G r ü n d e OLG Hamm 10 W 155/12
I.
Die Beteiligten streiten um die Erteilung eines Erbscheins.
Die am ####1924 in C im Verwaltungsamt Detmold (jetzt Detmold im Kreis Lippe) geborene und am ####2012 in Detmold verstorbene, zuletzt ebenda wohnhaft gewesene C2 (Erblasserin) war unverheiratet und ohne leibliche oder angenommene Abkömmlinge geblieben. Ihre Geschwister sind vorverstorben
Nach dem Besuch der Volksschule in X2 (jetzt Detmold) und der Handelsschule hatte die Erblasserin auf dem X3 (jetzt Detmold) eine Lehre als Rendantin (Angestellte im Rechnungswesen) gemacht und war dort anschließend bis kurz nach dem zweiten Weltkrieg als Gutssekretärin angestellt. Danach war die Erblasserin in der Verwaltung der damals selbständigen Gemeinde X2 tätig, und zwar seit 1965 als Gemeindedirektorin.
Im Ehrenamt war die Erblasserin etwa seit 1950 Mitglied und zuletzt Ehrenmitglied des Vorstand der Beteiligten zu 2). Die Beteiligte zu 2) ist eine gemeinnützige Stiftung bürgerlichen Rechts und widmet sich mildtätig der Kinder- und Jugendfürsorge. Sie wird vertreten durch ihren Vorstand und steht unter der Aufsicht des Innenministers des Landes Nordrhein-Westfalen und der evangelischen Lippischen Landeskirche. Wegen der Einzelheiten ihrer Aufgaben und Verfassung wird auf ihre Satzung vom 22.08.2001 (Bl. 64 d.A.) verwiesen. Der Beteiligte zu 1) übernahm regelmäßig Besorgungen für die Erblasserin. Die Beteiligte zu 3) ist die Tochter einer Cousine der Erblasserin. Ihr hatte die Erblasserin in den Jahren vor ihrem Tod eine Kontovollmacht erteilt.
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Die Erblasserin war Eigentümerin mehrerer Liegenschaften, darunter des Hausgrundstücks Y in Detmold. Außerdem bildete sie mit einem Bruder eine Erbengemeinschaft am Hausgrundstück E-Straße in Detmold, wo die Erblasserin bis kurz vor ihrem Tod das Erdgeschoss und der Bruder mit seiner Ehefrau das Obergeschoss bewohnte. Der Bruder verstarb am 10.01.2010, was die Erblasserin nach eigenem Bekunden nur schwer verwinden konnte. Der Wert des reinen Nachlasses der Erblasserin beträgt rund € 400.000,00.
Am 04.06.2010 verfasste die Erblasserin auf einem Bogen weißen Papiers im Format DIN A 4 eigenhändig ein Schriftstück mit folgendem Inhalt:
C2, E-Straße
Detmold geboren ##. Oktober 1924
Testament 4. Juli 2010
Nachlaß nach meinem Ableben
an D, den Wohnsitz Y
Grundstück mit Wohnhaus
mit allen Rechten und Pflichten
Wohnrecht
[das folgende in schwächerer Schrift und um etwa dreißig Grad ansteigend:]
unentgeltlich
auf Lebenszeit
an C
[das folgende wieder in starker Schrift und in der Waagrechten:]
C2,
Detmold
E-Straße
Am 07.04.2011 errichtete die Erblasserin zur UR-Nr. ##/2011 des Notars L2 in Detmold ein Testament, in dem es auszugsweise wie folgt heißt:
§ 1
Ich habe bisher kein Testament oder eine sonstige Verfügung von Todes wegen errichtet. Vorsorglich widerrufe ich solche Erklärungen und ersetze diese durch die nachstehenden Bestimmungen.
§ 3
Als meinen alleinigen Erben setze ich die
Stiftung X
X2
X-Weg
ein.
Mit dieser Einsetzung möchte ich die Ziele und Zwecke dieser Einrichtung fördern. Ich bin dieser Einrichtung seit Jahrzehnten eng verbunden, war lange Jahre in verantwortungsvoller Tätigkeit im Vorstand, dem ich auch heute noch als Ehrenmitglied angehöre.
Herr Notar L2 war zur Zeit der Beurkundung vertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied der Beteiligten zu 2) (vgl. Bl. 17 d.A.).
Am 03.03.2012 schließlich verfasste die Erblasserin auf der weißen Innenseite einer weihnachtlich gehaltenen Karte im Format DIN A 5 eigenhändig ein Schriftstück mit folgendem Inhalt:
C2,
E-Straße
Detmold, den 3. März 2012
Testament ändern
Nachlaß ändern
F, geborene F2
geboren F-Straße
1952 F3
meinen Nachlaß verwalten.
C2
3. März 2012
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Alle drei Schriftstücke wurden am 18.06.2012 vor dem Amtsgericht -Nachlassgericht- Detmold eröffnet (Beiakte 11 IV 373-375/12). Durch Beschluss vom 13.01.2014 ordnete das Amtsgericht -Nachlassgericht- Detmold außerdem Nachlasspflegschaft über den Nachlass der Erblasserin an (Beiakte 11 VI 996/13).
