VG Potsdam 8 Ln98/22

September 29, 2022

VG Potsdam 8 Ln98/22 – Haftung des Erben für Beiträge – Auslegung einer Regelung im Beitragsbescheid –  unter auflösender Bedingung erklärte Stundung 


Zur Auslegung einer Regelung im Beitragsbescheid als einer unter auflösender Bedingung erklärten Stundung.

 

Tenor


1. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

2. Der Streitwert wird auf 1.325,50 Euro festgesetzt.

 

Gründe VG Potsdam 8 Ln98/22


I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Erhebung eines Schmutzwasserbeitrags für die beiden Flurstücke 6 … und 6 … der Flur 3 … in der Gemarkung S … (postalisch: T … ) durch den Antragsgegner.

Vormals bildeten beide Flurstücke zusammen das Flurstück 3 … . Mit Bescheid vom 5. Mai 1995 setzte der Antragsgegner gegen die seinerzeitige Eigentümerin dieses Flurstücks, E …, die Mutter der Antragstellerin, einen Schmutzwasserbeitrag in Höhe von 32.400 DM fest.

VG Potsdam 8 Ln98/22

Dabei ging er unter Berücksichtigung der seinerzeit in der maßgeblichen Beitragssatzung vom 10. November 1993 enthaltenen Tiefenbegrenzungsregelung (§ 3 Nr. 1.3) von einer berücksichtigungsfähigen Fläche von 2.700 qm aus, die er mit dem Beitragssatz von 12 DM vervielfachte.

Von dieser Fläche wiederum „erhob“ er – ebenfalls satzungsgemäß (§ 3 Nr. 7 Satz 1) – für eine Teilfläche von 500 qm einen „Teilbeitrag“ in Höhe von 6.000 DM.

Unter Abzug weiterer 2.000 DM für das Fehlen des Hausanschlusses wies der Bescheid einen „fälligen Betrag“ von 4.000 DM aus.

Dazu heißt es in dem Bescheid weiter:

„Für die restlichen Grundstücksflächen werden Beiträge erhoben, sobald sie Ihr Grundstück zum Zwecke der Bebauung teilen oder so bebauen, daß hierdurch eine neue wirtschaftliche Einheit entsteht.“

Ein Rechtsbehelf gegen den Bescheid wurde nicht eingelegt.

Ausweislich des vom Amtsgericht Brandenburg an der Havel unter dem 21. Februar 2002 ausgestellten Erbscheins wurde alleiniger Rechtsnachfolger der seinerzeitigen Eigentümerin deren Ehemann, zugleich Vater der Antragstellerin.

Auf Grundlage des zwischen diesem sowie ihrer Schwester und ihr selbst geschlossenen Schenkungsvertrags vom 10. September 2007 erlangte die Antragstellerin das Alleineigentum an dem Flurstück 3/2.

Nach dem Tod ihres Vaters im Jahr 2012 wurde die Antragstellerin neben ihren beiden Geschwistern Miterbin nach diesem.

Im Jahr 2018 wurde das Flurstück 3 … in die Flurstücke 6 … und 6 … zerlegt, das Flurstück 6 … in der Folgezeit auch bebaut und an Dritte übertragen.

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Unter dem 25. Oktober 2021 erließ der Antragsgegner gegen die Antragstellerin einen „Bescheid über die Nachforderung des Beitrages zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung“.

In dem Bescheid heißt es u. a.:

„Wir stellen … folgenden Beitrag fällig:

2.200 m2 x 1,00 x 2,41 € = 5.302 €

Bitte zahlen Sie den o. a. Betrag innerhalb eines Monats nach Zugang dieses Bescheides auf das Konto des WAZV E … …“

Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin am 24. November 2021 Widerspruch ein und beantragte beim Antragsgegner zugleich die Aussetzung der Vollziehung des Bescheids.

Mit Schreiben an die Antragstellerin vom 27. Januar 2022 hat der Antragsgegner zu dem Aussetzungsantrag Stellung genommen.

Am 10. Februar 2022 hat die Antragstellerin den vorliegenden Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt.

II.

Der sinngemäße Antrag der Antragstellerin,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Zahlungsaufforderung im Bescheid des Antragsgegners vom 25. Oktober 2021 anzuordnen,

ist zulässig, aber unbegründet.

