OLG Hamm 10 W 149/04

September 8, 2017

OLG Hamm 10 W 149/04 – Hofnacherbschaft – Hoferbenfeststellungsverfahren – Beschwerdeverfahren – Gradualsystem

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Landwirtschaftsgericht – Beckum vom 26.11.2004 wird zurückgewiesen.

Der Beteiligte zu 1) trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 3) – 6).

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Hofnacherbschaft der am 23.03.1973 als Witwe und ohne noch lebende Abkömmlinge verstorbenen C, die bis zu ihrem Tod Eigentümerin des o.g. Hofes in X-Y war.

OLG Hamm 10 W 149/04

In dem nachfolgend durchgeführten Hoferbenfeststellungsverfahren – Beiakte : Amtsgericht Beckum; 1 LwH 20/80 – ist rechtskräftig festgestellt worden , dass die Nichte der Erblasserin Frau I nicht befreite Vorerbin des Hofes geworden ist. Hofnacherbe soll derjenige sein, der als gesetzlicher Hoferbe der Frau C berufen sein würde, falls diese bis zum Tod der Frau I gelebt hätte (vgl. Beschluss des AG Beckum vom 23.04.1982 – 1 LwH 20/80 – Beiakte , BI. 164).

Die Hofvorerbin, Frau I, ist am 24.02.2004 verstorben . Die Erblasserin, Frau C, hatte sieben Geschwister, die zu diesem Zeitpunkt bereits sämtlichst verstorben waren.

Der Antragsteller ist der Ur-Urenkel des ältesten Bruders der Erblasserin.

Er beansprucht die Hofnacherbschaft, weil er der älteste Abkömmling des jeweils ältesten Abkömmlings des ältesten Bruders der Erblasserin ist. Neben ihm beanspruchen auch die Beteiligten zu 4) und 5) für sich die Hofnacherbschaft. Insoweit ist noch ein Verfahren vor dem Amtsgericht Beckum – 10 Lw 59/04 – anhängig. Die Entscheidung in diesem Verfahren ist im Hinblick auf das vorliegende Verfahren einstweilen zurückgestellt worden.

Wegen des weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes – insbesondere wegen der zugrundeliegenden Familienverhältnisse und der vertretenen Rechtsauffassungen – wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Sachverhaltsdarstellung in dem angefochtenen Beschluss verwiesen.

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Das Amtsgericht Beckum hat mit Beschluss vom 26.11.2004 die Anträge des Antragstellers zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt:

Hinsichtlich des Antrages auf Feststellung der Hofeigenschaft fehle es schon an einem rechtlichen Interesse, weil in dem Verfahren auf Feststellung der Hoferbennachfolge inzidenter auch die Hofeigenschaft überprüft werde. Zudem sei hierfür der Zeitpunkt des Erbfalls maßgebend. Der weitere Antrag auf Feststellung der Nacherbfolge sei unbegründet, weil sich die Erbfolge nach dem Gradualsystem und nicht nach Stämmen bestimme. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des

Antragstellers, mit der er lediglich seinen erstinstanzlichen Antrag auf Feststellung der Nacherbfolge weiterverfolgt.

Dabei vertritt er weiterhin die Rechtsauffassung, dass sich die Hoferbfolge nach

Stämmen bestimmen müsse und die vom Amtsgericht zitierte Rechtsprechung nicht

auf die Abkömmlinge von Geschwistern angewandt werden dürfe .

Der Antragsteller beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses festzustellen, dass der Antragsteller Hofnacherbe nach dem am 24.02.2004 erfolgten Tod der Hofvorerbin I geworden ist.

