OLG Koblenz 15 U 1409/21

August 10, 2022

OLG Koblenz 15 U 1409/21

Es besteht kein Interessenwiderstreit im Sinne des § 43a Abs. 4 BRAO, wenn ein Rechtsanwalt für den Pflichtteilsberechtigten und den Alleinerben die in ihrem Miteigentum stehenden Immobilien veräußert und ihre gemeinsamen Verbindlichkeiten und den Nachlassbestand klärt, da hier die Interessen beider Mandanten gleichgerichtet sind. die bloße Möglichkeit eines späteren Interessenkonflikts steht dieser gemeinsamen Vertretung nicht entgegen.

Tenor

OLG Koblenz 15 U 1409/21

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 14.07.2021, Az. 5 O 76/20, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe
I.

Die Beteiligten streiten um die vom Kläger geltend gemachte Rechtsanwaltsvergütung.

Erstinstanzlich hat der Kläger die Klage zunächst auf eine Vergütung für seine Tätigkeit in Nachlass- und Immobilienangelegenheiten der Beklagten gestützt. In den Nachlassangelegenheiten wurde er für die Beklagte zu 2) als Alleinerbin und die Beklagte zu 1) als Pflichtteilsberechtigte tätig, wobei der Umfang der Beauftragung und die Frage einer Interessenkollision des Klägers streitig sind.

Im Lauf des erstinstanzlichen Verfahrens hat er die Klage dahin geändert, dass er seinen der Höhe nach unverändert aufrecht erhaltenen Klageantrag nur noch auf einen Gebührenanspruch in Höhe von 13.853,27 € im Zusammenhang mit der Veräußerung von Immobilien in …[Z] stützt und ergänzend auf einen Vergütungsanspruch in Höhe von 2.339,49 € im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Immobilie in …[Y].

Zur Veräußerung der Immobilien in …[Z] wurde er am 24.09.2019 von beiden Beklagten beauftragt (Anlage K 2, Bl. 2 Anlagenheft). Die Abrechnung seiner hierfür erhobenen Gebühren hat er mehrfach korrigiert und macht seinen Gebührenanspruch zuletzt mit Rechnung vom 11.03.2021 (Bl. 35, 36 Anlagenheft) wie folgt geltend:

Gegenstandswert 765.000 €

2,8 Geschäftsgebühr §§ 13, 14 RVG, Nr. 2300 VV RVG

11.516,40 €

Geschäftsreise mit eig. PKW 350 km x 0,30 €

105,00 €

Pauschale für Post + Telefon Nr. 7002 VV RVG

20,00 €

Zwischensumme

11.641,40 €

19 % Umsatzsteuer

2.211,87 €

Gesamtbetrag

13.853,27 €

Die Immobilien standen zunächst im gemeinsamen Eigentum der Beklagten zu 1) und ihres am 05.09.2019 verstorbenen Ehemanns, dessen hälftiger Miteigentumsanteil auf die Beklagte zu 2) als Alleinerbin übergegangen ist. Die Beklagte zu 1) hingegen war nur pflichtteilsberechtigt.

Bei dem bis zum 24.03.2020 befristeten Alleinauftrag des Klägers zur Veräußerung der Immobilie wurde ein Erfolgshonorar in Höhe von 1,5 % der Verkaufssumme vereinbart. Das Haus wurde erst nach dem 24.03.2020 für 765.000 € an einen vom Kläger und dem von ihm beauftragten Makler akquirierten Käufer verkauft. Der Makler hat dem Kläger einen Anteil an seiner Provision versprochen.

Soweit die Rechnung für die Immobilienveräußerung in …[Z] für die Klageforderung nicht ausreicht, stützt der Kläger seinen Vergütungsanspruch auf einen bestrittenen Auftrag zur Veräußerung einer Immobilie in …[Y], aus dem er seine Gebühren gemäß korrigierter Rechnung Nr. 2000320 vom 16.09.2020 (Bl. 55, 56 d.A.) wie folgt errechnet:

Gegenstandswert 60.000 €

1,6 Geschäftsgebühr §§ 13, 14 RVG, Nr. 2300 VV RVG

1.996,80 €

Pauschale Post + Telefon Nr. 7002 VV RVG

20,00 €

Zwischensumme

2.016,80 €

MwSt. 16 %

322,66 €

Gesamtbetrag

2.339,49 €

Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen:

In Bezug auf das Hausobjekt in …[Y] sei er von den Beklagten mündlich zur Vermittlung eines Kaufinteressenten und Beschaffung von Schlüsseln beim Mieter beauftragt worden, weshalb ihm hierfür der o.g. Gebührenanspruch in Höhe von 2.339,49 € zustehe.

