OLG Koblenz 12 U 1151/04
Anrechnung auf den Pflichtteil: Kein Anscheinsbeweis für Anrechnungsbestimmung bei Zuwendung größerer Geldbeträge
Der Pflichtteilsberechtigte hat sich eine Zuwendung des Erblassers nur dann auf den Pflichtteil anrechnen zu lassen, wenn der Erblasser die Zuwendung ausdrücklich oder konkludent mit der Bestimmung gemacht hatte, dass das Zugewandte auf den Pflichtteil angerechnet werden soll.
Eine Anrechnungsbestimmung ist zudem nur wirksam, wenn sie dem Empfänger der Zuwendung gleichzeitig mit dieser oder vorher zugeht.
Eine erst nach Vollzug der Zuwendung, etwa in einer späteren letztwilligen Verfügung, getroffene Anrechnungsbestimmung ist unwirksam.
Der Erbe, der eine Anrechnung der Zuwendung auf den Pflichtteil geltend macht, hat darzulegen, und zu beweisen, dass die Zuwendung mit einer gleichzeitigen oder früher erklärten Anrechnungsbestimmung erfolgt ist.
Ein Anscheinsbeweis für eine konkludent erklärte Anrechnungsbestimmung greift auch im Fall der Zuwendung größerer Geldbeträge nicht ein; dies gilt jedenfalls dann, wenn bereits die Vollziehung der Zuwendung streitig ist.
Tenor
OLG Koblenz 12 U 1151/04
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 12. August 2004 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 25.564,59 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. März 2003 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, jedoch bleibt der Beklagten nachgelassen, die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen:
Gründe
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I.
Die Parteien sind Geschwister. Sie streiten um einen restlichen Pflichtteilsanspruch des Klägers gegen die Beklagte aus dem Nachlass ihres am 26. Mai 2002 verstorbenen Vaters A… W…
Der Erblasser hatte als Gegenleistung für geleistete Pflegedienste die Beklagte durch notariell beurkundetes Testament vom 14. Juli 2000 (Bl. 6 ff. GA) zur Alleinerbin eingesetzt und die beiden Brüder der Beklagten zu Ersatzerben bestimmt sowie hinzugefügt:
„Meine Tochter K… W… hat auf den Erbanspruch ihrer Brüder N… und A… W… an jeden von ihnen einen Betrag in Höhe von 50.000,00 DM, in Worten: fünfzigtausend Deutsche Mark, herauszuzahlen.
Hinsichtlich meines Sohnes N… ist dieser Herauszahlungsanspruch bereits abgegolten durch eine Zahlung in Höhe von 50.000,00 DM für den Erwerb einer Eigentumswohnung.“
Hintergrund der letztgenannten Bemerkung war der Erwerb einer Eigentumswohnung durch den Kläger im Jahre 1991 zum Preis von 102.000 DM.
Rechnerisch steht dem Kläger unstreitig ein Pflichtteilsanspruch von (mindestens) 46.997,95 Euro zu, weil der Nachlass sich auf Aktiva im Wert von 291.040,30 Euro beläuft, denen Passiva im Wert von 9.052,63 Euro gegenüberstehen (Bl. 13 f. GA). Zu den Aktiva gehörten nach einer Aufstellung der Beklagten vom 29. November 2002 neben einem Hausgrundstück im Wert von 180.000 Euro insbesondere Bankguthaben in Höhe von insgesamt 94.393,80 Euro (Bl. 13 GA), davon allein 82.320 Euro auf einem „Cash-Konto“. Demgegenüber hatte der Erblasser bei der Testamentserrichtung am 14. Juli 2000 noch angegeben, der Nachlass bestehe im Wesentlichen aus dem Hausgrundstück (Bl. 8 GA). Den Wert seines damaligen „reinen Vermögens“ hatte er mit 200.000 DM beziffert (Bl. 9 GA).
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Auf den Pflichtteilsanspruch des Klägers hat die Beklagte 21.433,36 Euro gezahlt, aber die Zahlung weiterer 25.564,59 Euro (50.000 DM) mit Hinweis auf die Testamentsbestimmung über die Anrechnung einer Geldzuwendung in dieser Höhe verweigert.
Der Kläger hat vorgetragen, er habe die genannten 50.000 DM tatsächlich nie von dem Erblasser erhalten.
