G r ü n d e : OLG Hamm I-10 U 97/09
I.
Die Beklagte (geb. am ####1931) ist die Großmutter der am ####1976 geborenen Klägerin und des am ####1978 geborenen Klägers. Diese machen im Wege der Stufenklage Pflichtteilsansprüche nach ihrem am ####2006 verstorbenen Großvater, Herrn V2 (geboren am ####1919) geltend (im Folgenden: Erblasser).
Der Erblasser war mit der Beklagten seit 1950 im Güterstand der Gütertrennung verheiratet. Gemeinsam hatten sie vier Kinder: neben der am ####1984 verstorbenen Mutter der Kläger, Frau V, die noch lebenden Geschwister W, W2 und W3.
Der Erblasser und die Beklagte errichteten am 08.03.2002 ein gemeinschaftliches privatschriftliches Testament, mit dem sie sich einerseits gegenseitig zu „alleinigen und befreiten Vorerben“ sowie ihre noch lebenden Kinder zu „Nacherben des Erstversterbenden und Erben des Längstlebenden“ einsetzten und andererseits die Kläger mit Hinweis auf Zuwendungen an die verstorbene Tochter von der Erbfolge ausschlossen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Testamentskopie Bl. 146 f d. A. verwiesen.
Nach dem Tod des Erblassers am ####2006 und Eröffnung des Testaments am 04.05.2006 ließen die Kläger die Beklagte mit anwaltlichen Schreiben vom 18.09., 12.10., 13.11.2006 und 19.01.2007 auf Auskunft über den Nachlassbestand sowie den Wert der Nachlassimmobilien in Anspruch nehmen (Bl. 10 – 17 d. A.), worauf der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit Schreiben vom 27.02.2007 diverse Aktiva und Passiva des Nachlasses mitteilte und ein Wertgutachten des Gutachterausschusses des Kreises Coesfeld vom 28.1.2006 zum Grundstück R in Z1 vorlegte (Bl. 16 ff d. A.), welches zum Nachlass gehörte. Der Wert dieses Grundstücks belief sich danach zum Zeitpunkt des Erbfalls auf 110.000,00 Euro.
Die Kläger gaben sich mit dieser Auskunft nicht zufrieden und verlangten mit anwaltlichem Schreiben vom 20.03.2007 weiter eine umfassende Auskunft über alle Aktiva und Passiva des Nachlasses bis zum 30.03.2007 (Bl. 20 f d. A.), worauf die Beklagte mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 04.04.2007 eine privatschriftliche eidesstattliche Versicherung im Hinblick auf die erteilte Auskunft vom 27.02.2007 übersenden ließ. Die von den Klägern geforderte formelle eidesstattliche Versicherung vor dem Amtsgericht Dülmen erteilte die Beklagte im Ergebnis nicht, weil sich die Parteien über den Umfang der Auskunftspflicht nicht einigen konnten.
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Die Kläger haben sich auf den Standpunkt gestellt, die Beklagte habe ihre Auskunftspflicht mit der Mitteilung ihres Bevollmächtigten vom 27.02.2007 nicht erfüllt. Einerseits stelle eine anwaltlich übermittelte Information keine verantwortliche Auskunft der Beklagten dar und andererseits seien nicht alle Informationen mitgeteilt, die die Beklagte gem. § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB zu offenbaren habe.
Insbesondere müsse die Beklagte über sämtliche Zuwendungen iSd § 2325 BGB Auskunft erteilen, die der Erblasser zu ihren Gunsten getätigt habe. Die Ausgleichspflicht aus § 2325 BGB bestehe nach dem Gesetz im Hinblick auf Zuwendungen an den Ehegatten zeitlich unbeschränkt, so dass es nicht darauf ankomme, ob die Kläger zum Zeitpunkt der Zuwendungen bereits geboren waren.
Daneben habe die Beklagte auch Zuwendungen des Erblassers an Dritte in den letzten zehn Jahren seines Lebens bzw. ausgleichspflichtige Zuwendungen iSd §§ 2050, 2316 BGB mitzuteilen.
Hintergrund dieses Auskunftsbegehrens war u. a. das erhebliche Immobilienvermögen der Beklagten, das diese als nicht erwerbstätige Hausfrau nach Vortrag der Kläger nur durch Zuwendungen des Erblassers erworben haben könne.
So übertrug der Erblasser der Beklagten unstreitig mit notariellem Vertrag des Notars E2 vom 11.04.1975 (Urkunden-Nr. ###/75) schenkweise die Grundstücke eingetragen im Grundbuch vom Kirchspiel Z1, Flur X, Flurstücke X und X (G-Weg) mit einer Größe von ca. 1.000 qm, auf denen später das Wohnhaus der Familie errichtet wurde.
Weiter erwarb die Beklagte mit notariellem Vertrag des Notars E3 aus Z1 vom 29.03.1985 das Erbbaurecht am Grundstück X-Straße in Z1, eingetragen im Grundbuch von Dülmen, Blatt X, Flur X, Flurstück X. Vorherige Erbbauberechtigte waren die Eheleute Q aus S.
Die Beklagte ist außerdem Erbbauberechtigte des Grundstücks G in Z1, dessen Wert sie mit 27.000,00 Euro angibt.
Die Kläger haben behauptet, dass weitere Grundstücksgeschäfte zugunsten der Beklagten vor dem Notar E3 beurkundet worden seien.
Mit Schriftsatz vom 19.01.2009 haben die Kläger Prozesskostenhilfe beantragt und angekündigt, zur Verfolgung ihrer Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche eine Stufenklage im Hinblick auf Auskunftserteilung, Wertermittlung, eidesstattliche Versicherung und noch zu berechnende Zahlung bzw. Teilzahlung eines nach der erteilten Auskunft von ihnen errechneten Betrages von jeweils 3.501,33 Euro zu erheben.
