Gemeinschaftliches Testament; gegenseitige Erbeinsetzung mit Schlusserbenbestimmung und Wiederverheiratungsklausel; Vollerbschaft und bedingte Vor-/Nacherbschaft
KG, Beschl. v. 03.06.2016 – 6 W 127/15
(AG Schöneberg, Beschl. v. 20.07.2015 – 61 VI 166/15)
Gründe:
In notarieller Verhandlung v. 15.05.2008 […] haben die Erblasserin und der Beteiligte in ihrem gemeinschaftlichen Testament u.a. folgende Bestimmungen getroffen:
„§ 2: Wir setzen uns gegenseitig zu alleinigen Erben ein. Der Längstlebende von uns soll mit dem Nachlaß nach seinem freien Willen und ohne jegliche Einschränkung verfahren dürfen, wie er es für richtig hält, soll also nicht etwa nur befreiter Vorerbe sein, und soll auch frei abweichend testieren können.
Erbin des Längstlebenden und damit Schlußerbe von uns soll sein die Tochter der Ehefrau, Frau M.N., ersatzweise deren Sohn S.H. […]
Sollte der überlebende Ehegatte eine neue Ehe eingehen, so entfällt seine Alleinerbeneinsetzung rückwirkend. Er soll dann nur den pauschalen Zugewinnausgleich von einem Viertel des Nachlasses des Erstversterbenden sowie seinen Pflichtteil erhalten. An Stelle des Längerlebenden sollen dann die Tochter der Ehefrau, Frau M.N., sowie deren Sohn S.H. zu gleichen Teilen erben.”
Der Antragsteller hat aufgrund notarieller Verhandlung v. 11.12.2014 vor dem Notar, der das Testament beurkundet hatte, die Erteilung eines Erbscheines beantragt, der ihn als Alleinerben ausweist.
Das Nachlassgericht hat mit Verfügung v. 16.04.2015 auf Bedenken gegen den gestellten Antrag hingewiesen. Die testamentarische Verfügung, die Alleinerbenstellung des überlebenden Ehegatten solle im Falle seiner Wiederverheiratung entfallen, stelle eine bedingte Erbeinsetzung in Form einer Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft und zwar einer befreiten Vorerbschaft dar. Zwar hätten die Testierenden in ihrem Testament unter § 2 ausgeführt, dass eine befreite Vorerbschaft nicht gewollt sei, dazu stehe aber die Anordnung für den Fall der Wiederverheiratung in einem nicht zu lösenden Konflikt. Unter Bezugnahme auf diese Verfügung hat das Nachlassgericht den Erbscheinsantrag mit Beschl. v. 20.07.2015 zurückgewiesen. Der Urkundsnotar hat gegen diesen ihm am 27.08.2015 zugegangenen Beschluss am 14.09.2015 (Eingang beim Nachlassgericht) für den Antragsteller Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, die testierenden Eheleute hätten ihren Willen, sich als Alleinerben und nicht lediglich als befreite Vorerben einzusetzen, im Testament mit größtmöglicher Deutlichkeit erklärt. Aus der später folgenden Bestimmung in § 2 des Testaments für den Fall der Eingehung einer neuen Ehe durch den überlebenden Ehegatten könne nicht auf den Willen zur Vor- und Nacherbschaft geschlossen werden. Die Auswirkung von Vor- und Nacherbschaft sei nicht, dass man seinen Pflichtteil erhält. Es sei auch nicht so, dass ein Nacherbe „überhaupt nicht mehr Erbe ist”, sondern auf den Pflichtteil reduziert sein soll.
Das Nachlassgericht hat den Erbscheinsantrag des Antragstellers zu Recht zurückgewiesen. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Voraussetzungen vorliegen, einen Erbschein zu erteilen, der den Antragsteller als alleinigen Vollerben ausweist, ohne zugleich eine bedingte Nacherbfolge zugunsten der Tochter und des Enkels der Erblasserin anzugeben. Nach dem hier gegebenen Sachverhalt ist die testamentarische Anordnung einer Vollerbschaft aufgrund der Wiederverheiratungsklausel verbunden mit einer bedingten Vor-/Nacherbschaft. Ein Erbschein, der nicht die Bedingungen für den Eintritt einer Nacherbschaft angibt, kann deshalb nicht erteilt werden. Eine bedingte Nacherbschaft ist im Erbschein anzugeben, da nach § 2363 BGB a.F., der gem. Art. 229 § 36 EGBGB anzuwenden ist, die Voraussetzungen für den Eintritt einer Nacherbschaft anzugeben sind (vgl. Palandt/Weidlich, BGB, 74. Aufl., § 2363 Rn. 3, vgl. auch RG, Urt. v. 25.11.1937 – IV B 34/37, RGZ 156, 173 [176]).