Seine Beauftragung in Immobilienangelegenheiten sei nicht wegen Interessenkollision nichtig, da bereits zuvor mit den Beklagten erläutert worden sei, dass diese nicht gegeneinander vorgehen werden. Da Pflichtteilsansprüche vom Auftrag nicht erfasst gewesen seien, sei keine Interessenkollision entstanden.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, gesamtschuldnerisch an ihn 15.566,15 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, abzüglich am 15. April 2020 gezahlter 4.437,39 €.

Die Beklagten haben erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten stellen sämtliche Gebührenansprüche in Abrede.

Sie halten alle zwischen sich und dem Kläger getroffenen Vereinbarungen wegen § 43a BRAO für nichtig, da der Kläger sie wegen ihrer widerstreitenden Interessen nicht beide habe vertreten dürfen. Die Unwirksamkeit bei Erteilung des Auftrags in der Nachlassangelegenheit nach § 134 BGB schlage auf die anderen Vereinbarungen durch.

Auch die Vereinbarung eines Erfolgshonorars sei unwirksam (§ 4a RVG) mit der Folge, dass auch die gesetzliche Vergütung nicht geltend gemacht werden könne. Einem Bereicherungsanspruch stehe § 817 Satz 2 BGB entgegen. Aufgrund der Vollmacht sei der Kläger zum Abschluss eines Grundstückskaufvertrags nicht in der Lage gewesen.

Wegen Nichterreichung des Mindestkaufpreises von 1,2 Millionen Euro sei der Auftrag auch nicht erfüllt worden. Jedenfalls könnten die Beklagten einem Vergütungsanspruch des Klägers entgegenhalten, dass er die Verpflichtung zur Veräußerung zum bestmöglichen Preis nicht erfüllt habe. Er habe nur eine nicht ortsansässige Maklerfirma ohne regionales Netzwerk beauftragt, die Veräußerung sei aufgrund Verhandlungen durch die Beklagte zu 2) persönlich erfolgt. Dass der Kläger vom Makler eine Provision erhalten habe, sei unseriös.

Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 14.07.2021 nur in Höhe von 7.778,73 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 6.386,61 € vom 16.07.2020 bis zum 16.10.2020, sowie aus 7.778,73 € seit dem 17.10.2020 stattgegeben. Zudem hat das Landgericht die Beklagte zu 2) verurteilt, Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 6.386,61 € vom 09.07.2020 bis zum 15.07.2020 an den Kläger zu zahlen. Im Übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Den lediglich in Höhe von 7.778,93 E zuerkannten Gebührenanspruch hat das Landgericht auf die Beauftragung vom 24.09.2019 (Anlage K 2, Seite 2 Anlagenheft) im Zusammenhang mit der Immobilienveräußerung in …[Z] gestützt, wobei es die Anspruchshöhe wie folgt berechnet hat:

Gegenstandswert 765.000 €

1,6 Geschäftsgebühr §§ 13, 14 RVG, Nr. 2300 VV RVG

6.580,80 €

Geschäftsreise mit eig. PKW 350 km x 0,30 €

105,00 €

Pauschale für Post + Telefon Nr. 7002 VV RVG

20,00 €

Zwischensumme

6.705,80 €

16 % Umsatzsteuer

1.072,93 €

Gesamtbetrag

7.778,73 €

Dabei ist das Landgericht davon ausgegangen, dass es sich bei dem Auftrag nicht um einen Maklervertrag, sondern einen Anwaltsdienstvertrag handelt, der entgegen der Auffassung der Beklagten nicht wegen Interessenkollision nichtig sei und aus dem der Kläger infolge der Unwirksamkeit der vereinbarten Erfolgsvergütung nur der gesetzliche Gebührenanspruch in o.g. Höhe zustehe. Die Beklagten könnten sich auch nicht auf die Einrede des nichterfüllten Vertrags berufen.

Den vom Kläger im Zusammenhang mit einem behaupteten Verkaufsauftrag eines Hauses in …[Y] geltend gemachten Gebührenanspruch hat das Landgericht zurückgewiesen.