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Noch vor Zustellung der Klage hatte die Beklagte diese Teilbeträge an die Kläger gezahlt, worauf die Kläger im Termin vor dem Landgericht beantragt haben,
1. die Beklagte im Wege der Stufenklage zu verurteilen, über den Bestand des Nachlasses ihres am ####2006 verstorbenen Ehemannes, Herrn V2, geb. am ####1919 in K, Kreis K2, letzter Wohnsitz Z1, über die mit Schreiben der Rechtsanwälte C, C2 und Q2 vom 27.02.2007 hinaus Auskunft zu erteilen durch Vorlage eines notariell aufgenommenen Verzeichnisses, das den gesamten tatsächlichen und fiktiven Nachlass des Erblassers enthält und in dem
a) sämtliche am Todestag des Erblassers vorhandenen Nachlassgegenstände sowie Nachlassverbindlichkeiten aufgeführt sind,
b) sämtliche Schenkungen und ehebedingten Zuwendungen des Erblassers an die Beklagte aufgeführt sind,
c) sämtliche Schenkungen des Erblassers an dritte Personen in den letzten zehn Jahren vor dem Tod des Erblassers aufgeführt sind,
d) alle Zuwendungen des Erblassers, die eine Ausgleichspflicht nach den §§ 2050 ff, 2316 BGB auslösen können, aufgeführt sind,
e) alle bedingten, ungewissen, und unsicheren Rechte sowie zweifelhafte Verbindlichkeiten des Erblassers aufgeführt sind,
f) die Werte von den im Nachlass des Erblassers befindlichen Immobilien, Unternehmen oder Kraftfahrzeugen durch Übergabe des Gutachtens eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen zu belegen, das die Wertfeststellung entweder zum Zeitpunkt der Zuwendung oder zum Zeitpunkt zum Sterbetag des Erblassers enthält,
2. des weiteren Auskunft zu erteilen,
a) durch Mitteilung sämtlicher Lebensversicherungsverträge und sonstiger Verträge zu Gunsten Dritter, die der Erblasser zu Lebzeiten abgeschlossen hat und die bei seinem Tod noch bestanden,
b) durch Mitteilung der Bedingungen bei den Zuwendungen, die keine Schenkungen sind, beispielsweise die Übertragung eines Grundstückes gegen Vorbehalt oder Einräumung eines Nießbrauchs, Altenteils oder Wohnrechts,
c) durch Vorlage von Kopien aller Unterlagen, die zur Ermittlung des Wertes des Nachlasses erforderlich sind, das sind insbesondere alle auf den Namen des Verstorbenen lautenden Sparbücher, Konten- und Depotauszüge.
Im Hinblick auf den ursprünglich zu Ziffer IV angekündigten Zahlungsantrag beantragten die Kläger,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, die Rechtsverfolgungskosten zu tragen.
Hilfsweise haben die Kläger die Klage insoweit für erledigt erklärt.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Sie hat sich auf den Standpunkt gestellt, sie habe ihrer Auskunftspflicht mit dem Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 27.02.2007 Genüge getan, so dass die Kläger allenfalls die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verlangen könnten, die sie insofern weiterhin anbiete. Der Klage fehle demnach das Rechtsschutzbedürfnis, zumal sich das Verlangen auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses angesichts der anderslautenden Auskunftsbegehren aus dem Jahr 2006 nicht erschließe. Nachdem die Klage erst 2 Jahre und sieben Monate nach dem ersten Auskunftsverlangen zugestellt worden sei, sei ein Auskunftsanspruch auch verwirkt.
Im Hinblick auf Hausratsgegenstände und den Pkw des Erblassers bestünden zudem gar keine Auskunftsansprüche, weil die Beklagten sie gem. § 1932 BGB als Ehegattenvoraus beanspruchen könne.
Auch wegen Schenkungen oder aber ehebedingten Zuwendungen des Erblassers an die Beklagte fehle es dem Grunde nach an einer Auskunftpflicht, weil diese für die Kläger nicht gem. § 2325 BGB auszugleichen seien. Die Ausgleichspflicht aus § 2325 BGB setze das Bestehen des Rechtsverhältnisses, aus dem das Pflichtteilsrecht folge, zum Zeitpunkt der Zuwendung voraus. Zum Zeitpunkt der Schenkungen an die Beklagte hätten die später geborenen Kläger indes noch nicht zum Kreis der Anspruchsinhaber gehört.
Im Übrigen sei die Auskunft hineichend erteilt, weil die Beklagte weder von Schenkungen an Dritte bzw. von ausgleichspflichtigen Zuwendungen noch von bedingten und ungewissen Rechten und Verbindlichkeiten des Erblassers wisse.
Auch habe die Beklagte mit Vorlage des Wertgutachtens zum Grundstück R die geltend gemachten Wertermittlungsansprüche erfüllt, da die ihr im Jahr 1975 geschenkten Grundstücke ohnehin nicht ausgleichspflichtig seien. Im Übrigen komme insoweit allenfalls der damalige Wert in Betracht, der im Hinblick auf das Grundstück G-Weg 8.000,00 DM betrage.
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Das Erbbaurecht am Grundstück X-Straße habe sie im Jahr 1985 originär erworben. Im Hinblick auf das Erbbaurecht am Grundstück G hat die Beklagte wiederum eine Ausgleichspflicht zugunsten der Kläger in Abrede gestellt.
Schließlich hat die Beklagte noch darauf verwiesen, dass der Erblasser seinen ehemaligen Geschäftsanteil an der Firma „O mbH“ iHv 6.250,00 DM mit notariellem Vertrag vom 25.02.2000 zu einem Kaufpreis von 1,00 DM veräußert habe.
Das Landgericht hat auf die Verhandlung vom 15.06.2009 den Auskunftsanträgen durch Urteil vom 20.07.2009 überwiegend stattgegeben und „im Übrigen (…) die Klage abgewiesen“. Zur Begründung hat die entscheidende Einzelrichterin im Wesentlichen ausgeführt, dass den Klägern dem Grunde nach ein Auskunftsanspruch aus § 2314 Abs. 1 BGB zustehe, der durch Übersendung des Schreibens vom 27.02.2007 noch nicht erfüllt worden sei. Die Kläger könnten auch jetzt noch die Vorlage eines notariellen Verzeichnisses verlangen. Der Umfang des Auskunftsanspruchs sei auch nicht auf die Zeit nach der Geburt der Kläger zu beschränken. Nach dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Regelung des § 2325 BGB sei es unerheblich, ob der Pflichtteilsberechtigte zur Zeit der Schenkung schon geboren gewesen sei oder nicht und ob er zu dieser Zeit schon pflichtteilsberechtigt gewesen sei oder nicht.
