Schadensersatzansprüche wegen Springuntauglichkeit – Wertlosigkeit eines Pferdes – OLG Köln 19 U 129/15

November 3, 2021

Zusammenfassung von RAin Berloznik:

Schadensersatzansprüche wegen Springuntauglichkeit – Wertlosigkeit eines Pferdes – OLG Köln 19 U 129/15

Der Sachverhalt betrifft eine rechtliche Auseinandersetzung bezüglich der Springuntauglichkeit eines Pferdes und damit verbundene Schadensersatzansprüche. Das Landgericht hat festgestellt, dass eine ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Lahmheit des Pferdes auf degenerative Veränderungen zurückzuführen ist. Die Röntgenbilder sowie Gutachten stützen diese Schlussfolgerung. Obwohl ein grober Behandlungsfehler diskutiert wird, konnte der Kläger nicht nachweisen, dass ein solcher Fehler tatsächlich vorlag. Zeugenaussagen und Gutachten wurden von den Gerichten kritisch bewertet, da sie teilweise widersprüchlich oder unklar waren. Eine Beweislastumkehr zugunsten des Klägers wurde nicht angenommen. Letztendlich wurde festgestellt, dass die Beweise nicht ausreichen, um einen groben Behandlungsfehler des Hufschmieds zu belegen. Die rechtliche Bewertung stützte sich auf die Beweislastregelungen und die Schwierigkeit, einen Kausalzusammenhang zwischen einem Fehler und dem Schaden des Pferdes nachzuweisen.

Zum Entscheidungstext:

Schadensersatzansprüche wegen Springuntauglichkeit – Wertlosigkeit eines Pferdes – OLG Köln 19 U 129/15 – Urteil vom 02.09.2016 

Die Berufung des Klägers gegen das am 31.07.2015 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Aachen – 11 O 368/10 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass sich die vorläufige Vollstreckbarkeit nach diesem Urteil richtet.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil des Landgerichts Aachen vom 31.07.2015 – 11 O 368/10 – und dieses Urteil sind gegen Sicherheitsleistung des Beklagten in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Schadensersatzansprüche wegen Springuntauglichkeit – Wertlosigkeit eines Pferdes – OLG Köln 19 U 129/15

I.

Der Kläger macht gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche wegen Springuntauglichkeit und damit Wertlosigkeit seines Pferdes B aufgrund einer vom Beklagten fehlerhaft vorgenommenen Hufschmiedbehandlung geltend.

Schadensersatzansprüche wegen Springuntauglichkeit – Wertlosigkeit eines Pferdes – OLG Köln 19 U 129/15 – Gründe

Der Kläger erwarb im Jahre 2006 für 14.500 € das Springpferd B und stellte es danach immer wieder erfolgreich auf nationalen und internationalen Turnieren vor, wobei er mit diesem Pferd insgesamt eine Gewinnsumme von 15.513 € erzielte.

Im Jahr 2009 nahm B an 18 Turnieren in den Monaten Februar und April bis Anfang August teil. Zuletzt erreichte B am 31.07.2009 bei einer Springprüfung der schweren Klasse einen sechsten Platz und am 02.08.2009 bei dem gleichen Turnier bei einem schweren S-Springen mit drei Sternen ebenfalls den sechsten Platz.

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Zuvor war B bei diesem internationalen Springturnier gemäß den Regularien der Deutschen Reiterlichen Vereinigung auf Lahmheit hin untersucht worden. Wären dabei Auffälligkeiten aufgetreten, wäre B bei diesem sog. Vet-Check vom zuständigen Tierarzt mit einem Startverbot belegt worden, was nicht der Fall war.

Am 05.08.2009 nahm der Beklagte bei B wie mit dem Kläger vereinbart das Beschneiden und Beschlagen der Hufe mittels Heißbeschlags vor.

Hierbei schnitt er den Huf vorne rechts zu kurz aus, wobei der genaue Umfang zwischen den Parteien streitig ist. Zeitlich nach der Behandlung durch den Beklagten lahmte das Pferd und war als Springpferd nicht mehr einsetzbar.

Am 06.08.2009 wurde B von dem Zeugen M, bei dem es seit 2006 in stetiger tierärztlicher Behandlung war, untersucht.

Auch in den Folgetagen untersuchte der Zeuge M das Tier, so am 08.08., am 11.08., am 14.08. und am 16.08.2009. In der Rechnung vom 27.08.2009 (Bl. 55 d.A.) dokumentierte er diesbezüglich eine “Lahmheitsuntersuchung wegen Vernagelung VL”.

Am 11.11.2009 fand auf Veranlassung der Haftpflichtversicherung des Beklagten eine gutachterliche Beurteilung von B durch den Zeugen L statt. Auf das schriftliche Ergebnis wird Bezug genommen (Bl. 26 d.A.).

Der Kläger holte vorprozessual das Privatgutachten der Pferdesachverständigen C E aus H vom 03.03.2010 ein (Bl. 73 ff d.A.), die den Wert des Pferdes unmittelbar vor der Behandlung durch den Beklagten mit 350.000 € bezifferte.

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Des Weiteren wurde vorprozessual ein Sachverständigengutachten von Dr. med. vet. H2 von Q vom 24.07.2010 eingeholt (Bl. 67 d.A.). Darin heißt es: “Die entzündlichen Prozesse lassen sich aus meiner Sicht direkt bzw. indirekt dem Einkürzen bzw. Vernageln zuordnen. Die degenerativen Prozesse können aufgrund des fortgeschrittenen Krankheitsverlaufes nicht zugeordnet werden.” (Seite 6 des Gutachtens, Bl. 72 d. A.).

Die Haftpflichtversicherung des Beklagten zahlte vorprozessual 10.000 EUR an den Kläger zur freien Verrechnung, die dieser auf Tierarztkosten anrechnete.

Trotz der Lahmheit wurde B im Jahr 2012 bei einem Dressurwettbewerb eingesetzt und erreichte dort eine Platzierung. B wurde Anfang 2013 eingeschläfert.

Der Kläger hat behauptet, der Beklagte habe den vorderen rechten Huf erheblich zu kurz geschnitten und mehrere Zentimeter – mehr als 3 cm – zu viel weggenommen; außerdem habe der Beklagte beim Beschlagen des Pferdes am vorderen rechten Huf auch die Huflederhaut verletzt (sog. Vernagelung); diese Verletzung sowie der zu kurz geschnittene Huf seien der Grund für die chronische Lahmheit von B nach dem 05.08.2009.

Das Pferd sei danach völlig wertlos gewesen; unmittelbar vor der Behandlung habe es einen Wert von 350.000 € gehabt.

Der Kläger hat beantragt,

1) den Beklagten zu verurteilen, an ihn 350.000 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. August 2009 sowie

2) weitere 1.884,84 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2010 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat mit der Klageerwiderung zunächst vorgetragen, dass er beim Beschneiden und Beschlagen “den rechten Vorderhuf stark” eingekürzt und vernagelt habe.

Mit weiteren Schriftsätzen hat er die Vernagelung bestritten und behauptet, er habe den vorderen rechten Huf nur minimal zu kurz, möglicherweise “einige Raspelstriche zu viel” geschnitten.

Deshalb sei es auch lediglich zu einer vorübergehenden akuten Lahmheit von B gekommen, für deren Behandlung vorprozessual bereits vollständig Schadensersatz geleistet worden sei.