Den Kauf der Eigentumswohnung nebst Kosten habe er im Jahre 1991 mit zwei Bankdarlehen über insgesamt 113.000 DM finanziert, wofür er zudem die am 22. Januar 1992 fällige Forderung aus einem Sparkassenbrief über 28.000 DM und eine Bausparforderung über 6.188,47 DM sicherheitshalber abgetreten habe (Bl. 65 GA).
Die Kreditaufnahme und die Forderungsabtretung wären im Falle einer Zuwendung von 50.000 DM durch den Erblasser zur Mitfinanzierung des Wohnungskaufes nicht in diesem Umfang erforderlich gewesen.
Auch mit Blick auf vorhandenes Eigenkapital und das Einkommen der Ehegatten (zu versteuerndes Einkommen im Jahr 1991 von 68.598 DM) sei eine Zuwendung von 50.000 DM durch den Erblasser nicht zur Ermöglichung des Wohnungskaufs notwendig gewesen (Bl. 65 GA).
Eine Anrechnungsbestimmung, wie sie im notariell beurkundeten Testament vom 14. Juli 2000 enthalten sei, könne im Übrigen von Rechts wegen nach § 2315 BGB nicht wirksam getroffen werden.
Die Beklagte hat Klageabweisung mit dem Vortrag beantragt, die im Testament genannten 50.000 DM seien tatsächlich vom Erblasser an den Kläger gezahlt worden.
Die Testamentsbestimmung enthalte eine wirksame Anrechnungsbestimmung hierzu.
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Das Landgericht hat die Klage nach Vernehmung der Zeugen M… L… (Bl. 49 f. GA) und Dr. U… K… (Bl. 57 ff. GA) durch Urteil des Einzelrichters der 12. Zivilkammer vom 12. August 2004 abgewiesen (Bl. 78 ff. GA).
Es hat ausgeführt, die Beklagte habe nachgewiesen, dass der Kläger den genannten Betrag erhalten habe.
Das folge im Wesentlichen aus dem Testamentstext, aber indiziell auch daraus, dass der Beklagte ein gutes Verhältnis zum Vater behauptet habe.
Bei dieser Sachlage sei auszuschließen, dass der Erblasser den Kläger durch falsche Angaben im Testament um seinen Pflichtteil habe bringen wollen. Auch sei davon auszugehen, dass 50.000 DM tatsächlich an den Kläger gezahlt worden seien.
Das folge ebenfalls aus dem Testamentstext, der insoweit durch die Zeugenaussage des Urkundsnotars Dr. U… K… bestätigt worden sei.
Diesem Zeugen gegenüber habe der Erblasser erklärt, er habe die Zahlung bereits zur Mitfinanzierung des Wohnungskaufs gezahlt.
Aus dem Testament ergebe sich eine Anrechnungsbestimmung, die auf die Zahlung der 50.000 DM anzuwenden sei.
Bei Zuwendung von größeren Summen spreche ein Anscheinsbeweis für eine zumindest stillschweigend getroffene Anrechnungsbestimmung zur Zeit der Zuwendung.
Das treffe auch hier zu, zumal die fraglichen 50.000 DM ein Viertel des vom Erblasser damals angenommenen Nachlasswertes ausgemacht hätten.
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Das Vorbringen des Klägers über die Art und Weise der Finanzierung des Wohnungskaufs sei erst in einem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 7. Juli 2004 nach Schluss der mündlichen Verhandlung angebracht worden.
Es biete wegen Verspätung im Sinne von § 296a ZPO keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Jenes Vorbringen sei im Übrigen unerheblich.
Wenn darin behauptet werde, der Kläger habe die von ihm erworbene Eigentumswohnung insgesamt durch Bankdarlehen finanziert und nicht eine Zuwendung des Erblassers von 50.000 DM auf den Wohnungskauf aufgewendet, so sei dies ohne Belang.
Die Zuwendung mitsamt ihrem Zweck aus der Sicht des Erblassers sei als solche erwiesen, ohne dass es darauf ankomme, worauf das Geld dann tatsächlich verwendet worden sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, der damit sein Klageziel weiterverfolgt. Er meint, die beiden Testamentsbestimmungen seien zwei Vermächtnisse, von denen das zweite nicht schon vor dem Erbfall erfüllbar gewesen sei.
