OLG Frankfurt am Main, 09.07.2015 – 3 U 184/12 – AGB, Generalunternehmervertrag

April 7, 2019

OLG Frankfurt am Main, 09.07.2015 – 3 U 184/12
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Teilurteil des Landgerichts Frankfurt am Main – 26. Zivilkammer – vom 18.06.2012 (2/26 O 385/11) wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Entscheidung über die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits bleibt dem Landgericht vorbehalten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe

I.

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin beauftragte die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1) im Jahre 2005 durch Generalunternehmervertrag mit der Errichtung eines Fachmarktzentrums in Stadt1 zum Pauschalfestpreis von ca. 35 Millionen €. Einbezogen waren die VOB-B. Als Sicherheit für Mängelansprüche war die Stellung einer Bürgschaft vorgesehen (Musteranlage 22, Ziffer 8.5.3 des Generalunternehmervertrages, Anlage K 1). Ansprüche aus der Bürgschaft durften dabei nicht früher verjähren, als die gesicherten Ansprüche. Der Höhe nach sollte sich die Bürgschaft auf 5 % der Bruttoschlussrechnungs- Summe belaufen und sich nach Ablauf von 5 Jahren auf € 120.000 reduzieren. Am 19.03.2007 trafen die Klägerin und die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1) eine Abnahme, Abwicklungs- und Schlussrechnungsvereinbarung (Anlage K 5). Danach sollten Verjährungsfristen einheitlich am 21.12.2006 zu laufen beginnen und vorhandene Mängel bis 31.03.2007 beseitigt werden. Die Schlussrechnungssumme wurde auf € 38,5 Millionen netto (= € 44.679.468,30 brutto) festgesetzt. Davon behielt die Klägerin 1 Million € wegen Restleistungen, Mängeln und fehlenden Unterlagen ein. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1) war verpflichtet, eine Mängelhaftungsbürgschaft in Höhe von € 2.235.719,19 zu erbringen. Die Beklagte zu 2) übernahm zur Sicherung aller Erfüllungs- und Mängelansprüche aus dem Generalunternehmervertrag und der Vereinbarung vom 19.03.2007 die selbstschuldnerische Bürgschaft in Höhe von € 1.533.000, wobei die Ansprüche aus der Bürgschaft nicht früher als die gesetzlichen Ansprüche verjähren sollten. Im gleichen Sinne übernahm die Beklagte zu 3) eine Bürgschaft in Höhe von € 702.719,19. Beide Bürgschaftsurkunden sind zu Gunsten der Bank_007 ausgestellt und die Voraussetzungen zum Inkrafttreten der Bürgschaften liegen vor. Die Klägerin machte ein Zurückbehaltungsrecht an den einbehaltenen € 1 Million geltend, die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1) verlangte eine Bürgschaft nach § 648 a BGB, welche von der Bank_008 übernommen wurde. Es gab Mängelanzeigen und Beseitigungsaufforderungen und daraus resultierende Vorschussansprüche in Höhe von insgesamt ca. Euro 3,5 Millionen. Zugleich nahm die Klägerin die Beklagte zu 2) und 3) aus den Bürgschaften in Anspruch. Die Rechtsnachfolgerin der Bank_007 trat ihre Zahlungsansprüche aus dem Generalunternehmervertrag an die Klägerin ab. Über das Vermögen der Beklagten zu 1) wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Beklagten zu 2 ) und 3) sind der Forderung entgegengetreten. Sie haben die Einrede der Verjährung der Bürgschaftsforderung erhoben und geltend gemacht, die Bestimmungen des Generalunternehmervertrages benachteiligten die Beklagte zu 1) unangemessen, was sie als Bürgen der Bürgschaftsforderung entgegenhalten könnten. Der Einbehalt der Summe von Euro 1 Millionen durch die Klägerin habe zum Eintritt der auflösenden Bedingung der Bürgschaft geführt. Das Landgericht, auf dessen Teilurteil zur Darstellung des weiteren Sach- und Streitstandes in vollem Umfang verwiesen wird, hat die Klage gegen die Beklagte zu 2) und 3) durch Teilurteil abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Einrede der Verjährung greife nicht, jedoch hätten die Beklagte zu 2) und die Beklagte zu 3) einen Anspruch darauf, dass die Klägerin die Inanspruchnahme aus den Bürgschaften unterlasse (§ 768 BGB). Es liege eine unangemessene Benachteiligung vor, weil die Auftragnehmerin neben der Vertragserfüllungsbürgschaft, welche auch Mängelansprüche umfasse und die sich auf 10 % der Nettoauftragssumme belaufe, auch noch eine Gewährleistungsbürgschaft in Höhe von 5 % der Schlussrechnungssumme habe stellen müssen. Die Gesamtwirkung zweier für sich genommen nicht zu beanstandender Klauseln führe zur Nichtigkeit beider Klauseln. Die die Sicherheiten regelnden Bestimmungen der Ziffern 8.5 und 15.1. des Generalunternehmervertrages seien als allgemeine Geschäftsbedingungen der Klägerin anzusehen, denn der Vertragsentwurf habe unstreitig von ihr gestammt, während ein Aushandeln einzelner Bestimmungen schon nach ihren Sachvortrag nicht gegeben sei. Dass die hier zur Debatte stehende Problematik des Zusammenwirkens der genannten Sicherheitsbestimmungen erörtert worden wäre, sei nicht vorgetragen. Auch wenn man geringere Anforderungen an das Vorliegen des Aushandels stelle, ergebe sich nichts anderes; dies auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass das Aushandeln einzelner Klauseln Auswirkungen auf den gesamten Vertrag haben könne. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren weiter. Sie rügt die Wertungen des Landgerichts und führt an, der Generalunternehmervertrag sei individuell ausgehandelt worden, es liege auch keine Mehrfachverwendungsabsicht vor, weil es sich bei der Klägerin um eine Zweckgesellschaft handele. Die Schlussvereinbarung vom 15.03.2007 habe das Landgericht falsch gewürdigt. Zudem seien die Bürgschaftstexte nachverhandelt worden und die Sicherungsabrede sei nach den Maßstäben des AGB-Gesetzes wirksam.