Mit einer derartigen Differenzierung würde eine ungleiche Behandlung der Pflichtteilsberechtigten einhergehen, die in den erbrechtlichen Vorschriften keine gesetzliche Grundlage finde. Eine Beschränkung des Auskunftsanspruchs auf Schenkungen, die der Erblasser vor der Geburt des Pflichtteilsberechtigten getätigt habe, würde zu unbilligen Ergebnissen führen und sei daher abzulehnen.
Für eine Verwirkung des Auskunftsanspruchs fehle es sowohl an den Voraussetzungen des Zeit- als auch des Umstandsmoments.
Wegen der im Klageantrag zu I. 2 c) weiter verlangten Vorlage von Kopien sei die Klage – wie auch der Senat bereits in seinem Beschluss vom 19.05.2009 zu Az. 10 W 48/09 ausgeführt habe (Bl. 37 d. A.) – abzuweisen.
Der Feststellungsantrag sei begründet. Die Beklagte habe sich nach Übersendung des Prozesskostenhilfeantrages in Verzug befunden.
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Gegen dieses der Beklagten am 24.07.2009 zugestellte Urteil richtet sich ihre am 12.08.2009 beim Oberlandesgericht eingegangene und am 23.09.2009 begründete Berufung.
Sie meint, das Urteil stelle im Hinblick auf die Bejahung einer umfassenden Auskunftspflicht eine unzulässige Überraschungsentscheidung dar, weil die Einzelrichterin noch im Termin am 15.06.2009 sowohl Pflichtteilsergänzungsansprüche als auch Auskunftansprüche der Kläger für unbegründet gehalten habe, soweit diese sich auf Vermögen vor der Geburt der Kläger bezögen.
Ohne vorherigen Hinweis an die Beklagte gem. § 139 ZPO verstoße das Urteil so gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs aus Art. 103 GG und sei deshalb aufzuheben. Bei Erteilung eines rechtlichen Hinweises hätte der Beklagtenvertreter auf die maßgebliche Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs zur Frage der Ausgleichspflicht von Zuwendungen vor der Geburt des Pflichtteilsberechtigten hingewiesen, von der das Landgericht nicht habe abweichen dürfen.
Danach sei das Urteil auch materiell unrichtig, weil die zum Zeitpunkt der Schenkungen des Erblassers noch nicht geborenen Kläger insoweit keine Auskunft verlangen könnten. Es gelte insoweit die Theorie der Doppelberechtigung des Pflichtteilsergänzungsberechtigten, weil § 2325 BGB nur die abstrakte Erberwartung von Abkömmlingen schützen wolle, die vor ihrer Geburt noch nicht begründet sei. Sehe der Senat dies anders, habe er die Revision zum Bundesgerichtshof zuzulassen.
Dementsprechend könnten die Kläger nur noch nach § 260 Abs. 2 BGB die Versicherung an Eides Statt im Hinblick auf die bereits erteilte Auskunft verlangen.
Die Vorlage eines notariellen Verzeichnisses stehe ihnen wegen Verwirkung nicht zu, nachdem sie stets nur die Unvollständigkeit, nie aber die Form der Auskunft moniert und über zwei Jahre nach Abbruch des Verfahrens auf Abgabe der eidesstattlichen Versichrung ihr Auskunftsbegehren nicht weiter verfolgt hätten.
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Im Übrigen habe die Beklagte mögliche Auskunftsansprüche spätestens mit dem außergerichtlichen Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 14.06.2010 (vgl. Bl. 160 ff d.A.) erfüllt, in dem sie die Hintergründe ihres Immobilienvermögens umfassend aufgeklärt habe.
Die Beklagte beantragt deshalb,
das angefochtene Urteil vom 20.07.2009 aufzuheben,
hilfsweise,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs komme nicht in Betracht, nachdem die Sach- und Rechtslage – gerade auch unter Einbeziehung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – im Termin vor der Einzelrichterin ausführlich erörtert worden sei. Gegen die Auskunftspflicht sprechende Tatsachen hätte die Beklagte ohnehin nicht mehr vortragen können.
Die streitige Rechtsfrage sei im Urteil auch richtig entschieden worden. Die Auffassung des BGH sei im Hinblick auf den Wortlaut und die Entstehungsgeschichte des § 2325 BGB fraglich, weil die zweite Kommission zum BGB sich ausdrücklich gegen eine Beschränkung der Ausgleichspflicht auf Zuwendungen nach Entstehung der Pflichtteilsberechtigung entschieden habe. Jedenfalls sei die von der Beklagten zitierte höchstrichterliche Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil die Kläger ihre erbrechtliche Stellung von der Mutter ableiteten, die im Zeitpunkt der Schenkung noch gelebt habe. Eine andere Beurteilung würde den Stamm der Mutter benachteiligen, was der Systematik des Gesetzes widerspreche.
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Gegen eine Verwirkung des geltend gemachten Auskunftsanspruchs spreche zudem die Verweigerungshaltung der Beklagten, die bis dato keine formell ordnungsgemäße eidesstattliche Versicherung abgegeben habe. Die Kläger seien so auf eigene Recherchen angewiesen gewesen.
II.
Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
1.
Soweit sich die Beklagte gegen die im angefochtenen Urteil ausgesprochene Feststellung ihrer Kostentragungspflicht im Hinblick auf den ursprünglich angekündigten Zahlungsantrag richtet, ist ihre Berufung bereits unzulässig, weil sie entgegen § 520 Abs. 3 ZPO insoweit nicht begründet worden ist.