Die Erblasserin litt an einer Herzschwäche, was zu teils erheblichen Einlagerungen von Gewebswasser (Ödemen) in ihren Unterschenkeln und Füßen mit zweitweise offenen Wunden führte. Außerdem litt die Erblasserin an Bluthochdruck (arterielle Hypertonie), und zwar aufgrund eines zusätzlichen Herzklappenfehlers (Trikuspidalklappeninsuffizienz II°) insbesondere in der Lungenschlagader (pulmonalarterielle Hypertonie), sowie an einer ständigen Entzündung der Speiseröhre (Refluxösophagitis) aufgrund einer Verlagerung des Mageneingangs (Hiatushernie). Schließlich litt die Erblasserin unter Knochenschwund (Osteoporose), was zu teils starken Rückenschmerzen führte. Zur Linderung ihrer Leiden nahm die Erblasserin ständig mehrere Arzneimittel ein, darunter ein morphinartiges Schmerzmittel mit den Wirkstoffen Oxycodon und Naloxon. Wegen ihrer körperlichen Beeinträchtigungen konnte sich die Erblasserin in ihren letzten Lebensjahren nur mit einer Gehhilfe oder einem Rollator bewegen.
Die Einlagerungen von Gewebswasser wurden mit der Gabe von entwässernde Arzneimitteln (Diuretika) sowie mit Druckverbänden an den Unterschenkeln und Füßen behandelt. Die Verbände wurden seit dem 01.07.2008 allmorgendlich durch eine Pflegekraft der G e.V. überwacht. Weiterer regelmäßiger Pflegeleistungen bedurfte die Erblasserin nicht. Die Pflegeplanung der G vom 26.02.2010 wies einen geregelten Tagesablauf, eine selbständige Arzneimitteleinnahme sowie keine besonders zu beachtenden Gefahrneigungen der Erblasserin aus. Ihre Arztbesuche verabredete die Erblasserin bis zuletzt selbst und besprach auch die Einnahme ihrer Arzneimittel jeweils selbständig mit ihrem Hausarzt. Zwischen April und Juni 2010 erreichte die Erblasserin durch Ferngespräche mit ihrem Hausarzt und ihrer Krankenkasse die Gewährung eines Pflegebetts und anschließend wegen Gebrauchsschwierigkeiten dessen Entfernung. Mit der G vereinbarte die Erblasserin im April 2011 ihre Belieferung mit warmen Mahlzeiten sowie im Juli 2011 -während der Urlaubsabwesenheit ihrer Haushaltshilfe- zusätzliche abendliche Einsätze der ambulanten Pflege.
Wegen einer fiebrigen Entzündung der Harnwege ließ sich die Erblasserin am 05.03.2012 ohne Zutun ihres Hausarztes in die L GmbH in Detmold einliefern, wo sie den behandelnden Ärzten bei ihrer Aufnahme „zu allen Qualitäten orientiert“ erschien. Ihr Zustand ließ ihren baldigen Tod nicht erwarten und besserte sich zunächst sogar, weshalb sie mehrfach kurz vor ihrer Entlassung ggf. zunächst in eine Kurzzeitpflege stand. Dann traten jedoch eine Lungenentzündung und ein Nierenversagen hinzu, und die Erblasserin zeigte sich erstmals ab dem 10.03.2012 zum Ort und dann ab dem 20.03.2012 auch zu den übrigen Qualitäten nicht mehr orientiert. Todesursache waren vermutlich eine Blutvergiftung (Sepsis) aufgrund ihrer entzündlichen Erkrankungen sowie das Nierenversagen und eine Entgleisung der Blutsalze (Elektrolyte).
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Der Beteiligte zu 1) hat dargelegt, dass sich die Erblasserin an lange Zurückliegendes stets sehr gut habe erinnern können, während sie kurz zuvor Geschehenes häufig vergessen habe. Er bezweifle, dass die Erblasserin bei Errichtung des Testaments vom 07.04.2011 noch ausreichend verstanden habe, was sie verfüge. Der Beteiligte zu 1) ist der Ansicht, er sei Alleinerbe nach der Erblasserin geworden. Allerdings habe er nur das Hausgrundstück Y erhalten sollen und die übrigen Liegenschaften die Beteiligte zu 2). Weiter hat der Beteiligte zu 1) dargelegt, die Erblasserin habe ihm während ihres Krankenhausaufenthalts erklärt, sie habe das Schriftstück vom 03.03.2012 absichtlich so verfasst, dass es als Testament unwirksam sei.
Der Beteiligte zu 1) hat beantragt,
ihm einen Erbschein dahin zu erteilen, dass er Alleinerbe nach der Erblasserin geworden sei.
Die Beteiligte zu 2) hat ebenfalls beantragt,
ihr einen Erbschein dahin zu erteilen, dass sie Alleinerbin nach der Erblasserin geworden sei.
Weitere bestimmte Anträge haben die Beteiligten nicht gestellt.
Die Beteiligte zu 2) hat erwidert, die Erblasserin habe noch bis Anfang 2012 rege Anteilnahme an den Geschäften der Beteiligten zu 2) gezeigt und namentlich dem Vorstandsmitglied Kroker und dessen Ehefrau zu Geburts- und Hochzeitstagen geratuliert.
