| |
| II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Zwischenurteils (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). |
|
| 1. Das Zwischenurteil ist unzulässig, weil es sich nicht auf eine Entscheidung über den Grund des Anspruchs beschränkt und deshalb gegen die Grundordnung des Verfahrens verstößt. |
|
| a) Ist bei einer Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig, kann das Gericht nach § 99 Abs. 1 FGO durch Zwischenurteil über den Grund vorab entscheiden (sog. Grundurteil). Ein Grundurteil darf nur über den Grund eines Anspruchs ergehen; ein Grundurteil, mit dem (auch) über die Höhe des Anspruchs oder einzelne -die Höhe des Steueranspruchs beeinflussende- Besteuerungsgrundlagen entschieden wird, ist dagegen nicht zulässig (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 17. Dezember 2008 III R 22/06, BFH/NV 2009, 1087, m.w.N.). |
BFH II R 64/11 |
| Anspruch i.S. des § 99 Abs. 1 FGO ist nicht der prozessuale Anspruch des Anfechtungsklägers, mit dem sich dieser gegen den von der Finanzbehörde geltend gemachten Steueranspruch zur Wehr setzt, sondern der materielle Steueranspruch selbst (vgl. BFH-Urteil vom 12. Juni 1986 V R 93/76, BFH/NV 1987, 781, m.w.N.). Demzufolge ist die Frage, was zum Anspruchsgrund einerseits und was zur Anspruchshöhe andererseits gehört, nach den entsprechenden Bestimmungen des materiellen Steuerrechts zu beantworten. |
|
| Ob das FG ein Grundurteil nach § 99 Abs. 1 FGO erlassen hat, bestimmt sich nach dem Tenor. Ist dieser nicht eindeutig, sind die Entscheidungsgründe heranzuziehen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 1087, m.w.N.). |
|
| b) Gemessen an diesen Voraussetzungen ist das Grundurteil unzulässig, denn das FG hat darin nicht nur Feststellungen zum Grund, sondern auch zur Höhe des materiellen Steueranspruchs getroffen. |
|
| Das FG hat zu den auf dem Konto der Klägerin verbuchten Steuerguthaben nicht nur entschieden, dass die Verzichte des E auf seine Ausgleichsansprüche freigebige Zuwendungen an die Klägerin seien. Vielmehr hat es zugleich eine Entscheidung zur Höhe der damit verbundenen jeweiligen Bereicherung der Klägerin getroffen. Im Tenor wird festgestellt, die Klägerin sei im Zeitpunkt der erstmaligen Auszahlung der Guthaben für das jeweilige Veranlagungsjahr in Höhe der bei Durchführung einer getrennten Veranlagung auf E insgesamt entfallenden Erstattungsbeträge einschließlich etwaiger Erstattungszinsen bereichert. Da die Bereicherung des Erwerbers maßgeblich den steuerpflichtigen Erwerb bestimmt (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG), wird durch die Entscheidung des FG festgelegt, in welcher Höhe die steuerpflichtigen Erwerbe der Klägerin anzusetzen sind. Die Entscheidung des FG betrifft damit unmittelbar die Höhe des Steueranspruchs, auch wenn die Höhe der Bereicherung nicht dem Betrag nach festgestellt wird, sondern lediglich die Grundlagen zur Ermittlung der Bereicherung bestimmt werden. |
|
| Hinsichtlich der zinslosen Darlehen, die E der Klägerin gewährt hat, hat das FG ebenfalls eine Entscheidung zur Höhe der insoweit anzusetzenden Zuwendungen des E getroffen. Denn die Höhe der Schenkung wird ausdrücklich auf das Neunfache eines Jahreswerts von 5,5 % des Nennbetrags festgelegt. |
BFH II R 64/11 |
| c) Das Grundurteil des FG kann nicht in ein zulässiges Zwischenurteil i.S. des § 99 Abs. 2 FGO umgedeutet werden. |
|
| Nach § 99 Abs. 2 FGO kann das FG durch Zwischenurteil über eine oder mehrere (vgl. BFH-Urteil vom 19. April 1994 VIII R 48/93, BFH/NV 1995, 84) entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtsfragen vorab entscheiden, wenn dies sachdienlich ist und weder der Kläger noch der Beklagte widerspricht. Beim Ergehen eines Zwischenurteils in diesem Sinne steht den Beteiligten ein Widerspruchsrecht zu, auf das sie unter Umständen vom Gericht zuvor hinzuweisen sind (vgl. BFH-Urteil vom 11. Februar 1998 I R 67/97, BFH/NV 1998, 1197). |
|
| Der Umdeutung der vom FG eindeutig als Grundurteil i.S. des § 99 Abs. 1 FGO erlassenen Entscheidung steht im Streitfall entgegen, dass Feststellungen des FG zu einem Hinweis auf ein mögliches Widerspruchsrecht der Beteiligten gegen den Erlass eines Zwischenurteils nach § 99 Abs. 2 FGO oder zu einem Einverständnis der Beteiligten mit einem solchen Zwischenurteil fehlen. |