Gegen dieses den Beklagten am 14.07.2021 zugestellte Urteil vom gleichen Tag richten sich die Berufungen der Beklagten vom 13.08.2021 und vom 16.08.2021 – einem Montag.

Die Beklagten begehren unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen die vollständige Klageabweisung.

Sie berufen sich auch weiterhin auf eine Nichtigkeit der Beauftragung des Klägers vom 24.09.2019 wegen Interessenkollision gemäß § 134 BGB i.V.m. § 43a Abs. 4 BRAO, da diese im Zusammenhang mit den erbrechtlichen Mandaten gestanden habe, in denen der Kläger trotz gegenläufiger Interessen des Pflichtteilsberechtigten und des Erben beide Beklagte vertreten habe.

Dieser Zusammenhang der Mandate ergebe sich auch aus einer diesbezüglichen, unter Beweis gestellten Äußerung des Klägers bei Unterzeichnung der Vollmacht vom 24.09.2019 (Anlage K2, Bl. 2 Anlagenheft) und der ebenfalls unter Beweis gestellten zeitgleichen Unterzeichnung sowohl der Vollmacht vom 24.09.2019 und als auch der auf den 25.09.2019 vordatierten Vollmacht “zur Ermittlung, Zusammenstellung und Auflistung des Nachlasses” (Anlage K3, Bl. 3 Anlagenheft). Das Landgericht habe den Beweisangeboten nachgehen müssen.

Die Beklagte zu 1) ist zudem der Auffassung, der Interessengegensatz ergebe sich auch aus den Aufträgen vom 24./25.09.2019 selbst, da die Immobilie in der Nachlassaufstellung aufzuführen gewesen sei und daraus, dass der Kläger die Korrespondenz zu diesen Aufträgen unter demselben Aktenzeichen geführt habe (K4, Bl. 4 des Anlagenhefts; außergerichtliches Schreiben vom 02.04.2020, Bl. 6 Anlagenheft).

Auch habe die Wertermittlung der beweglichen Vermögensgegenstände bis zur Veräußerung der Liegenschaften in …[Z] zurückgestellt werden sollen. Überdies wirke sich der Interessengegensatz auch beim Verkauf der Immobilie aus, da ein höherer Kaufpreis zu einem höheren Pflichtteilsanspruch zugunsten der Beklagten zu 1) führe.

OLG Koblenz 15 U 1409/21

Als Pflichtteilsberechtigte hätte sie sich besser gestellt, wenn die Immobilien nicht verkauft worden wären, da deren Schätzwert höher gewesen wäre. Aufgrund der Doppeltätigkeit habe der Kläger Kenntnis von Interna beider Beklagten erlangt, die im jeweils anderen Mandat zur Erhöhung oder Reduzierung des jeweiligen Anspruchs führen könnten.

Die Beklagte zu 2) trägt zudem vor, der Kläger habe bei den ersten Gesprächen mit den Beklagten nicht darauf hingewiesen, dass er Erbin und Pflichtteilsberechtigte nach demselben Erblasser nicht beraten bzw. vertreten dürfe. Die Gegenläufigkeit der Mandate ergebe sich auch aus den außergerichtlichen Schreiben des Klägers vom 01./02.04.2020 (Bl. 6 – 7 R. Anlagenheft). Schließlich verweist sie hinsichtlich des nach ihrer Auffassung bestehenden Interessenkonflikts auf die Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 16.01.2013 – IV ZB 32/12 -).

Die Beklagte zu 1) beantragt,

das Urteil des Landgerichts Trier vom 14.07.2021 aufzuheben, soweit der Klage stattgegeben wurde und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Beklagte zu 2) beantragt,

das Urteil des Landgerichts Trier vom 14.07.2021 abzuändern und die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Er macht geltend, die Klage sei zuletzt nur noch auf die Vergütung wegen der Veräußerung von Immobilien gestützt worden. Dieser Auftrag sei wirksam und losgelöst vom Erbfall zu betrachten, so dass auch keine Interessenkollision bestehe.

OLG Koblenz 15 U 1409/21

Überdies habe auch bei den erbrechtlichen Aufträgen keine Interessenkollision bestanden, da sich diese gerade nicht auf die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen bezogen hätten, sondern nur auf die Information über die Rechtslage, die Ausrechnung der Bruchteile und der Personen der Pflichtteilsberechtigten und der Ermittlung und Zusammenstellung des Nachlassvermögens.