Die chronische Lahmheit sei demgegenüber nicht auf seine Behandlung, sondern auf degenerative Erkrankungen von B zurückzuführen; diese degenerativen Erkrankungen seien schon deutlich vor dem 05.08.2009 vorhanden gewesen.

Der Beklagte hat im Termin vom 12.06.2015 Röntgenbilder aus 2007 überreicht und hierzu behauptet, dass sich auch aus diesen Röntgenbildern ergebe, dass die degenerativen Erkrankungen bereits vor der Hufbehandlung vorgelegen hätten.

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Das Landgericht hat zunächst nach Einholung eines schriftlichen Gutachtens der Sachverständigen Dr. N und Dr. Q2 C2 und nach mündlicher Anhörung des Sachverständigen Dr. N C2 mit Urteil vom 15.08.2012 (Bl. 386 ff. GA) die Klage abgewiesen.

Damals lebte B noch, so dass der Kläger die Zahlung von 350.000 € Schadensersatz Zug um Zug gegen Herausgabe von B sowie Feststellung des Annahmeverzugs des Beklagten beantragt hatte. Auf die Berufung des Klägers hat der Senat mit Urteil vom 09.08.2013 (Bl. 543 ff. GA) das Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das Landgericht Aachen zurückverwiesen.

Das Landgericht hat sodann nach erneuter mündlicher Anhörung des Sachverständigen Dr. C2 sowie Vernehmung der Zeugen M, L, C3, Dr. N2 D, D2, N3 und C4 mit Urteil vom 31.07.2015 die Klage erneut abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne dahinstehen, ob der Beklagte tatsächlich eine Pflichtverletzung begangen habe, da es jedenfalls am Nachweis eines kausalen Schadens durch den Kläger fehle.

Das Landgericht unterscheidet insoweit zwischen akuter und chronischer Lahmheit. Zwar greife hinsichtlich der akuten Lahmheit von B unmittelbar nach dem 05.08.2009 ein Anscheinsbeweis für den Kläger dahingehend, dass diese akute Lahmheit auf fehlerhaftes Beschneiden bzw. Vernageln zurückzuführen sei.

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Ein Schaden aufgrund akuter Lahmheit sei durch die vorprozessuale Zahlung von 10.000 EUR seitens der Haftpflichtversicherung des Beklagten aber erloschen gem. § 362 Abs. 1 BGB, da der Kläger mit diesem Betrag Tierarztrechnungen beglichen habe.

Hinsichtlich der chronischen Lahmheit, auf die der Kläger die dauerhafte Wertlosigkeit von B stütze, greife hingegen kein Anscheinsbeweis zu seinen Gunsten ein.

Denn der Sachverständige Dr. C2 habe überzeugend ausgeführt, dass die festgestellte Entzündung des Hufgelenks zwar Ursache des Lahmens sein könne, er einen Ursachenzusammenhang zwischen der Hufgelenksentzündung und dem zu starken Einkürzen bzw. Vernageln aber für unwahrscheinlich bis ausgeschlossen halte.

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Der Sachverständige habe in den degenerativen Veränderungen die wahrscheinliche Ursache für das chronische Lahmen gesehen. Es sei deshalb nicht davon auszugehen, dass sich aus einem akuten Lahmen nach einer fehlerhaften Hufschmiedbehandlung regelmäßig und typischerweise eine chronische Lahmheit entwickele.

Jedenfalls aber habe der Beklagte den Anscheinsbeweis erschüttert. Denn das Gericht gehe aufgrund der weiteren Beweisaufnahme nach Durchführung des ersten Berufungsverfahrens davon aus, dass jedenfalls die ernsthafte Möglichkeit bestehe, dass es bei B alleine aufgrund von degenerativen Veränderungen zu seiner chronischen Lahmheit gekommen sei.

Röntgenbilder aus den Jahren 2003 und 2005 zeigten, dass zum Zeitpunkt der Hufschmiedbehandlung am 05.08.2009 bereits degenerative Veränderungen vorgelegen hätten, wenn auch nur in Röntgenklassen II-III bzw. III, auch hätten nach der Aussage des Zeugen C3 bereits Lahmheitserscheinungen bei B bei dessen Ankauf vorgelegen.

Jedenfalls aber hätten am 16.11.2011 (gemeint ist wohl der 16.08.2011) so schwerwiegende degenerative Veränderungen vorgelegen, dass diese nach den Angaben des Sachverständigen die wahrscheinliche Ursache für die chronische Lahmheit gewesen seien, während der Sachverständige einen Zusammenhang mit der Behandlung vom 05.08.2009 für eher unwahrscheinlich gehalten habe.

Insoweit habe der Sachverständige auch eine Mitursächlichkeit der akuten Lahmheit und der damit einhergehenden Boxenruhe für die spätere Lahmheit im Grunde verneint.

Auch unter dem Gesichtspunkt eines groben Behandlungsfehlers sei keine Beweiserleichterung für den Kläger anzunehmen, weil nur dann eine Beweislastumkehr eintrete, wenn der Sekundärschaden, und um einen solchen handele es sich bei der chronischen Lahmheit und Springuntauglichkeit, gerade typische Folge des groben Behandlungsfehlers sei, wovon hier nicht auszugehen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien sowie der tatsächlichen Feststellungen und der Begründung des Landgerichts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Ausführungen in dem Urteil vom 31.07.2015 (Bl. 859 ff. GA) Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sowie begründete Berufung des Klägers, mit der er seinen erstinstanzlichen Klageantrag auf den von der Sachverständigen Dr. Q2 C2 ermittelten Verkehrswert von 186.000,00 € nebst Zinsen beschränkt und ansonsten sein Vorbringen aus erster Instanz wiederholt, vertieft und ergänzt.

Der Kläger meint, das Landgericht habe die kausalrechtliche Adäquanz-Theorie verkannt. Weiterhin sei davon auszugehen, dass ein Vernageln vorliege, da der Beklagte sein widersprüchliches Verhalten nicht habe aufklären können.

Das Landgericht habe bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt, dass B auf zahlreichen Turnieren seit Januar 2007 nach vorherigen sogenannten Vet-Checks erfolgreich gewesen sei, ohne dass es zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Lahmheit gekommen sei, aus diesen Gründen sei B auch nie behandelt worden.

Degenerative Erscheinungen stellten bei einem Pferd im Alter von 12 Jahren nichts Ungewöhnliches dar und hätten, wie die Erfolgsgeschichte des Pferdes zeige, auf die Nutzbarkeit als Springpferd keinen Einfluss gehabt.

Zum Schadenszeitpunkt sei die degenerative Gelenkerkrankung so unbedeutend gewesen, dass eine uneingeschränkte sportliche Nutzung selbst in der schwersten Klasse des Springsportes nicht beeinträchtigt gewesen sei. Bei sachgerechter Anwendung der Adäquanztheorie dürften degenerative Vorschäden zu keinerlei Nachteilen für den Geschädigten führen.

Das zu starke Einkürzen und fehlerhafte Vernageln sei für den Eintritt des Schadens nicht gleichgültig gewesen und habe auch nicht nur durch eine Verkettung außergewöhnlicher Umstände den Erfolg herbeigeführt.

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Der Kläger rügt, dass das Landgericht seinen Anspruch auf rechtliches Gehör dadurch verletzt habe, dass es weder den Zeugen Tierarzt Dr. von Q noch den sachverständigen Zeugen Dr. N2 D angehört habe.

