Wirksame Errichtung eines Nottestaments – OLG München Beschluss vom 12. Mai 2015 – 31 Wx 81/15

Juli 12, 2020

Wirksame Errichtung eines Nottestaments – OLG München Beschluss vom 12. Mai 2015 – 31 Wx 81/15

Zusammenfassung RA und Notar Krau

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Amtsgerichts München – Nachlassgericht – vom 22.10.2014 wird zurückgewiesen.

Gründe

I. Sachverhalt

Der Erblasser, ledig und kinderlos, verstarb am 26. Juli 2012 im Alter von 79 Jahren.

Sein Bruder verstarb kinderlos am 13. Juni 2007. Beteiligter zu 1 ist der langjährige Hausarzt des Erblassers, die Beteiligte zu 2 dessen Lebensgefährtin.

Am 6. Juli 2012 beurkundeten der Erblasser und der Beteiligte zu 1 im Krankenhaus einen gemischten Schenkungsvertrag, in dem der Erblasser dem Beteiligten zu 1 seinen Grundbesitz unter dem Verkehrswert überließ.

Es existieren folgende schriftliche Verfügungen des Erblassers:

Ein Erbvertrag vom 29. März 1965 mit seinem Bruder, in dem sie sich gegenseitig und ersatzweise die Nachkommen des Bruders als Erben einsetzten.

Wirksame Errichtung eines Nottestaments – OLG München Beschluss vom 12. Mai 2015 – 31 Wx 81/15

Ein handschriftliches Testament vom 28. April 2008, das die Beteiligte zu 2 zur Alleinerbin bestimmt.

Vom 31. Mai 2012 bis zu seinem Tod war der Erblasser wegen eines akuten Nierenversagens im Krankenhaus.

Am 24. Juli 2012 errichtete er um 21:30 Uhr ein Nottestament, das den Beteiligten zu 1 zum Alleinerben ernannte.

Die Niederschrift wurde von Zeuge K. erstellt und in Anwesenheit der Zeugen P. und B. sowie des Beteiligten zu 1 im Krankenzimmer des Erblassers vorgelesen und durch ein mündliches „Ja“ des Erblassers genehmigt und unterschrieben.

Auf einem gesonderten Blatt, das von Zeuge K. später erstellt wurde, befindet sich eine Erklärung über den Vorgang der Testamentserrichtung.

Der Beteiligte zu 1 beantragte einen Erbschein, der ihn als Alleinerben ausweist.

Die Beteiligte zu 2 wandte ein, das Nottestament sei unwirksam errichtet worden, zwingende Formvorschriften seien nicht eingehalten worden, und es sei nicht versucht worden, vor Errichtung einen Notar zu erreichen.

Sie behauptete zudem, der Erblasser sei im Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierunfähig gewesen und das Testament verstoße gegen die guten Sitten.

Das Nachlassgericht hat Beweise aufgenommen, darunter die Vernehmung der Testamentszeugen, die Patientenakte des Krankenhauses und ein psychiatrisches Gutachten zur Testierfähigkeit des Erblassers.

Mit Beschluss vom 22. Oktober 2014 kündigte das Nachlassgericht an, den Erbschein zu erlassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 2.

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II. Entscheidungsgründe

Testierfähigkeit des Erblassers

Das OLG ist nicht davon überzeugt, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierunfähig im Sinne des § 2229 Abs. 4 BGB war.

Laut § 2229 Abs. 4 BGB kann ein Testament nicht errichten, wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung seiner Erklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.

Der Gutachter Dr. D. stellte fest, dass keine Hinweise auf psychiatrische Vorerkrankungen oder depressive Verstimmungen aufgrund der Erkrankung des Erblassers vorlagen, und dass relevante Störungen des psychopathologischen Befundes erst in den letzten Tagen vor seinem Tod beschrieben wurden.

Die dokumentierten Befunde, Medikamentation und Informationen belegten keine Testierunfähigkeit zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung.

Wirksame Errichtung des Nottestaments

Das Nottestament wurde gemäß § 2250 Abs. 2 BGB wirksam errichtet.

Nach dieser Vorschrift kann ein Nottestament vor drei Zeugen errichtet werden, wenn eine so nahe Todesgefahr besteht, dass die Errichtung eines Testaments vor einem Notar oder Bürgermeister nicht mehr möglich ist.

Die Gefahr muss objektiv vorliegen oder subjektiv nach der Überzeugung aller drei Testamentszeugen bestehen.

Im vorliegenden Fall bestand nach Ansicht der Testamentszeugen am 24. Juli 2012 die Gefahr, dass der Erblasser vor der Beiziehung eines Notars versterben würde.

Wirksame Errichtung eines Nottestaments – OLG München Beschluss vom 12. Mai 2015 – 31 Wx 81/15

Diese Überzeugung wurde durch die Beobachtungen der Zeugen und die Stellungnahme des Klinikums Großhadern bestätigt.

Die Errichtung des Nottestaments erfüllte auch die zwingenden Erfordernisse:

Der Erblasser erklärte seinen letzten Willen mündlich vor drei Zeugen, die Niederschrift wurde vorgelesen und vom Erblasser genehmigt und unterschrieben.

Formfehler der Niederschrift

Das Nachlassgericht beanstandete, dass die Testamentsurkunde nicht alle Formvorschriften erfüllte, wie die Angabe der Testierfähigkeit des Erblassers und der nahen Todesgefahr.

Diese Formfehler betreffen jedoch nur die Abfassung der Niederschrift und nicht den Errichtungsakt selbst.

Ein gültiges Nottestament liegt vor, wenn die schriftliche Aufzeichnung des letzten Willens wenigstens von einem Beteiligten unterschrieben ist.

Im vorliegenden Fall bildeten die von Erblasser und Zeuge K. unterschriebenen Erklärungen eine einheitliche Urkunde, sodass die Unterschrift von Zeuge K. auch die Erklärung des Erblassers umfasst.

Kein Verstoß gegen die guten Sitten

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Die Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1 verstößt nicht gegen die guten Sitten im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB.

Der Grundsatz der Testierfreiheit erlaubt es dem Erblasser, über sein Vermögen letztwillig zu verfügen. Sittenwidrigkeit kann nur in besonders hervorstechenden Ausnahmefällen angenommen werden, die hier nicht vorliegen.

Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beteiligte zu 1 die Vertrauensposition missbraucht hat, um den Erblasser zu einer ihm begünstigenden Verfügung zu bewegen.

III. Kosten

Die Beschwerdeführerin trägt kraft Gesetzes die Gerichtskosten ihres erfolglosen Rechtsmittels.

Fazit

Das OLG München bestätigte die Wirksamkeit des Nottestaments vom 24. Juli 2012 und wies die Beschwerde der Beteiligten zu 2 zurück.

Der Erblasser war zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierfähig, und das Nottestament wurde formgerecht errichtet. Die Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1 verstößt nicht gegen die guten Sitten.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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