Gem. § 520 Abs. 3 ZPO ist die Berufung im Hinblick auf jeden prozessualen Anspruch zu begründen (Zöller/Heßler, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 520, Rn. 27). Die fristgerecht eingereichte Berufungsbegründung der Beklagten setzt sich indes lediglich mit der tenorierten Auskunftsverpflichtung auseinander, nicht jedoch mit der Frage, inwieweit die Beklagte die Kosten der Rechtsverfolgung im Hinblick auf den ursprünglich gestellten Zahlungsantrag zu tragen hat. Insoweit handelt es sich um zwei unterschiedliche Klageansprüche, deren Abweisung gesondert und innerhalb der Frist des § 520 Abs. 2 ZPO zu begründen gewesen wäre. Gem. § 522 Abs. 1 ZPO war die Berufung insoweit als unzulässig zu verwerfen. Dies ist auch nach mündlicher Verhandlung zur Begründetheit noch möglich (Beck‘scher Online-Kommentar/Wulf ZPO, Ed.1, August 2011, § 522, Rn. 5).
2.
Soweit sich die Berufung der Beklagten gegen die tenorierte Auskunftsverpflichtung richtet, ist sie zwar zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, in der Sache jedoch unbegründet.
a)
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Zunächst rechtfertigt die Berufung nicht die mit dem Hauptantrag begehrte Aufhebung des Urteils wegen eines Verfahrensfehlers iSv § 538 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Denn die Entscheidung beruht offenbar nicht auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beklagten. Vielmehr ist die Frage der Auskunftspflicht im Hinblick von Zuwendungen vor der Geburt der Pflichtteilsberechtigten ausweislich des Terminsprotokolls vom 15.06.2009 gerade mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erörtert worden. Es ist so nicht ersichtlich, dass der Beklagten die Gelegenheit genommen wurde, auf diese Rechtsprechung hinzuweisen. Eine endgültige Festlegung des Gerichts ist den protokollierten Hinweisen zudem nicht zu entnehmen („… nicht gegeben sein dürfte…“).
Die Beklagte hat auch nicht dargelegt, dass sie im Falle der Hinweiserteilung vor dem Landgericht weitere Tatsachen vorgetragen hätte, die ihre Auskunftspflicht ungeachtet der angenommenen Ausgleichspflicht nach § 2325 BGB erschüttert hätten. Eine Aufhebung und Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 ZPO kommt danach schon angesichts der Entscheidungsreife des Rechtsstreits vor dem Senat nicht in Betracht (vgl. Beck’scher Online-Kommentar/Wulf, ZPO, Ed. 1 2011, § 538, Rn. 5).
b)
Im Übrigen ist auch der Hilfsantrag der Berufung unbegründet. Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht verurteilt, über den Bestand des Nachlasses ihres am ####2006 verstorbenen Ehemannes Auskunft zu erteilen durch Vorlage eines notariell aufgenommenen Verzeichnisses, das den gesamten tatsächlichen und fiktiven Nachlass des Erblassers enthält.
Diese Verpflichtung der Beklagten ergibt sich aus § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB. Sie ist nach dem Testament vom 08.03.2002 Erbin des Erblassers. Die Kläger sind als Abkömmlinge des Erblassers pflichtteilsberechtigt gem. § 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB, da sie unstreitig nach dem gemeinschaftlichen Testament des Erblassers und der Beklagten vom 08.03.2002 von der Erbfolge ausgeschlossen sind. Ein Vorrang gem. § 2309 BGB besteht nicht, weil ein Pflichtteilsverzicht der Mutter der Kläger nicht ersichtlich ist. Die Pflichtteilsquote der Kläger beläuft sich angesichts des Güterstandes der Gütertrennung gem. § 2303 i.V.m. § 1924 Abs. 1, Abs. 3 BGB auf jeweils 3/64.
Die Kläger können ungeachtet der bereits anwaltlich erteilten Auskünfte weitere Auskunft in Form eines notariellen Nachlassverzeichnisses im Sinne von § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB verlangen. Die verschiedenen Auskunftsansprüche, die § 2314 Abs. 1 BGB dem Pflichtteilsberechtigten einräumt, können kumulativ, d. h. nebeneinander oder nacheinander geltend gemacht werden. Dem Pflichtteilsberechtigten steht nicht nur einer dieser Ansprüche nach seiner Wahl zu. Auch wenn bereits ein Nachlassverzeichnis vom Auskunftspflichtigen vorgelegt worden ist, kann der Anspruchsberechtigte daneben gem. § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB die Aufnahme des Nachlassverzeichnisses durch die zuständige Behörde oder durch einen zuständigen Beamten oder Notar verlangen (vgl. Birkenheier in juris PK BGB, 4. Auflage 2008, § 2314 BGB, Rn. 42; Beck’scher Online-Kommentar/Mayer, BGB, Ed. 20, 2011; § 2314, Rn. 15).
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Vor diesem Hintergrund kommt es für die Verpflichtung zur Vorlage eines notariellen Verzeichnisses nicht darauf an, ob die Beklagte bereits mit der anwaltlichen Auskunft vom 27.02.2007 eine ordnungsgemäße und vollständige Auskunft iSd § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB erteilt hatte.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass der den Klägern dem Grunde nach aus § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB zustehende Anspruch auf Vorlage eines notariellen Bestandsverzeichnisses im Hinblick auf die Grundsätze von Treu und Glauben gem. § 242 BGB ausgeschlossen wäre. Insbesondere sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Kläger ihren Auskunftsanspruch verwirkt hätten.
Ein Recht ist im Sinne von § 242 BGB verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde. Es genügt insoweit nicht das bloße Untätigbleiben des Rechtsinhabers, d. h. der reine Zeitablauf. Vielmehr bedarf es eines Vertrauenstatbestandes zugunsten des Verpflichteten (Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Auflage 2011, Rn. 95).