Es habe sich auch nicht mit dem Privatgutachten Dr. N2 D vom 11.04.2012 kritisch auseinandergesetzt, das eine Kausalität zwischen dem Einkürzen und der chronischen Lahmheit vorne rechts anerkannt habe. Dem Beklagten sei auch grobe Fahrlässigkeit beim Einkürzen des Hufes vorzuwerfen.

Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 23.08.2016 behauptet der Kläger, der Beklagte habe ein vor der Hufbehandlung erforderliches Gespräch mit dem Pferdehalter nicht geführt, wodurch der Beklagte

einwilligungslos und damit rechtswidrig gehandelt habe. Zudem sei der Beklagte verpflichtet gewesen, durch fotografische oder sonstige Maßnahmen das Ergebnis seiner Fehlbehandlung festzuhalten, wozu der Kläger die Auffassung vertritt, dass eine Verurteilung auch auf defizitäres beweisrechtliches Management und die dabei begangenen Fehler hilfsweise gestützt werden könne.

Der Kläger beantragt,

unter teilweiser Abänderung des am 31.07.2015 verkündeten Urteils der 11. Zivilkammer des Landgerichts Aachen den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 186.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.08.2009 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das Urteil. Die Beweisaufnahme habe weder ein pflichtwidriges Einkürzen noch eine Vernagelung des Hufes ergeben, der Beklagte habe den Huf nur minimal zu kurz geschnitten. Zu Recht sei das Landgericht von einer fehlenden Kausalität ausgegangen.

Dr. von Q sei nicht als Zeuge benannt gewesen und Dr. N2 D sei als Zeuge vernommen worden. Das Gutachten Dr. D beruhe auf der falschen Annahme, dass die zu starke Einkürzung und das Vernageln unstreitig seien, und dass keine Röntgenbilder aus der Zeit vor 2009 vorlägen.

Er verweist darauf, dass es nicht um die Haftung eines Tierarztes, sondern eines Hufschmieds gehe, und Friseure, Tätowierer oder Personen, die sich beruflich der Pflege der Füße und Nägel von Menschen widmeten, auch nicht nach den für einen Humanmediziner geltenden Regelungen hafteten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 12.02.2016 Bezug genommen.

Der Senat hat die Parteien persönlich angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen L, C4, Dr. N2 D und M sowie durch Anhörung des Sachverständigen Dr. C2.

Auf eine Vernehmung der Zeugen von Q, N3 und D2 haben die Parteien verzichtet. Wegen des Ergebnisses der Anhörung und Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 24.06.2016 sowie 12.08.2016 Bezug genommen.

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II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Landgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 631, 633 Abs. 2 Nr. 2, 634 Nr. 4, 636, 280 I BGB oder einem anderen Rechtsgrund.

1.

Weiterhin ist – wie schon im ersten Berufungsverfahren – von einer Pflichtverletzung des Beklagten aus dem Werkvertrag über die Beschneidung und Beschlagung des rechten Vorderhufes von B auszugehen.

Denn nach den gem. § 529 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO zugrunde zu legenden Feststellungen des Tatbestands des Urteils des Landgerichts vom 31.07.2015 – wie im Übrigen auch schon des Urteils des Senats vom 09.08.2013 – schnitt der Beklagte zumindest den Huf vorne rechts zu kurz.

Auch in der Berufung stellt der Beklagte nicht in Abrede, dass er den Huf überhaupt zu kurz geschnitten hat, sondern bestreitet nur das vom Kläger behauptete Ausmaß.

Ob der Beklagte den Huf auch vernagelt hat, kann offen bleiben. Der Kläger hat im Termin vom 12.02.2016 insoweit erklärt, dass er seinen Vorwurf maßgeblich auf das pflichtwidrige Einkürzen des Hufs stütze.

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Soweit der Beklagte erstinstanzlich zunächst die Vernagelung unstreitig gestellt und erst später bestritten hat, handelt es sich nicht um ein gerichtliches Geständnis nach § 288 Abs. 1 ZPO, da das Bestreiten durch den Beklagten bereits vor dem ersten Termin erfolgte.

Der Beklagte hat zwar erstmals im Rahmen der ersten Berufung mit Schriftsatz vom 17.07.2013 erklärt, aus welchem Grunde ein Vernageln erst unstreitig gestellt und dann später bestritten worden ist.

Die Erklärung, dass der mit der Mandatserteilung übermittelte Auszug aus der Schadenakte keinen Hinweis darauf enthalten habe, dass ein Vernageln nicht zutreffe, und die Sachbearbeiterin dies erst im Rahmen der Besprechung des schriftlichen Gutachtens mit dem Beklagten erfahren habe, hat der Zeuge L insoweit bestätigt, als er angegeben hat, auch er habe keine Rücksprache mit dem Beklagten gehalten und sei aufgrund der Angaben des Klägers und des Zeugen M von einer Vernagelung als feststehender Sachverhalt ausgegangen.

Dadurch ist der geänderte Vortrag ausreichend erklärt. Da erstmals vor dem Senat problematisiert worden war, dass der Vortrag widersprüchlich war, erfolgte die Erklärung des Beklagten auch nicht verspätet.

Der Zeuge M hat zwar im Termin vom 07.03.2014 (vgl. S. 3 des Protokolls, Bl. 616 GA) eine Vernagelung bestätigt und angegeben, das Hufeisen selbst gelöst und den Nagel herausgezogen zu haben, wobei er nicht angeben konnte, welcher Nagel falsch gesetzt gewesen sein sollte und auch ansonsten keine genauen Angaben zur Vernagelung machen konnte.

Allerdings musste er seine Angaben auf Vorhalt dahingehend korrigieren, dass er doch nicht das Hufeisen gelöst und den Nagel herausgezogen habe, weil das offenbar der Beklagte am Vorabend selbst gemacht hatte.

Inwiefern der Zeuge bei seiner Aussage angesichts der notwendigen Korrektur also überhaupt verlässliche Angaben zu den Nägeln machen konnte, ist nicht ersichtlich. Die Zeugin N3 hat zwar auch angegeben, B sei vernagelt gewesen, im Protokoll finden sich hierzu aber keine näheren Angaben.

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Letztlich kommt es auf diesen Punkt nicht entscheidend an, da der Sachverständige Dr. C2 im Termin vom 07.03.2014 festgestellt hat, dass durch das zu starke Zurückschneiden eine Huflederhautentzündung ausgelöst worden ist, die er auch am 16.08.2011 noch als leichte Huflederhautentzündung habe feststellen können.

Der Sachverständige hat weiter ausgeführt, eine Entzündung des Hufgelenks könne nach seinem Verständnis aus einer Vernagelung nicht herrühren, und er hat auf Nachfrage erläutert, dass dies nur dann nicht gelte, wenn der Nagel in das Hufgelenk getrieben worden wäre.

Zu einer solchen Annahme, dass nicht nur vernagelt, sondern darüber hinaus der Nagel auch in das Hufgelenk getrieben worden wäre, würden weder eine eingestandene schlichte Vernagelung durch den Beklagten ausreichen, noch die zum Punkt Vernagelung ohne jegliche Details sehr allgemein gehaltenen Zeugenaussagen.

2. Verschulden des Beklagten liegt gem. § 280 Abs.1 S. 2 BGB vor, da der Beklagte den ihm obliegenden Entlastungsbeweis nicht geführt, insbesondere nicht dargetan hat, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat (vgl. Grüneberg in Palandt, BGB, 75. Aufl., § 280 Rn. 40).