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Die Beteiligte zu 3) hat erwidert, die Erblasserin habe kurze Zeit vor ihrem Tod erklärt, sie wolle weder dem Beteiligten zu 1) noch der Beteiligten zu 2) etwas von Todes wegen zuwenden. Nach einem privaten Besuch des Notars L2 bei der Erblasserin im Februar 2012 habe sie das Vertrauen in ihn verloren und das beim Amtsgericht Detmold verwahrte notarielle Testament herausverlangen wollen. Die Beteiligte zu 3) ist der Ansicht, sie selbst sei ebenfalls nicht als Erbin nach der Erblasserin eingesetzt worden.
Das Amtsgericht ‑Nachlassgericht‑ Detmold hat die Erbscheinanträge der Beteiligten zu 1) und zu 2) mit Beschluss vom 30.08.2012 zurückgewiesen (Bl. 26 d.A.).
Hierzu hat es ausgeführt, die Erblasserin habe weder den Beteiligten zu 1) noch die Beteiligte zu 2) wirksam zu Erben eingesetzt. Das Testament vom 04.06.2010 enthalte lediglich eine Verfügung über einen bestimmten Nachlassgegenstand, nämlich das Hausgrundstück Y, was nach der Zweifelsfallregelung des §. 2087 BGB als Aussetzung eines Vermächtnisses zugunsten des Beteiligten zu 1) zu verstehen sei. Das Testament vom 07.04.2011 enthalte dem Wortlaut nach zwar eine eindeutige Erbeinsetzung der Beteiligten zu 2).
Seine Beurkundung sei aber in entsprechender Anwendung der §§. 7, 27 BeurkG unwirksam, weil der Notar L2 der Beteiligten zu 2) als deren Vorstandsmitglied nahegestanden habe, so dass die in §§. 2231 Ziff. 1, 2232 BGB wahlweise eröffnete Form des notariellen Testaments nicht eingehalten sei. Auf das Testament vom 03.03.2012 komme es danach nicht mehr an; vermutlich enthalte es aber lediglich die Bestimmung einer Testamentsvollstreckung.
Der Beschluss des Amtsgerichts ist der Beteiligten zu 2) am 04.09.2012 zugestellt worden (Bl. 33 d.A.). Die Beteiligte zu 2) hat am 17.09.2012 Beschwerde beim Amtsgericht Detmold eingereicht (Bl. 34 d.A.). Dem hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 08.10.2012 nicht abgeholfen (Bl. 08.10.2012 d.A.).
Die Beteiligte zu 2) wiederholt und vertieft ihre Darlegungen im ersten Rechtszug. Sie ist insbesondere der Ansicht, das Amtsgericht habe die Vorschriften der §§. 7 und 27 BeurkG unrichtig angewendet.
Die Beteiligten stellen im zweiten Rechtszug keine bestimmten Anträge.
Der Senat hat die Beteiligten zu 2) und zu 3) angehört und aufgrund der Beschlüsse vom 11.12.2012 (Bl. 60 d.A.) und 18.07.2013 (Bl. 201 d.A.) Beweis aufgenommen durch zeugenschaftliche Vernehmung der behandelnden Ärzte H und H2 sowie durch schriftliches und ergänzendes mündliches Gutachten des Sachverständigen E vom 29.07.2013. Wegen der weiteren Einzelheiten der tatsächlichen Umstände und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die beigezogenen Pflege- bzw. Behandlungsunterlagen der G e.V. und des L GmbH sowie die Niederschriften der Verhandlungen vom 11.07.2013 und 15.04.2014 jeweils nebst Berichterstattervermerken verwiesen. Die Akten des Amtsgerichts Detmold 11 IV 373-375/12 und 11 VI 996/13 haben vorgelegen und sind Gegenstand der Verhandlung gewesen.
II. OLG Hamm 10 W 155/12
Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) ist zulässig und begründet.
1. a) Die Beschwerde ist statthaft und in der gesetzlich vorgeschriebenen Form und Frist eingelegt worden. Die Statthaftigkeit folgt aus §. 58 Abs. 1 FamFG, weil der angefochtene Beschluss eine Endentscheidung des Amtsgerichts im ersten Rechtszug darstellt. Die Einlegung geschah schriftlich beim Amtsgericht Detmold, dessen Beschluss angefochten wird, und Beschluss und Rechtsbehelf sind auch ausreichend bezeichnet, §. 64 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 und 3 FamFG. Die einmonatige Beschwerdefrist des §. 63 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 FamFG ist gewahrt.
b) Die Beteiligte zu 2) ist beschwerdeberechtigt i.S.d. §. 59 Abs. 1 und 2 FamFG, weil sie den Antrag auf Erteilung des Erbscheins gestellt hat und der angefochtene Beschluss sie in ihrer formellen Erbenstellung beeinträchtigt.
c) Der Beschwerdewert des §. 61 Abs. 1 FamFG i.H.v. € 600,00 ist überschritten. Zur Bemessung des maßgeblichen Werts des Beschwerdegegenstands können regelmäßig die Vorschriften über den Gebührenstreitwert entsprechend angewendet werden, so etwa für das Verfahren nach der Zivilprozessordnung die Vorschriften des Gerichtskostengesetzes i.V.m. den §§. 3 ff. ZPO (MüKoFamFG / Fischer2, §. 61, Rz. 23, m.w.N.).