Den hier maßgeblichen Auftrag hätten die Beklagten nicht als Pflichtteilsberechtigte und Erbin erteilt, sondern als gemeinsame Grundstückseigentümerinnen. Dass nur die Beklagte zu 1) das erbrechtliche Mandat vom 18.09.2019 erteilt habe, ergebe sich entgegen der Ungenauigkeit in den an beide Beklagten versandten wortgleichen Anschreiben vom 01./02.04.2020 aus der Vollmachtsurkunde vom 18.09.2019 (Anlage K1, Bl. 1 Anlagenheft).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angegriffenen Urteil sowie auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die erstinstanzlich zu Protokoll erklärten Ausführungen Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).

II.

Die gemäß §§ 511, 517 ff. ZPO zulässigen Berufungen der Beklagten erachtet der Senat einstimmig als unbegründet.

Das Landgericht hat dem Kläger aus zutreffenden Gründen einen Gebührenanspruch im Zusammenhang mit der Veräußerung der Immobilien in …[Z] in Höhe von 7.778,73 € zuerkannt.

Dieser Anspruch beruht auf einem Anwaltsdienstvertrag gemäß § 611 Abs. 2, 675 BGB vom 24.09.2019, der entgegen der Auffassung der Beklagten wirksam ist.

1.Die Unwirksamkeit des zunächst vereinbarten Erfolgshonorars steht der Wirksamkeit des Vertrags nach zutreffender Ansicht des Landgerichts nicht entgegen. Die Vereinbarung eines Erfolgshonorars war zwar unwirksam, da eine solche nur unter den Voraussetzungen des § 4a RVG möglich war, die hier nicht vorlagen.

OLG Koblenz 15 U 1409/21

Weder bezog sich der Auftrag auf eine Geldforderung von höchstens 2.000 € (§ 4a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RVG), noch liegen die anderen Möglichkeiten für die Vereinbarung eines Erfolgshonorars (Inkassodienstleistung, Auftraggeber würde ohne Erfolgshonorar von Rechtsverfolgung abgehalten werden) vor.

Ein Verstoß gegen § 4a Abs. 1 und 3 RVG – ebenso wie der Verstoß gegen § 3a Abs. 1 S. 1 und 2 RVG – führt jedoch entgegen der erstinstanzlich vertretenen Auffassung der Beklagten nicht zur Nichtigkeit des Anwaltsvertrags.

Vielmehr verbleibt dem Rechtsanwalt grundsätzlich ein Anspruch auf die vom Kläger geltend gemachte gesetzliche Vergütung, denn der anwaltliche Geschäftsbesorgungsvertrag bleibt als Rechtsgrund für die vom Rechtsanwalt erbrachten Leistungen bestehen.

Der Rechtsanwalt kann nur gem. § 4b RVG eine höhere als die gesetzliche Vergütung nicht fordern

(OLG Düsseldorf RVGreport 2012, 255). § 4b RVG stellt insoweit eine den § 134 BGB verdrängende Sondernorm dar (BeckOK RVG/v. Seltmann, 54. Ed. 01.12.2021, RVG § 4a Rn. 16, 17).

2.Der Auftrag vom 24.09.2019 ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen das Verbot, widerstreitende Interessen zu vertreten, gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 43a Abs. 4 BRAO nichtig, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat.

Gemäß § 43 a Abs. 4 BRAO ist es einem Rechtsanwalt verboten, widerstreitende Interessen zu vertreten. Grundlage der Regelung des § 43 a Abs. 4 BRAO sind das Vertrauensverhältnis zum Mandanten, die Wahrung der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts und die im Interesse der Rechtspflege gebotene Geradlinigkeit der anwaltlichen Berufsausübung (BT-Drs. 12/4993, 27 f.).

Auf der Grundlage der Ermächtigung des § 59 b Abs. 2 Nr. 1 e BRAO konkretisiert nunmehr § 3 BORA dieses Verbot dahingehend, dass der Rechtsanwalt nicht tätig werden darf, wenn er eine andere Partei in derselben Rechtssache im widerstreitenden Interesse bereits beraten oder vertreten hat oder mit dieser Rechtssache in sonstiger Weise iSd §§ 45, 46 BRAO beruflich befasst war.