3. Streitentscheidend ist hier letztlich die Beweislastverteilung hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden, also dem pflichtwidrigen Einkürzen und der sich anschließenden – dauerhaften – Lahmheit.

Dass die Haftpflichtversicherung des Beklagten Ansprüche des Klägers hinsichtlich Tierarztkosten etc. aufgrund einer vorübergehenden Lahmheit mit Zahlung von 10.000 € ausreichend beglichen hat, steht zwischen den Parteien nicht in Streit.

Grundsätzlich trägt der Gläubiger die Beweislast für die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden, hier also der Kläger. Beweiserleichterungen bis zu einer Beweislastumkehr kommen bei Annahme eines Anscheinsbeweises oder bei groben Behandlungsfehlern in Betracht.

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a. Voraussetzung eines Anscheinsbeweises ist ein sogenannter typischer Geschehensablauf, also ein sich aus der Lebenserfahrung bestätigender gleichförmiger Vorgang, durch dessen Typizität es sich erübrigt, die tatsächlichen Einzelumstände eines bestimmten Geschehens nachzuweisen (vgl. Prütting in Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl., § 286 Rn. 48).

Entgegen dem vom Kläger in der Berufungsbegründung verfochtenen Standpunkt handelt es sich dabei nicht um eine Frage der Adäquanz. Denn die Adäquanz-Theorie dient der Ausgrenzung derjenigen Kausalverläufe, die dem Schädiger billigerweise rechtlich nicht mehr zugerechnet werden können (vgl. Grüneberg in Palandt, a.a.O., vor § 249 Rn. 26).

Der Senat hält an seiner bisherigen Auffassung fest, dass in der vorliegenden Konstellation vom Vorliegen eines Anscheinsbeweises zwischen Pflichtverletzung des Beklagten (zu starkes Einkürzen des Hufs) sowie dem Schaden (Springuntauglichkeit durch Lahmheit) auszugehen ist.

Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls lässt der vorliegende Geschehensablauf darauf schließen, dass Ursache für die Springuntauglichkeit die Pflichtverletzung des Beklagten war.

Die vom Landgericht vorgenommene Differenzierung zwischen Anscheinsbeweis für akute Lahmheit im Gegensatz zum Anscheinsbeweis für chronische Lahmheit begegnet schon deshalb Bedenken, weil der zeitliche Rahmen unklar ist.

Denn es steht fest, dass B bis zur Hufbehandlung durch den Beklagten durchgehend (und ohne größere Pausen) erfolgreich als Springpferd eingesetzt war. Insbesondere enthält der Turnierplan (Bl. 45-48 GA) keine größeren Lücken.

Nach dem Turnierplan hat B – nach jeweils kurz zuvor erfolgten Vet-Checks, in denen er auf Lahmheit getestet wurde – im Jahr 2009 an 18 Turnieren in den Monaten Februar und April bis Anfang August teilgenommen und das auch mit Erfolg.

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Danach steht fest, dass B springtauglich war und als Springpferd eingesetzt werden konnte, während er nach der Hufbehandlung gelahmt hat, nicht mehr springtauglich war und nicht mehr entsprechend eingesetzt wurde, wobei die Huflederhautentzündung noch zwei Jahre später feststellbar war.

Jedoch hat der Beklagte entsprechend der zutreffenden Ausführungen des Landgerichts den Anscheinsbeweis entkräftet. Ein Anscheinsbeweis kann dadurch entkräftet werden, dass der Beweisgegner Tatsachen zur Überzeugung des Gerichts nachweist, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs im konkreten Fall ergibt (vgl. Prütting in Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl., § 286 Rn. 65).

Ob der Anscheinsbeweis durch den Nachweis der Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs entkräftet ist, ist eine Frage der tatrichterlichen Würdigung (vgl. BGH, VersR 1972, 767 f; Greger, VersR 1980, 1091 ff.).

Zu Recht ist das Landgericht aufgrund seiner Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gekommen, dass jedenfalls die ernsthafte – sogar wahrscheinliche – Möglichkeit besteht, dass es bei B alleine aufgrund von degenerativen Veränderungen zu einer chronischen Lahmheit und damit zu seiner – dauerhaften – Springuntauglichkeit gekommen ist.

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Wie bereits in seinem schritlichen Gutachten vom 07.10.2011 (Bl. 211 ff. GA) ausgeführt, hat der Sachverständige Dr. C2 auch im Rahmen seiner Anhörung vom 12.08.2016 (S. 1 ff. des Protokolls der Sitzung vom 12.08.2016, Bl. 1241 ff. GA) erneut bekräftigt, dass die aufgrund der Röntgenbilder nachgewiesenen degenerativen Veränderungen die wahrscheinliche Ursache für die chronische Lahmheit waren und ein Zusammenhang mit der Hufbehandlung unwahrscheinlich ist.

Anhand der – nunmehr unstreitig von B – im Jahre 2007 angefertigten Röntgenbilder hat der Sachverständige Dr. C2 festgestellt, dass 2003 ein Chip im rechten Hufgelenk entfernt worden ist, der sich postoperativ noch röntgenologisch nachweisen lässt.

Der Röntgenbefund aus 2007 sei in Röntgenklasse III-IV des Röntgenleitfadens 2007 einzuordnen, wobei Befunde dieser Röntgenklasse entgegen der Auffassung des Klägers nicht mehr als marginal oder minimal einzuordnen seien.

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Die Röntgenbilder waren dem Sachverständigen Dr. C2 auch zur Begutachtung vorzulegen. Der Beklagte hat zwar bis heute nicht erläutert, aus welchem Grunde er die Röntgenbilder erst im Termin vom 12.06.2015 vorgelegt hat.

Nachdem allerdings das Landgericht die Vorlage und den darauf bezogenen Vortrag des Beklagten in seinem Urteil nicht berücksichtigt und auch nicht als verspätet zurückgewiesen hat – hierauf kam es nach dem Urteil des Landgerichts auch nicht an – scheidet eine Zurückweisung durch den Senat nach § 531 Abs. 1 ZPO aus, da das Berufungsgericht eine von der Vorinstanz unterlassene Zurückweisung nicht nachholen kann (vgl. Beck´scher Onlinekommentar ZPO, § 531 Rn. 2, BGH, Urt. vom 21.01.1981, Az. VIII ZR 10/80 – nach juris).

Eine Zurückweisung nach § 531 Abs. 2 ZPO scheidet ebenfalls aus, weil es sich nicht um ein neues Angriffs- und Verteidigungsmittel handelt.

Denn Angriffs- und Verteidigungsmittel sind neu, wenn sie nicht schon in 1. Instanz bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vorgebracht worden sind. Hier ergibt sich aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.06.2015, dass der Schriftsatz nebst Anlagen, u. a. den o. g. Röntgenbildern aus dem Jahre 2007, in der Sitzung überreicht worden ist.

Der Sachverständige hat zwar ausgeführt, dass sich auch vor dem Hintergrund der Röntgenbilder aus 2007 und auch bei der ständigen Verschlechterung des degenerativen Befunds zum Strahlbein vorne links und rechts nicht sicher sagen lasse, dass die Lahmheit aufgrund der degenerativen Erscheinungen sicher aufgetreten wäre.

