OLG Sachsen-Anhalt 2 Wx 16/12

August 21, 2017

OLG Sachsen-Anhalt 2 Wx 16/12 Nachlassverfahren: Beschwerde gegen die Abweisung eines Antrags auf einstweilige Anordnung, analoge Anwendung der Vorschriften über die Einziehung eines Erbscheins auf das Testamentseröffnungsprotokoll

Leitsatz

  1. Eine Beschwerde gegen die Abweisung eines Antrags auf einstweilige Anordnung im Nachlassverfahren ist statthaft.2. Die Vorschrift des § 2361 BGB ist nicht erweiternd auf die Einziehung des Protokolls über die Testamentseröffnung anwendbar.

Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Halle vom 19.01.2012 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragsteller.

III. Der Beschwerdewert wird auf 3.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

OLG Sachsen-Anhalt 2 Wx 16/12

A.

Die Antragsteller sind die Nichten der am 19.11.2011 verstorbenen – kinderlosen – Erblasserin.

In der Zeit vom 03.03. bis zum 25.04.2006 befand sich die Erblasserin in stationärer Behandlung, bei der eine bei der Erblasserin vorliegende senile Demenz diagnostiziert wurde. Während einer weiteren stationären Behandlung erteilte die Erblasserin den Antragsgegnern am 12.02.2007 eine privatschriftliche Vorsorgevollmacht. Im Laufe eines auf Anregung der Antragstellerin zu 1. durchgeführten Betreuungsverfahrens erteilte die Erblasserin den Antragsgegnern und A. L. am 06.07.2009 eine notarielle General- und Vorsorgevollmacht. Angesichts dieser Vollmachten lehnte das Vormundschaftsgericht mit Beschluss vom 14.04.2010 die Einrichtung einer Betreuung ab.

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Mit Beschluss vom 05.05.2011 hob das Landgericht Halle auf die Beschwerde der Antragstellerin zu 1. diese Entscheidung auf und verwies das Verfahren an das Vormundschaftsgericht mit der Begründung zurück, dass die erteilten Vollmachten der Notwendigkeit einer Betreuung nicht entgegen stünden, da sie angesichts der gutachterlichen Feststellungen des Direktors der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der … Universität, Prof. Dr. med. M., und des Oberarztes der Klinik, Privatdozent Dr. med. P., in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit i. S. d. § 104 Nr. 2 BGB erteilt worden seien.

Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Erblasserin hat das Oberlandesgericht Naumburg – 8. Zivilsenat – mit Beschluss vom 24.06.2011 zurückgewiesen. Mit Beschluss vom 14.10.2011 hat das Amtsgericht – Betreuungsgericht – Halle die Antragsgegnerin zu 1., A. L. und Rechtsanwältin H. hinsichtlich einzelner Aufgabenbereiche zu Betreuerinnen der Erblasserin bestellt.

Am 15.12.2011 hat die Antragstellerin zu 1. beim Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der die Antragsteller zu 1. und 2. als Erben zu je ½ ausweist (Beiakte 40 VI 111/12 W). Über diesen Antrag ist bisher nicht entschieden worden.

Mit notariellem Testament vom 20.03.2008 (UR-Nr. 375/2008 des Notars U. Lh. ) hatte die Erblasserin die Antragsgegner zu ihren Erben zu gleichen Teilen eingesetzt. Am 13.01.2012 hat der Rechtspfleger des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Halle das Testament eröffnet und am selben Tage den Antragsgegnern je eine beglaubigte Abschrift der letztwilligen Verfügung und des Eröffnungsprotokolls mit Wertermittlungsbogen ausgehändigt. Mit schriftlicher Erklärung vom selben Tage (13.01.2012) haben die Antragsgegner gegenüber dem Nachlassgericht die Annahme der Erbschaft erklärt (Bl. 11/12/48 – 51 der Beiakte 40 IV 404/08 W).

