zeitpunkt für diese Beurteilung bestimmt sich nach § 140 Abs. 1 InsO. Entscheidend ist demnach, wann die rechtlichen Wirkungen der angefochtenen Hinterlegung eintraten. Dies ist mit Eingang des zur Sicherheit hinterlegten Betrags auf dem Hinterlegungskonto der Fall. Zweck der Gestellung einer Sicherheit ist es, dem Gläubiger einen angemessenen Ausgleich für den Verzicht der ihm eigentlich gestatteten vorläufigen Vollstreckung einzuräumen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 11. November 2014 – XI ZR 265/13 -, BGHZ 203, 162-174, Rn. 25 m.w.N.; BGH, Beschluss vom 14. Februar 2018 – IV AR (VZ) 2/17 -, Rn. 22, juris; BeckOK ZPO/Jaspersen, 39. Ed. 1.12.2020, ZPO § 108 Rn. 1). Daher erlangt der Gläubiger gem. § 233 BGB mit Hinterlegung des Betrags ein Pfandrecht daran respektive am Rückforderungsanspruch des Hinterlegers.

Der Sicherungszweck der Hinterlegung wird in diesem Moment erfüllt, der Gläubiger erlangt eine potentielle aber bereits rechtlich abgesicherte Zugriffsmöglichkeit auf die hinterlegte Sicherheit, die nicht mehr einseitig vom Schuldner beseitigt werden kann. Die Beseitigung dieser Zugriffsmöglichkeit ist aber erforderlich, um vom Sicherungsgläubiger die Freigabe der Sicherheit verlangen zu können. Darauf zielt die streitgegenständliche Anfechtung ab. Auf den Eintritt des Sicherungsfalls – bspw. durch Erteilung des Rechtskraftvermerks auf einem Versäumnisurteil – kommt es demgegenüber nicht an. Zu diesem Zeitpunkt erwirbt der Sicherungsgläubiger lediglich noch das Recht zur Verwertung des Pfandes und zur Auskehr der Sicherheit.

Zum Zeitpunkt der Hinterlegung der Sicherheit im April 2015 stellte sich die Einzahlung der 7.945,50 Euro nach objektiven Maßstäben für die Antragsgegnerin nicht als Leistung der hiesigen Insolvenzschuldnerin dar. Das Rechtsverhältnis, auf Grund dessen die Hinterlegung der Sicherheit erfolgte, bestand ausschließlich zwischen der Antragsgegnerin und Herrn T. persönlich – diese waren Prozessparteien des Rechtsstreits am Landgericht Gera zum Az. 3 O 1346/14. Entsprechend traf die Pflicht zur Hinterlegung der Sicherheit lediglich Herrn T. persönlich. Auch der der Antragsgegnerin zum Zwecke des Nachweises der Hinterlegung der Sicherheit übersandte Antrag auf Annahme von Geldhinterlegungen (Anlage B1) wies als Antragsteller dementsprechend lediglich Herrn T. persönlich aus.

Dass sich aus dem mit diesem Antrag an die hiesige Antragsgegnerin übersandten Überweisungsbeleg Hinweise darauf ergaben, dass die Zahlung über ein Konto der hiesigen Insolvenzschuldnerin erfolgte, führt zu keiner anderen Bewertung. Maßgebliche Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem Umstand zu, dass der Antrag auf Annahme von Geldhinterlegungen als Empfangsberechtigte des hinterlegten Betrags neben der hiesigen Antragsgegnerin ebenfalls lediglich Herrn T. persönlich und nicht die Insolvenzschuldnerin auswies.

Vor diesem Hintergrund musste die Antragsgegnerin davon ausgehen, dass dieser Zahlung eine Absprache im Innenverhältnis zwischen Herrn T. und der Gemeinschuldnerin zugrunde lag – ohne dass jedoch anzunehmen war, dass es sich dabei um eine Schenkung bzw. um ein “Bedienen aus dem Betriebsvermögen” der Gemeinschuldnerin handeln könnte. Für eine solche Annahme, dass eine in Rede stehende Zahlung den Bereich der üblichen Geschäftspraxis verlässt, müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen. Daran fehlt es vorliegend. Allein der Vortrag der damaligen Prozessbevollmächtigten des Herrn T., dieser habe kein hinreichendes Vermögen, um Sicherheit zur einstweiligen Einstellung aus dem Versäumnisurteil zu leisten, reicht dafür nicht aus.

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So begegnet derartiger Vortrag regelmäßig zur Begründung von Anträgen auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung und vermag daher für sich genommen noch keinen Hinweis auf eine gravierende Liquiditätskrise zu geben. Hinzu kommt, dass die Prozessbevollmächtigten des Herrn T. hilfsweise die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil gegen Sicherheitsleistung beantragt hatten und die Gestellung der Sicherheit anschließend auch zeitnah erfolgte.

2. Aus diesen Gründen hat der Antragsteller auch keinen Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf Zustimmung zur Freigabe der Sicherheit aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB. Auch insoweit fehlt es an einer Leistung der Insolvenzschuldnerin. Vielmehr liegt eine Leistung des Herrn T. persönlich vor, sodass etwaige Kondiktionsansprüche diesem gegenüber geltend zu machen sind.

3. Dass der Antragsteller der Ansicht ist, die streitgegenständliche Sicherheitsleistung unterliege im Rahmen des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Herrn T. der Anfechtung gem. § 133 Abs. 1 S. 1 InsO (s. den Klageentwurf, dort S. 13 = Bl. 30 d. A.), ist für das hiesige Verfahren nicht von Bedeutung, da der Antragsteller hier als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin auftritt und deren Ansprüche einzuklagen beabsichtigt.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

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