Die Klägerin beantragt,

das Teilurteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18.06.2012 abzuändern und a) die Beklagte zu 2) zu verurteilen, gesamtschuldnerisch mit der A GmbH, B-Straße …, Stadt2 (Beklagte zu 1) an die Klägerin einen Kostenvorschuss in Höhe von Euro 1.533.000,– zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen,b) Die Beklagte zu 3) zu verurteilen, gesamtschuldnerisch mit der A GmbH, B-Straße …, Stadt2 (Beklagte zu 1) an die Klägerin einen Kostenvorschuss in Höhe von Euro 702.719,19 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten zu 2) und 3) beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angegriffene Urteil.

II.

Die Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat im Ergebnis die Klage, soweit sie gegen die Beklagte zu 2) und 3) gerichtet ist, mit Recht durch Teilurteil abgewiesen. Es ist dabei zutreffend davon ausgegangen, dass die Sicherungsabrede jedenfalls in der Kombination ihrer Regelungen die Beklagte zu 1) unangemessen benachteiligt und dass die Beklagten zu 2) und 3) dies gemäß § 768 BGB ihrer Inanspruchnahme aus den Bürgschaften entgegenhalten können.

Die Angriffe der Berufung vermögen dies nicht in Frage zu stellen. Mit dem Landgericht geht das Berufungsgericht dabei davon aus, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen vorliegen. Die Berufung beruft sich allerdings darauf, dass der Generalunternehmervertrag individuell ausgehandelt worden sei, so dass es sich nicht um allgemeine Geschäftsbedingungen handele. Die Klägerin sei ferner kein gewerblicher Bauträger, sondern eine Zweckgesellschaft, sodass eine Mehrfachverwendungsabsicht nicht bestanden habe. Der Vertrag sei zwischen den Parteien ausgehandelt worden, insbesondere auch die Sicherheiten- und Gewährleistungsregelungen. Die Klägerin ist indes – auch wenn sie dies bestreitet – wie eine gewerbliche Bauträgerin tätig, selbst wenn es sich um eine sogenannte Zweck- oder Objektgesellschaft handelt. Der unstreitig zunächst von ihr vorgelegte Vertragsentwurf ist ein umfangreicher Entwurf, der sämtliche Aspekte eines Bau-Generalunternehmervertrages berücksichtigt und detailliert regelt. Es handelt sich um einen Bauvertrag, der professionellen Ansprüchen genügt und der auch von der Klägerin selbst als branchenüblich bezeichnet wird. Hinzu kommt, dass dem Vertrag außerdem, insbesondere bezüglich der zu leistenden Bürgschaften, Muster beigefügt waren, die die Klägerin ebenfalls als branchenüblich ansieht. Dass die Klägerin diesen Bauvertrag selbst und in allen Einzelheiten ausschließlich für dieses Bauprojekt erstellt und ausgearbeitet hat, behauptet sie selbst nicht. Es verbleibt damit die Alternative, dass der Entwurfstext seitens der Klägerin von Dritten oder der Beratungsliteratur übernommen wurde, weswegen “prima facie” von Allgemeinen Geschäftsbedingungen auszugehen ist. Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren erneut dazu vorträgt, dass es zu einem Aushandeln des Vertrags gekommen sei, vermag auch dies eine andere Beurteilung der Sach- und Rechtslage nicht zu rechtfertigen. Die von der Klägerin aufgegriffenen Ergänzungen des Wortlauts, die sich aus den Anlagen K 57, K 58 und K 59 ergeben sollen, hat bereits das Landgericht zutreffend dahin gewürdigt, dass hieraus ein Verhandeln nicht entnommen werden kann, insbesondere keine Bereitschaft, den hier zur Debatte stehenden gesetzesfremden Kerngehalt der beanstandeten Geschäftsbedingungen zu ändern. Dabei hat das Landgericht keinen entscheidungserheblichen Sachvortrag der Klägerin übergangen. Auch im Berufungsverfahren wird – wie in erster Instanz – im Wesentlichen behauptet, die Gespräche über den Vertrag seien tatsächlich ergebnisoffen und die Verhandlungsführer der Klägerin gegenüber den Vorschlägen der Beklagten zu 1) absolut aufgeschlossen gewesen. Das reicht nicht aus, denn an ein Aushandeln sind grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen (OLG Köln – Urteil vom 10.05.2012 – I/24 U 118/11, zitiert aus Juris, dort Rdz. 31). Der vorerwähnte Sachvortrag der Klägerin enthält indessen keinerlei Tatsachen, die in Verbindung mit einem Rechtssatz den Schluss auf die begehrte Rechtsfolge zulassen, sondern lediglich wertende Begriffe, die für einen substantiierten Sachvortrag nicht ausreichen und ihn nicht ersetzen können. Auch das zum Beweis vorgelegte Anlagenkonvolut K 69, hier insbesondere das Protokoll vom 14.03.2005 reicht dafür nicht aus. Denn aus der von der Klägerin in Bezug genommenen Passage ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin bereit gewesen wäre, von einer Bürgschaftsquote von 10 % der Nettoauftragssumme abzugehen, diese also zu unterschreiten. Soweit die gemäß Ziffer 8.5.3 zu stellende Bürgschaft auf Europäische Institute als mögliche Bürgen erweitert wurde, handelt es sich nicht um eine inhaltliche Änderung der Bürgenverpflichtung. Soweit die Klägerin darauf abstellt, dass die Erfüllungsbürgschaft auf Wunsch der Beklagten nur aus der Netto- statt aus der Bruttoauftragssumme berechnet werden sollte, ändert dies ebenfalls nichts daran, dass es bei der 10 %-Quote blieb. Ergänzend nimmt das Berufungsgericht auf die Ausführungen des Landgerichts zu diesem Punkt (Urteil des Landgerichts Seite 16, 2. Absatz) Bezug und macht sie sich zu eigen. Die Regelungen der Vereinbarung vom 19.03.2007 (Anlage K 5) vermögen ebenfalls ein anderes Ergebnis nicht zu rechtfertigen. Zwar finden sich auch dort in § 8 Regelungen zu den Bürgschaften; jedoch ist zu berücksichtigen, dass die Vereinbarung vom 19.03.2007 in § 12 ergänzend auf die Bestimmungen des Generalunternehmervertrages vom 22.03.2005 Bezug nimmt und deren unveränderte Fortgeltung festschreibt. Die Beklagten zu 2) und 3) weisen in diesem Zusammenhang mit Recht darauf hin, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen ihren Charakter als der Inhaltskontrolle unterliegende Klauseln nicht schon dadurch verlieren, dass sie von den Parteien nachträglich geändert werden. Die Änderung muss vielmehr in einer Weise erfolgen, die es rechtfertigt, sie wie eine von vornherein getroffene Individualvereinbarung zu behandeln. Davon kann hier nicht ausgegangen werden, denn durch die Verweisung in § 12 der Vereinbarung vom 19.03.2007 ist der durch § 8 der Vereinbarung nicht veränderte gesetzesfremde Kerngehalt der Klauseln bzw. das Zusammenwirken der beiden Klauseln nach wie vor festgeschrieben, so dass die zum Nachteil der Beklagten zu 1) unangemessen ausgeübte Gestaltungsmacht fortwirkt (BGH, Urteil vom 07.03.2012 – VII ZR 162/12).