Die Antragsteller haben beantragt,

  1. die von dem Amtsgericht Halle – Nachlassgericht – am 13.01.2012, Akz.: 40 IV 404/08 – T, ausgefertigte und den Antragsgegnern ausgehändigte beglaubigte Abschrift des Protokolls über die Eröffnung der letztwilligen Verfügung der E. W., geb. am 17.07.1923, zuletzt wohnhaft G., und der darin bezeichneten letztwilligen Verfügung vom 20.03.2008 einzuziehen;
  1. den Antragsgegnern einzeln und/oder zusammen zu verbieten, weitergehend im Rechtsverkehr zum Zwecke der Legitimation die beglaubigte Abschrift des Protokolls über die Eröffnung der letztwilligen Verfügung vom 13.01.2012 der E. W., geb. am 17.07.1923, zuletzt wohnhaft G., und der darin bezeichneten letztwilligen Verfügung vom 20.03.2008 zu verwenden und/oder unter Vorlage dieser über Nachlassgegenstände zu verfügen.

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Mit Beschluss vom 19.01.2012 hat das Amtsgericht – Nachlassgericht – Halle die Anträge zurückgewiesen. Am 01.02.2012 haben die Antragsteller gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt, mit der sie den vorgenannten Antrag zu 1. weiter verfolgen. Mit Beschluss vom 02.02.2012 hat das Nachlassgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Oberlandesgericht Naumburg zur Entscheidung vorgelegt.

B.

Die Beschwerde ist gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässig. Sie ist insbesondere statthaft, da die in § 57 FamFG geregelte Unanfechtbarkeit von Entscheidungen im Verfahren der einstweiligen Anordnung nur für Familiensachen gilt.

Die Beschwerde, mit der lediglich die Zurückweisung des Antrags zu 1. durch das Nachlassgericht angefochten wird, hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Zulässigkeit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung i. S. d. §§ 49 ff. FamFG steht eine fehlende Prozessvollmacht nicht entgegen. Zwar führt das Nachlassgericht zutreffend aus, dass die Antragsteller Rechtsanwalt R. G. Prozessvollmacht erteilt haben, während die Antragsschrift von Rechtsanwalt Hg. unterzeichnet worden ist. Ob dies aus den in der Beschwerdeschrift (dort Seite 8) angeführten Gründen unschädlich ist, bedarf keiner Entscheidung, da Rechtsanwalt R. G. jedenfalls durch die – von ihm unterzeichnete – Beschwerdeschrift hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass er sich die von Rechtsanwalt Hg. eingelegte Antragsschrift zu eigen macht.

Es kann dahin stehen, ob die Antragsteller einen Anordnungsgrund hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht haben (vgl. Seite 4 der angefochtenen Entscheidung). Zwar ist es zutreffend, dass die Antragsteller keine konkreten Handlungen der Antragsgegner vorgetragen haben, aus denen der Schluss gezogen werden könnte, dass eine Beeinträchtigung der Rechte der Antragsteller droht.

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Die Antragsteller haben sich insoweit vielmehr auf die Behauptung beschränkt, dass „zu befürchten ist, dass die Antragsgegner zwischenzeitlich über Nachlassgegenstände verfügen“ (Seite 6 der Antragsschrift). Andererseits ist zu berücksichtigen, dass gemäß Ziffer 5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der D. Bank, bei der die Erblasserin ein zum 30.06.2011 in Höhe von 190.138,51 Euro valutierendes Konto unterhalten hat, die Bank u.a. auf die Vorlage eines Erbscheins verzichten kann, wenn ihr eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift der letztwilligen Verfügung nebst zugehöriger Eröffnungsniederschrift vorgelegt wird.

Ferner ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass sich die Antragsgegner eine beglaubigte Abschrift der letztwilligen Verfügung und der Eröffnungsniederschrift haben erteilen lassen, obschon ihnen bekannt war, dass die Erblasserin bereits bei Erteilung der Vorsorgevollmacht vom 12.02.2007 und mithin vor Errichtung des Testaments vom 20.03.2008 geschäftsunfähig gewesen ist.