1. Der Antrag ist zulässig.

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a) Er ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Altern. 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO statthaft. Der angegriffene Bescheid enthält eine Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO.

Insbesondere ist er nicht etwa auf einen Widerruf oder eine Rücknahme einer Stundung beschränkt (vgl. dazu OVG Greifswald, Beschluss vom 1. Dezember 2014 – 1 M 114/14 –, Rn. 9, juris, m. w. N.).

Vielmehr umfasst er mit der Wendung „Bitte zahlen Sie …“ eine unmissverständliche Zahlungsaufforderung und damit eine Maßnahme, die auf die Verwirklichung des öffentlich-rechtlichen Geldleistungsanspruchs gerichtet ist (vgl. zu dieser Definition Schoch/Schneider/Schoch, 42. EL Februar 2022, VwGO § 80 Rn. 145, m. w. N.).

Die Zahlungsaufforderung ist zulässiger Gegenstand des Aussetzungsantrags. Sie stellt einen Leistungsbescheid im Sinne der auch für die Vollstreckung kommunalabgabenrechtlicher Geldforderungen maßgeblichen Bestimmung des § 19 Abs. 2 VwVGBbg dar (vgl. VG Cottbus, Beschluss vom 14. Juli 2022 – 6 L 244/21 –, Rn. 19 f., juris).

Sie ist somit ein anfechtbarer und zugleich vollziehbarer Verwaltungsakt, so dass als vorläufiger Rechtsschutz die Aussetzung der Vollziehung gewährt werden kann (vgl. entsprechend zum „Leistungsgebot“ im Sinne von § 254 Abs. 1 AO: Neumann in: Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 169. Lieferung, Stand: 1. November 2011, § 254 AO, Rn. 33_1, m. w. N.).

b) Der Antrag ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere wahrt er entgegen der Auffassung des Antragsgegners die Voraussetzungen des § 80 Abs. 6 VwGO.

Zwar hat die Antragstellerin den vorliegenden Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei Gericht gestellt, ohne die nach Satz 1 dieser Bestimmung erforderliche Ablehnung des zunächst gemäß § 80 Abs. 4 VwGO beim Antragsgegner als Behörde zu stellenden Aussetzungsantrags abzuwarten.

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Aber zu ihren Gunsten greift die Ausnahme des § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 VwGO ein, wonach das Erfordernis des Satzes 1 nicht gilt, wenn die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat. Das ist hier der Fall.

Die Frage der Angemessenheit der Frist beurteilt sich grundsätzlich nach den Umständen des Einzelfalls. Als „Faustregel“ ist vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls eine Frist von einem Monat als noch angemessen anzusehen (vgl. bereits Beschluss der Kammer vom 12. Juni 2015 – VG 8 L 1140/14 –, n. v., unter Verweis auf die Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg, m. w. N.; vgl. noch jüngst dessen Beschluss vom 30. Oktober 2020 – 12 S 50/20 –, Rn. 4, juris; vgl. auch Schoch/Schneider/Schoch, a. a. O., Rn. 513 f., m. w. N.).

Diese „Frist“ war zum maßgeblichen Zeitpunkt der Stellung des Aussetzungsantrags bei Gericht, also am 10. Februar 2022, deutlich überschritten. Denn in diesem Zeitpunkt waren bereits etwa 2 1/2 Monate, gerechnet ab Stellung des Aussetzungsantrags beim Antragsgegner am 26. November 2021, verstrichen.

Auch sind besondere einzelfallbezogene Gründe für die Annahme einer derart deutlich verlängerten Frist als angemessen weder vom Antragsgegner dargetan noch sonst ersichtlich.

Im Gegenteil, hat der Antragsgegner durch sein eigenes Verhalten gezeigt, dass er bereits früher über den bei ihm gestellten Aussetzungsantrag hätte befinden können.

Denn er hatte schon mit Schreiben vom 27. Januar 2022 zu dem Aussetzungsantrag inhaltlich Stellung genommen.

Dass er in demselben Schreiben zugleich um eine Selbstauskunft der Antragstellerin bat, um noch prüfen zu können, ob die Vollziehung für diese eine unbillige Härte im Sinne von § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO zur Folge hätte, führt zu keiner anderen Beurteilung.