Zudem könne die Zwangspause der Boxenruhe dazu führen, dass sich akute Lahmheit manifestiere. Allerdings hat der Sachverständige erneut deutlich darauf hingewiesen, dass es “ein höchstseltenes Geschehen” sei, dass eine chronische Lahmheit durch ein einmaliges (fehlerhaften) Beschlagen eines Hufes auftritt, und dies anhand der von ihm vorgelegten Skizze anschaulich erläutert.

Diese Ausführungen stimmen überein mit den Angaben des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten vom 07.10.2011 (Bl. 211 ff. GA) sowie seinen Angaben in den Anhörungen vom 23.07.2012 (Protokoll S. 1 ff., Bl. 360 ff. GA) sowie vom 07.03.2014 (Protokoll S. 11 ff., Bl. 624 ff. GA).

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Der Sachverständige hatte insoweit angegeben, für seine Untersuchung am 04.01.2010 hätten sich noch Hinweise auf eine mögliche subklinische Pododermatitis, also eine Hufsohlenlederhautentzündung des rechten Vorderhufes ergeben, zu der es aufgrund des zu starken Einkürzens des Hufes gekommen sei. Eine Entzündung der Huflederhaut könne auch chronisch werden. Daneben hätten sich aber röntgenologisch erhebliche Anzeichen auf degenerative Krankheitsprozesse gezeigt.

Ob die Lahmheit des rechten vorderen Beines noch immer Folge des Einkürzens des Hufes oder einer Vernagelung gewesen sei, oder ob auch degenerative Krankheitsbilder diese Lahmheit verursacht hätten, könne nicht mehr differenziert werden. Für die Lahmheiten an den anderen Gliedmaßen (vorne links und hinten rechts) könne als Ursache das zu starke Einkürzen des rechten Vorderhufs und dessen Vernagelung ausgeschlossen werden.

Bei einer starken chronischen Huflederhautentzündung könne zwar auch eine Entzündung des Knochens entstehen, eine solche habe er aber nicht festgestellt. Auch könne eine Entzündung des Hufgelenks seiner Auffassung nach nicht herrühren von einer zu starken Kürzung des Hufes oder einer Vernagelung.

Die Ausführungen des Sachverständigen, die dieser auch dem Senat im Rahmen der Anhörung verständlich erläutert hat, waren in sich überzeugend und stimmig und sind zuletzt auch vom Kläger nicht mehr konkret angegriffen worden.

Der Einschätzung des Sachverständigen steht auch nicht die Stellungnahme des Zeugen Dr. N2 D vom 11.04.2012 (Bl. 356 ff. GA) entgegen. Zum einen ging der Zeuge D davon aus, dass keine Röntgenaufnahmen von vor 2009 vorliegen.

Zum anderen geht auch Dr. D letztlich von einem Anscheinsbeweis aus, indem er aufgrund der chronischen Lahmheit nach dem zu starken Einkürzen auf eine Kausalität schließt und dies alleine dem zeitlichen Ablauf entnimmt. Zur Frage eines ernsthaft abweichenden Geschehensablaufs verhält sich die Stellungnahme gar nicht.

Im Übrigen hat der als Zeuge vernommene Dr. D im Termin vom 24.06.2016 (vgl. S. 14 f. des Protokolls, Bl. 1101 ff. GA) eingeräumt, dass eine chronische Lahmheit durch ein einmaliges Beschlagen eines Hufes in der Masse nicht der Fall sein dürfte, vielmehr als gefühlte Angabe im einstelligen Prozentbereich liegen dürfte.

Auf zusätzlichen Vorhalt des Röntgenbildes des Sachverständigen Dr. C2 vom 16.08.2011 hat der Zeuge angegeben, dass aufgrund des aus dem Röntgenbild ersichtlichen Befunds am Strahlbein die Wahrscheinlichkeit seiner Auffassung nach höher sei, dass das Pferd aufgrund dieses Befunds, als dass es aufgrund eines fehlerhaft beschlagenen Hufes durch zu starkes Einkürzen chronisch gelahmt hat.

Auch Dr. D hat damit letztlich zumindest die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs angegeben.

Gleiches ergibt sich aus den Stellungnahmen von Dr. von Q. Soweit Dr. von Q in seiner Stellungnahme vom 14.01.2010 (Bl. 64 f. GA) die Diagnose Hufbeinprellung und -entzündung im chronischen Stadium gestellt hat, hat auch der Sachverständige Dr. C2 eine solche Entzündung seinen Überlegungen zugrunde gelegt und eine solche sogar noch selbst zum späteren Zeitpunkt vom 16.08.2011 festgestellt.

In seinem Untersuchungsbericht vom 24.07.2010 (Bl. 67 ff. GA) gelangt Dr. von Q, der ebenfalls aufgrund der Untersuchung von Röntgenbildern degenerative Erscheinungen ermittelt hat, ebenso wie der Sachverständige Dr. C2 zu der Einschätzung, dass nicht mehr mit Sicherheit angegeben werden könne, welcher der erhobenen Befunde lahmheitsverursachend sei.

Auch wenn die entzündlichen Prozesse dem Einkürzen/Vernageln zuzuordnen seien, könnten die degenerativen Prozesse aufgrund des fortgeschrittenen Krankheitsverlaufs nicht zugeordnet werden.

b. Auch unter dem Gesichtspunkt des groben Behandlungsfehlers kommt im Ergebnis keine Beweislastumkehr zugunsten des Klägers in Betracht, da der – insoweit beweisbelastete – Kläger keinen groben Behandlungsfehler bewiesen hat.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urt. vom 27.04.2004, Az. VI ZR 34/03- nach juris) “führt ein grober Behandlungsfehler, der geeignet ist, einen Schaden der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen, grundsätzlich zu einer Umkehr der objektiven Beweislast für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem Gesundheitsfehler.

Dafür reicht aus, dass der grobe Behandlungsfehler geeignet ist, den eingetretenen Schaden zu verursachen; nahe legen oder wahrscheinlich machen muss der Fehler den Schaden hingegen nicht.”

Eine Umkehr der Beweislast ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur ausgeschlossen, wenn jeglicher haftungsbegründender Ursachenzusammenhang zwischen grobem Behandlungsfehler und Schaden gänzlich fehlt bzw. äußerst unwahrscheinlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 02.07.2013, Az. VI ZR 110/13; Urt. vom 27.04.2004, Az. VI ZR 34/03 – jeweils nach juris).

Insoweit kommt eine Beweislastumkehr bei grobem Behandlungsfehler auch bei Mitursächlichkeit in Betracht (vgl. BGH, Urt. vom 27.06.2000, Az. VI ZR 201/99 – nach juris), so dass bei B vorliegende degenerative Anzeichen der Umkehr der Beweislast nicht entgegenstehen.

Auch ist entgegen der Auffassung des Landgerichts in der Lahmheit nicht nur ein Sekundärschaden, sondern ein Primärschaden zu sehen. Grundsätzlich sind Primärschäden die Schäden, die die direkte Folge des Behandlungsfehlers darstellen. Schäden, die dann wiederum aus diesen Primärschäden resultieren, sind Sekundärschäden.