Der Beteiligte zu 4) und der Beteiligte zu 5 ) beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

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Sie verteidigen den erstinstanzlichen Beschluss, weil die Anwendung der Stamm-erbfolge zu einer generationsmäßig immer weiteren Entfernung vom Erbhof führen würde, was nicht mit dem Zweck des Hoferbrechts in Einklang zu bringen sei. Vorsorglich bestreiten sie die Wirtschaftsfähigkeit des Antragstellers.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen

den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der vom Senat zu Informationszwecken beigezogenen Akten des Amtsgerichts Beckum – 2 IV 68/33; 1 LwH 20/80; 10 Lw 59/04 – Bezug genommen.

II .

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist in der Sache unbegründet.

Maßgebend für die Bestimmung der Hofnacherbschaft ist der rechtskräftige Beschluss des AG Beckum vom 23.04.1982, wonach I lediglich nicht befreite Hofvorerbin wurde und Hofnacherbe derjenige wird, der als gesetzlicher Hoferbe der Frau C berufen sein würde, falls diese bis zum Tod der Frau I gelebt hätte (vgl. Beiakte: 1 Lw20/80 AG Beckum, BI. 163).

1.

Die Erblasserin hatte zum maßgebenden Zeitpunkt des Todes der Vorerbin, I, am 24.02.2004 keine lebenden eigenen Abkömmlinge bzw. Eltern oder Ehegatten mehr. Vielmehr lebten zu diesem Zeitpunkt nur noch die Abkömmlinge ihrer ehemals sieben Geschwistern.

Von den Kindern der Geschwister lebten unter anderem noch fünf Kinder ihres ältesten Bruders, N. Hierzu zählen die Beteiligten zu 2), 3) und 5).

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Zu den noch lebenden Enkeln der Geschwister zählen unter anderem der Beteiligte zu 4) und die Beteiligte zu 6). Der Antragsteller ist als Ur-Urenkel des ältesten Bruders der Erblasserin nur ein Verwandter entfernteren Grades.

Aufgrund dieser Famlienverhältnisse zum Zeitpunkt des Todes der Vorerbin kommt nach § 5 Ziff . 4 HöfeO die 4. Hoferbenordnung und damit § 6 Abs.5 LV.m. Abs. 1 HöfeO zur Anwendung.

2.

  • 6 Abs .1 Ziff. 1 und 2 HöfeO ist hier nicht einschlägig, weil der Beteiligte zu 4) bis zum Tod der Erblasserin am 23.03.1973, weder die Bewirtschaftung des Hofes übertragen bekommen hat noch zur damaligen Zeit in besonderem Umfang auf dem Hof C2 beschäftigt war. Der Beteiligte zu 4) arbeitet erst seit 1975 auf dem Hof und bewirtschaftet ihn ab 1979 allein.

Damit kommt hier § 6 Abs. 5 LV.m. 1 Ziff. 3 HöfeO und somit das Ältestenrecht zur Anwendung. Dabei stellt sich die im Gesetz nicht geregelte Frage, ob innerhalb der  4. Hoferbenordnung das Gradualsystem (d.h. der Älteste unter den nächsten Ver-wandten erbt) oder die Stammeserbfolge ( d.h. der älteste Abkömmling des ältesten Geschwisternteils der Erblasserin erbt) gilt.

Nur wenn letzteres (Stammerbfolge) zu bejahen wäre, käme eine Hofnacherbfolge für den Antragsteller überhaupt in Betracht. Denn er ist der älteste Abkömmling des jeweils ältesten Abkömmlings des ältesten Bruders der Erblasserin. Bestimmt sich die Nacherbfolge dagegen nach dem Gradualsystem, scheidet eine Hoferbfolge des Antragstellers von vornherein aus, denn sämtliche Beteiligte dieses Verfahren waren mit der Erblasserin dem Grade nach näher verwandt als der Antragsteller.

3.

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Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats ( 10 WLw 48/85 – Beschluss v 25.02.1986; abgedruckt in AgrarR 1986, 290) gilt bei einer Erbfolge innerhalb der 4. Höfeordnung nach § 6 Abs. 1 Ziff.3 i.V.m. Abs. 5 HöfeO das Gradual- und nicht das Stammessystem. Dieser Rechtsprechung hat sich das OLG Oldenburg ( 10 W 27/92Beschluss vom 22.04.1993 ; abgedruckt in AgrarR 1993, 400/401) angeschlossen .