Dabei ist “dieselbe Rechtssache” jeder Lebenssachverhalt, der angesichts der ihn begründenden historischen Tatsachen oder der an ihm beteiligten Personen ganz oder in Teilen nur einer einheitlichen juristischen Betrachtung zugeführt werden kann

(Offermann-Burckart AnwBl 2011, 809 (810) = Offermann-Burckart, Anwaltsrecht in der Praxis, 2010, § 10 Rn. 23).

Demnach ist zu fragen, ob sich aufgrund eines (nicht zwangsläufig abgeschlossenen) Lebenssachverhalts verschiedene Interessen gebildet haben, die bei der rechtlichen Bewertung dieses Sachverhalts in einem sachlichen Zusammenhang miteinander stehen können.

Zwei Mandate decken sich grundsätzlich in sachlicher Hinsicht, wenn sie jeweils ein verklammerndes Element (z.B. eine Ehe oder einen Erbfall) beinhalten, das in beiden Mandaten von rechtlicher Bedeutung ist

(BeckOK BRAO/Römermann/Praß, 13. Ed. 01.05.2020, BRAO § 43a Rn. 188.1 m.H.a. OLG Hamm AGS 2019, 190, beck-online).

Unter Berücksichtigung dessen hat der Kläger nicht in derselben Rechtssache bereits eine andere Partei im widerstreitenden Interesse beraten oder vertreten und war mit dieser Rechtssache auch nicht in sonstiger Weise i.S.d §§ 45, 46 BRAO beruflich befasst.

Die Vertretung widerstreitender Interessen ergibt sich auch nicht aus der von den Beklagten betonten Klammerwirkung des erbrechtlichen Mandats.

Zwar können sich aufgrund der Klammerwirkung des vom Erbfall bestimmten Nachlassbestands gegenläufige Beratungspflichten eines Rechtsanwalts gegenüber dem Pflichtteilsberechtigtem und einem in Anspruch genommenem Nachlassschuldner ergeben. Denn der Anwalt des Nachschuldners muss versuchen, die Nachlassforderung abzuwehren, obwohl er als Anwalt des Erben gemäß § 2313 Abs. 2 BGB zu ihrer Geltendmachung den Pflichtteilsberechtigten gegenüber verpflichtet ist (Henssler/Prütting/Henssler, 5. Aufl. 2019, BRAO § 43a Rn. 180c).

Von einer solchen Konstellation ist hier jedoch nicht auszugehen. Zwar handelt es sich bei den veräußerten Grundstücken auch um Nachlassgegenstände. Diese waren auch im zu erstellenden Nachlassverzeichnis aufzuführen, wobei mit der Wertermittlung der beweglichen Sachen bis zur Veräußerung der Immobilien gewartet werden sollte.

Selbst wenn daher mit den Beklagten auch unter Berücksichtigung des zeitlichen Zusammenhangs der Aufträge vom 24./25.09.2019 und der von den Beklagten unter Beweis gestellten diesbezüglichen Äußerungen des Klägers davon auszugehen ist, dass es sich bei den beauftragten Nachlassangelegenheiten und der Immobilienangelegenheit um “dieselbe Rechtssache” im o.g. Sinn handelt, führt dies hier noch nicht dazu, dass der Kläger insoweit widerstreitende Interessen der Beklagten vertreten und gegenläufige Beratungspflichten wahrgenommen hat.

Denn bei der Veräußerung der im gemeinsamen Eigentum der Beklagten stehenden Immobilien war das Interesse der Beklagten als Verkäufer keineswegs gegenläufig, sondern jeweils darauf gerichtet, den bestmöglichen Kaufpreis zu erlangen. Dies gilt auch für die Beklagte zu 2).

Selbst wenn die Höhe des erzielten Kaufpreises Einfluss auf den von ihr als Erbin an die Beklagte zu 1) zu zahlenden Pflichtteil hat, ist sie als Miteigentümerin vor allem daran interessiert, den größtmöglichen Betrag zur eigenen Verwendung zu behalten, mithin die Nachlassgegenstände zu einem möglichst hohen Wert zu veräußern.

Auch bei der Klärung der Nachlassverbindlichkeiten und des Nachlassbestandes waren die Interessen beider Beklagten nicht gegenläufig, sondern gleichgerichtet auf ein möglichst großes Nachlassvermögen.