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Dass es sich um eine Vermächtnisanordnung, nicht um eine Anrechnungsbestimmung nach § 2315 BGB, gehandelt habe, folge daraus, dass andernfalls die weitere Testamentsbestimmung unverständlich sei, die wie folgt lautet:
„Sollte einer meiner beiden Söhne mein Testament nicht anerkennen bzw. anfechten, so soll sein Erbteilsanspruch auf den Pflichtteil beschränkt sein.“
Die Klage werde deshalb hilfsweise auf einen Vermächtnisanspruch nach § 2174 BGB gestützt.
Eine Erfüllung einer Vermächtnisforderung sei nicht vor der letztwilligen Verfügung möglich. Sie sei auch tatsächlich nicht erfolgt, weil dazu erforderlich gewesen wäre, dass die Zweckbestimmung der Zuwendung, eine Leistung auf künftige erbrechtliche Ansprüche zu erbringen, zur Zeit der Zuwendung hätte verdeutlicht werden müssen; dafür fehle aber jeder Hinweis.
Sollte der Kläger hingegen nur als Pflichtteilsberechtigter anzusehen sein, dann fehle es auch an einer wirksamen Anrechnungsbestimmung; die Klausel im Testament beziehe sich auch nicht auf die Anrechnung der lebzeitigen Geldzuwendung auf den Pflichtteil.
Die Anrechnungsklausel im Testament wäre im Übrigen als nachträgliche Anrechnungsbestimmung im Sinne von § 2315 BGB unwirksam.
Eine Zweckbestimmung durch den Erblasser vor oder bei der Zuwendung sei von der Beklagten nicht behauptet worden.
Ein Beweis des ersten Anscheins komme hier nicht in Betracht, weil es an einem typischen Geschehensablauf fehle, der einen tragfähigen Beweisschluss zulasse.
Ungewöhnlich seien vielmehr die Frage des Urkundsnotars nach der Möglichkeit eines Beweises der Geldzuwendung sowie das spätere Fehlen eines solchen Nachweises und die Urkundenverbrennung durch den Bruder A… W… nach dem Erbfall.
Tatsächlich habe der Erblasser gar keine 50.000 DM an ihn gezahlt; wann und wie das geschehen sein solle, habe die Beklagte nicht vorgetragen.
Das Vorbringen sei insoweit unsubstanziiert, so dass auch ein Beweiswert der Erklärung des Erblassers im notariellen Testament nicht bestehe.
Dort sei zudem ein Nachlasswert von 200.000 DM angegeben worden, der nur rund ein Drittel des von der Beklagten mit 291.040,30 Euro abzüglich 9.052,63 Euro betragenden Wertes ausmache.
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Diese erkennbar falsche Angabe des Nachlasswertes wecke auch Zweifel an der Richtigkeit der weiteren Erklärungen des Erblassers.
Die Beklagte habe zusammen mit ihrem weiteren Bruder nach dem Erbfall Unterlagen des Vaters verbrannt; darüber habe das Landgericht zu Unrecht keinen Beweis erhoben.
Er, der Kläger, habe in erster Instanz vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass die 50.000 DM tatsächlich nicht in den Wohnungskauf eingeflossen seien; auch darüber sei das Landgericht hinweggegangen.
Die Behauptung im Testament, ihm seien bereits früher 50.000 DM für den Wohnungskauf zugewendet worden, sei zudem unsubstantiiert. Das Landgericht habe zu Unrecht einen Anscheinsbeweis angenommen. Es habe auch einen falschen Nachlasswert zu Grunde gelegt.
Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 25.564,59 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1. März 2003 zu zahlen (genauer Wortlaut Bl. 97 GA).
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt das angefochtene Urteil und meint insbesondere, das Landgericht habe zu Recht den Beweis des ersten Anscheins dafür zu Grunde gelegt, dass die Zuwendung von 50.000 DM zumindest mit der stillschweigend erklärten Bestimmung einer Anrechnung auf den Pflichtteilsanspruch des Klägers erfolgt sei (Bl. 110 GA).
Der Kläger hat darauf erwidert (Bl. 112 f. GA).
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen. Wegen der Feststellungen des Landgerichts wird auf die Gründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
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II.
Die zulässige Berufung ist begründet und führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils. Es bestehen durchgreifende Bedenken gegen die Annahme des Landgerichts, es sei bewiesen, dass der Erblasser dem Kläger zum Zweck der Ermöglichung eines Wohnungskaufes 50.000 DM zugewendet habe und dabei sei nach dem ersten Anschein eine Anrechnungsbestimmung im Sinne von § 2315 BGB getroffen worden.