Denn jedenfalls hat das Nachlassgericht zutreffend entschieden, dass im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nur solche Maßnahmen – vorläufig – getroffen werden können, zu denen das Nachlassgericht auch im Hauptsacheverfahren befugt ist.

a) Eine Einziehung sieht das Gesetz gemäß §§ 2361 BGB, 352 Abs. 3, 353 FamFG jedoch ausschließlich für den Erbschein vor. Auf dieser gesetzlichen Grundlage wäre eine einstweilige Anordnung des Inhalts möglich, den Erbschein bis zum Abschluss der Ermittlungen zu den Akten zu geben (OLG Köln, Beschluss vom 12.03.1990, 2 Wx 6/90; Palandt/Weidlich, BGB, 71. Aufl., § 2361, Rn. 8).

b) Eine derartige Regelung fehlt jedoch im Hinblick auf das Eröffnungsprotokoll und die letztwillige Verfügung. Entgegen der in der Beschwerdeschrift vertretenen Auffassung bleibt eine analoge Anwendung des § 2361 BGB außer Betracht.

aa) Die von den Antragstellern behauptete Regelungslücke besteht nicht. Hiergegen spricht nicht zuletzt, dass der Gesetzgeber durchaus die Notwendigkeit einer entsprechenden Anwendung auf andere Schriftstücke erkannt hat, wie § 2368 Abs. 2 BGB für das Testamentsvollstreckerzeugnis zeigt.

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bb) Soweit die Antragsteller in diesem Zusammenhang auf die vorgenannte Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der D. Bank verweisen, vermag dies nicht zu überzeugen. Denn selbst für den Fall, dass im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Rückgabe eines Erbscheins angeordnet wird, würde dies nicht zur Bösgläubigkeit der Bank als Nachlassschuldner führen. Zwar gilt nach § 2366 BGB dann, wenn jemand von demjenigen, welcher in einem Erbschein als Erbe bezeichnet ist, die Befreiung von einem zur Erbschaft gehörenden Recht erwirbt, zu seinen Gunsten der Inhalt des Erbscheins als richtig, es sei denn, dass er die Unrichtigkeit kennt oder weiß, dass das Nachlassgericht die Rückgabe des Erbscheins wegen Unrichtigkeit verlangt hat.

Es ist aber anerkannt, dass die letztgenannte Ausnahme bei einstweiligen Anordnungen nicht gilt, da durch eine einstweilige Anordnung im Einziehungsverfahren die Gefahr gutgläubigen Dritterwerbs und befreiender Leistung an den Erbscheinserben noch nicht ausgeschlossen werden (BGH, Beschluss vom 05.07.1963, V ZB 7/63; BGHZ 40, 54 = WM 1963, 1010; Palandt/ Weidlich, a.a.O., § 2366, Rn. 1).

cc) Ungeachtet dessen spricht gegen eine entsprechende Anwendung des § 2361 BGB auf andere Schriftstücke als den Erbschein, dass andernfalls der Umfang dieser Analogie davon abhängig wäre, welche Anforderungen Nachlassschuldner an den Nachweis der Erbenstellung erhöben.

Hielten sie beispielsweise eine bloße Ablichtung eines Testaments für ausreichend, bestünde die Gefahr einer Verfügung über den Nachlass durch die im Testament Begünstigten auch in diesem Falle mit der Folge, dass dann – der Auffassung der Antragsteller folgend – auch diese Ablichtung der Einziehung bzw. Rückgabe unterläge. Das dies nicht gewollt sein kann, liegt auf der Hand.

C.

  1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
  2. Den Wert der Beschwer hat der Senat gemäß § 40 Abs. 1, 42 Abs. 3 FamGKG festgesetzt.

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