OLG Düsseldorf I-3 Wx 147/12

September 10, 2017

OLG Düsseldorf I-3 Wx 147/12 Ausschluss des Ehegattenerbrechts bei Scheidungsantrag vor Ablauf des Trennungsjahres

Tenor

Das Rechtsmittel wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die erstinstanzliche Kostenentscheidung teilweise geändert und der Ausspruch des angefochtenen Beschlusses insgesamt klarstellend wie folgt neu gefasst wird:

Die zur Erteilung des von der Beteiligten zu 1. am 5. Dezember 2011 beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen werden für festgestellt erachtet. Die sofortige Wirksamkeit dieses Beschlusses wird ausgesetzt; die Erteilung des Erbscheins wird bis zur Rechtskraft dieses Beschlusses zurückgestellt.

Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 2. vom 5. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Mit Ausnahme der für die Erteilung des Erbscheins anfallenden Gerichtskosten, die die Beteiligte zu 1. zu tragen hat, fallen die Kosten des Verfahrens vor dem Nachlassgericht den Beteiligten zu 2. und 4. zur Last. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden den Beteiligten zu 2. und 5. auferlegt.

Geschäftswert – für beide Rechtszüge – : 75.000 EUR.

Gründe OLG Düsseldorf I-3 Wx 147/12 

I.

Wegen des Sachverhaltes wird auf die eingehende Darstellung in der angefochtenen Entscheidung verwiesen. Durch diese hat das Nachlassgericht der Sache nach den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1. für gerechtfertigt erachtet, denjenigen der Beteiligten zu 2. nicht, und die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens den Beteiligten zu 2. und 4. auferlegt.

Gegen den der Beteiligten zu 2. am 29. März 2012 und dem Beteiligten zu 5. nicht feststellbar zugestellten Beschluss wenden sich diese Beteiligten mit ihrem am 25. April 2012 bei Gericht eingegangenen Rechtsmittel, mit dem sie den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1. zurückgewiesen sehen wollen und den von der Beteiligten zu 2. gestellten Erbscheinsantrag weiterverfolgen. Die Beteiligte zu 1. tritt dem entgegen.

Mit weiterem Beschluss vom 25. Juni 2012 hat das Nachlassgericht dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Vorlage der Sache an das Oberlandesgericht Düsseldorf zur Entscheidung verfügt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Nachlassakte, der Testamentsakte 93a IV 315/11 AG Düsseldorf sowie der beigezogenen Akten 99 XVII Sch 592 AG Düsseldorf (Betreuungsverfahren) und 252 F 285/11 AG Düsseldorf Bezug genommen.

II.

OLG Düsseldorf I-3 Wx 147/12

Das Rechtsmittel der Beteiligten zu 2. und 5. ist gemäß §§ 58 Abs. 1 i.V.m. 352 Abs. 1 Satz 1, 59 Abs. 1 und Abs. 2, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 64 Abs. 1 und 2 FamFG als befristete Beschwerde zulässig und nach der vom Nachlassgericht ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe dem Senat zur Entscheidung angefallen (§ 68 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. FamFG). In der Sache jedoch bleibt es weitestgehend – nämlich bis auf eine lediglich klarstellende, der Fassung des § 352 FamFG Rechnung tragende Neufassung des amtsgerichtlichen Ausspruchs und einer geringfügigen Änderung seiner Kostenentscheidung – ohne Erfolg.

  1. Beide Beschwerdeführer sind beschwerdeberechtigt.

Gegen eine in Aussicht genommene Erbscheinserteilung beschwerdeberechtigt ist jeder Erbprätendent, falls das Erbrecht, dessen er sich berühmt, in dem vorgesehenen Erbschein auf der Grundlage seines Standpunktes nicht oder nicht richtig verlautbart ist; gegen die Ablehnung der Erbscheinserteilung ist außer dem Antragsteller beschwerdeberechtigt jeder Antragsberechtigte, auch wenn er selbst keinen Antrag gestellt hat, aber einen solchen zum Zeitpunkt der Einlegung seiner Beschwerde noch wirksam stellen könnte (vgl. Keidel – Meyer-Holz, FamFG, 17. Aufl. 2011, § 59 Rdnr. 78 und 79 m. w.Nachw.). Danach können sich die Beteiligten zu 2. und 5. als Erbprätendenten gegen die Inaussichtstellung eines Alleinerbscheins zugunsten der Beteiligten zu 1. wenden und kann neben der Beteiligten zu 2. auch der Beteiligte zu 5. die Ablehnung der Erteilung des beantragten Teil-Erbscheins angreifen.

