Testamentsauslegung zur Vererblichkeit des Nacherbenrechts – KG Urteil vom 20.10.2022 – 19 U 39/21

Juli 18, 2024

Testamentsauslegung zur Vererblichkeit des Nacherbenrechts – KG Urteil vom 20.10.2022 – 19 U 39/21

Zusammenfassung RA und Notar Krau


Die Kläger beanspruchen eine Nacherbenstellung nach dem verstorbenen A. R. Sen.

Sie verlangen die Feststellung der Unwirksamkeit zweier notarieller Verträge aus 2005 und 2009, in denen E. R.-M. als Vorerbin Gesellschaftsanteile der R. GmbH & Co. Einzelhandels KG auf den Beklagten zu 2. übertragen hat.

Der Beklagte zu 2. strebt widerklagend die Feststellung an, dass die Kläger nicht Erben nach A. R. Sen. geworden sind und die Mitwirkung der Kläger an der Erbauseinandersetzung.

Das Landgericht (LG) wies die Klage sowie die Widerklage ab.

Begründung der Entscheidung des LG:


Das LG stellte fest, dass die Kläger als Erben im Erbschein des Amtsgerichts (AG) Charlottenburg zu jeweils 1/16 nach dem Erblasser A. R. Sen. aufgeführt sind.

Ihre Erbenstellung ergebe sich aus dem Testament des Erblassers vom 28. März 1972.

Das Testament sei so auszulegen, dass die Söhne Nacherben seien und deren Mutter E. R.-M. Vorerbin, die bis zum Abschluss einer Berufsausbildung der Söhne das Vermögen verwalten sollte.

Der Nacherbfall sollte mit Abschluss der Berufsausbildung oder mit dem Tod der Vorerbin eintreten.

Testamentsauslegung zur Vererblichkeit des Nacherbenrechts – KG Urteil vom 20.10.2022 – 19 U 39/21

Der Vater der Kläger, M. R., habe durch das Erleben des Erbfalls ein unentziehbares Anwartschaftsrecht erworben, das mit seinem Tod auf die Kläger übergegangen sei.

§ 2109 BGB finde durch den Tod der Vorerbin keine Anwendung. Das LG konnte jedoch nicht feststellen, dass die notariellen Verträge von 2005 und 2009 unwirksam seien.

Berufungsverfahren:


Die Kläger und der Beklagte zu 2. legten Berufung ein.

Die Kläger argumentierten, dass das Testament des Erblassers eindeutig festlege, dass die Ehefrau E. R.-M. nur Vorerbin mit Nießbrauchsrecht sei.

Die notariellen Verträge seien unwirksam.

Der Beklagte zu 2. rügte Rechtsverletzungen im Urteil des LG und beantragte die Feststellung, dass die Kläger nicht Nacherben seien und die Gesellschaftsanteilsübertragung wirksam sei.

Entscheidung des Kammergerichts (KG):


Das KG entschied, dass die Berufungen der Kläger unbegründet sind, während die Berufung des Beklagten zu 2. teilweise begründet sei.

Testamentsauslegung zur Vererblichkeit des Nacherbenrechts – KG Urteil vom 20.10.2022 – 19 U 39/21

Zur Klage:


Das KG erklärte die Klage für unzulässig, da den Klägern das erforderliche Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO fehle.

Die Kläger seien nicht Erben nach A. R. Sen. geworden, da das Testament keinen Anhaltspunkt dafür biete, dass die Nacherbfolge auch mit dem Tod der Vorerbin eintreten sollte.

Zur Widerklage:


Der Hauptantrag des Beklagten zu 2. sei zulässig und begründet.

Die Kläger seien nicht Nacherben des verstorbenen A. R. Sen. geworden.

Der zweite Teil des Hauptantrags sei jedoch unzulässig, da er kein vorgreifliches Rechtsverhältnis betreffe.

Gründe für die Entscheidung:


Testamentsauslegung:

Das Testament vom 28. März 1972 gebe nur an, dass die Söhne erben, wenn sie einen abgeschlossenen Beruf erlernt haben. Es gebe keine Hinweise, dass die Nacherbfolge auch beim Tod der Vorerbin eintreten sollte.

Testamentsauslegung zur Vererblichkeit des Nacherbenrechts – KG Urteil vom 20.10.2022 – 19 U 39/21

Rechtslage:

M. R. habe ein Anwartschaftsrecht auf die Nacherbschaft erworben, welches jedoch mit seinem Tod untergegangen sei, da er die Bedingung eines abgeschlossenen Berufs nicht erfüllt hatte.

§ 2108 Abs. 2 S. 2 BGB sei hier anwendbar, da die Nacherbfolge von einer aufschiebenden Bedingung abhängig sei.

Verwirkung:

Die jahrzehntelange übereinstimmende Auslegung des Testaments durch die Beklagten führe nicht zur Verwirkung des Rechts, da keine besonderen Umstände vorlägen, die ein Vertrauen der Kläger rechtfertigen würden, dass die Beklagten ihr Recht nicht mehr geltend machen würden.

Zulassung der Revision:


Das KG ließ die Revision zur Fortbildung des Rechts zu, da es an einer richtungweisenden Orientierungshilfe zur Anwendung des § 2108 Abs. 2 S. 2 BGB fehle.

Fazit:


Das KG stellte fest, dass die Kläger nicht Nacherben nach A. R. Sen. sind, da das Testament die Nacherbfolge an eine Berufsausbildung knüpfte, die M. R. nicht abgeschlossen hatte.

Damit entfiel das Anwartschaftsrecht der Kläger auf die Nacherbschaft.

Die notarielle Übertragung der Gesellschaftsanteile wurde nicht für unwirksam erklärt.

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