Testamentsauslegung – Bayerisches Oberstes Landesgericht – Beschluss 10.12.1985 – BReg 1 Z 59/85

Mai 13, 2020

Testamentsauslegung – Bayerisches Oberstes Landesgericht – Beschluss 10.12.1985 – BReg 1 Z 59/85

RA und Notar Krau

Das Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 10. Dezember 1985 befasst sich mit der Auslegung eines Testaments,

in dem der Erblasser die Erbeinsetzung von der Erfüllung einer ungewöhnlichen Bedingung abhängig gemacht hat.

Der Erblasser hatte verfügt, dass bestimmte Erben ihm vor seiner Einäscherung die Pulsadern öffnen lassen sollten.

Das Gericht musste entscheiden, ob die Erbeinsetzung trotz Nichterfüllung dieser Bedingung wirksam ist.

Sachverhalt

Am 18. Dezember 1982 verstarb der unverheiratete Verlagskaufmann und hinterließ ein Testament vom 9. Dezember 1982, in dem er verschiedene Personen als Erben einsetzte.

Die Erbeinsetzung war an das Versprechen gebunden, dass ihm von bestimmten Personen die Pulsadern geöffnet oder durch einen Arzt geöffnet würden.

Der Nachlass des Erblassers umfasste Vermögenswerte von über 1,4 Millionen DM.

Verfahrensgang

Das Bayerische Oberste Landesgericht war mit diesem Erbfall im Verfahren über die Erteilung eines Erbscheins zuvor schon einmal befaßt.

Testamentsauslegung – Bayerisches Oberstes Landesgericht – Beschluss 10.12.1985 – BReg 1 Z 59/85

Das Amtsgericht – Nachlassgericht – hatte in diesem vorangegangenen Verfahren zunächst den Hauptantrag des Beteiligten zu 1 abgelehnt, ihm einen Erbschein zu erteilen, der sein Erbrecht zu zwei Dritteln und das der Beteiligten zu 4 zu einem Drittel sowie die Anordnung der Testamentsvollstreckung bezeuge.

Seine Beschwerde ist dann vom Landgericht München I am 13.3.1984 zurückgewiesen worden.

Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 hatte Bayerische Oberste Landesgericht am 30.8.1984 den Beschluß des Landgerichts aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen.

Das Landgericht hatte nach der Zurückverweisung dann umfangreich Beweis erhoben und danach die Beschwerde erneut zurückgewiesen.

Hiergegen erhob der Beteiligte zu 1 weitere Beschwerde.

Auf diese weitere Beschwerde entschied das Bayerische Oberste Landesgericht dann erneut wie folgt:

Rechtliche Würdigung und Auslegung des Testaments

Das Bayerische Oberste Landesgericht prüfte die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung des Landgerichts und kam zu dem Schluss, dass keine Rechtsfehler vorlagen.

Die entscheidende Frage war, ob die Erbeinsetzung unter einer Bedingung erfolgt war, die im Testament als „Versprechensverpflichtung“ bezeichnet wurde.

Testamentsauslegung – Bayerisches Oberstes Landesgericht – Beschluss 10.12.1985 – BReg 1 Z 59/85

Bedingung oder Auflage?

Das Gericht stellte fest, dass die Formulierung im Testament nicht lediglich als Wunsch des Erblassers zu interpretieren sei.

Es handelte sich um eine echte Bedingung, die erfüllt werden sollte.

Dabei war entscheidend, ob das Testament eine tatsächliche Bedingung im Sinne des § 2074 BGB darstellte, oder ob es sich um eine bloße Auflage handelte, die im Erbrecht anders zu bewerten wäre.

Sittenwidrigkeit und Teilnichtigkeit

Das Verlangen, dass Laien dem Erblasser die Pulsadern öffnen, wurde als sittenwidrig beurteilt.

Das Landgericht hatte jedoch zuvor angenommen, dass der Erblasser mindestens gewollt habe, dass dies durch einen Arzt geschieht.

Der unwirksame Teil der Bedingung mache nicht das gesamte Testament unwirksam.

Es wurde daraufhin vom Bayerischen Obersten Landesgericht geprüft, ob der Erblasser auch ohne den sittenwidrigen Teil dieselbe Verfügung getroffen hätte.

Das Bayerische Oberste Landesgericht berücksichtigte, dass die Beteiligte zu 2, die beim Tod des Erblassers anwesend war, einen Notarzt gerufen und mehrmals darauf hingewiesen hatte, dass der Verstorbene sich die Pulsadern öffnen lassen wollte.

Testamentsauslegung – Bayerisches Oberstes Landesgericht – Beschluss 10.12.1985 – BReg 1 Z 59/85

Diese Bemühungen wurden als ausreichend angesehen, um den Bedingungseintritt zu bejahen, auch wenn der tatsächliche Erfolg (das Öffnen der Pulsadern) nicht erreicht wurde.

Ermittlung des Erblasserwillens

Bei der Auslegung des Testaments musste der tatsächliche Wille des Erblassers ermittelt werden.

Das Bayerische Oberste Landesgericht kam zu dem Schluss, dass es dem Erblasser weniger um die tatsächliche Erfüllung der Bedingung ging, sondern um den Ausdruck des Vertrauens in die versprochenen Erben.

Hypothetischer Wille

Das Bayerische Oberste Landesgericht prüfte auch den hypothetischen Willen des Erblassers, also was er gewollt hätte, wenn er die spätere Entwicklung bei der Errichtung des Testaments vorausgesehen hätte.

Es wurde festgestellt, dass der Erblasser die Erbenstellung der Beteiligten zu 2 und 3 nicht von unzumutbaren Forderungen abhängig gemacht hätte.

Testamentsauslegung und Lückenfüllung

Das Bayerische Oberste Landesgericht beschäftigte sich mit der ergänzenden Auslegung des Testaments, um den hypothetischen Willen des Erblassers zu ermitteln.

Testamentsauslegung – Bayerisches Oberstes Landesgericht – Beschluss 10.12.1985 – BReg 1 Z 59/85

Auch die Persönlichkeitsmerkmale und die Denkweise des Erblassers wurden in Betracht gezogen, um zu bestimmen, ob die Bedingung nachträglich als eingetreten angesehen werden konnte.

Ergebnis und Kostenentscheidung

Das Bayerische Oberste Landesgericht entschied, dass die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 zurückzuweisen sei, da die Auslegung des Landgerichts zutreffend war und die Bedingung als erfüllt angesehen werden konnte, obwohl der tatsächliche Erfolg nicht eingetreten war.

Die Beteiligten zu 2 und 3 wurden somit als Erben anerkannt.

Die Kostenentscheidung folgte den Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG), und der Geschäftswert wurde auf 600.000 DM festgesetzt.

Der Beteiligte zu 1 musste die Kosten der weiteren Beschwerde der Beteiligten zu 2 und 3 tragen.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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