Wie auch die Beteiligten nicht verkennen, ist der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 2. nur dann gerechtfertigt und derjenige der Beteiligten zu 1. nicht begründet, wenn das notarielle Testament des Erblassers vom 8. August 2011 – oder möglicherweise seine privatschriftliche letztwillige Verfügung vom 25. Juli 2011 – rechtswirksam ist. Dies ist nur möglich, wenn die in den Erbverträgen von 1967 und 2004 mit vertragsmäßiger Bindung getroffenen Anordnungen zur Zeit der Testamentserrichtung unwirksam waren. Die Unwirksamkeit wiederum kann sich mangels Auflösung der Ehe des Erblassers mit der Beteiligten zu 1. vor seinem Tode nur aus §§ 2279 Abs. 2, 2077 Abs. 1 Satz 2 BGB ergeben.

Danach steht es der Auflösung der Ehe gleich, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte. Somit ist wegen des im August 2011 vom Erblasser bei Gericht eingegangenen und der Beteiligten zu 1. zugestellten Antrages auf Ehescheidung ausschlaggebend, ob zu dieser Zeit oder bis zum Tode des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe vorlagen.

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Das beurteilt sich nach § 1565 BGB. Nach dessen Absatz 1 kann eine Ehe geschieden werden, wenn sie gescheitert ist, nämlich die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen. Leben die Ehegatten allerdings noch nicht ein Jahr getrennt, kann die Ehe nur geschieden werden, wenn die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde, § 1565 Abs. 2 BGB. § 1566 BGB enthält lediglich Vermutungen für Fälle des mindestens einjährigen Getrenntlebens.

Da hier ein Getrenntleben des Erblassers und der Beteiligten zu 1. vor dem 9. Mai 2011 – allenfalls vor den letzten Tagen des April 2011 – nicht feststellbar ist und andererseits nicht davon ausgegangen werden kann, dass das Familiengericht über den Scheidungsantrag erst nach Ablauf der sich ab dem vorgenannten Zeitpunkt berechnenden Jahresfrist entschieden hätte, kommt im gegebenen Fall mithin alles darauf an, ob die Voraussetzungen des § 1565 Abs. 2 BGB gegeben waren. Das ist, wie schon vom Nachlassgericht zutreffend angenommen, nicht der Fall.

a) 1565 Abs. 2 BGB dient unter anderem dazu, die schwierige Prognose, dass die Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mehr erwartet werden kann, zu erleichtern, wenn die Ehegatten nicht oder noch nicht ein Jahr getrennt leben. Die Prüfung des Scheiterns der Ehe wird allerdings nicht überflüssig und nicht auf die Umstände beschränkt, die nach § 1565 Abs. 2 BGB zur Unzumutbarkeit führen, auch wird die Prognose nach § 1565 Abs. 1 BGB nicht durch die Unzumutbarkeit ersetzt. Darüber hinaus hat § 1565 Abs. 2 BGB aber auch die Funktion, die Scheidung zu erschweren, indem sie durch das Gesetz trotz Scheiterns der Ehe grundsätzlich eben erst nach Ablauf des Trennungsjahres ermöglicht wird; damit kommt der genannten Vorschrift eheerhaltender Charakter zu. Den gesetzgeberischen Absichten ist bei der Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 1565 Abs. 2 BGB Rechnung zu tragen.

Im Einzelnen bedarf es nach dieser Vorschrift zunächst des Vorliegens bestimmter Gründe. Diese müssen zumindest überwiegend aus der Sphäre des anderen Ehegatten – desjenigen, gegen den sich der Scheidungsantrag richtet, – stammen und, soll im Ergebnis eine Unzumutbarkeit im Sinne jener Norm nicht ungebührlich ausgedehnt werden, gewichtige Verfehlungen gegen die eheliche Gemeinschaft darstellen; subtilere Widrigkeiten wie Unverständnis, Lieblosigkeiten, Reibereien, Nachlässigkeiten, ungenügende Versorgung oder häufige Abwesenheiten reichen als Gründe nicht aus.