Vielmehr hat der Kläger gegen die Beklagte einen Pflichtteilsrestanspruch in Höhe der Klageforderung. Zusätzlich besteht ein Zinsanspruch aufgrund des Zahlungsverzuges der Beklagten, der nur hinsichtlich des Zinsfußes geringfügig hinter der Klageforderung zurückbleibt.
1. Ein Vermächtnisanspruch des Klägers besteht freilich nicht. Die Anordnung der Zuwendung der 50.000 DM an den Kläger und seinen Bruder im notariellen Testament war nur eine deklaratorische Vermächtnisanordnung. Sie ist nicht wirksam geworden.
Nach dem Erblasserwillen sollte der Vermächtnisanspruch des Klägers schon zur Zeit der letztwilligen Verfügung als erfüllt gelten und auch nach dem Erbfall nicht mehr durch Zahlung an den Kläger erfüllt werden müssen. Das kommt der Sache nach einem sofortigen Widerruf der Vermächtnisanordnung gleich (vgl. § 2253 BGB).
2. Eine Wirkung der Testamentsbestimmung dahin, dass die behauptete Zahlung von 50.000 DM zu Lebzeiten des Erblassers vor der Testamentserrichtung auf den Pflichtteilsanspruch des Klägers anzurechnen sei, ist nicht eingetreten.
Der Kläger hat vielmehr einen Pflichtteilsanspruch in Höhe der Klageforderung.
a) Es steht schon nicht fest, dass der Erblasser dem Kläger tatsächlich zu Lebzeiten 50.000 DM zugewendet hatte.
Das Landgericht hat angenommen, eine solche Feststellung könne getroffen werden, weil der Erblasser im notariell beurkundeten Testament eine solche Geldzuwendung behauptet und dies auch gegenüber dem Urkundsnotar mündlich angegeben habe.
Weil das Verhältnis des Erblassers zum Kläger nach dessen Parteivortrag ungetrübt gewesen sei, könne auch nicht angenommen werden, dass der Erblasser insoweit unrichtige Angaben gemacht habe.
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Das trägt nicht. Der Erblasser hatte nämlich an anderer Stelle unzutreffende Angaben gegenüber dem Urkundsnotar gemacht, indem er angegeben hatte, sein Vermögen habe zur Zeit der Testamentserrichtung im Wesentlichen nur aus dem Hausgrundstück bestanden.
Der Wert seines derzeitigen reinen Vermögens belaufe sich auf rund 200.000 DM. Tatsächlich belief sich allein der Grundstückswert „gem. Gutachten“ wenig mehr als zwei Jahre später – unstreitig auf 180.000 Euro und damit auf nahezu den doppelten Wert.
Für einen Wertzuwachs in der Zwischenzeit zwischen der letztwilligen Verfügung und dem Erbfall ist nichts ersichtlich.
Außerdem bestand das Vermögen des Erblassers beim Erbfall nicht nur aus dem Grundstück, sondern auch aus einem beträchtlichen Barvermögen, insbesondere aus leicht verfügbaren Bankguthaben auf einem „Cash-Konto“.
War demnach Barvermögen in erheblichem Umfang vorhanden, dessen Existenz der Erblasser im Testament dementierte, so weckt dies auch Zweifel daran, dass die behauptete Bargeldzuwendung an den Kläger, die gegebenenfalls dem Bargeldbestand im Nachlass entzogen worden wäre, tatsächlich erfolgt ist.
Hatte der Erblasser insoweit bei der Testamentserrichtung unzutreffende Angaben gemacht, weil nichts dafür spricht, dass er das beträchtliche Barvermögen erst nach der Testamentserrichtung erworben hat und bei seiner Vermögensbezeichnung im Testament aus dem Blick verloren hatte, dann ist auch die Behauptung des Erblassers im Testament in Frage gestellt, dass er schon früher dem Kläger 50.000 DM zugewendet habe.
Beim Personalbeweis ist davon auszugehen, dass eine Zeugenaussage im Ganzen kritisch zu hinterfragen ist, wenn feststeht, dass der Zeuge in einem wesentlichen Aussageteil unrichtige Angaben hat (vgl. BGHSt 44, 153, 159).