|
| d) Da die Vorentscheidung nicht ergehen durfte, wird sie ersatzlos aufgehoben. Mit der Aufhebung des angefochtenen Grundurteils befindet sich das Klageverfahren wieder in dem Stadium, das vor Erlass des Grundurteils bestanden hat, ohne dass es einer förmlichen Zurückverweisung bedarf (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juli 2012 III R 43/11, BFH/NV 2013, 86). Aus diesem Grund ist eine Entscheidung über den weitergehenden Antrag der Klägerin, den Schenkungsteuerbescheid vom 2. November 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. August 2003 aufzuheben, nicht möglich. Auf die von der Klägerin erhobene Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 FGO) braucht ebenfalls nicht eingegangen zu werden. |
|
| 2. Rein vorsorglich und allein aus prozesswirtschaftlichen Gründen ist allerdings darauf hinzuweisen, dass der vom FA erlassene Schenkungsteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung wegen der nicht aufgegliederten Steuerfestsetzung für mehrere Erwerbe der Klägerin nicht den Anforderungen an die inhaltliche Bestimmtheit (§ 119 Abs. 1 AO) genügt und deshalb nach § 125 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 3 AO unwirksam ist. |
|
| a) Schriftliche Steuerbescheide müssen inhaltlich hinreichend bestimmt sein (§ 119 Abs. 1 AO) und die festgesetzte Steuer nach Art und Betrag bezeichnen (§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO). BFH II R 64/11 Werden mehrere Erwerbe (Steuerfälle) in einem Bescheid besteuert, bedarf es neben der genauen Angabe, welche Lebenssachverhalte (Besteuerungstatbestände, Besteuerungszeiträume) besteuert werden sollen, für jeden Steuerfall einer gesonderten Festsetzung der Steuer (vgl. BFH-Urteile vom 9. Dezember 1998 II R 6/97, BFH/NV 1999, 1091; vom 22. September 2004 II R 50/03, BFH/NV 2005, 993; vom 15. März 2007 II R 5/04, BFHE 215, 540, BStBl II 2007, 472; vom 6. Juni 2007 II R 17/06, BFHE 217, 398, BStBl II 2008, 46). Erforderlich ist eine Aufgliederung der Steuerschuld insbesondere dann, wenn das rechtliche Schicksal der verschiedenen Steueransprüche nach Anspruchsgrund bzw. dessen Wegfall, hinsichtlich möglicher Befreiungstatbestände und des Eintritts der Verjährung einen unterschiedlichen Verlauf nehmen sowie der für den Einzelfall festgesetzten Steuer eine weitere rechtliche Bedeutung für weitere Steuerfälle (z.B. im Rahmen des § 14 ErbStG) zukommen kann (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2005, 993, m.w.N.). |
|
| Es ist deshalb unzulässig, bei mehreren Lebenssachverhalten die verschiedenen Steuerschulden desselben Steuerschuldners in einem Betrag ohne Aufgliederung zusammenzufassen (BFH-Urteile vom 28. Januar 1983 VI R 35/78, BFHE 138, 188, BStBl II 1983, 472, und in BFH/NV 1999, 1091). |
|
| b) Die Zusammenfassung mehrerer Steuerfälle in einem Bescheid ohne Aufgliederung der verschiedenen Steuerschulden führt bei der Schenkungsteuer zur Nichtigkeit des Bescheids nach § 125 Abs. 1 AO, wenn nicht ausnahmsweise eine differenzierte Festsetzung der Schenkungsteuer für jeden einzelnen Schenkungsvorgang verzichtbar ist (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2005, 993, m.w.N.). |
|
| c) Der von der Klägerin angefochtene Schenkungsteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist wegen inhaltlicher Unbestimmtheit unwirksam. |
BFH II R 64/11 |
| Das FA hat die Schenkungsteuer für mehrere schenkungsteuerrechtlich relevante Sachverhalte, bei denen es sich um jeweils getrennt zu beurteilende Steuerfälle handelt, unaufgegliedert zusammengefasst. Aus der Anlage zum Schenkungsteuerbescheid ist zwar erkennbar, welche Zuwendungen des E im Einzelnen als Erwerbe der Klägerin erfasst werden sollten. Das FA hat aber im Schenkungsteuerbescheid und in der Einspruchsentscheidung nicht angegeben, welche Schenkungsteuer für die aufgeführten Zuwendungen jeweils festgesetzt wurde. |
|