Hinsichtlich der unzumutbaren Härte kann zwar nicht generell festgelegt werden, welcher Umstand als Härte empfunden werden darf, mithin kommt es insoweit auf die subjektive Erlebnis- und Empfindungsfähigkeit des jeweiligen antragstellenden Ehegatten an. Andererseits ist, entsprechend dem Zweck des § 1565 Abs. 2 BGB, die Frage, welche Härte dem Antragsteller zugemutet werden kann, nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen, der eher streng zu sein hat. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung müssen die in der Person des Antragsgegners liegenden Gründe so schwer wiegen, dass dem Antragsteller bei objektiver Beurteilung nicht angesonnen werden kann, an den Antragsgegner als Ehegatten weiter gebunden zu sein.

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Dies versteht sich vor dem namentlich in der höchstrichterlichen Rechtsprechung eingenommenen allgemeinen Grundsatz, dass sich die unzumutbare Härte auf das Eheband, das “Weiter-Miteinander-Verheiratetsein”, bezieht und nicht darauf, wie die Situation der Ehegatten wäre, wenn sie die eheliche Lebensgemeinschaft fortsetzen würden; durch diesen Bezug auf das Eheband werden die Fälle der Unzumutbarkeit stark eingeschränkt, weil es leichter ist, ein Eheband als äußere Hülle zu ertragen, als die eheliche Gemeinschaft (fiktiv) fortsetzen zu müssen. Auf der anderen Seite kann, worauf die Beschwerdeführer im Grundsatz zutreffend hinweisen, ein Fehlverhalten eines Ehegatten trotz räumlicher Trennung fortwirken und die Bindung an die Ehe unzumutbar machen.

Was einzelne Fallgruppen des § 1565 Abs. 2 BGB anbelangt, können nur drastische Fälle übermäßigen Alkoholkonsums eine unzumutbare Härte begründen; die Belastung des Antragstellers muss sich in Folgeerscheinungen des Alkoholismus, insbesondere Tätlichkeiten, Vertrinken gerade des für den Lebensunterhalt erforderlichen Geldes oder erheblicher körperlicher Verwahrlosung insgesamt, äußern.

Dabei ist auch zu berücksichtigen, wie der Antragsteller in der Vergangenheit mit dem Alkoholismus des Ehegatten umgegangen ist, wenngleich ein einmal gegebener Grund seine Bedeutung nicht allein dadurch verliert, dass ihn der Antragsteller eine zeitlang hingenommen hat. Auch Umstände der Trennung können zu einer unzumutbaren Härte nur bei besonders belastenden Begleitumständen führen; das kann der Fall sein, wenn der Antragsgegner die Trennung gerade dadurch herbeiführt, dass er den Antragsteller aus der ehelichen Wohnung dauerhaft und unter schwierigen Umständen aussperrt.

Schließlich kommen auch Sachverhalte groben Verhaltens des Antragsgegners als Härtefälle in Betracht, namentlich bei schweren Beleidigungen und ernsthaften Bedrohungen, bei ersteren indes vorwiegend dann, wenn sie den sozialen Geltungsanspruch des Antragstellers nachhaltig und ernsthaft herabsetzen, weil sie vor oder im Verhältnis zu dritten Personen geschehen (zu allem Vorstehenden BGH NJW 1981, S. 449 ff.; MK-Ey, BGB, 6. Aufl. 2013, § 1565 Rdnr. 89 f, 100-108, 109 und 116-118; Staudinger-Rauscher, BGB, Neubearb. 2010, § 1565 Rdnr. 179, 184 u.nd185; BeckOK-Neumann, BGB, Stand: 01.11.2012, § 1565 Rdnr. 28 f.; jeweils m. umfass. Nachw., insbesondere zur obergerichtlichen Rechtsprechung).