Erst recht muss eine nur noch urkundenbeweislich sowie durch gleichsinniges Zeugnis vom Hörensagen verwertbare Angabe einer verstorbenen Auskunftsperson, deren Unrichtigkeit in einem Detailpunkt anzunehmen ist, auch für den restlichen Aussageteil kritisch bewertet werden.
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Das Landgericht hätte daher auch nicht den Kläger ohne Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung mit dem urkundlich belegten Vorbringen ausschließen dürfen, dass die Angabe des Erblassers, er habe ihm 50.000 DM zur Ermöglichung eines Wohnungskaufes zugewendet, objektiv nicht zutrifft,
weil der Wohnungskauf in vollem Umfang ohne Inanspruchnahme einer erheblichen Bargeldzuwendung des Erblassers, die immerhin rund die Hälfte des Kaufpreises für die Wohnung abgedeckt hätte, anderweitig finanziert und zusätzlich abgesichert worden war.
Damit ist jedenfalls der behauptete Zweck der angeblichen Zuwendung eines erheblichen Geldbetrages nicht durch die Zuwendung erfüllt worden. Auch das stellt die Durchführung der Geldzuwendung selbst in Frage.
Lagen nach alledem konkrete Anzeichen dafür vor, dass der Erblasser bei der Errichtung des notariell beurkundeten Testaments unrichtige Angaben gemacht hatte, dann kann darüber nicht mit dem Hinweis hinweggegangen werden, dass aus der Sicht des Klägers das Verhältnis zum Erblasser ungetrübt gewesen sei.
Das mag auf einer Fehleinschätzung des Klägers oder Verheimlichung einer anderen Perspektive des Erblassers beruht haben.
Es bestehen jedenfalls Zweifel daran, dass der Erblasser dem Kläger 50.000 DM zugewendet hat.
Diese Zweifel sind nicht überwindbar, zumal schon im Parteivorbringen offen bleibt, wann und wie die Zuwendung, deren angeblicher Zweck tatsächlich anderweitig erfüllt wurde, erfolgt sein soll. Irgendeinen Nachweis für die Zahlung hat die Beklagte nicht beigebracht, einen gegenüber den Zweifelsgründen weiter führenden Beweis hat sie nicht angeboten.
Ihr obliegt aber im Fall des § 2315 BGB die Darlegungs- und Beweislast.
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b) Selbst wenn die Zahlung von 50.000 DM durch den Erblasser an den Kläger feststünde, wäre eine Anrechnung auf den Pflichtteilsanspruch nicht gerechtfertigt.
Der Pflichtteilsberechtigte hat sich eine Zuwendung des Erblassers nach § 2315 BGB nur dann auf den Pflichtteil anrechnen zu lassen, wenn der Erblasser die Zuwendung mit der Bestimmung gemacht hatte, dass das Zugewandte auf den Pflichtteil angerechnet werden soll
(vgl. bereits RGZ 67, 306, 307).
Eine Anrechnungsbestimmung ist deshalb auch nur wirksam, wenn sie dem Empfänger der Zuwendung gleichzeitig mit dieser oder vorher zugeht.
Auch das hat der Erbe darzulegen und zu beweisen (MünchKomm-Lange, BGB 4. Aufl. § 2315 Rn. 6).
Dieses zeitliche Erfordernis, das durch den Wortlaut der Vorschrift („… mit der Bestimmung… zugewendet…“) gestützt wird, soll dem Pflichtteilsberechtigten die Möglichkeit eröffnen, die mit der Anrechnungsbestimmung belastete Zuwendung zurückzuweisen.
Die Anrechnungsbestimmung durch den Erblasser kann gegenüber dem Empfänger allerdings ausdrücklich oder konkludent erklärt werden. Es ist auch nicht erforderlich, dass der Erblasser den Empfänger der Zuwendung dann bereits enterbt hat; ausreichend ist, wenn er die Möglichkeit in Betracht gezogen hatte, den Empfänger auf den Pflichtteil zu setzen (Staudinger/Haas, BGB § 2315 Rn. 21).
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Auch dafür ist jedoch nichts vorgetragen worden oder aus den mitgeteilten Umständen ersichtlich.
Der Erblasser hätte die für Zwecke des Wohnungskaufes erfolgte Zuwendung gegebenenfalls im Jahre 1991 vorgenommen, die Einsetzung der Beklagten zur Alleinerbin unter Enterbung des Klägers und seines Bruders aber erst im Jahre 2000 letztwillig verfügt.