OLG Hamm 10 W 155/12
Da die Beschwerde der Beteiligten zu 2) vor Inkrafttreten des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes am 01.08.2013 eingelegt worden ist, sind auf das gegenwärtige Verfahren noch die Vorschriften der Kostenordnung anzuwenden, Art. 50 des 2. KostRMoG, §. 136 Abs. 1 Ziff. 2, Abs. 5 S. 1 Ziff. 3 GNotKG. Der angefochtene Beschluss verneint die Erbenstellung der Beteiligten zu 2), wodurch ihr der Nachlass im reinen Werte von mindestens € 400.000,00 entginge, §§. 130 Abs. 4, 30 Abs. 1, 107 Abs. 2 S. 1 KostO.
2. Der Anspruch der Beteiligten zu 2) auf Erteilung des begehrten Erbscheins folgt aus §. 2353 BGB.
a) Die Erblasserin hat die Beteiligte zu 2) durch das notarielle Testament vom 07.04.2011 zu ihrer alleinigen Erbin eingesetzt, §§. 1937, 2064 BGB. Da der Wortlaut des Testaments vom 07.04.2011 den Willen der Erblasserin unzweifelhaft wiedergibt, bedarf es keiner weiteren Auslegung der letztwilligen Verfügung, §§. 133, 2084 BGB.
Ob die Erblasserin durch das Schriftstück vom 04.06.2010 den Beteiligten zu 1) zu ihrem Erben hatte berufen wollen, bedarf dabei keiner Entscheidung, weil die Erblasserin dies jedenfalls durch das Testament vom 07.04.2011 widerrufen hätte, §§. 2253, 2254 BGB. An der Wirksamkeit des Testaments vom 07.04.2011 bestehen auch weder im Hinblick auf eine Testierunfähigkeit der Erblasserin noch im Hinblick auf ein Beurkundungsverbot für den Notar L2 Zweifel.
b) Testierunfähig ist, wer wegen einer krankhaften Störung seiner Geistestätigkeit nicht in der Lage ist, die Bedeutung der von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, §. 2229 Abs. 4 BGB. Für die gerichtliche Feststellung der Testierunfähigkeit ausreichend ist ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (Bundesgerichtshof, NJW 1970, 946, 948; Keidel / Zimmermann17, §. 352, Rz. 105).
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Der Sachverständige E hat festgestellt, dass sich in sämtlichen bekannten Pflege- und Behandlungsunterlagen der Erblasserin keine Anzeichen für eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit finden. Soweit sich in der Pflegeplanung vom 26.02.2010 der Hinweis finde, dass die Erblasserin sehr oft bedrückt wirke, lasse sich dies zwangslos auf den Verlust ihres Bruders im Januar 2010 zurückführen, zumal die Erblasserin gegenüber den ambulanten Pflegekräften selbst angegeben habe, dass sie den Verlust ihres Bruders nur schwer verwinden könne.
Eine Gemütserkrankung im Sinne einer signifikanten affektiven Störung könne daher ausgeschlossen werden. Soweit der Beteiligte zu 1) und der Zeuge H von einer leichten Gedächtnisschwäche berichtet haben, habe auch angesichts des Alters der Erblasserin ggf. eine leichte kognitive Störung als Vorstufe einer Demenz vorgelegen, deren Hauptmerkmale Gedächtnisstörungen, Vergesslichkeit, Lernschwierigkeiten und eine verminderte Konzentrationsfähigkeit seien.
Mit großer Wahrscheinlichkeit habe aber keine Demenz im Frühstadium und mit Sicherheit keine Demenz im mittleren Stadium vorgelegen. Entscheidend für die Feststellung einer Demenz seien mehr als sechsmonatige Veränderungen im Auffassungsvermögen, der Merkfähigkeit, des Gedächtnisses, der Orientierung, des Denkvermögens, der Lernfähigkeit, der Sprache und der Alltagsbewältigung, ggf. auch der Stimmungslage, des Sozialverhaltens, des Antriebs oder der Wahrnehmung. Die Erblasserin habe diese Anzeichen jedoch nicht gezeigt, sondern im Gegenteil ihren Alltag selbstbestimmt und regelmäßig gestaltet,
Termine und Absprachen mit Ärzten und Pflegekräften selbständig vereinbart und eingehalten und insbesondere auch ihre Belieferung mit warmen Mahlzeiten eigenverantwortlich regeln können. Hinweise auf sonstige Geisteserkrankungen bestünden nicht, ebenso sei kein Fortschreiten der Vergesslichkeit feststellbar, und auch nachteilige Auswirkungen ihrer Arzneimitteleinnahme seien nirgends bezeugt oder sonst ersichtlich. Die während ihres Krankenhausaufenthalts aufgetretenen Störungen seien jedenfalls auf ihre zuletzt erheblichen und zum Tode führenden körperlichen Erkrankungen zurückzuführen gewesen.
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Aus sachverständiger Sicht habe es daher bereits an einer ausreichend schweren Störung der Geistestätigkeit im Sinne des §. 2229 Abs. 4 BGB gefehlt. Selbst wenn der Erblasserin daher das Testament vom 04.06.2010 entfallen gewesen sei, so sei sie bei Errichtung des Testaments vom 07.04.2011 doch ausreichend urteilsfähig gewesen, wem sie ihr Vermögen überlassen wolle, zumal für das Frühjahr 2011 keine auffälligen Veränderungen in ihrem Zustand berichtet worden seien.