Der Bundesgerichtshof hat beispielsweise spätere Verhaltensstörungen eines nach fehlerhafter Geburtseinleitung zur Welt gekommenen Kindes als Primärschaden eingestuft und nicht lediglich den Hirnschaden (BGH, Urt. vom 21.07.1998, Az. VI ZR 15/98 – nach juris), ebenso hat er eine auf einer Netzhautablösung beruhende Schädigung des Sehvermögens als Primärschaden eingestuft (BGH, Urt. vom 16.11.2004, VI ZR 328/03; vgl. auch BGH, Urt. vom 28.06.1988, Az. VI ZR 210/87 – jeweils nach juris: Hodenverkümmerung infolge einer Lungentuberkulose bei unterbliebener Röntgenkontrolle als Primärschaden).

Schadensersatzansprüche wegen Springuntauglichkeit – Wertlosigkeit eines Pferdes – OLG Köln 19 U 129/15

Hier ist die Lahmheit aufgrund einer Huflederhautentzündung wie in den genannten Beispielsfällen ein Primärschaden, der für die Springuntauglichkeit ausreicht.

Ob eine Lahmheit an weiteren Beinen infolge der Boxenruhe oder aufgrund von degenerativen Vorschäden hinzugekommen ist – insoweit lägen dann Sekundärschaden vor – ist unerheblich.

Denn Sinn der Beweiserleichterung im Falle eines groben Behandlungsfehlers ist es gerade, dem Patienten in seiner Beweisnot bei schwierigen Kausalverläufen zu helfen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. vom 10.05.2016, Az. VI ZR 247/15 – nach juris) sind die in der Humanmedizin entwickelten Rechtsgrundsätze hinsichtlich der Beweislastumkehr bei groben Behandlungsfehlern auch im Bereich der tierärztlichen Behandlung anzuwenden, da sich beide Tätigkeiten auf einen lebenden Organismus beziehen, bei dem der Arzt zwar das Bemühen um Helfen und Heilung, nicht aber den Erfolg schulden kann.

Gerade wegen der Eigengesetzlichkeit und weitgehenden Undurchschaubarkeit des lebenden Organismus kann ein Fehlschlag oder Zwischenfall nicht allgemein ein Fehlverhalten oder Verschulden des Arztes indizieren.

Schadensersatzansprüche wegen Springuntauglichkeit – Wertlosigkeit eines Pferdes – OLG Köln 19 U 129/15

Im Hinblick darauf kommt dem Gesichtspunkt, die Beweislastumkehr solle einen Ausgleich dafür bieten, dass das Spektrum der für die Schädigung in Betracht kommenden Ursachen wegen der elementaren Bedeutung des Fehlers besonders verbreitert oder verschoben worden ist, auch bei der tierärztlichen Behandlung eine besondere Bedeutung zu (BGH, a.a.O.).

Nach Auffassung des Senats sind diese für den Tierarzt geltenden Grundsätze auch auf den Hufschmied anzuwenden.

Die Anwendung der Grundsätze des groben Behandlungsfehlers nicht nur auf den grob fehlerhaft handelnden Tierarzt, sondern ebenso auf vergleichbar schwerwiegende Fehler des Hufschmieds ist geboten, weil auch zwischen diesen Berufsgruppen die Sach- und Interessenlage in einer Weise gleich gelagert ist, dass eine unterschiedliche Handhabung nicht gerechtfertigt wäre, zumal sich die Tätigkeit des Hufschmieds ebenso wie die des Tierarztes auf einen lebenden Organismus bezieht.

Grund für die Beweiserleichterung im tierärztlichen Bereich ist nach der genannten Entscheidung, dass das Spektrum der für die Schädigung in Betracht kommenden Ursachen gerade durch den schwerwiegenden Verstoß gegen die anerkannten Regeln der tierärztlichen Kunst Aufklärungserschwernisse in das Geschehen hineingetragen hat und dadurch die Beweisnot auf Seiten des Geschädigten vertieft wird.

Insoweit ist kein qualitativer Unterschied zwischen dem Fehler des Tierarztes und dem des Hufschmieds erkennbar, was sich gerade auch in dem hier vorliegenden Kausalitätsproblem zeigt.

Nach § 1 Abs. 1 HufBeschlG (Hufbeschlagsgesetz) ist die Gesundheit von Huf- und Klauentieren, insbesondere die Leistungsfähigkeit ihres Bewegungsapparates, durch einen sach-, fach- und tiergerechten Huf- und Klauenbeschlag zu erhalten und zu fördern, wozu u.a. die Berechtigung zur Ausübung des Beschlages von Hufen und Klauen und die damit verbundene staatliche Anerkennung zu regeln ist.

Hierdurch wird ebenfalls deutlich, dass Hufschmiede anders als Friseure oder Tätowierer auch dem Berufsfeld Gesundheitspflege (von Pferden) zuzuordnen sind. Anders als Fußpfleger greifen Hufschmiede weitergehender in den Organismus ein, indem sie etwa Hufeisen als Heißbeschlag aufbringen und festnageln.

Schadensersatzansprüche wegen Springuntauglichkeit – Wertlosigkeit eines Pferdes – OLG Köln 19 U 129/15

Zudem hat die Rechtsprechung auch in weiteren Fällen entsprechende Beweiserleichterungen bei Verletzung von Berufspflichten von Angehörigen, die mit Leben, Körper und Gesundheit zu tun haben, angenommen

(vgl. Bademeister-Fall BGH, Urt. vom 13.03.1962 – VI ZR 142/61 – nach juris; Heilpraktiker OLG Hamm, VersR 1987, 1019 – nach juris; Krankenhauspflegepersonal BGH, Urt. vom 10.11.1970 – VI ZR 83/69 – nach juris; Gasinstallateur OLG Celle, Urt. vom 19.02.1986 – 9 U 234/84 – nach juris; Apotheker, OLG Köln, Urt. vom 07.08.2013 – 5 U 92/12 – nach juris; so auch Schiemann in: Staudinger, 2005, Vorbem. zu §§ 249-254, Rn. 96).

Allerdings hat der Kläger nicht bewiesen, dass der Beklagte einen groben Behandlungsfehler begangen hat.

Schadensersatzansprüche wegen Springuntauglichkeit – Wertlosigkeit eines Pferdes – OLG Köln 19 U 129/15

Der Sachverständige Dr. C2 hat im Rahmen seiner Anhörung im Termin vom 07.03.2014 (vgl. S. 13 f. des Protokolls vom 07.03.2014, Bl. 626 f. GA) zur Frage eines groben Behandlungsfehlers durch zu starkes Einkürzen des Hufs angegeben, dass dies davon abhänge, wie stark eingekürzt worden sei, wobei es sich um graduelle Unterschiede handele.

Er würde von einem groben Behandlungsfehler sprechen, wenn es so massiv gewesen sein solle, wie der Zeuge M das in seiner Vernehmung vom 07.03.2014 beschrieben habe. Hieran hat der Sachverständige Dr. C2 auch in seiner Anhörung vom 12.08.2016 vor dem Senat festgehalten (vgl. S. 6 des Protokolls vom 12.08.2016, Bl. 1246 GA).

Diese Einschätzung ist auch vor dem Hintergrund überzeugend, dass nicht schon jedes zu starke Einkürzen grob fehlerhaft sein kann, sondern eben ein gewisses Ausmaß erreicht haben muss, um anstelle eines schlichten einen groben Fehler darzustellen.

Der Zeuge M hat zwar im Termin vom 07.03.2014 (vgl. S. 3 des Protokolls, Bl. 616 GA) angegeben, es sei viel zu viel weggeschnitten worden, zwei bis drei Zentimeter, so dass kaum noch etwas über der Lederhaut vorhanden gewesen sei. Es sei gerade so viel weggeschnitten worden, dass es noch nicht geblutet habe.