Bei dieser Sachlage ist nicht anzunehmen, dass der Erblasser schon im Jahre 1991 damit gerechnet hatte, dass der Kläger von ihm später auf den Pflichtteil gesetzt werden würde; ferner kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Geldzuwendung, wenn sie überhaupt erfolgt wäre, damals schon mit der Bestimmung erfolgt sei, diese sei später auf einen Pflichtteilsanspruch des Klägers anzurechnen.
Ein Anscheinsbeweis greift bei dieser Sachlage nicht ein.
Der Anscheinsbeweis für einen ursächlichen Zusammenhang ist dann geführt, wenn ein typischer Geschehensablauf feststeht, bei dem nach der Lebenserfahrung aus einem bestimmten unstreitigen oder bewiesenen Sachverhalt auf eine bestimmte Folge oder umgekehrt aus einem feststehenden Erfolg auf eine bestimmte Ursache zu schließen ist.
Bei der Bewertung eines Geschehens als typisch sind alle bekannten Umstände einzubeziehen (vgl. BGHR ZPO § 286 Abs. 1 Anscheinsbeweis 6, 15).
Dass bei typischen Geschehensabläufen nach der Erfahrung des Lebens regelmäßig von einem bestimmten Ereignis auf einen bestimmten Erfolg geschlossen werden kann und umgekehrt, berührt indes nicht die Frage der Beweislast.
Der Anscheinsbeweis ist gegebenenfalls nur geeignet, dem Richter die Überzeugung zu vermitteln, dass sich in einem gegebenen Falle die Dinge so zugetragen haben, wie es nach der Regel des Lebens für gleichartige Geschehnisse typisch ist.
Spricht für die Richtigkeit des Vorbringens einer Prozesspartei der Anscheinsbeweis, so wird dem Prozessgegner kein Gegenbeweis aufgebürdet, er kann dem Anscheinsbeweis vielmehr bereits dadurch die Grundlage entziehen, dass er Umstände aufzeigt, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des erfahrungsgemäß normalen Verlaufs der Dinge ergibt
(BGHZ 39, 103, 107 f.).
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Hier fehlt es indes schon an einer hinreichend tragfähigen Grundlage für die Annahme eines ersten Anscheins, auf den sich eine richterliche Überzeugung von der Wahrheit einer Behauptung stützen könnte; im Übrigen hätte der Kläger jedenfalls den Anschein mit seinem Vortrag ernsthaft erschüttert.
Die Beklagte hat nicht darlegen können, wann und wie die Zahlung des Erblassers an den Kläger erfolgt sein soll.
Da der Wohnungskauf, dessen Ermöglichung die Zuwendung gedient haben soll, bei der Testamentserrichtung schon viele Jahre zurücklag, kann der fehlende Parteivortrag der darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten nicht durch einen ersten Anschein ersetzt werden.
Dem steht schon entgegen, dass die Zahlung selbst nicht tragfähig bewiesen ist.
Nur wenn die Zahlung feststünde und zeitlich sowie hinsichtlich der Umstände, unter denen sie erfolgt sein soll, konkretisierbar wäre, könnte man mit Blick auf die Beweisschwierigkeiten des Erben hinsichtlich einer lange zurückliegenden Anrechnungsbestimmung des Erblassers „erwägen,
ob man dem Erben mit einem Beweis des ersten Anscheins die Beweislast abmildert“ und nach der Lebenserfahrung einen Schluss aus der Höhe der Geldzuwendung auf deren Vornahme unter einer Anrechnungsbestimmung nach § 2315 BGB zulässt
(Soergel/Dieckmann, BGB 13. Aufl. § 2315 Rn. 6).
Das trifft indes nicht zu, weil schon nicht vorgetragen wurde, wann und unter welchen genauen Umständen die Geldzuwendung erfolgt ist.
Auch die Behauptung des Erblassers gegenüber dem Urkundsnotar und im Testament, er habe dem Kläger schon früher 50.000 DM zugewendet, so dass ein nachträglich zugebilligter Vermächtnisanspruch bereits vor seiner Anordnung erfüllt sei, enthält keine Angaben zu einer früheren Anrechnungsbestimmung vor und bei der behaupteten Geldzuwendung.