Die Feststellungen des Sachverständigen E sind auch für den Laien verständlich und zeigen keine erkennbar fehlerhaften allgemeinen und fachlichen Denkansätze und Schlussfolgerungen. Nachvollziehbar hat der Sachverständige zunächst zwischen den verschiedenen Möglichkeiten für eine Testierunfähigkeit nach in Frage kommenden Gemüts- und Geisteserkrankungen sowie den möglichen Auswirkungen der Arzneimitteleinnahmen unterschieden. Ebenso überzeugend hat der Sachverständige dann die Anzeichen der verschiedenen Erkrankungen dargestellt und sie eins ums andere verneinen können.
Seine Feststellungen decken sich dabei nicht nur mit den nachvollziehbaren Einschätzungen der behandelnden Ärzte H und H2, die jeweils nicht von einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit der Erblasserin ausgingen. Sie decken sich überdies mit den Erfahrungen des Senats aus zahlreichen anderen Fällen, in denen sich eine Testierunfähigkeit des Erblassers insbesondere darin zeigte, dass der Erblasser solche Lebensumstände nicht mehr aus eigener Verstandeskraft bewältigen konnte, die außerhalb seiner Gewohnheiten lagen oder nach vorausschauendem Handeln verlangten (vgl. etwa Senat, 10 U 2/13, Beschluss vom 14.11.2013 -nicht veröffentlicht-).
Gerade die eigenverantwortlichen Absprachen der Erblasserin mit Ärzten, Pflegediensten und Krankenkassen insbesondere auch wegen der Gewährung eines Pflegebetts, wegen Zeit und Umfang der Pflege sowie wegen der Belieferung mit warmen Mahlzeiten sprechen danach deutlich gegen eine rechtlich erhebliche krankhafte Störung der Geistestätigkeit.
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Ob der Sachverständige zu etwaigen Auswirkungen von Arzneimitteleinnahmen ausreichende Feststellungen hat treffen können, kann im Ergebnis dahinstehen, weil weitere Erkenntnismöglichkeiten als die Beiziehung von Pflege- und Behandlungsunterlagen sowie die Vernehmung der behandelnden Ärzte nicht ersichtlich sind. Der Senat hat sich daher nicht nur nicht von einer Testierunfähigkeit überzeugen können, wofür den Beteiligten zu 1) die Feststellungslast trifft, sondern die Testierfähigkeit ist nach dem eingangs erörterten Beweismaß sogar bewiesen.
c) Auf die Beurkundung des Testaments vom 07.04.2011 sind die §§. 7 und 27 BeurkG weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar. Gemäß §. 7 BeurkG besteht für den Notar ein Beurkundungsverbot, wenn die beurkundete Willenserklärung darauf gerichtet ist, dem Notar selbst oder einer der in §. 7 Ziff. 2, 2a und 3 BeurkG genannten Personen einen rechtlichen Vorteil zu verschaffen. Dasselbe Beurkundungsverbot gilt gem. §. 27 BeurkG dann, wenn der Notar eine Verfügung von Todes wegen beurkundet, deren rechtliche Folgen allerdings denk- und rechtsnotwendig erst im Todesfall eintreten.
Da die Beteiligte zu 2) gem. §. 80 Abs. 1 BGB selbst rechtsfähig ist, hat die letztwillige Verfügung zugunsten der Beteiligten zu 2) dem Notar L2 als ihrem Vorstandsvorsitzenden keinen rechtlichen Vorteil verschafft, so dass ein Fall des §. 7 Ziff. 1 BeurkG nicht vorliegt. Ob §. 7 BeurkG über seinen eindeutigen Wortlaut hinaus auch auf wirtschaftliche Vorteile anzuwenden ist (vgl. Oberlandesgericht Frankfurt, OLGR 1993, 174 f. -juris [Rz. 6]-) kann dahinstehen, weil der Notar L2 aus der Beurkundung wirtschaftliche Vorteile nicht ziehen konnte. Gemäß §. 5 Ziff. 6 ihrer Satzung vom 22.08.2001 darf die Beteiligte zu 2) den Mitgliedern ihres Vorstands nämlich keine Vermögensvorteile gewähren. Da die Beteiligte zu 2) außerdem weder Ehegatte noch Lebenspartner noch Verwandter des Notars L2 war oder ist, liegt auch ein Fall des §. 7 Ziff. 2, 2a und 3 BeurkG nicht vor.
Etwas anderes folgt ferner nicht daraus, dass §. 27 BeurkG lediglich eine entsprechende Anwendung des §. 7 BeurkG anordnet, da sich die jeweils geregelten Sachverhalte nicht im Merkmal des Vorteilsempfängers, sondern im Merkmal des Vorteils unterscheiden. Wie erörtert tritt der Vorteil im Fall des §. 7 BeurkG sogleich mit der Beurkundung ein, im Fall des §. 27 BeurkG aber erst verzögert mit dem Erbfall, weshalb §. 7 BeurkG insofern nur entsprechend angewendet werden kann. Dagegen können letztwillige Verfügungen denselben Personen Vorteile verschaffen wie sonstige Willenserklärungen, so dass §. 7 BeurkG insofern unmittelbar anzuwenden ist.