Denn eine solche Selbstauskunft hätte er von der Antragstellerin sogleich nach Eingang des bei ihm gestellten Aussetzungsantrags anfordern können.

2. Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist jedoch unbegründet. Weder bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Zahlungsaufforderung noch hätte die Vollziehung des Zahlungsanspruchs für die Antragstellerin eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge (vgl. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO).

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a) Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Zahlungsaufforderung. Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass diese einer Überprüfung im Hauptsacheverfahren nicht standhalten wird.

Vielmehr drängt sich bei summarischer Prüfung auf, dass die Zahlungsaufforderung als Leistungsbescheid ihre Rechtsgrundlage in dem Beitragsbescheid vom 5. Mai 1995 findet.

aa) In jenem Bescheid, der mangels Einlegung eines Rechtsbehelfs bestandskräftig geworden ist, hat der Antragsgegner ausdrücklich die Festsetzung eines Schmutzwasserbeitrags in Höhe von 32.400 DM geregelt.

Von diesem Beitrag hat er – wiederum ausdrücklich – lediglich einen Teilbeitrag in Höhe von 6.000 DM bzw. 4.000 DM auch erhoben.

bb) Für die verbleibende Beitragsfestsetzung in Höhe des Unterschiedsbetrags von 26.400 DM für eine Fläche von 2.200 qm ist bis zur Bekanntgabe des angefochtenen Zahlungsbescheids auch nicht die fünfjährige Frist zur Zahlungsverjährung im Sinne des § 228 AO abgelaufen.

Diese Bestimmung galt zunächst wie die übrigen Bestimmungen der Abgabenordnung insgesamt gemäß § 12 Abs. 1 KAG in der bis zum 12. April 1999 geltenden Fassung (KAG a. F.) für Kommunalabgaben im Land Brandenburg entsprechend (vgl. nunmehr § 12 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a KAG in der seither geltenden Fassung [KAG n. F.] zur Geltung speziell der Bestimmungen der §§ 222 und 225 bis 232 AO).

Die Verjährung des auf der Beitragsfestsetzung beruhenden Zahlungsanspruchs ist entsprechend § 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO durch Stundung bis in das Jahr 2018 hinein unterbrochen gewesen.

Entsprechend § 222 AO (vgl. nunmehr im Wesentlichen inhaltsgleich die landesrechtliche Spezialvorschrift des § 12c Abs. 1 Satz 1 KAG) können Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis ganz oder teilweise gestundet werden, wenn die Einziehung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für den Schuldner bedeuten würde und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheint.

Die Stundung schiebt die Fälligkeit hinaus (Koenig/Klüger, 4. Aufl. 2021, AO § 231 Rn. 12).

Ein Antrag ist nicht zwingend erforderlich (Klein/Rüsken, 15. Aufl. 2020, AO § 222 Rn. 43).

Sie kann auch konkludent erklärt werden (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 11. Mai 2005 – 2 LB 6/03 –, Rn. 41, juris).

Hiervon ausgehend hatte der Antragsgegner im Beitragsbescheid vom 5. Mai 1995 zugleich sinngemäß die Stundung des Beitrags in Höhe des genannten Unterschiedsbetrags erklärt.

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Die im Bescheid getroffenen Regelungen sowie die dort verwendeten Begriffe, zum einen der Begriff „festgesetzt“ für den Gesamtbetrag in Höhe von 32.400,00 DM, zum anderen in Abgrenzung dazu die Begriffe „erhoben“ und „fällig“ für den niedrigeren Betrag, lassen nur den Schluss zu, dass die Fälligkeit hinsichtlich des Beitrags, soweit er rechnerisch auf die übrigen Grundstücksflächen entfällt, hinausgeschoben werden sollte.

Aus der maßgeblichen Sicht eines Bescheidempfängers sollten ersichtlich Eigentümer gleichsam übergroßer Grundstücke – so auch die Zielrichtung in § 3 Nr. 7 Satz 1 der seinerzeitigen Satzung – jenseits der bereits durch die satzungsrechtliche Tiefenbegrenzungsregelung bewirkten Verringerung der Veranlagungsfläche von der Erhebung des festgesetzten Beitrags in voller Höhe verschont bleiben, so lange nicht eine intensivere wirtschaftliche Ausnutzung der vergleichsweise großen der Beitragspflicht unterliegenden Grundstücksflächen – im Fall der ursprünglichen Beitragsschuldnerin immerhin 2.700 qm – stattfindet.