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b) Diesen Grundsätzen trägt das Vorbringen der Beteiligten zu 2. und 5. bereits insgesamt nur unzureichend Rechnung, indem hierbei zwischen den einzelnen, oben aufgezeigten Tatbestandsmerkmalen nicht näher getrennt und im Kern allein eine subjektive Sicht- und Empfindungsweise des Erblassers im Wissen um die Schwere seiner Erkrankung und seinen nahenden Tod zugrunde gelegt wird.

Das aber erscheint auch im Hinblick auf die beim Erblasser gegebene besondere Situation nicht gerechtfertigt. Es kann nicht allein maßgeblich darauf ankommen, welche Gründe der Erblasser im Bewusstsein, nicht mehr lange zu leben, als gewichtig erlebte und welche Härten er als unzumutbar empfand.

Dies würde die Interessen des anderen, nicht scheidungswilligen Ehepartners – hier der Beteiligten zu 1. – in ungerechtfertigtem Maße hintansetzen. Das muss hier umso mehr gelten, als sich die Beteiligte zu 1. ihrerseits auf die Gesichtspunkte einer besonders langen Ehedauer und eines eigenen vorgerückten Alters bei gegebener Schwerbehinderung, die grundsätzlich von der Härteklausel des 1568 Abs. 1 BGB erfasst werden, berufen konnte.

Auch lässt sich nicht sagen, es müsse dem Erblasser gestattet gewesen sein, einen Scheidungsantrag unter Berufung auf § 1565 Abs. 2 BGB zu stellen, um das gesetzliche Ehegattenerbrecht oder ein Erbrecht seiner Ehefrau – der Beteiligten zu 1. – kraft letztwilliger Verfügung zum Erlöschen zu bringen. Zwar ist ein solcher Standpunkt im Ergebnis in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertreten worden (OLG Koblenz FamRZ 2007, S. 590 ff.).

Dem lag jedoch maßgeblich der Sachverhalt zugrunde, dass der dortige Antragsgegner einen eigenen früher gestellten Scheidungsantrag zurückgenommen hatte, weil ihm die Diagnose, der Antragsteller werde infolge einer tödlichen Erkrankung alsbald versterben, bekannt wurde; in jenem Fall hatte der Antragsgegner mithin auf das Ableben des Antragstellers vor Ablauf des Trennungsjahres sozusagen gesetzt und seinen eigenen Willen zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft rechtsmissbräuchlich lediglich vorgeschützt.

Damit ist der hier gegebene Fall nicht vergleichbar. Weder hatte die Beteiligte zu 1. zuvor einen eigenen Scheidungsantrag gestellt, noch war sie nach Lage der Akten darauf bedacht, dass die Ehe – sei es auch durch Tod des Erblassers – alsbald ende.

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Dies vorausgeschickt, ergibt sich zu den einzelnen, von den Beschwerdeführern angeführten Gründen, dass es weitestgehend (dazu aa) bis ee)) bereits an einem in der Person der Beteiligten zu 1. liegenden Grund im Rechtssinne, im Übrigen (dazu ff)) an einer unzumutbaren Härte fehlt.

aa) Die von den Beteiligten zu 2. und 5. behauptete Alkoholabhängigkeit der Beteiligten zu 1. sei, ohne dass der Senat dies geprüft hätte oder zu prüfen genötigt gewesen wäre, unterstellt, obgleich nach den Darlegungen jener Beteiligten letztlich unklar bleibt, ob es sich um eine Trunksucht in der Form ständigen übermäßigen Konsums oder um ein sogenanntes Quartalstrinken handeln soll. Jedenfalls bildet die unterstellte Alkoholabhängigkeit nach den Gesamtumständen des gegebenen Falles keinen zureichenden, in der Person der Beteiligten zu 1. liegenden Grund.

Es bleibt zutreffend, dass – worauf bereits das Nachlassgericht hingewiesen hat – eine Trunksucht jedenfalls über Jahrzehnte eheprägend war, der Erblasser dieserhalb schon mehr als 30 Jahre vor seinem Tode eine Scheidung erwogen, in der Folgezeit aber nie vollzogen hatte und Anhaltspunkte für eine gravierende Verstärkung des Alkoholkonsums gerade im Jahre 2011 (oder auch im Jahr zuvor) nicht feststellbar sind. Hinzu tritt, dass gravierende Folgeerscheinungen des Alkoholkonsums, die über das mit dem alkoholbedingten Rauschzustand typischerweise verbundene Geschehen hinausgehen, auch von den Beteiligten zu 2. und 5. nicht berichtet werden (in hinreichend konkreter Form auch nicht im neuesten Schriftsatz vom 19. März 2013).