Das Landgericht hat weiterhin mit Recht und unter Verweis auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH Urteil vom 5.5.2011 – VII ZR 179/10) festgestellt, dass die Klausel in ihrem Zusammenwirken die Beklagte zu 1) unangemessen benachteiligen. Den diesbezüglichen Ausführungen tritt das Berufungsgericht bei. Soweit die Berufung auf eine Gesetzeskonformität der Bestimmungen und auf Konstellationen verweist, in denen sich die Benachteiligung nicht auswirkt, ist mit dem Landgericht darauf zu verweisen, dass es zum einen auf das Zusammenwirken der Klauseln ankommt und dass eine abstrakte Betrachtungsweise anzustellen ist. Dass die Sicherheitenregelungen auch unter dieser Vorgabe die Beklagte nicht unangemessen benachteiligen, ergibt sich aus dem Berufungsvorbringen nicht.

Auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils wird im Übrigen in vollem Umfang Bezug genommen.

Ob die durch die Bürgschaften gesicherten Forderungen verjährt sind, kann nach alledem dahinstehen. Die Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Ziff. 10 ZPO.Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen ihrer Zulassung (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht gegeben sind.

Weitere Beiträge von RAin Berloznik

Rückblick Straßburg

März 12, 2024
Die 63. Baurechtstagung der ARGE Baurecht fand am 8. und 9. März im elsässischen Straßburg statt. Als junge Rechtsanwältin durfte ich nicht nur an der Grundlagenveranstaltung zu bilanziellen Darstellungen, sondern auch an dem einzigartigen Mentorenprogramm teilnehmen. Auch das weitere Veranstaltungsprogramm wurde ausgezeichnet ausgewählt. Passend zu dem Veranstaltungsort, dem wunderschönen Straßburg, eröffnete eine Einführung in das […]

Unternehmer leistet nicht – was jetzt?!

Januar 24, 2024
Sie möchten das Badezimmer sanieren, müssen die gesamte Elektrik im Haus generalüberholen oder haben das Küchenstudio gefunden, welches Ihnen die perfekte Küche an Ihre Räumlichkeiten anpasst und dann DAS…der Unternehmer leistet nicht.Die Firma wurde Ihnen von Bekannten empfohlen und man hat sich anfangs beinahe freundschaftlich gut verstanden. Aus unerklärlichen Gründen wird und wird das Werk einfach nicht fertiggestellt. Unzählige Versprechungen später stellen Sie sich die Frage: „Wie soll es jetzt weiter gehen- was jetzt?!“.

Rückblick München

November 22, 2023
Die 62. Baurechtstagung wurde in bemerkenswerter Weise auf die jungen Baurechtler:innen zugeschnitten. Ein spannendes Wochenende, auf welches man nunmehr zurückblicken kann. Selbstverständlich gab es nicht nur nette Unterhaltungen und wahnsinnig gutes Essen… sondern auch etwas auf die Ohren. So durften wir fachlich herausragende Vorträge zu einer Vielzahl von Themen hören, namentlich der Abnahme beim Bauvertrag, […]