OLG Frankfurt am Main 21 W 85/14

August 21, 2017

OLG Frankfurt am Main 21 W 85/14

RA und Notar Krau

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom befasst sich mit der Auslegung

eines gemeinschaftlichen Testaments und der Zulässigkeit eines im Beschwerdeverfahren gestellten Hilfsantrags.

Sachverhalt:

Ein Ehepaar hatte 1971 ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten und dem Überlebenden die freie Verfügung über den Nachlass ermöglichten.

1986 verfasste der Ehemann ein weiteres Testament, in dem er ein Grundstück seinem Neffen vermachte. 2006 errichteten die Eheleute

ein weiteres gemeinschaftliches Testament für den Fall, “dass uns Beiden etwas zustoßen sollte”, mit detaillierten Verfügungen zugunsten verschiedener Verwandter.

Nach dem Tod des Ehemanns (2011) und der Ehefrau (2013) beantragte der Bruder der Ehefrau einen Alleinerbschein basierend auf der gesetzlichen Erbfolge, dem das Nachlassgericht stattgab.

OLG Frankfurt am Main 21 W 85/14

Der Neffe des Ehemanns legte Beschwerde ein und berief sich auf das Testament von 2006.

Entscheidung des OLG Frankfurt:

Das OLG gab der Beschwerde des Neffen teilweise statt.

Wesentliche Punkte der Entscheidung:

  1. Auslegung des Testaments:

    • Das OLG stellte fest, dass das Testament von 2006 nicht nur den Fall eines gleichzeitigen Ablebens der Eheleute regelte, sondern als Schlusserbeneinsetzung nach dem Tod des Längstlebenden zu verstehen war.
    • Der Wortlaut “dass uns Beiden etwas zustoßen sollte” wurde dahingehend ausgelegt, dass er den Tod beider Eheleute meinte, im Gegensatz zum Testament von 1971, das den Tod nur eines Ehegatten regelte.
    • Die Ausführlichkeit der Verfügungen im Testament von 2006 sprach ebenfalls für eine Schlusserbeneinsetzung.
    • Äußerungen der Eheleute bestätigten dieses Verständnis.

OLG Frankfurt am Main 21 W 85/14

  1. Erbenstellung:

    • Das OLG entschied, dass der Neffe und der Ehemann einer Nichte des Erblassers als Erben eingesetzt waren, während die anderen Verwandten nur Vermächtnisnehmer waren.
    • Der Neffe sollte 1/3 und der Ehemann der Nichte 2/3 des Nachlasses erhalten.
    • Diese Aufteilung ergab sich aus dem Wert der ihnen jeweils zugedachten Vermögensgegenstände.
  2. Testamentsvollstreckung:

    • Das Testament von 2006 enthielt die Anordnung einer Testamentsvollstreckung, die im Erbscheinantrag berücksichtigt werden musste.
    • Der Neffe wurde als Testamentsvollstrecker eingesetzt.
  3. Hilfsantrag im Beschwerdeverfahren:

    • Der Neffe hatte seinen Erbscheinantrag im Beschwerdeverfahren um die Anordnung der Testamentsvollstreckung ergänzt.
    • Das OLG entschied, dass diese Ergänzung zulässig war, da sie der Anpassung des Antrags an Erkenntnisse des Beschwerdeverfahrens diente und den Grundsatz der Prozessökonomie gebot.
    • Das Nachlassgericht wurde angewiesen, den ergänzten Erbscheinantrag zu erteilen.
  4. Einziehung des unrichtigen Erbscheins:

    • Der zuvor dem Bruder der Ehefrau erteilte Alleinerbschein war einzuziehen, da er auf einer falschen Auslegung des Testaments beruhte.

OLG Frankfurt am Main 21 W 85/14

Fazit:

Das OLG Frankfurt hat in diesem Beschluss die Grundsätze der Testamentsauslegung und die Zulässigkeit von Hilfsanträgen im Beschwerdeverfahren klargestellt.

Die Entscheidung zeigt, dass bei der Auslegung von Testamenten der Wille der Erblasser im Vordergrund steht und der Wortlaut des Testaments nur ein Indiz dafür ist.

Zudem verdeutlicht der Beschluss, dass im Interesse der Prozessökonomie in Ausnahmefällen auch im Beschwerdeverfahren noch Hilfsanträge zulässig sein können.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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