Für die Anwendung des Gradualsystems innerhalb der 4. Hoferbenordnung spricht das Interesse an der weiteren Erhaltung des Hofes.

Die Geschwister, die unmittelbar vom Hof stammen, sind erfahrungsgemäß enger an den Hof gebunden als die Geschwisterkinder der nächsten Generationen. Damit sind sie grundsätzlich auch besser geeignet, den Hof weiter zu führen und als solchen zu erhalten als die weiter entfernteren Verwandten.

Dies wird insbesondere im vorliegenden Fall deutlich.

Der Hof C2 wurde nach der Hofübergabe vom 06.10.1922 von der Erblasserin

und später von ihrer Nichte, der Vorerbin und deren Ehemann, bewirtschaftet. Seit 1979 bewirtschaftet der Beteiilgte zu 4), ein Enkel der Schwester der Erblasserin, den die Vorerbin 1979 adoptiert hat, den Hof.

Demgegenüber hat der Stamm des ältesten Bruders der Erblasserin, dessen UrUrenkel der Antragsteller ist, seit Generationen keinerlei Bezug mehr zum Hof C2.

Somit würde die Anwendung des Stammessystems, wonach der erst 8-jährige Antragsteller als jeweils ältester Abkömmling des ältesteten Stammes als Hoferbe in Betracht käme, vorliegend dazu führen, den Hof in die Hand weit entfernter Verwandter zu geben, die seit Generationen dort nicht mehr gelebt haben .

Auf die zutreffende Begründung des Amtsgerichts Beckum in dem angefochtenen Beschluss, der sich der Senat anschließt, wird ergänzend Bezug genommen.

Auch der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes vermag die Anwendung des Stammessystems nicht zu rechtfertigen. Die hier aufgezeigte Entfernung des ältesten Stammes von dem zu vererbenden Hof macht in besonderem Maße deutlich, dass diese Verwandten der Erblasserin zum Zeitpunkt der Nacherbfolge mit einer Hoferbschaft nicht mehr rechnen konnten.

Gerade der vorliegende Fall bietet deshalb keinerlei Anhalt dafür, von der bisherigen Rechtsprechung des Senats abzuweichen.

OLG Hamm 10 W 149/04

Soweit in der Literatur hierzu eine abweichende Auffassung vertreten wird  (vgl. Lange/Wulff/Lütke-Handjery § 6 HöfeO Rz. 56; Steffen in AgararR 996,141;Wöhrmann; § 6 HöfeO Rz. 84) geschieht dies meist ohne nähere Begründung.

Die von Steffen als Argument angeführte Rechtssicherheit wird nach Auffassung des Senats ebenso durch das Festhalten an der bisherigen Rechtsprechung gewährleistet.

Auch der Hinweis auf die in § 1924 III BGB geregelte Erbfolge nach Stämmen überzeugt nicht. Die gesetzliche Erbfolge ist in der HöfeO gerade abweichend zum BGB bestimmt. Im Übrigen ist auch dem BGB das Gradualsystem bei der Erbfolge entfernterer Verwandter nicht fremd (§ 1928 III BGB).

4.

Damit kommt der Antragsteller als dem Grade nach weit entfernter Verwandter der

Erblasserin C als Hofnacherbe nicht in Betracht, mit der Folge, dass seine Beschwerde ohne Erfolg bleibt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 44 I , 45 I LwVG.

Der Senat hat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen, § 24 I LwVG.

Wie bereits ausgeführt, gibt es zu der hier zu entscheidenden Frage, ob innerhalb der 4. Hoferbenordnung das Gradual- oder das Stammessystem anzuwenden ist, keine entgegenstehende Rechtsprechung.

Damit gebietet aber weder die Rechtsfortbildung noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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