Die Verwirkung ist damit ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens (Palandt/Grüneberg, aaO, § 242, Rn. 87). Für die Annahme einer solchen illoyalen Verspätung genügt es nicht, dass die Kläger sich nach zahlreichen Aufforderungen zur Auskunftserteilung erst nach ca. 2 Jahren zur gerichtlichen Geltendmachung ihrer Ansprüche entschlossen haben. Ebenso wenig genügt es, dass der angesetzte Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung aufgehoben und das Verfahren nach § 260 Abs. 1 BGB dann zunächst nicht weiter betrieben worden ist. Aus diesem Verhalten der Kläger ließ sich aus Sicht der Beklagten nicht der Schluss darauf ziehen, dass die Kläger ihr Recht nunmehr nicht mehr geltend machen würden.
Vielmehr blieb die Streitfrage der Parteien, nämlich der Umfang der Auskunftspflicht der Beklagten im Hinblick auf den fiktiven Nachlass, unstreitig offen, nachdem das Verfahren auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung abgebrochen war. Es waren seitens der Beklagten auch noch keine Teilzahlungen erbracht, deren Entgegennahme seitens der Kläger bei ihr den Eindruck hätten erwecken können, es würden keine weiteren Ansprüche gestellt. Das Verhalten der Kläger stellte sich aus Sicht der Beklagten so als schlichtes Nichthandeln bzw. Zuwarten dar, das keinen Vertrauenstatbestand im Hinblick auf einen Rechtsverzicht der Kläger enthielt.
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Das von der Beklagten vorzulegende notarielle Nachlassverzeichnis hat damit sämtliche Aktiva und Passiva des Nachlassvermögens aufzuführen, wie sie im angefochtenen Urteil bezeichnet worden sind.
aa)
Dazu gehören entgegen der von der Beklagten vertretenen Ansicht auch sämtliche Hausratsgegenstände des Erblassers sowie der von ihm gehaltene Pkw. Auf § 1932 BGB kann sich die Beklagte insofern nicht berufen, weil ihr der Ehegattenvoraus nur als gesetzliche Erbin zustehen würde.
Ist ein Ehegatte indes aufgrund letztwilliger Verfügung zum Erben berufen, steht ihm der Voraus allenfalls dann zu, wenn der Wille des Erblassers ersichtlich ist, dem Ehegatten dieselbe Stellung zukommen zu lassen, die er als gesetzlicher Erbe hätte (Beck’scher Online-Kommentar/Müller-Christmann, BGB, 20. Ed. 2011, § 1932, Rn. 4). Dem Testament vom 08.03.2002 ist indes nur eine gegenseitige Einsetzung der Ehegatten zu (befreiten) Vorerben zu entnehmen, womit der Erblasser und die Beklagte deutlich gemacht haben, dass der jeweils überlebende Ehegatte gerade nicht die Stellung eines gesetzlichen Erben iSd § 1931 BGB haben sollte.
bb)
Darüber hinaus hat das Nachlassverzeichnis auch die lebzeitigen Schenkungen des Erblassers an die Beklagte sowie an dritte Personen in den letzten 10 Jahren vor dem Tod des Erblassers bzw. nach §§ 2316, 2050 BGB ausgleichspflichtige Zuwendungen aufzulisten.
Die Auskunftspflicht nach § 2314 Abs. 1 Satz 1 bzw. Satz 3 BGB erstreckt sich auch auf den sogenannten fiktiven Nachlassbestand, der gem. § 2316 oder § 2325 BGB zugunsten der Pflichtteilsberechtigten ausgleichspflichtig ist (Palandt/Weidlich, § 2314, Rn. 9; Beck’scher Online-Kommentar/Mayer, BGB 20. Ed. 2011, § 2314, Rn. 9).
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Zu den nach § 2325 BGB zur Pflichtteilsergänzung führenden Schenkungen gehören auch die sog. unbenannten Zuwendungen unter Ehegatten, soweit diese objektiv unentgeltlich erfolgten (BGHZ 116, 167 ff, Juris-Rn. 10, 14, 19, 22, so auch MünchKomm/Lange, BGB 5. Aufl. 2010, § 2325, Rn. 23; Beck’scher Online Kommentar/Mayer, §2325, Rn. 10; Draschka, DNotz 1993, 100, 106; Dauner-Lieb/Gietl, Pflichtteilsrecht 2010, § 2325, Rn. 49; Langenfeld, ZEV 1994, 129, 131f).
Dabei umfasst die Ergänzungspflicht nach § 2325 BGB und damit der Auskunftsanspruch nach § 2314 Abs. 1 BGB auch die Schenkungen, die der Erblasser vor der Geburt der pflichtteilsberechtigten Kläger vorgenommen hat. Entgegen der von der Beklagten geäußerten Ansicht hängt der Pflichtteilsergänzungsanspruch der Kläger nicht davon ab, ob die Zuwendungen zu einem Zeitpunkt erfolgten, als sie bereits geboren waren und so (zumindest abstrakt) pflichtteilsberechtigt wurden. Soweit es um Schenkungen des Erblassers an die Beklagte als seine Ehefrau geht, hat sie diese vielmehr gem. § 2325 Abs. 3 Hs. 2 BGB aF zeitlich unbeschränkt mitzuteilen.
Zwar mag der Wortlaut eine einschränkende Auslegung der Ergänzungspflicht durchaus zulassen ( so BGH, NJW 1973, 40). Richtig weisen indes auch die von der Beklagten zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs darauf hin, dass die Entstehungsgeschichte des § 2325 BGB gegen eine Begrenzung der Ausgleichspflicht spricht (BGH, NJW 1973, 40, 41; MDR 1997, 741, Juris-Rn. 5). So verlangte die Vorschrift des § 2009 BGB als Vorgängervorschrift im ersten Entwurf zum BGB dem Grunde nach, dass der Pflichtteilsberechtigte bereits zum Zeitpunkt der Schenkung pflichtteilsberechtigt war.