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Für eine sonstige entsprechende Anwendung des §. 7 BeurkG schließlich fehlt es bereits an einer Regelungslücke im Gesetz. Gehört der Notar dem vertretungsberechtigten Organ eines Urkundsbeteiligten an, so soll er gem. §. 3 Abs. 1 S. 1 Ziff. 6 BeurkG an einer Beurkundung nicht mitwirken. Da der Gesetzgeber also die Organschaft des Urkundsnotars in §. 3 BeurkG bedacht hat, ist nicht anzunehmen, dass er sie in §. 7 BeurkG übersehen hat. Dass der Notar L2 nach dem gerade Gesagten allerdings gegen §. 3 BeurkG verstoßen hat, berührt die Wirksamkeit des Testaments vom 07.04.2011 nicht, weil §. 3 BeurkG als bloße Soll-Vorschrift diese Rechtsfolge ausdrücklich nicht anordnet, vgl. §. 3 Abs. 2 S. 1 a.E. BeurkG.
d) Schließlich hat die Erblasserin das Testament vom 07.04.2011 auch nicht durch das Schriftstück vom 03.03.2012 widerrufen, §§. 2253, 2254 BGB. Zwar hat der Sachverständige E auch insofern festgestellt, dass die Erblasserin nicht testierunfähig gewesen ist; hier gilt das oben zu b) Gesagte entsprechend.
Der Senat kann aber bereits nicht feststellen, dass die Erblasserin das Schriftstück vom 03.03.2012 mit Testierwillen verfasste, m.a.W. dass sie überhaupt schon eine letztwillige Verfügung errichten wollte (vgl. Staudinger / Otte2013, vor §§. 2064-2086, Rz. 9 f.). Bei der Auslegung eines Testaments ist der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen, ohne am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, §. 133 BGB, und es ist im Zweifel diejenige Auslegung vorzuziehen, nach der das Testament Erfolg haben kann (Gebot der wohlwollenden Auslegung), §. 2084 BGB. Ob überhaupt eine letztwillige Verfügung vorliegt, ist bereits Gegenstand der Auslegung (Staudinger / Singer2011, §. 133, Rz. 8), unterliegt aber noch nicht dem Gebot wohlwollender Auslegung (Staudinger / Otte2013, §. 2084, Rz. 2).
Bei der Auslegung sind alle erheblichen -auch außerhalb des jeweiligen Schriftstücks liegenden- Umstände und die allgemeine Lebenserfahrung zu berücksichtigen. Von einem Testierwillen ist auszugehen, wenn der Erblasser das von ihm erstellte Schriftstück als rechtsverbindliche letztwillige Verfügung angesehen hat, oder wenn er zumindest in dem Bewusstsein handelte, das Schriftstück könne als Testament angesehen werden (Bayerisches Oberstes Landgesgericht, FamRZ 1999, 534 -juris [Rz. 9]-, m.w.N.; 2005, 656 -juris [Rz. 22]-).
Dass die Erblasserin das Schriftstück vom 03.03.2012 auf die Innenseite einer weihnachtlichen Karte gesetzt hat, spricht zwar nicht notwendig gegen einen Testierwillen (vgl. etwa Bayerisches Oberstes Landesgericht, FamRZ 1992, 226 -juris [Rz. 13]-, zu einem Testament auf der Rückseite eines gebrauchten Briefumschlags), sondern kann insbesondere auf ihrem schlechten Gesundheitszustand Anfang März 2003 beruht haben. Außerdem haben die Beteiligten zu 1) und zu 3) in mündlicher Verhandlung vor dem Senat glaubhaft bekundet, dass die Erblasserin mit Papier stets sparsam umgegangen sei und selbst Urlaubsgrüße teils auf alte Kalenderblätter gesetzt habe.
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Entsprechendes gilt von dem Umstand, dass die Erblasserin das Schriftstück nicht als „Testament“ oder inhaltsgleich bezeichnet hat, eben weil die Auslegung nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks haften darf (ebenso Bayerisches Oberstes Landesgericht, FamRZ 2005, 656 -juris [Rz. 23]-). Allerdings ist insofern auffällig, dass die Erblasserin das Schriftstück vom 04.06.2010 sehr wohl mit dem Wort „Testament“ überschreiben hat, sich der Möglichkeit und Bedeutung dieser Bezeichnung also bewusst gewesen ist.
Auch dass die Sprache des Schriftstücks vom 03.03.2012 bis zur Unverständlichkeit verknappt ist und dass sämtliche Verben im Infinitiv gebraucht sind („Testament ändern“, „Nachlaß ändern“, „meinen Nachlaß verwalten“), spricht nicht zwingend gegen einen Testierwillen, wenngleich es das Schriftstück für den unbefangenen Leser eher wie eine Gedächtnisstütze für ein noch ausstehendes neues Testament erscheinen lässt. Wie die Beteiligten zu 1) und zu 3) vor dem Senat jedoch ebenfalls glaubhaft bekundet haben, hat die Erblasserin stets einen solchen Stil gepflegt, wie auch das ähnlich knappe und unverständliche Schriftstück vom 04.06.2010 zeigt.