Dennoch ist der Antragsteller – aus Rechtsgründen – nicht Vollerbe ohne jegliche Beschränkung geworden. Denn die fragliche Bestimmung in § 2 Abs. 1 des Testaments steht – wie schon das Nachlassgericht zutreffend angenommen hat – in unauflösbarem Widerspruch zu der weiteren Bestimmung, dass die Alleinerbenstellung des Antragstellers rückwirkend entfallen und die Tochter und der Enkel der Erblasserin an Stelle des überlebenden Ehegatten Erben des Zuerstversterbenden werden sollen, wenn es zu einer erneuten Eheschließung kommen sollte. Eine solche Gestaltung der Erbfolge ist rechtlich nicht möglich. Eine zeitliche Abfolge von verschiedenen (Voll-)Erben nach ein und demselben Erblasser kann nicht wirksam angeordnet werden. Das KG hat dazu a.a.O., S. 113 f. ausgeführt: „Durch Verfügung von Todes wegen außerhalb dieser Fälle eine dinglich wirkende Rückbeziehung des Anfalls der Erbschaft auf einen früheren Zeitpunkt herbeizuführen und damit den zunächst Erbe Gewordenen rückwirkend gänzlich auszuschalten, ist der Erblasser nach den gesetzlichen Vorschriften nicht in der Lage. Setzt der Erblasser einen Bedachten in der Weise als Erben ein, daß dieser erst Erbe wird, nachdem zunächst ein anderer Erbe geworden ist, so tritt der Anfall an den Zweitbedachten zwar mit dinglicher Wirkung, aber ohne Rückbeziehung ein, der Zweitbedachte ist Nacherbe im Sinne der Vorschriften der §§ 2100 ff. BGB”. Ist ein Erbe eingesetzt, nachdem zunächst ein anderer Erbe (des gleichen Erblassers) geworden ist, liegt mithin stets Nacherbfolge vor, § 2100 BGB. Die Besonderheiten, die sich aus einer solchen zeitlich gestaffelten Erbeinsetzung ergeben, stehen nur teilweise zur Disposition des Erblassers und sind im Gesetz (§§ 2100 ff. BGB) festgelegt. Die gesetzlichen Bestimmungen beinhalten u.a. auch Verfügungsbeschränkungen des Vorerben hinsichtlich des Nachlasses (§§ 2113 ff. BGB), von denen er nach § 2136 BGB in dem dort genannten Umfang befreit werden kann, die aber i.Ü. unabdingbar sind (BGH, Urt. v. 02.10.1952 – IV ZR 24/52, BGHZ 7, 274, Rn. 22 zit. nach juris; Weidlich, Anm. zu OLG Celle, a.a.O., ZEV 2013, 41). Soweit in der Rspr. und Lit. (vgl. OLG Celle a.a.O., Rn. 7; Musielak a.a.O., Rn. 58; w.N. bei S. u. T. Kappler, in: Erman a.a.O.) eine abweichende Auffassung vertreten und dafür der Grundsatz der Testierfreiheit angeführt wird, ist dem nicht zuzustimmen, weil der Grundsatz der Testierfreiheit nur im Rahmen der geltenden Gesetze gewährt ist (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG), die eine vollständige Befreiung des Vorerben von den gesetzlichen Verfügungsbeschränkungen gerade ausschließen. Diese gesetzlichen Vorschriften sind auch nicht für letztwilligen Verfügungen von Ehegatten abweichend auszulegen. Der Gesetzgeber hat gesehen und mit § 2269 BGB (somit abschließend) berücksichtigt, dass Eheleute das Bedürfnis haben können, sich gegenseitig als Erben mit weitest gehenden Freiheiten einzusetzen und zugleich letztwillig für andere nahestehende Personen vorzusorgen. § 2269 trägt dem insoweit Rechnung, als jeder Ehepartner als seinen (Voll-)Erben den jeweils anderen Ehegatten einsetzen kann und ihm außerdem die Möglichkeit eröffnet ist, im Testament zugleich auch die Erbfolge nach dem jeweils anderen Ehegatten (Schlusserbeneinsetzung) festzulegen und so Einfluss auf den Erbgang nach dem Tod des länger lebenden Ehegatten zu nehmen. Eine Vor-/Nacherbschaft und die damit verbundenen Folgen treten bei der Schlusserbeneinsetzung i.Ü. nicht ein, weil insoweit nicht zwei Erbfälle nach einem Erblasser (Fall des § 2100 BGB), sondern zwei Erbfälle nach zwei Erblassern geregelt werden.
Auch das Verständnis des OLG Celle (a.a.O.) kann nicht geteilt werden. Das OLG Celle nimmt eine bedingte Vor-/Nacherbschaft in einem Sachverhalt mit Vollerben/Schlusserbeneinsetzung mit Wiederverheiratungsklausel an, folgert daraus indes, dass der Ehegatte, der für den Fall erneuter Heirat zum aufschiebend bedingten Vorerben eingesetzt ist, „in der Verfügung über das geerbte Vermögen nur im Falle dieser Heirat und auch nur von diesem Zeitpunkt an wie ein Vorerbe beschränkt ist” (a.a.O., Leitsatz bei juris und Rn. 3, 7). Denn als Konsequenz dieser Auffassung entfiele jeglicher Schutz für die möglichen Nacherben. Verfügungen des zuerst berufenen Erben (Ehegatten), die er vor dem Bedingungseintritt vorgenommen hat, blieben aufgrund der testamentarisch festgelegten Befreiung wirksam; Verfügungen nach der Wiederverheiratung sind nicht mehr möglich, weil die erneute Eheschließung zum Verlust der Erbenstellung führt. Aus den im Vorabschnitt dargelegten Gründen steht das in Widerspruch zu zwingendem Gesetzesrecht.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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