Danach ist die Beteiligte zu 1. weder gegenüber dem Erblasser tätlich geworden, noch hat sie das für den Lebensunterhalt der Ehegatten notwendige Geld vertrunken, noch kann – möglicherweise außerhalb des unmittelbaren Rauschzustandes – von einer Verwahrlosung die Rede sein.

bb) Die vorgetragenen Beleidigungen und Erniedrigungen, soweit sie nachvollziehbar dargestellt sind, überschreiten nicht das an Lieblosigkeiten oder Gehässigkeiten in einer gescheiterten Ehe häufig anzutreffende Maß.

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Allein eine besondere subjektive Empfindlichkeit des Erblassers kann, wie gezeigt, hier keine andere Bewertung rechtfertigen. In diesem Zusammenhang ist zudem zu berücksichtigen, dass jene Verhaltensweisen nach dem Vorbringen der Beschwerdeführer zumindest zu einem großen Teil Ausdruck eines dominanten Charakters der Beteiligten zu 1., die sich ihren Ehemann habe gefügig machen wollen, gewesen sein sollen; wenn das zuträfe, hätte sich der Erblasser entgegenhalten lassen müssen, einen Ehepartner mit einer solchen Charakterstruktur gewählt zu haben. Dass Beleidigungen oder Erniedrigungen vor Dritten oder im Verhältnis zu dritten Personen geschehen wären, ist nicht ersichtlich.

Die rein pauschale Äußerung der Beschwerdeführer im Schriftsatz vom 18. Januar 2013, die Beteiligte zu 1. habe den Erblasser “oft genug vor anderen” erniedrigt und beleidigt, ist in dieser Allgemeinheit weder erwiderungs- noch prüffähig und gibt, selbst wenn ihr (wie nicht) für sich genommen Erheblichkeit zukäme, mangels Benennung von Ermittlungsansätzen auch zu amtswegigen Maßnahmen keinen Anlass.

cc) Was das Verfahren vor dem Betreuungsgericht anbelangt, mag wiederum ohne Prüfung unterstellt werden, dass dessen Einleitung und seine Durchführung mit Wissen und Wollen der Beteiligten zu 1. erfolgten. Wegen der besonderen “Zielrichtung” jenes Verfahrens kann ihr aber auch dann keine gewichtige Verfehlung gegen die eheliche Gemeinschaft vorgehalten werden.

Zwar setzt auch die sogenannte Kontrollbetreuung nach 1896 Abs. 3 BGB voraus, dass der Betreute als Vollmachtgeber zur Kontrolle des Bevollmächtigten oder zum Widerruf der Vollmacht krankheits- oder behinderungsbedingt außerstande ist. Gleichwohl lassen sich die tatsächlichen Gegebenheiten und die Rechtsfolgen mit denjenigen einer Entmündigung nach altem Recht nicht vergleichen. Durch den gerichtlich bestellten Betreuer kontrolliert werden soll nicht der Betroffene, sondern sein Bevollmächtigter, dies zum Schutze der Rechtsgüter des Betroffenen.

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Auch im gegebenen Fall wurde das Verfahren vor dem Betreuungsgericht mit dieser Tendenz betrieben. Beantragt wurde ausdrücklich die Einsetzung einer neutralen Person – weder der Beteiligten zu 1., noch des Beteiligten zu 3. – als Kontrollbetreuer, und dass es bei der Antragstellung nicht darum ging, die Rechte des Erblassers zu beschneiden, sondern gerade darum, sie – dem dortigen Vortrag nach vor der Beteiligten zu 2. – zu schützen, ergibt sich zudem eindeutig aus dem dortigen Schreiben des Beteiligten zu 3. vom 4. November 2011, in dem er ausführte, er wolle ausdrücklich klarstellen, dass er nicht eine Betreuung für den Erblasser angeregt habe, sondern eine Kontrollbetreuung für seine Schwester (die Beteiligte zu 2.); gerade weil sein Vater zwischenzeitlich verstorben sei und seine Schwester eine Generalvollmacht über den Tode hinaus besitze, sei eine Kontrollbetreuung nach wie vor notwendig.