| aa) Der gesonderte Ausweis der Schenkungsteuer für jeden einzelnen Erwerb der Klägerin wäre im Steuerbescheid schon deshalb erforderlich gewesen, weil die jeweiligen Erwerbe der Klägerin unterschiedlichen Steuersätzen nach § 19 Abs. 1 ErbStG unterlagen. Der vom FA bei der Festsetzung im Steuerbescheid vom 2. November 2000 angewendete, nach § 19 Abs. 3 ErbStG für alle Erwerbe ermittelte einheitliche Steuersatz von ca. 25,835 % (vor Abzug des Anrechnungsbetrags nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG) ist unzutreffend, weil er von einem steuerpflichtigen Erwerb von 51.730.900 DM und Schenkungsteuer von 13.365.000 DM (= ca. 25,835 % von 51.730.900 DM) ausgeht und dabei nicht berücksichtigt, dass die Steuersätze für die einzelnen Erwerbe unterschiedlich sind. So wäre z.B. für den zeitlich ersten Erwerb der Klägerin (Zinsvorteil in Höhe von 1.237.500 DM am 9. Januar 1987) die Schenkungsteuer wie folgt zu berechnen gewesen: |
BFH II R 64/11 |
| |
---|
| | | | | | | | | | | | abzüglich Anrechnungsbetrag für Vorschenkungen |
| | | |
|
| Auf diese Weise wäre auch jeweils die Schenkungsteuer für die nachfolgenden Erwerbe zu berechnen gewesen, wobei wegen der früheren Erwerbe jeweils die Vorschenkungen und die Anrechnungsbeträge nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG zu erhöhen gewesen wären. Ein für alle Erwerbe einheitlicher Steuersatz, der vom Gesamtwert der Erwerbe ausgeht, führt jedenfalls nicht zu richtigen Ergebnissen. |
|
| bb) Hinzu kommt, dass das FA den Gesamtwert der Erwerbe fehlerhaft ermittelt hat. Nach der Übersicht über die erfassten Schenkungen hätte sich für die Schenkungen insgesamt ein Wert in Höhe von 44.543.640,98 DM ergeben. Das FA hat der Besteuerung aber nur einen Gesamtwert von 37.543.640 DM zugrunde gelegt. Es ist nicht ersichtlich, ob die Differenz auf einer fehlerhaften Erfassung oder auf einer Nichterfassung einzelner Zuwendungen beruht. Deshalb kann nicht festgestellt werden, ob die Schenkungsteuer für alle oder einzelne Zuwendungen nur fehlerhaft zu niedrig oder für bestimmte Zuwendungen überhaupt nicht festgesetzt wurde. Die in einem Betrag festgesetzte Schenkungsteuer lässt sich damit nicht auf die einzelnen Zuwendungen aufteilen. Eine Aufteilung der festgesetzten Schenkungsteuer auf die erfassten Erwerbe entsprechend dem Verhältnis des jeweiligen Erwerbs zum Gesamterwerb reicht nicht aus, um insoweit von einer wirksamen Steuerfestsetzung ausgehen zu können. Das FA hat zudem verkannt, dass die in § 10 Abs. 1 Satz 4 ErbStG vorgeschriebene Abrundung für jeden Erwerb gesondert vorzunehmen ist und die nach Abrundung für jeden Erwerb festzusetzende Steuer zugleich von Bedeutung für die Berechnung der bei der Steuerfestsetzung für spätere Erwerbe gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG abziehbaren Steuer für frühere Erwerbe ist. |
BFH II R 64/11 |
| cc) Es kann offen bleiben, ob die Unbestimmtheit des Bescheids durch die Einspruchsentscheidung geheilt oder der unbestimmte Bescheid durch die Einspruchsentscheidung ersetzt werden konnte, denn das FA setzte sowohl den fehlenden Ausweis der auf den einzelnen Erwerb entfallenden Schenkungsteuer als auch die fehlerhafte Berechnung der Schenkungsteuer in der Einspruchsentscheidung fort. |
|
| Die Steuerfestsetzung wurde zwar nach § 129 AO berichtigt, weil im ursprünglichen Steuerbescheid ein Additionsfehler unterlaufen sei und die Summe der Schenkungen 44.543.640 DM betrage. Es wurde aber nicht angegeben, für welchen Erwerb die Schenkungsteuer berichtigt wurde und welche Schenkungsteuer nunmehr nach der Berichtigung für den jeweiligen Erwerb festgesetzt wird. Das FA wendete wiederum einen einheitlichen Steuersatz für alle Erwerbe an, ohne nach der zeitlichen Abfolge der Erwerbe zu differenzieren. Damit ist nicht hinreichend bestimmt, wie sich die in der Einspruchsentscheidung festgesetzte Schenkungsteuer auf die einzelnen Erwerbe aufteilt. |
|
| Auch die Berechnung der Schenkungsteuer nach § 19 Abs. 3 ErbStG lässt sich nicht nachvollziehen. Das FA hat für den Gesamtwert der steuerpflichtigen Erwerbe von abgerundet 50.952.100 DM eine Schenkungsteuer von 13.214.075 DM (vor Abzug des Anrechnungsbetrags für die Vorschenkungen) ermittelt. Wäre tatsächlich ein einheitlicher Steuersatz zutreffend gewesen, hätte die Schenkungsteuer nach § 19 Abs. 3 ErbStG nur 12.976.050 DM (25 % von 50.000.000 DM = 12.500.000 DM zuzüglich 50 % von 952.100 DM = 476.050 DM) betragen. |
|
| 3. Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 86). BFH II R 64/11 |
|