Dass die Erblasserin das Schriftstück mit ihrem vollen Namen sowie mit Ort und Zeit der Errichtung über- bzw. unterschrieben hat, könnte umgekehrt sogar für einen Testierwillen sprechen, weil ein bloßer Entwurf diese Angaben noch nicht hätte enthalten müssen. Zwar fällt auf, dass der Namenszug der Erblasserin gegen Ende des Schriftstücks nicht derjenigen Unterschrift entspricht, die sich sowohl im Schriftstück vom 04.06.2010 als auch im Testament vom 07.04.2011 findet. Während die Unterschrift dort in einer stark verschleifenden Schreibschrift gehalten ist, ist sie hier eher in Druckbuchstaben gehalten, wie sie sich auch zu Beginn der Schriftstücke vom 04.06.2010 und 03.03.2012 findet. Auch dies könnte aber auf dem schlechten Gesundheitszustand der Erblasserin beruht haben.
Entscheidend gegen einen Testierwillen sprechen aber die Bekundungen der Beteiligten zu 3), wonach die Erblasserin erst nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus ein neues Testament errichten wollte, da niemand mit ihrem Ableben noch während ihres Aufenthalts dort gerechnet habe. Die Beteiligte zu 3) hat hierzu lebensnah und im einzelnen darstellen können, dass sie mit der Erblasserin die Herausgabe des beim Amtsgericht Detmold hinterlegten Testaments vom 07.04.2011 erörtert habe, und dass es der Errichtung eines eigenhändigen Testaments noch im Krankenhaus aus damaliger Sicht nicht bedurft habe.
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Vielmehr habe die Erblasserin die Beteiligte zu 3) angewiesen, das zunächst in einem Uhrenkasten verwahrte Schriftstück vom 03.03.2012 an sich zu nehmen, Einzelheiten zu den beabsichtigten Änderung ihrer Nachlassregelungen aber noch nicht geäußert. Das Schriftstück vom 03.03.2012 stellt sich danach zwar nicht als reine Gedächtnisstütze der Erblasserin dar, weil dagegen die Angaben von und Ort und Zeit sowie die Unterzeichnung, ebenso aber auch die besondere Verwahrung in einem Uhrenkasten sprechen.
Ebenso stellt sich das Schriftstück aber auch noch nicht als letztwillige Verfügung dar, weil die Erblasserin ein neues Testament erst nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus errichten wollte, zumal das Schriftstück vom 03.03.2012 noch keine erkennbaren Bestimmungen für eine geänderte Nachlassregelung enthält. Vielmehr stellt sich das Schriftstück vor allem als Arbeitsauftrag an die Beteiligte zu 3) dar, die das Schriftstück an sich nehmen und das Testament vom 07.04.2011 aus der Verwahrung des Amtsgerichts Detmold zurücknehmen sollte, worauf die Erblasserin dann die beabsichtigten Änderungen ihrer Nachlassregelung letztwillig verfügen wollte.
Im übrigen ergibt aber auch die weitere Auslegung des Schriftstücks vom 03.03.2012 nicht, dass die Erblasserin das Testament vom 07.04.2011 überhaupt widerrufen wollte. Maßgeblich ist dabei zunächst der Wortlaut der Verfügung, wie ihn die Erblasserin ggf. nach ihrem besonderen Sprachgebrauch verstanden hat, danach auch außerhalb der Verfügung liegende Umstände, falls sie auf den Willen des Erblassers schließen lassen. Sehr hilfsweise wäre das Schriftstück nach dem ggf. mutmaßlichen Willen der Erblasserin zu ergänzen, und erst zuletzt wären die gesetzlichen Auslegungsregeln, Vermutungen und Unterstellungen anzuwenden (vgl. MüKoBGB / Leipold6, §. 2084, Rz. 27 ff., m.w.N.).
Der Inhalt des Schriftstücks vom 03.03.2012 bleibt ähnlich unverständlich wie der Inhalt des Schriftstücks vom 04.06.2010, und zwar insbesondere wegen der nebeneinander gebrauchten Begriffe „Testament“ und „Nachlass“. Nach dem Wortsinn konnte die Erblasserin nur ihr Testament vom 07.04.2011 „ändern“, weil das Schriftstück vom 04.06.2010 entweder ohne Testierwille errichtet oder eben durch das Testament vom 07.04.2011 widerrufen worden war. Ihren Nachlass konnte die Erblasserin dagegen nicht ändern, weil der Begriff „Nachlass“ das Vermögen des Erblassers nach dessen Tod bezeichnet.
OLG Hamm 10 W 155/12
Außerdem ließe sich zwar die Wendung „meinen Nachlaß verwalten“ als Anordnung einer Testamentsvollstreckung im Sinne der §§. 1939, 2197 BGB auslegen, aber es bliebe fraglich, ob die Erblasserin tatsächlich insofern -und nur insofern- ihr „Testament“ oder ihren „Nachlaß“ oder beide „ändern“ wollte.
Schriftlich (Bl. 102 d.A.) hat die Beteiligte zu 3) nämlich bekundet, dass die Erblasserin sich im Februar 2012 gänzlich gegen letztwillige Zuwendungen an den Beteiligten zu 1) und die Beteiligte zu 2) entschieden habe und dass sich beides im Schriftstück vom 03.03.2012 niedergeschlagen habe. Danach könnte sich der Begriff „Nachlaß“ auf Zuwendungen an den Beteiligten zu 1) beziehen, da die Erblasserin den Begriff bis dahin nur im Schriftstück vom 04.06.2010 verwendet hatte, und der Begriff „Testament“ auf Zuwendungen an die Beteiligte zu 2).