Mögen diese Ausführungen auch die rechtlichen Gegebenheiten verkennen, lassen sie doch das mit dem Betreiben jenes Verfahrens verfolgte, nicht gegen den Erblasser gerichtete Ziel deutlich werden.

dd) Bei der Übertragung eines Miteigentumsanteils auf den Beteiligten zu 3. durch die Beteiligte zu 1. lässt sich schon nicht ausmachen, worin eine objektive Beeinträchtigung des Erblassers hätte liegen können. Unstreitig übertragen wurde ein Anteil von 16 % des hälftigen Anteils der Beteiligten zu 1. am Grundbesitz. Hierdurch änderten sich die Stimmverhältnisse zu Lasten des Erblassers nicht; insbesondere geriet er nicht in die Stellung eines Minderheitsbeteiligten, und eine Patt-Situation konnte auch vor der Übertragung – bei Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und der Beteiligten zu 1. – auftreten.

Dass die Anteilsübertragung zu dem Zweck geschehen wäre, es dem Beteiligten zu 3. zu ermöglichen, in seiner Person (zu Lebzeiten des Erblassers) einen Antrag auf Teilungsversteigerung zu stellen, wird nicht behauptet und ist nach Aktenlage auch fernliegend. Die Übertragung verschaffte dem Beteiligten zu 3. bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise lediglich einen “Vorsprung” gegenüber denjenigen Personen, die künftig als Erben nach dem Erblasser und/oder nach der Beteiligten zu 1. am Grundbesitz beteiligt sein werden.

Dies mag vom Erblasser missbilligt worden sein. Indes stellte die Situation, dass ein Ehepartner ein einzelnes von mehreren Kindern entgegen der Haltung des anderen Ehepartners bevorzugt behandelt, selbst in intakten Ehen eine alltägliche Gegebenheit dar, die nicht als gewichtige Verfehlung gegen die eheliche Lebensgemeinschaft begriffen werden kann.

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ee) Bezüglich des Geschehens am 9. Mai 2011 mag auf sich beruhen, ob dieses – wie von der Beteiligten zu 1. behauptet – in einem von der Darstellung der Beteiligten zu 2. abweichenden Kontext gesehen werden muss. Jedenfalls handelte es sich dabei nicht um ein Aussperren des Erblassers durch die Beteiligte zu 1. aus der ehelichen Wohnung, noch weniger um ein solches unter besonders belastenden Umständen, etwa indem der Erblasser keine andere Unterkunft hätte finden können. Schon das Nachlassgericht hat richtigerweise darauf hingewiesen, dass sich aus dem erstinstanzlichen Verfahrensstoff nicht ergebe, dass die Beteiligte zu 1. dem Erblasser den Zutritt zum Haus verweigert hätte.

In der Folge haben sich die Beschwerdeführer darauf berufen, es habe eine Demütigung darin gelegen, dass die Beteiligte zu 1. nach Auswechselung der Schlösser dem Erblasser keinen Schlüssel zum Haus mehr habe geben wollen, so dass dieser genötigt gewesen sei, jeweils zu klingeln und sich auf diese Weise dem “Diktat” der Beteiligten zu 1. zu beugen. Doch zum einen ist eine derartige Demütigung, wenn man dies als solche begreifen will, wie gleichfalls bereits vom Nachlassgericht zutreffend angemerkt, in gescheiterten Ehen zum Zeitpunkt der Einleitung der Trennung oder kurz zuvor nicht unüblich.

