vorgehend:
AG Frankfurt am Main – 20.10.2009 – AZ: 51 VI 5018/09 W
Erweist sich der Nachlass als werthaltiger als bei der Annahme der Erbschaft angenommen, berechtigt eine steuerlich günstigere Gestaltungsmöglichkeit unter den Miterben nicht zur Anfechtung der Erbschaftsannahme.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Geschäftswert wird auf 22.500.- € festgesetzt.
Das Amtsgericht hat der Beteiligten zu 2) auf ihren Antrag einen gemeinschaftlichen Erbschein erteilt, der sie und ihre Mutter, die Beteiligte zu 1), zu Miterben zu je ½ nach ihrer kinderlos und ledig am ….2009 verstorbenen Schwester ausweist. Der Ehemann der Beteiligten zu 1) und gemeinsame Vater der Erblasserin und der Beteiligten zu 2) ist im Jahr 1992 vorverstorben.
Durch notarielle Erklärung vom 01.09.2009 hat die Beteiligte zu 2) die Erbschaft nach ihrer Schwester mit der Begründung ausgeschlagen, sie habe sich über den Bestand des Nachlasses geirrt. Auf Anfrage des Amtsgerichts von welchem Nachlassbestand sie ausgegangen sei, haben die Beteiligten erklärt, sie seien davon ausgegangen, dass der Nachlass nicht überschuldet sei aber nur aus unwesentlichem Vermögen bestehe. Nunmehr habe sich aber herausgestellt, dass eine Immobilie vorhanden sei und der Gesamtwert des Nachlasses etwa 600.000 € betrage.
Hätte die Beteiligte zu 2) das gewusst, hätte sie die Erbschaft im Hinblick auf die Erbschaftsteuerfreibeträge und die Erbschaftsteuersätze nicht angenommen. Die Beteiligten haben vorgetragen, dass sie sich eine Steuerlast von ca. 22.500 € erspart hätten, wenn die Beteiligte zu 2) nicht Erbin geworden wäre.
Das Amtsgericht hat die Erteilung des nunmehr für die Beteiligte zu 1) beantragten Alleinerbscheins durch den hier angefochten Beschluss abgelehnt, weil es die Anfechtung der Annahme durch die Beteiligte zu 1) für unwirksam erklärt hat.
Die Beschwerde ist unbegründet. Der Senat sieht davon ab, die durch die Rechtspflegerin verfügte Vorlage an den Senat aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zurückzugeben, weil das Amtsgericht keinen Abhilfebeschluss nach § 68 Abs 1 S, 1 FamFG erlassen hat, denn das Beschwerdevorbringen enthält im Ergebnis keinen wesentlichen neuen Vortrag (zum Erfordernis der Nichtabhilfeentscheidung: Keidel/ Sternal, FamFG, 16 Aufl. § 68 Rn 9 – 34).
Die Beteiligte zu 1) ist nicht Alleinerbin geworden, denn die Beteiligte zu 2) konnte die Annahme der Erbschaft nicht wirksam anfechten.
Die Annahme der Erbschaft kann nur nach den allgemeinen Vorschriften über die Willenserklärung unter Lebenden angefochten werden (§§ 119, 123 BGB), da die §§ 1954 bis 1957 BGB zwar davon ausgehen, dass eine Anfechtung der grundsätzlich unwiderruflichen Willenserklärungen der Erben über Annahme und Ausschlagung der Erbschaft möglich ist, insoweit aber keine besonderen Bestimmungen für die Anfechtungsgründe vorsehen.
Die erweiterten Anfechtungsmöglichkeiten für letztwillige Verfügungen (§§ 2078 ff BGB) gelten nicht (Palandt-Edenhofer, 68. Aufl. 2009, § 1954 BGB Rn 1).
Vorliegend kommt nur eine Irrtumsanfechtung wegen Eigenschaftsirrtums nach § 119 Abs. 2 BGB in Betracht. Sie setzt voraus, dass derjenige, der seine Erklärung anficht, sich über Eigenschaften der Person oder der Sache im Irrtum befunden hat, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden.