Dies fand keine Zustimmung der 2. Kommission, weil den nächsten Angehörigen grundsätzlich im Wege einer „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“ eine Mindestteilhabe am Nachlass gesichert werden sollte (Prot. Bd. V S. 586 f). Der Verzicht auf eine ausdrückliche Begrenzung des Ergänzungsanspruchs ist so als deutliche Entscheidung des Gesetzgebers für eine umfassende Berechtigung im Hinblick auf sämtliche Schenkungen für die zum Zeitpunkt des Erbfalls Pflichtteilsberechtigten zu werten (Siebert, NJW 2006, 2948; MünchKomm/Lange, BGB 5. Aufl. 2010, § 2325, Rn. 8; Staudinger/Olshausen, BGB 2006, § 2325, Rn. 64).
Soweit der Bundesgerichtshof auf die im Vergleich zum ausgehenden 19. Jahrhundert geänderten sozialen Verhältnisse verweist (BGH, NJW 1973, 40), vermag dies nicht ohne weiteres einen abweichenden Regelungsgehalt der Norm zu rechtfertigen, weil es Aufgabe des Gesetzgebers bleibt, die Rechtslage an neue Lebenswirklichkeiten anzupassen. Steht der Wille des historischen Gesetzgebers fest, so begegnet es grundsätzlichen Bedenken, anstelle des demokratisch legitimierten Gesetzgebers den Regelungsgehalt einer Norm im Wege der Auslegung neu zu formulieren (vgl. Siebert, NJW 2006, 2948).
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Jedenfalls steht es der Rechtsprechung nicht zu, eigenständig die Zweckrichtung einer Norm zu formulieren, wenn sie die Absichten des Gesetzgebers wegen eines inzwischen eingetretenen grundlegenden Wandels der Verhältnisse nicht mehr für maßgeblich hält. Vielmehr ist dann auf objektiv-teleologische Auslegungskriterien zurückzugreifen, zu denen die gesetzlich vorgegebenen Strukturen des fraglichen Rechtsbereichs sowie die der Rechtsordnung zugrundeliegenden Rechtsprinzipien gehören (Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des BGB, 9. Aufl. 2004, § 4, Rn. 50).
Danach vermag der vom Bundesgerichtshof genannte objektive Zweck des § 2325 BGB eine Begrenzung des Ergänzungsanspruchs zu Lasten der Anspruchsteller nicht zu rechtfertigen, deren Pflichtteilsrecht erst nach der Zuwendung entstanden ist. Objektives Ziel des § 2325 BGB ist es ungeachtet der gewandelten sozialen Verhältnisse geblieben, den nächsten Angehörigen des Erblassers ihre nach Art. 14, Art. 6 GG verfassungsrechtlich garantierte Teilhabe am Nachlass zu bewahren (MünchKomm/Lange, BGB 5. Aufl. 2010, § 2325, Rn. 1). Es geht so vom Ansatz her darum, das Pflichtteilsrecht insgesamt auf das lebzeitige Vermögen des Erblassers zu erstrecken.
Auch wenn die so normierte Ergänzungspflicht des Erben im Ergebnis lebzeitige Vermögensdispositionen des Erblassers im Blick hat, ist die gesetzliche Regelung nicht darauf gegründet, eine eventuelle Benachteiligungsabsicht des Erblassers zu sanktionieren. § 2325 BGB wirkt vielmehr objektiv und führt für den Pflichtteilsberechtigten zur besagten „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“. Dies ist ganz einhellige Meinung und zeigt sich systematisch etwa im Vergleich zu § 2287 BGB, der die Ansprüche des Vertragserben ausdrücklich von einer Benachteiligungsabsicht abhängig macht (vgl. nur BGH, MDR 1997, 741, Juris-Rn. 12; BGHZ 147, 95, Juris-Rn. 7; OLG Köln, ZEV 2005, 398, Juris-Rn. 35; MünchKomm/Lange, aaO, Rn. 8; Staudinger/Olshausen, aaO, Rn. 64).
Vor diesem Hintergrund ist es systematisch fragwürdig, den Ergänzungsanspruch des Pflichtteilsberechtigten davon abhängig zu machen, wie sich das Erblasservermögen bei Entstehung des Pflichtteilsrechts darstellte. Aus dem Sinn und Zweck der Norm ergibt sich jedenfalls nicht, dass der vom Bundesgerichtshof zitierte „Bestandsschutz“ nur das Vermögen betrifft, welches bei Begründung des Pflichtteilsrechts (noch) vorhanden war. Der Bundesgerichtshof rechtfertigt diesen Gedanken im Wesentlichen damit, dass die „Erberwartung“ des später hinzugekommenen Pflichtteilsberechtigten nicht enttäuscht werde, wenn er von vorherigen Zuwendungen nicht profitiere (BGH, NJW 1973, 40, 41; MDR 1997, 741, Juris-Rn. 13; so auch LG Dortmund, ZEV 1999, 30 f).
OLG Hamm I-10 U 97/09
Damit nimmt der Bundesgerichtshof indes entgegen des selbst formulierten objektiven Ansatzes ein subjektives Element in die Anspruchsvoraussetzungen auf, das sich systematisch nicht herleiten lässt. Dass der Vertrauensschutz im Hinblick auf das Nachlassvermögen nicht tragender Grund der Pflichtteils(ergänzungs)ansprüche ist, zeigt sich schließlich auch darin, dass die Kinder, die ihren Vater und sein Vermögen wegen ihrer nichtehelichen Herkunft oder wegen einer Trennung der Eltern nie gekannt haben, in gleicher Weise pflichtteilsberechtigt sind wie andere (vgl. Otte, ZEV 1997, 375).
Demgegenüber lässt sich die zeitliche Befristung der Ausgleichspflicht in § 2325 Abs. 3 BGB nicht für die Annahme heranziehen, dass die Vorschrift primär eine bestimmte Erberwartung schützen wolle (so aber BGH, NJW 1973, 40, 41). Tragender Grund der Ausschlussfrist war vielmehr der Gedanke der Rechtssicherheit bzw. der Schutz des Beschenkten. Zwar hatte der Gesetzgeber durchaus im Blick, dass sich nach Fristablauf iSv § 2325 Abs. 3 BGB nicht nur die Lebenswirklichkeit des Erblassers den geminderten Vermögensverhältnissen angepasst hatte, sondern auch eine Gewöhnung der pflichtteilsberechtigten Angehörigen eingetreten sein dürfte (BGH, NJW 1973, 40, 41).