Allerdings hat sich der Zeuge M von dieser Aussage im Rahmen seiner Vernehmung vor dem Senat (vgl. S. 15 ff. des Protokolls vom 24.06.2016, Bl. 1102 ff. GA) ausdrücklich distanziert und statt dessen angegeben, B sei vorne rechts deutlich mehr eingekürzt gewesen als vorne links, wobei er unter deutlich mehr etwa einen halben Zentimeter verstehe, den er mittels Augenmaßes erkannt haben will.

Auf die Frage, ob dann am linken Vorderhuf 1,5 bis 2,5 cm weggeschnitten worden seien, hat er angegeben, er habe ja nicht sehen können, wie viel dort weggeschnitten worden sei.

Seine Angabe in seinem Bericht vom 14.11.2011, es sei um 20 % bis 30 % zu stark eingekürzt worden (vgl. Bl. 296 GA), hat er damit erläutert, dass in der Beschlagzeit am Huf ca. ein bis anderthalb Zentimeter weggenommen werde, was bei einem halben Zentimeter eine 20 bis 30 % zu starke Kürzung ergebe.

Die nunmehrigen Angaben des Zeugen reichen schon nicht aus, um einen groben Behandlungsfehler zu begründen. Insoweit hat der zu dieser Aussage seitens des Senats befragte Sachverständige Dr. C2 ausgeführt, dass er sich das Ausmaß nach der seinerzeitigen Aussage des Zeugen M erheblicher vorgestellt habe. Und er nach der nunmehrigen Aussage nicht sagen könne, wo die Grenze zu einer grob falschen Behandlung liege (vgl. S. 6 des Protokolls vom 12.08.2016, Bl. 1246 GA).

Zudem hat der Senat auch vor dem Hintergrund, als es bei der Frage des Vorliegens eines groben Behandlungsfehlers gerade auf graduelle Unterschiede ankommt, Zweifel an der Richtigkeit der nunmehr vom Zeugen M getätigten Aussage, wonach zumindest ein halber Zentimeter deutlich zu viel eingekürzt gewesen sei.

Schadensersatzansprüche wegen Springuntauglichkeit – Wertlosigkeit eines Pferdes – OLG Köln 19 U 129/15

Zwar erfordert der Grundsatz der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO keine absolute, über jeden denkbaren Zweifel erhabene Gewissheit, jedoch muss eine “persönliche Gewissheit” bestehen, die Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. Greger in Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 286 Rn. 19).

Diese hat der Senat aufgrund der Aussage des Zeugen M nicht ausreichend erlangen können. Zwar hat der Zeuge M B nach dem Vorfall engmaschig betreut und als Tierarzt besondere Fachkenntnis. Jedoch spricht gegen die Glaubhaftigkeit der jetzigen Angaben des Zeugen der Umstand, dass dieser – mehrfach – entscheidende Aussagen im Nachhinein berichtigen musste. Schon vor dem Landgericht hatte der Zeuge wesentliche Teile seiner Aussage nicht aufrecht erhalten können.

So hatte er seine Angaben dazu, das Hufeisen selbst gelöst und auch den falsch gesetzten Nagel selbst herausgezogen zu haben, auf Vorhalt korrigiert.

Indem der Zeuge vor dem Senat auch seine Angaben zum Maß des Zurückschneidens entscheidend geändert hat, verlieren dadurch auch seine nunmehrigen Aussagen erheblich an Beweiswert. Insbesondere weil der Zeuge auch keinen Grund dafür benennt, warum er damals anders ausgesagt hat.

Auch vor dem Landgericht war der Zeuge zur Wahrheitspflicht ermahnt worden, gleichwohl hat er in mehrfacher Hinsicht Angaben gemacht, an denen er im Nachhinein nicht festgehalten hat.

Gerade als es um graduelle Unterschiede geht, ist nicht hinreichend sicher, dass die nunmehrigen Angaben ausreichend zuverlässig sind, insbesondere als der Zeuge die Differenz auch nur durch Augenmaß ausgemacht haben will.

Zudem bestehen weitere Ungereimtheiten. In seiner Rechnung vom 27.08.2009 hat der Zeuge – neben der Bezeichnung des falschen Hufs – nur die Vernagelung, nicht aber die Kürzung des Nagels genannt, obwohl er nach seinen Angaben im Termin vom 24.06.2016 in der zu starken Einkürzung das Hauptproblem gesehen hat.

Auch zum Verlust seiner Röntgenbilder wegen des Überspannungsschadens konnte der Zeuge keine genaue Aussage treffen, obwohl dies im Hinblick auf die damit für die Praxis verbundenen Auswirkungen zu erwarten gewesen wäre.

Schadensersatzansprüche wegen Springuntauglichkeit – Wertlosigkeit eines Pferdes – OLG Köln 19 U 129/15

Weiter hat der Zeuge im Termin vom 07.03.2014, also als die entsprechenden Röntgenbilder nicht vorlagen, angegeben, in den von ihm gefertigten Röntgenbildern aus dem Jahr 2007 sei das Pferd in Ordnung gewesen, während der Sachverständige Dr. C2 auf eben diesen Röntgenbildern einen postoperativ röntgenologisch nachweisbaren Befund im betroffenen Hufgelenk und ansonsten nicht mehr als marginal einzustufende degenerative Veränderungen der Röntgenklasse III-IV des Röntgenleitfadens 2007 festgestellt hat (vgl. S. 2 f. des Protokolls vom 12.08.2016, Bl. 1242 f. GA).

Auch wenn einzelne Korrekturen oder Ungenauigkeiten einer Aussage noch als lebensnah erscheinen können, verbleiben hier angesichts der Vielzahl der – in entscheidenden Punkten – erfolgten Korrekturen und Ungenauigkeiten Zweifel an der Richtigkeit der Aussage, insbesondere als es um graduelle Unterschiede geht.

Gegen ein so starkes Beschneiden, dass daraus auf einen groben Behandlungsfehler geschlossen werden könnte, spricht zudem der Umstand, dass der Beklagte einen Heißbeschlag aufgebracht hat, was sich B nach den Angaben des Sachverständigen Dr. C2 bei einem derart starken Einkürzen nicht hätte gefallen lassen (vgl. S. 6 des Protokolls vom 12.08.2016, Bl. 1246 GA sowie S. 14 des Protokolls vom 07.03.2014, Bl. 627 GA).

Schadensersatzansprüche wegen Springuntauglichkeit – Wertlosigkeit eines Pferdes – OLG Köln 19 U 129/15

Die hierzu vom Sachverständigen gegebene Erklärung, dass man bei einem so starken Beschneiden “in den Bereich des Lebens” komme, zusätzlich beim Anbrennen der Tragerand noch verkürzt werde, wodurch das Pferd beim Aufbrennen Schmerzen gehabt hätte und sich durch Unmutserklärungen wie Wegspringen oder Wegziehen des Beins bemerkbar gemacht hätte, ist nachvollziehbar und überzeugend.

Dafür, dass der Beklagte B trotz von diesem deutlich angezeigter Schmerzen und Abwehrreaktionen einfach weiter beschlagen hätte bzw. hätte beschlagen können, fehlen Anhaltspunkte.