Dies würde unter anderem voraussetzen, dass das Schriftstück vom 04.06.2010 eine letztwillige Verfügung zugunsten des Beteiligten zu 1) enthielt. Dem Amtsgericht wäre dabei darin zuzustimmen, dass die Erblasserin ein Vermächtnis zugunsten des Beteiligten zu 1) ausgesetzt hatte, und zwar entweder bezogen auf das Eigentum oder bezogen auf ein Wohnrecht am Hausgrundstück Y. Dies ergäbe sich weniger daraus, dass die Erblasserin dem Beteiligten zu 1) nur einen einzelnen Gegenstand zuwenden wollte, als vielmehr daraus, dass sie den Beteiligten zu 1)
offensichtlich nicht zu ihrem Gesamtrechtsnachfolger bestimmen wollte. Mit der Gesamtrechtsnachfolge nach dem Erblasser sind nämlich auch die Regelung des Nachlasses, die Tilgung von Nachlassverbindlichkeiten und ggf. auch die Bestattung und Grabpflege verbunden (vgl. Palandt / Weidlich72, §. 2087, Rz. 4; auch Bayerisches Oberstes Landesgericht, NJW-RR 2003, 656, 657 f.). Dass der Beteiligte zu 1) diese Pflichten hätte übernehmen sollen, nimmt er allerdings selbst nicht an, da er sich ausschließlich um die Überlassung des Hausgrundstücks bemüht hat.
Nicht nachvollziehbar wäre allerdings, wieso die Erblasserin ein Vermächtnis zugunsten des Beteiligten zu 1) bei Errichtung des Testaments vom 07.04.2011 vergessen, bei Abfassung des Schriftstücks vom 03.03.2012 aber wieder bedacht haben sollte. Zwar ist entfernt vorstellbar, dass die Erblasserin ein Vermächtnis (in ihrem Sprachgebrauch: „Nachlaß“) nicht als Gegenstand eines Testaments begriff, so dass der im Testament vom 07.04.2011 erklärte Widerruf das Vermächtnis nach ihrem Willen gar nicht erfasst hätte. Dagegen spricht aber die Bezeichnung ihres Schriftstücks vom 04.06.2010 als „Testament“. Außerdem wird man angesichts der Kürze des Schriftstücks vom 03.03.2012 davon ausgehen können, dass die Erblasserin den Begriff „Nachlaß“ in beiden Fällen gleichbedeutend benutzte, nämlich um das Vermächtnis zugunsten des Beteiligten zu 1) zu bezeichnen.
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Danach aber hätte sie entgegen ihrem angeblichen Entschluss ihren „Nachlaß“ nicht widerrufen, sondern offenbar lediglich eine Vermächtnisvollstreckung im Sinne des §. 2223 BGB angeordnet, allerdings mangels Beschwerungen des Beteiligten zu 1) ohne erkennbaren Inhalt. Ebenso hätte sie entgegen ihrem angeblichen Entschluss aber auch ihr „Testament“ nicht widerrufen, da sie Art und Umfang der erstrebten „Änderung“ nicht ausgeführt hat und der Begriff „ändern“ wörtlich nur eine Umgestaltung und keine Auslöschung bezeichnet. Gerade diese Unbestimmtheit des Begriffs „ändern“ spricht vielmehr wie erörtert dafür, dass es der Erblasserin am 03.03.2012 noch am Testierwillen fehlte.
Im übrigen wäre den vorstehenden Erwägungen auch dadurch der Boden entzogen, dass die Beteiligte zu 3) in mündlicher Verhandlung vor dem Senat abweichend bekundet hat, dass die Erblasserin im März 2012 nicht zwischen Zuwendungen an den Beteiligten zu 1) und die Beteiligte zu 2) unterschieden, sondern stets nur von ihrem „Testament“ gesprochen habe.
Der wirkliche Wille der Erblasserin ist danach weder dem Wortlaut des Schriftstücks vom 03.03.2012 noch den Bekundungen der Beteiligten zu 3) zu entnehmen, weil der Wortlaut einerseits keine eindeutigen Verfügungen erkennen lässt, andererseits aber im Widerspruch zu den Bekundungen der Beteiligten zu 3) steht. Da danach auch ein mutmaßlicher Wille der Erblasserin nicht sicher zu ermitteln ist, enthält das Schriftstück vom 03.03.2012 keine wirksame letztwillige Verfügung.
3. Über die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen war nach billigem Ermessen zu befinden wie geschehen, §. 81 Abs. 1 S. 1 FamFG.
Die Aufhebung der gerichtlichen und die Nichterstattung der außergerichtlichen Kosten im ersten Rechtszug folgt der Überlegung, dass die Beteiligten zu 1) und zu 2) durch ihre jeweiligen Erbscheinsanträge die entstandenen Kosten unabhängig voneinander veranlasst haben bzw. veranlasst hätten.
Die alleinige Kostenlast der Beteiligten zu 2) im zweiten Rechtszug ergibt sich hingegen aus der Erwägung, dass die Beteiligte zu 2) das Beschwerdeverfahren anhängig gemacht hat, während der Beteiligte zu 1) sich nur mehr auf Aufforderung des Senats geäußert hat.
Zum Gebührenstreitwert gilt das oben 1.c) Gesagte.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern, §. 70 Abs. 2 S. 1 FamFG.
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