OLG Koblenz 15 U 1409/21

Die gemeinsame Vertretung beider Beklagten war dem Kläger daher nicht verwehrt, zumal § 43 a Abs. 4 BRAO es dem Rechtsanwalt nicht schlechthin verbietet, in derselben Rechtssache mehrere Mandanten zu vertreten.

Dies zeigt schon die Bestimmung in § 7 RVG. Zulässig ist die Vertretung mehrerer Mandanten dann, wenn das Mandat auf die Wahrnehmung gleichgerichteter Interessen der Mandanten begrenzt ist

(BGH, Beschluss vom 04.02.2010 – IX ZR 190/07 -, BeckRS 2010, 4533 Rn. 4,

sowie BGH, Urteil vom 10.1.2019 – IX ZR 89/18 -, NJW 2019, 1147 Rn. 20, 21, beck-online).

Dies war hier der Fall, da sowohl die Erbin als auch die Pflichtteilsberechtigte ein gleichgerichtetes Interesse an einem möglichst großen Nachlasswert hatten.

Die bloße (latente) Möglichkeit, dass später bei einem Ausgleich unter den Mandanten unterschiedliche Interessen zutage treten, steht einer gemeinsamen Vertretung nicht entgegen. Das Anknüpfen an einen nur möglichen, im konkreten Verfahren tatsächlich aber nicht bestehenden Interessenkonflikt würde gegen das Übermaßverbot verstoßen und wäre deshalb verfassungsrechtlich unzulässig

(BGH, NJW 2012, 3039 Rn. 14).

Die Vertretung mehrerer Mandanten ist dem Rechtsanwalt daher nur verboten, wenn dabei nach den konkreten Umständen des Falls ein Interessenkonflikt tatsächlich auftritt

(BGH, Urteil vom 10.1.2019 – IX ZR 89/18 -, NJW 2019, 1147 Rn. 20, 21, beck-online m.H.a. Henssler, AnwBl 2018, 342 [347] mwN).

Solange der Kläger die Beklagte zu 1) daher nicht bei der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen gegen die Beklagte zu 2) unterstützt, handelt er nicht im Interessenwiderstreit.

Zwar könnte die von der Beklagten zu 1) am 18.09.2019 erteilte Vollmacht eine derartige Mandatierung zur Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen der Beklagten zu 1) gegen die Beklagte zu 2) nahelegen, was der Kläger jedoch in Abrede stellt. Selbst wenn eine diesbezügliche Auslegung der Beklagten zuträfe, ist jedoch zu beachten, dass der Kläger insoweit unstreitig nie tätig wurde, so dass auch (noch) kein derartiger Interessenwiderspruch entstanden ist.

Unbestritten hat er vielmehr lediglich die erbrechtliche Situation geklärt und die Beklagten auf die erbrechtliche Situation hingewiesen, wonach die Beklagte zu 1) pflichtteilsberechtigt ist und die Beklagte zu 2) Alleinerbin.

Anschließend ging es in der Nachlassangelegenheit um die Klärung des Nachlassbestandes und der Nachlassverbindlichkeiten, wobei es sich bei den Verbindlichkeiten auch um Gesamtschulden der Beklagten zu 1) und des Erblassers handelte. Auch insoweit vertrat der Kläger daher keine gegenläufigen, sondern gleichgerichtete Interessen der Beklagten.

Auf einen späteren Interessenwiderstreit – sollte die Beklagte zu 1) den Pflichtteil geltend machen – kam es hier noch nicht an.

Auch eine Teilhabe an der vom Makler verdienten Provision führt nicht zur Nichtigkeit der Beauftragung nach § 134 BGB i.V.m. § 43a BRAO. Ein Interessenwiderstreit liegt nicht vor, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat. Hiergegen hat die Berufung nichts Wesentliches erinnert.

Sonstige Verbotsgesetze, auf die die Beklagten die behauptete Nichtigkeit nach § 134 BGB stützen könnten, sind weder dargetan noch ersichtlich.

Nicht zu beanstanden sind auch die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts zur Anspruchshöhe und Einredefreiheit der zuerkannten Klageforderung, sowie zu den zuerkannten Prozesszinsen.

III.

Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Fall der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).

Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für die Berufungsinstanz auf 7.778,73 € festzusetzen.

OLG Koblenz 15 U 1409/21

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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