Der von der Haftpflichtversicherung der Beklagten beauftragte Zeuge L hat zwar im Termin vom 07.03.2014 vor dem Landgericht angegeben, dass am 11.11.2009 der vordere rechte Huf noch nicht vollständig nachgewachsen gewesen sei. Und seine Aussage lediglich dahingehend eingeschränkt, dass ein zu starkes Einschneiden für ihn aber auch der vorgegebene Sachverhalt gewesen sei, und er aufgrund der Füllmasse nicht genau habe sehen können, wie viel von dem Huf gefehlt habe (vgl. S. 9 f. des Protokolls, Bl. 622 f. GA).

Auch vor dem Senat hat er angegeben, dass der Huf zu kurz gewesen sei, was er aus den angebrachten Füllmassen sowie den für ihn aus der Akte erkennbaren Schilderungen geschlossen habe.

Allerdings hat er auch angegeben, dass B zum Zeitpunkt seines Besichtigungstermins bereits beschlagen gewesen sei, was sich auch aus den von ihm überreichen Lichtbildern ergibt. (vgl. S. 6 ff. des Protokolls vom 24.06.2016, Bl. 1093 ff. GA sowie Bl. 1116 ff. GA).

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Auch aufgrund dieser Aussage ist der Senat nicht vom Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers überzeugt, da der Sachverständige Dr. C2 in seiner Anhörung im Termin vom 12.08.2016 angegeben hat, dass in dem Zeitraum zwischen August und November der Huf 3-4 cm habe nachwachsen können, so dass er bis November 2009 hätte nachgewachsen sein müssen (vgl. S. 7 des Protokoll, Bl. 1247 GA). Zudem hat auch der Zeuge L den Huf nicht in unverändertem, sondern nur im erneut beschlagenen Zustand besichtigt.

Insoweit ließen sich durch diesen Zeugen keine zulässigen Rückschlüsse mehr auf das Maß des Zurückschneidens ziehen, weil der Huf vor dem erneuten Beschlagen entsprechend vorbehandelt worden war, was der Sachverständige Dr. C2 nachvollziehbar erläutert hat (vgl. S. 7 des Protokolls vom 12.08.2016, Bl. 1247 GA).

Aus dem gleichen Grund können auch aus den von dem Zeugen L angefertigten Lichtbildern keine Rückschlüsse auf das Maß des Zurückschneidens durch den Beklagten am 05.08.2009 gezogen werden.

Die Zeugin C4 hat zwar bestätigt, dass der Huf viel zu kurz, wie bei einem Pony beschnitten worden sei. Und auch die Zeugin N3 hat erstinstanzlich angegeben, dass viel zu viel weggeschnitten worden sei.

Beide Zeuginnen konnten aber keine genauen Angaben zum Umfang in Zentimetern machen. Da das Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers gerade davon abhängt, wie stark genau eingekürzt worden ist, waren beide Aussagen in Bezug auf die erforderlichen graduellen Unterschiede schon nicht hinreichend konkret.

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Soweit der Kläger selbst im Termin vom 24.06.2016 (vergleiche S. 5 des Protokolls, Bl. 1092 GA) angegeben hat, es sei fast so gewesen, dass kein Huf mehr vorhanden gewesen sei, was auch nach 3,5 Monaten so gewesen sei, da kaum etwas nachgewachsen sei, bestehen an diesen Angaben schon deshalb durchgreifende Zweifel, weil der Sachverständige Dr. C2 in seiner Anhörung im Termin vom 12.08.2016 angegeben hat, dass in dieser Zeit der Huf hätte nachgewachsen sein müssen (vgl. S. 7 des Protokoll, Bl. 1247 GA).

Auch unter Berücksichtigung der schrittweisen Korrektur des Vortrags des Beklagten, der erst eingeräumt hat, den Huf stark beschnitten zu haben, dann den Huf geringfügig zu stark. Zuletzt sogar höchstens ein paar Raspelstriche zu viel eingekürzt haben will, gelangt der Senat nicht zu der erheblichen, mehrere Zentimeter zu starken Einkürzung. Insbesondere weil der Beklagte den wechselnden Vortrag auch mit fehlerhafter Absprache mit seiner Prozessbevollmächtigten erklärt hat.

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Selbst wenn der Beklagte wie von der Zeugin C4 angegeben B nach der Behandlung noch aufgesucht. Und sich bei diesem entschuldigt hätte, könnte auch daraus nicht auf ein bestimmtes Ausmaß des Zurückschneidens geschlossen werden.

Zum Vernageln hat der Sachverständige Dr. C2 angegeben, dass alleine der Umstand, dass es zu einer Vernagelung komme, noch nicht für einen groben Behandlungsfehler spreche, weil das auch darauf beruhen könne, dass etwa das Pferd im falschen Moment eine Bewegung gemacht oder der Huf in seiner Substanz Schwierigkeiten gemacht habe.

Da die Zeugen bei der Hufschmiedbehandlung nicht dabei waren. Und auch ansonsten keine Angaben im Detail zu einer Vernagelung gemacht haben, ist auch bei Annahme einer Vernagelung noch kein grober Behandlungsfehler bewiesen.

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c. Nachdem zugunsten des Klägers keine Beweislastumkehr greift, ist der Kläger hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität beweisbelastet.

Den ihm obliegenden Beweis hat er nicht geführt, da – wie bereits ausgeführt – nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. C2 die chronische Lahmheit zwar auf den Hufbeschlag zurückgehen kann, dies aber unwahrscheinlich ist.

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4. Mangels Anspruchs in der Hauptsache besteht auch kein Zinsanspruch.

5. Dem Senat ist eine Befassung mit den neuen Vorwürfen des Klägers im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 23.08.2016 nach §§ 525, 296 a ZPO verwehrt.

Ein Grund für die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO besteht nicht, da das neue Vorbringen auch außerhalb der Berufungsbegründungsfrist nach §§ 530, 520 ZPO vorgebracht worden ist, zudem bereits erstinstanzlich hätte geltend gemacht werden müssen.

Unabhängig davon hat der Beklagte B unstreitig im regelmäßigen Turnus beschlagen, kannte B und war auch am 05.08.2009 mit dem Beschneiden und Beschlagen von B beauftragt.

Entsprechend führt der Kläger in seiner Berufungsschrift aus, dass die Tätigkeit des Beklagten als renommierten Hufschmiedes mit hoher Erfahrung auf dem Sektor von internationalen Turnier-Springpferden gerade darauf gerichtet gewesen sei, die Erfolgsgeschichte des Pferdes B fortzuschreiben.

Vor diesem Hintergrund vermag der Senat eine fehlende Einwilligung des Klägers in die Hufbehandlung ebenso wenig zu erkennen wie eine Pflicht des Beklagten zur Dokumentation seiner Arbeit.

Auch wenn der Senat die Grundsätze der Beweislastverteilung bei groben Behandlungsfehlern von Ärzten auf den Tierarzt und von diesem auf den Hufschmied überträgt, folgt daraus noch keine Übertragung (human-) ärztlicher Dokumentationspflichten.

III.

Schadensersatzansprüche wegen Springuntauglichkeit – Wertlosigkeit eines Pferdes – OLG Köln 19 U 129/15

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus 709 S.1, S. 2 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

Rechtsfragen grundsätzlicher Natur, die über den konkreten Einzelfall hinaus von Interesse sein könnten, haben sich nicht gestellt und waren nicht zu entscheiden.

Berufungsstreitwert: 186.000,00 €

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