Diese Regelungsabsicht verdeutlicht der Umstand, dass die Stundung im ursprünglichen Beitragsbescheid unter der auflösenden Bedingung – als einer grundsätzlich zulässigen Nebenbestimmung entsprechend:

§ 120 Abs. 2 Nr. 2 AO (vgl. VG Bayreuth,

Urteil vom 25. Mai 2016 – B 4 K 15.183 –,

Rn. 24, juris, m. w. N.; Koenig/Klüger, a. a. O., § 222 Rn. 71)

ausgesprochen worden ist, wonach für die restlichen Grundstücksflächen Beiträge erst erhoben werden, sobald das Grundstück zum Zwecke der Bebauung geteilt oder so bebaut wird, dass hierdurch eine neue wirtschaftliche Grundstückseinheit entsteht.

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Darauf, ob die gegenüber der Bescheidadressatin zum Ausdruck gebrachte Stundung im Übrigen den an sie gestellten rechtlichen Anforderungen genügt, kommt es nicht an (Klein/Rüsken, a. a. O., § 231 Rn. 8). Im Übrigen ist sie als Teil des Beitragsbescheids vom 5. Mai 1995 bestandskräftig geworden.

Dies zugrundegelegt hat die Unterbrechung der Verjährung entsprechend § 231 Abs. 2 Nr. 1 AO bis in das Jahr 2018 fortgedauert.

Denn erst in jenem Jahr ist die Stundung infolge Eintritts der auflösenden Bedingung in Gestalt der Aufteilung des ursprünglichen Flurstücks 3 … zum Zweck anschließender Bebauung abgelaufen; damit ist entsprechend § 231 Abs. 2 Nr. 1 AO mit Ablauf dieses Kalenderjahres die fünfjährige Frist zur Zahlungsverjährung erneut in Lauf gesetzt worden mit der Folge, dass die Frist im Zeitpunkt der angefochtenen Zahlungsaufforderung noch nicht abgelaufen sein konnte (vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 1. April 2015 – 2 S 256/15 –, Rn. 9, juris).

cc) Ferner steht der bloße Zeitablauf, auch in Anbetracht der mehr als 25 Jahre, die zwischen der ursprünglichen Festsetzung des Beitrags und dessen restlicher Erhebung liegen, der Geltendmachung des Zahlungsanspruchs nicht entgegen.

Die in § 19 Abs. 1 KAG n. F. bestimmte zeitliche Obergrenze für den Vorteilsausgleich, die spätestens zum Ende des Jahres 2015 abgelaufen wäre, ist schon nicht einschlägig; denn sie stellt eine zeitliche Beschränkung allein im Verfahren zur Festsetzung der Abgabe dar.

Auch dafür, dass der Zahlungsanspruch in Anbetracht des Zeitablaufs verwirkt sein könnte, sind Anhaltspunkte nicht ersichtlich. Es fehlt bereits an der Schaffung eines für das Vorliegen der Verwirkung nötigen Vertrauenstatbestands durch den Antragsgegner.

Aber auch soweit bei einem bloßen Untätigbleiben der Behörde über einen Zeitraum von deutlich mehr als 10 Jahren im Ausnahmefall eine Verwirkung in Betracht zu ziehen sein kann (vgl. Klein/Gersch, a. a. O., § 4 Rn. 21), fehlt es an einem solchen Ausnahmefall hier schon deshalb, weil der Antragsgegner durch die Beifügung der auflösenden Bedingung zur Stundung im Beitragsbescheid vom 5. Mai 1995 für die Bescheidadressatin unzweideutig zum Ausdruck gebracht hat, nach Eintritt der Bedingung, dessen Zeitpunkt unbestimmt in der Zukunft und zudem in der Sphäre der Antragstellerin bzw. ihrer Rechtsvorgänger lag, auf seinen Zahlungsanspruch zurückzukommen.

dd) Die Antragstellerin ist gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KAG n. F. i. V. m. § 45 Abs. 1 Satz 1 AO auch Schuldnerin der ursprünglich gegenüber ihrer Mutter festgesetzten (restlichen) Beitragsforderung.