Indes verdeutlicht der auflösend bedingte Fristbeginn bei Zuwendungen an den Ehegatten, dass die Pflichtteilsberechtigten zeitlich unbegrenzt vom gesamten Vermögen profitieren sollten, welches die Lebenswirklichkeit des Erblassers bei seinem Tod noch prägte, unabhängig davon, wann er sich juristisch dieses Vermögens begeben hatte (vgl. Staudinger/Olshausen, aaO, Rn. 60). Aus der Ausschlussfrist lässt sich so keine gesetzgeberische Entscheidung dahingehend ablesen, dass der Schutz des Pflichtteilsberechtigten von seiner Kenntnis der (juristischen) Vermögensverhältnisse des Erblassers bzw. seiner darauf gestützten „Erberwartung“ abhängen sollte.
Jedenfalls dürfte sich der hier streitige Ergänzungsanspruch von nachgeborenen Abkömmlingen von der Warte des Bundesgerichtshofs aus damit rechtfertigen lassen, dass ihre „Erberwartung“ gem. § 2325 Abs. 3 2. Hs. BGB aF das Vermögen einbeziehen durfte, welches bis zu seinem Tod die Lebenswirklichkeit des Erblassers prägte. Dazu gehören dann allerdings sämtliche Zuwendungen an die Beklagte als seine Ehefrau.
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Unabhängig von den aufgezeigten Bedenken im Hinblick auf eine schützenswerte „Erberwartung“ liefe eine Differenzierung der Ergänzungspflicht nach dem Bestehen eines Pflichtteilsrechts zum Zeitpunkt der Schenkung zumindest (wie hier) bei Ergänzungsforderungen nachgeborener Angehöriger der gesetzgerischen Entscheidung zuwider, die dem Erblasser nachfolgenden Stämme zu gleichen Teilen am Nachlass zu beteiligen (§ 1924 Abs. 3, 4 BGB).
Hängt die Ergänzungspflicht davon ab, ob „das rechtliche Verhältnis, das den Pflichtteilsanspruch begründet oder aus dem der Pflichtteilsberechtigte hervorgegangen ist“ (BGH, NJW 1973, 40, 41) zum Zeitpunkt der Schenkung schon bestand, so schließt dies unweigerlich zumindest die nichtehelich geborenen Abkömmlinge bzw. Abkömmlinge aus einer späteren Ehe von der gem. § 2325 BGB bezweckten Teilhabe am Erblasservermögen aus, was mit den Wertungen von Art. 6 Abs. 1, Abs. 5 GG nicht vereinbar wäre (so auch BGH, MDR 1997, 741, Juris-Rn. 6; Otte, ZEV 1997, 375).
Da das Pflichtteilsrecht und damit auch der Ergänzungsanspruch indes nach § 2303 Abs. 1 BGB an die gesetzliche Erbenstellung anknüpfen, ließe sich die Begrenzung der Ausgleichspflicht auch weder mit dem Erbrecht noch mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG vereinbaren, zumal die Anknüpfung an den Zeitpunkt der Geburt (bzw. Zeugung, vgl. BGH, NJW 1973, 40, 41) rein zufällig ist und mit dem Sinn und Zweck der Ausgleichspflicht in keinem Zusammenhang steht (Staudinger/Olshausen, BGB 2006, § 2325, Rn. 66).
Nicht überzeugend ist es schließlich, auf die jeweilige „Schutzbedürftigkeit“ des Anspruchstellers (BGH, MDR 1997, 741, Juris-Rn. 14) bzw. darauf abzustellen, ob die Anwendung des § 2325 BGB zu „unbilligen“ oder „gerechten“ Ergebnissen (BGH, NJW 1973, 40, 41) führt.
Zwar mag der historische Gesetzgeber bei seiner Entscheidung für eine unbeschränkte Mindestteilhabe der nahen Angehörigen am Vermögen des Erblassers nicht solche Fälle vor Augen gehabt haben, die der Bundesgerichtshof zu entscheiden hatte, in denen die pflichtteilsberechtigte zweite Ehefrau die Beteiligung an dem Vermögen begehrte, welches vor Eheschließung den Kindern aus erster Ehe zugewandt war.
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Das gesetzgeberische Bestreben, das „Familienvermögen“ zumindest zu einem gewissen Anteil den Angehörigen zu erhalten, gründete auch auf der Annahme fester und unveränderlicher Bindungen innerhalb der Familie, die heute nicht mehr gerechtfertigt ist und deren Enttäuschung zu „unbilligen“ Ergebnissen führen mag.
Allerdings ist eine Differenzierung nach den jeweils gefundenen Ergebnissen der Rechtsanwendung mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit nicht zu vereinbaren und würde im Extremfall die (zeitliche oder persönliche) Verbindung des Anspruchstellers zum Erblasservermögen zur Anspruchsvoraussetzung erheben und damit wiederum auf eine Art. 3 Abs. 1 (bzw. Art. 6 Abs. 5) GG widersprechende Ungleichbehandlung hinauslaufen.
Kommt es nach diesen Erwägungen weder auf die jeweilige „Erberwartung“ des Pflichtteilsberechtigten noch auf sein Pflichtteilsrecht zum Zeitpunkt der Schenkung oder gar seine „Schutzbedürftigkeit“ an, sondern maßgeblich auf die ihm objektiv zu gewährende Mindestteilhabe am Nachlass, so hat der Ergänzungsanspruch sämtliche Schenkungen zu berücksichtigen, die der Erblasser in den letzten zehn Jahren seines Lebens bzw. während seiner Ehe getätigt hat.
Für ein solches Verständnis der Ausgleichspflicht spricht neben den aufgezeigten systematischen Bedenken die Vermeidung von Folgeproblemen, die sich aus einer Differenzierung nach der jeweiligen Entstehung des Pflichtteilsrechts ergeben würden.