Zum anderen hatte die Beteiligte zu 1. jedenfalls aus ihrer Sicht für ein solches Vorgehen gute Gründe wegen ihres erheblichen, mit gerichtlichen Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung verbundenen Konfliktes mit der Beteiligten zu 2., der wegen der zum Zeitpunkt Anfang Mai bestehenden persönlichen Nähe des Erblassers zu dieser im Falle der Überlassung eines Schlüssels an den Erblasser faktisch gleichfalls der unkontrollierte Zugang zum Haus eröffnet gewesen wäre. Schließlich bezog sich selbst nach der Rechtsmittelbegründung die Äußerung der Beteiligten zu 1. am 9. Mai 2011, sie wolle sie aus dem Haus “buxieren”, auf die Beteiligte zu 2. und nicht (auch) auf den Erblasser.

ff) Was schließlich die nach dem Vorbringen der Beteiligten zu 2. und 5. vom Erblasser als “Treibjagd” und “Drangsalierung” empfundenen angeblichen Nachstellungen durch die Beteiligten zu 1. angeht, mögen die tatsächlichen Behauptungen der Beschwerdeführer nochmals als zutreffend unterstellt werden. Des weiteren mag davon ausgegangen werde, dass insoweit ein in der Person der Beteiligten zu 1. liegender Grund gegeben ist, der auch eine vom Erblasser empfundene Härte darstellte. Jedenfalls aber fehlt es insoweit an der Unzumutbarkeit dieser Härte.

Zum einen wird ihr Gewicht relativiert dadurch, dass die entsprechenden Verhaltensweisen nach der Rechtsmittelbegründung aus der Haltung der Beteiligten zu 1. resultieren sollten, dass der Erblasser nicht außerhalb ihrer Kontrolle zu leben habe, solange sie seine Ehefrau sei, sie in diesem Sinne einen “rigorosen Besitzanspruch” geltend machte; damit aber war es lediglich eine Ausdrucksform der angeblichen dominanten Charakterstruktur der Beteiligten zu 1. und unterliegt den oben unter bb) bereits dargestellten Beurteilungen.

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Zum anderen konnte jenen Nachstellungen objektiv dadurch effektiv begegnet werden, dass der Erblasser eine der Beteiligten zu 1. – wie auch dem Beteiligten zu 3. – nicht bekannte Wohnung nahm, unter dieser Adresse nicht nach außen auftrat sowie bei der Meldebehörde, Telekommunikationsunternehmen und weiteren Unternehmen um eine Auskunftssperre nachsuchte.

Diese Maßnahmen nach jahrzehntelanger Ehe mit einem zu Besitzansprüchen neigenden Ehepartner zu ergreifen, erscheint seinerseits nicht unzumutbar. Nach der Beschwerdebegründung hat der Erblasser diese Maßnahmen in der Tat auch durchgeführt, und zwar – wie sich auch mittelbar dem Vortrag der übrigen Beteiligten entnehmen lässt – mit Erfolg.

III.

a) Die erstinstanzliche Kostenentscheidung entspricht nach Ansicht des Senats nicht in vollem Umfang der gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG maßgeblichen Billigkeit. Zwar rechtfertigt sich die Kostenbelastung der Beteiligten zu 2. bereits aus ihrer Stellung als Antragstellerin und diejenige des Beteiligten zu 4. aus den im Schreiben des Nachlassgerichts vom 25. April 2012 ausführlich dargestellten Erwägungen. Indes kann die Beteiligte zu 1. nicht von denjenigen (Gerichts-)Kosten freigestellt werden, die auch dann angefallen wären, wenn ihrem Erbscheinsantrag niemand entgegengetreten wäre.

b) Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf 84 FamFG. Anhaltspunkte, die es geböten, von der dort vorgesehenen Regel der Belastung des Rechtsmittelführers mit den Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels abzuweichen, liegen nicht vor.

Ebensowenig besteht ein Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG. Die entscheidungstragenden Erwägungen des Senats beruhen auf einer Würdigung des gegebenen Einzelfalles.

Die Wertfestsetzung findet ihre Grundlage in §§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 1 KostO i.V.m. § 107 Abs. 2 Satz 1 und 2 KostO.

Zwar hat die Beteiligte zu 2. lediglich einen Teil-Erbschein über insgesamt 2/3 des Nachlasswertes beantragt; die Beteiligten zu 2. und 5. wenden sich jedoch zugleich gegen die angekündigte Erteilung eines Alleinerbscheins zugunsten der Beteiligten zu 1., wodurch der gesamte Nachlasswert streitbefangen ist.

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