Der Beschluss des Amtsgerichts Bamberg vom 8. Juli 2022 (Az. RV 54 VI 2253/21) befasst sich mit einem Erbscheinsverfahren,
in dem die Beteiligte B., die Schwester des Verstorbenen, einen Erbschein beantragte, der sie als Alleinerbin ausweisen sollte.
Grundlage ihres Antrags war ein handschriftliches Testament des Erblassers vom 6. Juni 2004, das in zwei Teile zerrissen in seinem Nachttisch gefunden wurde.
Der Beteiligte G., der Sohn des Erblassers, erhob Einwände und beanspruchte die Erbschaft aufgrund der gesetzlichen Erbfolge, da er als einziger Abkömmling des Erblassers gilt.
Das Gericht wies den Erbscheinsantrag der Schwester zurück und entschied, dass der Sohn des Verstorbenen als gesetzlicher Erbe zu betrachten ist.
Ausschlaggebend für die Entscheidung war, dass das in zwei Teile zerrissene Testament nach Ansicht des Gerichts als widerrufen betrachtet wurde.
AG Bamberg RV 54 VI 2253/21 – Erbscheinsverfahren
Gemäß § 2255 BGB wird im Fall der Zerstörung eines Testaments vermutet, dass der Erblasser die Absicht hatte, das Testament zu widerrufen,
es sei denn, es wird bewiesen, dass der Erblasser das Testament trotz der Zerstörung weiter bestehen lassen wollte.
Diese Vermutung konnte die Beteiligte B. nicht widerlegen.
Im Laufe des Verfahrens stellte sich heraus, dass keine Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass Dritte das Testament zerrissen hatten.
Das Testament befand sich bis zum Tod des Erblassers in seinem unmittelbaren Gewahrsam.
Daher nahm das Gericht an, dass der Erblasser selbst das Testament zerrissen hatte.
Weiterhin konnte die Schwester des Verstorbenen nicht nachweisen, dass der Erblasser das Testament nach der Zerstörung noch als gültig betrachtete.
Auch die Aufbewahrung des zerrissenen Testaments in einer Klarsichthülle wurde nicht als Beleg dafür angesehen, dass das Testament weiterhin gelten sollte.
AG Bamberg RV 54 VI 2253/21 – Erbscheinsverfahren
Das Gericht betonte, dass es viele Gründe geben könne, warum der Erblasser das zerstörte Testament aufbewahrte, z. B. als Entwurf für spätere Testamente oder aus Vergesslichkeit.
Das Gericht stellte ferner fest, dass keine ausreichenden Hinweise darauf vorlagen, dass der Erblasser zum Zeitpunkt des mutmaßlichen Widerrufs testierunfähig gewesen sei.
Zwar hatte der Erblasser 2019 einen Schlaganfall erlitten und zuvor Anzeichen einer möglichen Demenz gezeigt, jedoch konnte keine Testierunfähigkeit nachgewiesen werden.
Insgesamt entschied das Gericht, dass die gesetzliche Erbfolge greift, da das Testament durch die Zerstörung widerrufen wurde.
Der Beteiligte G. wurde somit als Alleinerbe bestimmt.
Die Kosten des Verfahrens wurden dem Beteiligten G. auferlegt, mit Ausnahme der Kosten des Erbscheinsantrags der Beteiligten B., die diese selbst tragen musste.