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Der Wertung des Landgerichts, der Erblasser habe dem Kläger zu Lebzeiten Geld im Wert von immerhin einem Viertel des von ihm später im Testament angegebenen Wertes des Vermögens zugewendet, ist hinzuzufügen, dass die Vermögensverhältnisse des Erblassers zur Zeit der (angeblichen) Zuwendung nicht bekannt sind. Gemessen an dem späteren Nachlasswert wäre die Relation der Zuwendung zum Wert des Gesamtvermögens eine andere.
Eine Ersetzung des nach der gesetzlichen Regelung erforderlichen Parteivortrages und des Beweises für eine anfängliche Anrechnungsbestimmung durch den Erblasser bei der lebzeitigen Vermögenszuwendung gemäß § 2315 BGB durch einen ersten Anschein, der sich aufgrund des Wertes der angeblichen Geldzuwendung ergeben soll, kommt nach allem nicht in Frage.
Die Rechtsprechung geht im Übrigen davon aus, dass es grundsätzlich keinen Anscheinsbeweis für individuelle Verhaltensweisen von Menschen in bestimmten Lebenslagen gibt (vgl. BGHZ 100, 214, 216).
Freilich kommen verschiedene Wege des Nachweises einer Anrechnungsbestimmung in Frage.
Erforderlich sind aber immer konkrete Tatsachen, die nicht nur die ausdrückliche oder konkludente Erklärung des Erblassers über eine Anrechnung der Zuwendung auf den Pflichtteil ergeben, sondern auch ein Bewusstsein des Pflichtteilsberechtigten von der Anrechnungsbestimmung erkennen lassen
(Staudinger/Haas, BGB § 2315 Rn. 29).
Daran fehlt es hier.
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Wegen des hier nicht tragfähigen Ansatzes des Landgerichts bei einem Anscheinsbeweis schließt auch § 531 Abs. 2 ZPO die Berücksichtigung des weiteren Vorbringens des Klägers in der Berufungsinstanz nicht aus.
c) Eine erst nach Vollzug der (angeblichen) Zuwendung erklärte Anrechnungsbestimmung ist unwirksam
(vgl. RGZ 67, 306, 307 ff.; 71, 133, 135 ff.;
Palandt/Edenhofer, BGB § 2315 Rn. 3;
Staudinger/Haas, BGB § 2315 Rn. 17).
Eine erstmals in der Verfügung von Todes wegen enthaltene Anrechnungsbestimmung ist rechtlich nur beachtlich, wenn sich der Erblasser eine solche bei der lebzeitigen Zuwendung eines Vermögensgegenstandes vorbehalten hatte, die Bestimmung an die Stelle einer berechtigten Pflichtteilsentziehung getreten ist
(vgl. OLG Koblenz ZERB 2003, 159 f.)
oder ein Pflichtteilsverzichtsvertrag zwischen dem Erblasser und dem Pflichtteilsberechtigten mit diesem Inhalt geschlossen wird
(Staudinger/Haas, BGB § 2315 Rn. 18).
Für eine solche Fallgestaltung ist im vorliegenden Fall nichts vorgetragen worden.
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d) Weil schon die Geldzuwendung des Erblassers an den Kläger nicht bewiesen ist, besteht auch kein Anlass, den unstreitigen (Mindest-) Nachlasswert für die Pflichtteilsberechnung neu zu bemessen.
3. Die Zinsforderung wegen Zahlungsverzuges ist im Grunde unstreitig gerechtfertigt.
Übersetzt ist nur die Zinshöhe insoweit, als Zinsen in Höhe von fünf Prozent, statt fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz verlangt werden.
Prozente und Prozentpunkte sind Verschiedenes (Hartmann NJW 2004, 1358 ff.).
Darauf beziehen sich die geringfügige Klageabweisung und die entsprechende Zurückweisung der Berufung.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 92 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§709, 712 ZPO.
Ein Grund zur Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO besteht nicht.
Die maßgeblichen Rechtsfragen zu § 2315 ZPO lassen sich aus dem Gesetz selbst beantworten; eine Divergenz in einem entscheidungserheblichen Punkt liegt nicht vor.
Dass kein Beweis des ersten Anscheins für eine Anrechnungsbestimmung bei der Vermögenszuwendung durch einen Erblasser zu Lebzeiten im Sinne von § 2315 BGB in Betracht kommt, wenn schon die Vermögenszuwendung als solche nicht in tragfähiger Weise bewiesen ist, bedarf nicht der höchstrichterlichen Klärung.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 25.564,59 Euro.
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