Der Nachlass wird als „Sache“ i.S.v. § 119 Abs. 2 BGB angesehen (Palandt-Edenhofer, § 1954 Rn 6), der bloße Wert einer Sache ist aber keine Eigenschaft i. S. v. § 119 Abs. 2 BGB (Palandt-Ellenberger, § 119 Rn 27). Allerdings kann eine verkehrswesentliche Eigenschaft beispielsweise dann vorliegen, wenn sich der Nachlass entgegen den Erwartungen des Erben als überschuldet darstellt (Palandt-Edenhofer, 68. Aufl. 2009, § 1954 Rn 6 m. w. N). Vorliegend kann dahinstehen, ob sich die Beteiligte zu 2) über eine verkehrswesentliche Eigenschaft geirrt hat oder nicht.
In jedem Fall muss der Irrtum aber für die Willenserklärung auch kausal gewesen sein, d.h. dass der Anfechtende die Erklärung bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben hätte (§ 119 Abs 1 BGB). Dabei ist nicht allein entscheidend der subjektive Wille des Anfechtenden. Vielmehr kommt es darauf an, ob er als verständiger Mensch die Willenserklärung nicht abgegeben hätte. Ein Anfechtungsrecht besteht daher in der Regel nicht, wenn der Erklärende durch den Irrtum wirtschaftlich keinen Nachteil erleidet (BGH NJW 1988, 2597 [BGH 08.06.1988 – VIII ZR 135/87]; OLG Zweibrücken FGPrax 1996, 113 [OLG Zweibrücken 16.02.1996 – 3 W 260/95]).
So liegt der Fall auch hier. Die Beteiligte zu 1) steht sich durch den größeren Umfang des Nachlasses, auch wenn sie dafür mehr Erbschaftssteuern zahlen muss, nicht schlechter als wenn der Nachlass – wie von ihr zunächst angenommen – nur unwesentlich gewesen wäre. Es ist außer den von den Beteiligten angeführten steuerlichen Gestaltungsgründen kein Grund ersichtlich, warum die nach den Bekundungen der Beteiligten zu 2) zunächst unbekannt gewesene Immobilie die Beteiligte zu 2) veranlasst hätte, die Erbschaft nicht anzunehmen.
Bei verständiger Würdigung gibt allein eine anderweitige kostengünstigere steuerliche Gestaltungsmöglichkeit keinen Anlass, eine Erbschaft auszuschlagen. Die Beteiligte zu 1) kann zwar als Mutter einen höheren steuerlichen Freibetrag geltend machen als die Beteiligte zu 2) (§§ 15, 16 ErbStG).
OLG Frankfurt am M 20 W 325/09
Für die Beteiligte zu 2) wird daraus ein wirtschaftlicher Vorteil aber nur, wenn man sich hinzudenkt, dass die Beteiligte zu 1) ihr das Ererbte durch Schenkung oder von Todes wegen wieder zukommen lässt und dann die Beteiligte zu 2) den höheren Steuerfreibetrag als Kind in Anspruch nehmen kann. Es gibt keinen Grund für die Annahme, dass der Irrtum über den Umfang des Nachlasses und die Nachlassbestandteile alleine zu einer Anfechtung der Annahme geführt hätte.
Hinzutreten mussten die steuerlichen Anreize. Ein Irrtum über die günstigste steuerliche Gestaltung bei der Annahme eines Nachlasses ist aber durch das Anfechtungsrecht nicht geschützt und stellt auch keinen Irrtum über eine Eigenschaft des Nachlasses dar.
Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst (Keidel/ Zimmermann, FamFG, 16. Aufl. 2009, § 84 Rn 6). Die Wertfestsetzung beruht auf § 30 KostO (Keidel/ Meyer-Holtz, FamFG, 16. Aufl. 2009, § 58 Rn 120).
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind (§ 70 FamFG). Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht gegeben (Keidel/ Meyer-Holz, FamFG, 16. Aufl. 2009, § 70 Rn 41).
OLG Frankfurt am M 20 W 325/09
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.