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Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 AO gehen bei Gesamtrechtsnachfolge die Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis auf den Rechtsnachfolger über.

Anknüpfend an den zivilrechtlichen Subjektwechsel bedeutet Gesamtrechtsnachfolge den Übergang der gesamten Rechtsstellung, insbes. des Vermögens als Ganzes auf eine oder mehrere Personen, etwa beim Erbfall gemäß § 1922 Abs. 1 BGB, weshalb in diesem Zusammenhang die Stellung der Antragstellerin als Miterbin nach ihrem Vater ausreicht (vgl. Koenig/Koenig, a. a. O., § 45 Rn. 1 f.).

Dieser wiederum war als Alleinerbe Gesamtrechtsnachfolger nach der ursprünglichen Beitragsschuldnerin, so dass in deren Rechtsstellung letztlich die Antragstellerin als Gesamtrechtsnachfolgerin eingetreten ist.

Dem Antragsgegner steht es frei, die Antragstellerin allein und in voller Höhe als Gesamtschuldnerin in Anspruch zu nehmen.

Es kommt weder darauf an, ob neben ihr weitere Miterben ebenfalls als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden können, noch darauf, ob Letztere im Bescheid benannt sind (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Februar 2009 – OVG 9 S 59.08 –, Rn. 8; BFH, Urteil vom 27. Oktober 2015 – VIII R 59/13 –, Rn. 24, jeweils juris; Koenig/Gercke, a. a. O., § 157 Rn. 17).

Soweit die Angabe des Grunds ihrer Inanspruchnahme im angefochtenen Bescheid nicht oder nicht zutreffend benannt sein sollte, betrifft dies das Erfordernis der Begründung des Leistungsbescheids (vgl. BFH, Urteil vom 28. Juni 1984 – IV R 204-205/82 –, Rn. 8, juris).

Dem hat der Antragsgegner jedenfalls nachträglich dadurch entsprochen, dass er sich im hiesigen Verfahren, also während des noch laufenden Widerspruchsverfahrens, auf die Stellung der Antragstellerin als Erbin nach ihrem Vater, der wiederum die ursprüngliche Beitragsschuldnerin beerbt hatte, als Rechtsgrund für ihre Inanspruchnahme berufen hat (vgl. § 12 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b KAG n. F. i. V. m. § 121 Abs. 1 sowie § 126 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 AO).

ee) Nach alledem kommt es nicht darauf an, wie sich die Eigentumsverhältnisse an dem Flurstück 3 … in der Folgezeit entwickelt haben.

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Ebenso wenig ist die genaue Zuordnung des Beitrags zu bestimmten Teilflächen des Grundstücks entscheidend, da wie dargelegt mit dem Bescheid vom 25. Oktober 2021 gerade keine (erneute) abgabenrechtliche Festsetzung eines Beitrags erfolgt ist.

Die Antragstellerin schuldet vielmehr den bereits mit Beitragsbescheid vom 5. Mai 1995 festgesetzten (Rest-)Beitrag.

Demgemäß kann auch ein Verstoß gegen den Grundsatz der Einmaligkeit des Beitrags nicht vorliegen.

ff) Der Leistungsbescheid ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden.

Mit dem Betrag von 5.302 €, auf den er die nachträgliche Erhebung mit Rücksicht auf den aktuell geltenden Beitragsmaßstab und -satz beschränkt, schöpft er den noch offenen (Rest-)Beitrag in Höhe von 26.400 DM nicht annähernd aus.

b) Dafür, dass die Vollziehung der Zahlungsaufforderung für die Antragstellerin eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte, sind über den bereits abgehandelten Umstand der Geltendmachung des Zahlungsanspruchs mehr als 25 Jahre nach der Beitragsfestsetzung hinaus individuelle in der Person der Antragstellerin liegende Gründe weder von dieser geltend gemacht noch sonst ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

Die Kammer legt in ständiger Praxis in abgabenrechtlichen Eilverfahren ein Viertel des in der Hauptsache streitigen Betrags (hier: 5.302 €) zugrunde.

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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