So ist auch nach der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ungeklärt, mit welcher Quote mögliche Ergänzungsansprüche zu berechnen wären bzw. ob eine zum Zeitpunkt der Schenkung abstrakte Pflichtteilsberechtigung genügen soll oder nur eine konkrete (vgl. Beck’scher Online-Kommentar/Mayer, BGB aaO, Rn. 3; MünchKomm/Lange, BGB 5. Aufl. 2010, Rn. 10; Staudinger/Olshausen, aaO, Rn. 66; vgl. auch Bestelmeyer, FamRZ 1998, 1152 ff; Pentz, FamRZ 1999, 488 ff; Keller, ZEV 2000, 268 ff).
Im Gegensatz dazu gewährleistet die umfassende Berücksichtigung sämtlicher Schenkungen des Erblassers zugunsten der Pflichtteilsberechtigten – in den zeitlichen Grenzen des § 2325 Abs. 3 BGB – eine gleichberechtigte und kalkulierbare Vermögensteilhabe der zum Zeitpunkt des Erbfalls lebenden Abkömmlinge.
cc)
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Soweit das angefochtene Urteil die Beklagte zur Wertermittlung im Hinblick auf die Nachlassgegenstände verpflichtet hat, war es wegen der vom Kläger im Senatstermin am 12.01.2010 erklärten Zurückstellung des entsprechenden Antrages nicht aufrechtzuerhalten. Die Rückstellung des Wertermittlungsantrags, der erst nach Auskunft und entsprechender eidesstattlicher Versicherung der Auskunft über den Nachlass auf dritter Stufe in Betracht kommt (Staudinger/Haas BGB, 2006, § 2314, Rn. 79) stellt eine im Sinne von § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Klageänderung dar, die dazu führt, dass die Verurteilung der Beklagten nur im Hinblick auf die Verurteilung zur Auskunft aufrechterhalten bleiben kann (qualitative Klageänderung, vgl. Zöller/Greger, ZPO, 28. Auflage 2010, § 264, Rn. 3 b).
3.
Soweit mit dem angefochtenen Urteil „die Klage im Übrigen“ abgewiesen worden ist, war das Urteil gem. § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen. Die Vorschrift des § 538 Abs. 2 Nr. 4 ist entsprechend anwendbar, wenn das erstinstanzliche Gericht verfahrensfehlerhaft über sämtliche Stufen einer Stufenklage entschieden hat.
Eine einheitliche Entscheidung über die mehreren in einer Stufenklage verbundenen Anträge kommt nur dann in Betracht, wenn schon die Prüfung des Auskunftsanspruchs ergibt, dass dem Hauptanspruch die materiell-rechtliche Grundlage fehlt oder wenn es hinsichtlich aller Anträge an einer Prozessvoraussetzung fehlt (BGH NJW 2002, 1042, 1043; Beck‘scher Online-Kommentar/Bacher, ZPO, Ed. 1 2011, § 254 Rn. 19).
Vorliegend fehlte es nicht an den in der Sache verfolgten Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen der Kläger. Neben dem bereits erhobenen ursprünglichen Zahlungsanspruch sind – je nach Ergebnis der Auskunft – auch weitere Zahlungsansprüche denkbar. Über diese durfte das Landgericht gem. § 254 ZPO mit der Verurteilung zur Auskunft noch nicht entscheiden, insbesondere nicht in Form der Klageabweisung.
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Dieser Verfahrensmangel konnte auch nicht gem. § 319 ZPO geheilt werden. Zwar darf auch das Rechtsmittelgericht eine Urteilsberichtigung vornehmen (Beck’scher Online-Kommentar/Elser, ZPO, Ed. 1, 2011, § 319 Rn. 45). Allerdings kommt eine Urteilsberichtigung nur im Fall von offenbaren Unrichtigkeiten des Urteils in Betracht. Unrichtig im Sinne des § 319 ZPO ist eine wesentliche Abweichung der gerichtlichen Willenserklärung von der Willensbildung.
Offenbar ist die Unrichtigkeit, wenn sich der Fehler bereits unmittelbar aus der Entscheidung selbst oder aus den Vorgängen bei Erlass und Verkündung für die Parteien und für Außenstehende ohne Weiteres ergibt (Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Auflage 2010, § 319 Rn. 5). Das Auseinanderfallen von Gewolltem und Erklärtem muss für die Parteien erkennbar sein. Sie müssen mit einer Berichtigung rechnen können (BGH, Urteil vom 22.09.2009 zu Az. IV ZR 128/08, Juris-Rn. 3; OLGR Bamberg 2000, 148; Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 13.03.2002 zu Az. 4 TA 180/01, Juris-Rn. 3).
Dies ist hier nicht der Fall. Das angefochtene Urteil des Landgerichts befasst sich in den Entscheidungsgründen an keiner Stelle mit den noch offenen Klageanträgen und erweckt durch die Bezeichnung als „Urteil“ im Rubrum, welches eine Entscheidung über (sämtliche) Kosten enthält, es handele sich um eine die Instanz insgesamt abschließende Entscheidung.
4.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Danach ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine klärungsbedürftige Frage zu entscheiden ist, deren Auftreten in einer unbestimmten Anzahl von Fällen zu erwarten ist und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheiltichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Mit Blick auf den Zulassungsgrund aus § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist eine solche grundsätzliche Bedeutung gerade in Fällen abweichender Entscheidungen der Instanzgerichte von der höchstricherlichen Rechtsprechung anzunehmen (Zöller/Heßler, ZPO 28. Aufl. 2010, § 543, Rn. 11).
Zwar betrifft die vorliegende Entscheidung zur Ergänzungspflicht von Zuwendungen nicht die Konstellationen, über die der Bundesgerichtshof bereits zu entscheiden hatte, so dass eine Abweichung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung darin nicht begründet liegt. Allerdings beurteilt der Senat die Frage der Ergänzungspflicht von Zuwendungen, die vor Entstehung der Pflichtteilsberechtigung getätigt wurden, grundsätzlich abweichend von dem höchstrichterlich aufgestellten Rechtsgrundsatz. Daher ist eine Zulassung der Revision gerechtfertigt.