OLG Düsseldorf I-3 Wx 269/16

Juli 16, 2017

OLG Düsseldorf I-3 Wx 269/16

Wirksamkeit und Voraussetzungen eines Nottestamentes,

Testierfähigkeit,

objektive Gefahr der eintretenden Testierunfähigkeit

RA und Notar Krau

Kernaussage:

Das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) hat in diesem Fall entschieden, dass ein von der Erblasserin errichtetes Nottestament unwirksam ist,

da die Voraussetzungen für dessen Gültigkeit nicht vorlagen.

Insbesondere fehlte es an der notwendigen „nahen Todesgefahr“ im Sinne des § 2250 Abs. 2 BGB.

OLG Düsseldorf I-3 Wx 269/16

Sachverhalt:

Die Erblasserin litt an einer schweren Lungenkrankheit (COPD) im Endstadium und war in ihrer Mobilität stark eingeschränkt.

Sie äußerte gegenüber einer Nachbarin, der Zeugin K., den Wunsch, ein Testament zu errichten.

Die Zeugin K. und ein Bekannter, der Zeuge L., entschlossen sich daraufhin, der Erblasserin bei der Erstellung eines Nottestaments zu helfen.

Sie informierten sich im Internet über die Formalitäten und erstellten einen Entwurf.

Am nächsten Tag wurde das Testament in Anwesenheit von drei Zeugen von der Erblasserin unterschrieben.

Einen Tag später wurde die Erblasserin ins Krankenhaus eingeliefert, wo sie kurze Zeit später verstarb.

Der Lebensgefährte der Erblasserin, der in dem Nottestament als Alleinerbe eingesetzt worden war, beantragte daraufhin einen Erbschein.

OLG Düsseldorf I-3 Wx 269/16

Der Ehemann der Erblasserin, von dem sie getrennt lebte, widersprach dem Antrag.

Er argumentierte, dass die Voraussetzungen für ein Nottestament nicht vorgelegen hätten und die Erblasserin möglicherweise testierunfähig gewesen sei.

Entscheidung des Gerichts:

Das OLG Düsseldorf gab dem Ehemann der Erblasserin Recht und erklärte das Nottestament für unwirksam.

Begründung:

  • Keine nahe Todesgefahr: Ein Nottestament ist nur gültig, wenn der Testierende sich in so naher Todesgefahr befindet, dass die Errichtung eines Testaments vor einem Notar oder Bürgermeister nicht möglich ist. Diese Voraussetzung war im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Zwar war die Erblasserin schwer krank, aber es bestand zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung keine akute Lebensgefahr. Die Zeugen hatten auch nicht den Eindruck, dass die Erblasserin unmittelbar vor dem Tod stand.

  • Subjektive und objektive Komponente: Das Gericht betonte, dass die nahe Todesgefahr entweder objektiv vorliegen muss oder subjektiv von allen drei Testamentszeugen angenommen werden muss. Im vorliegenden Fall war beides nicht gegeben. Objektiv bestand keine unmittelbare Lebensgefahr, und die Zeugen hatten auch nicht den Eindruck, dass die Erblasserin in akuter Todesgefahr schwebte.

OLG Düsseldorf I-3 Wx 269/16

  • Zeugenaussagen: Die Aussagen der Zeugen bestätigten, dass die Erblasserin zwar krank war, aber nicht in unmittelbarer Todesgefahr schwebte. Sie konnte sich in ihrer Wohnung bewegen und alltägliche Dinge erledigen. Auch die Tatsache, dass die Zeugen die Erblasserin nach der Testamentserrichtung alleine ließen und erst am nächsten Morgen ein Notarzt gerufen wurde, spricht gegen das Vorliegen einer akuten Todesgefahr.

  • Inhalt des Testaments: Auch der Inhalt des Testaments selbst deutet nicht auf eine akute Todesgefahr hin. Es wird lediglich der allgemeine Gesundheitszustand der Erblasserin beschrieben, nicht aber eine konkrete, unmittelbare Lebensgefahr.

Fazit:

Das OLG Düsseldorf hat in diesem Fall die strengen Voraussetzungen für die Gültigkeit eines Nottestaments betont.

Es reicht nicht aus, dass der Erblasser schwer krank ist; es muss eine konkrete, unmittelbare Todesgefahr bestehen,

die die Beurkundung vor einem Notar oder Bürgermeister unmöglich macht.

Im vorliegenden Fall waren diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so dass das Nottestament unwirksam war.

Zusätzliche Anmerkungen:

OLG Düsseldorf I-3 Wx 269/16

  • Der Fall verdeutlicht die Bedeutung der Testierfähigkeit. Zwar wurde die Frage der Testierfähigkeit im vorliegenden Fall nicht abschließend geklärt, da das Gericht bereits die Voraussetzungen für ein Nottestament verneinte. Dennoch ist es wichtig zu betonen, dass ein Testament nur dann wirksam ist, wenn der Testierende im Zeitpunkt der Errichtung testierfähig war, d.h. er Art und Bedeutung seiner Handlung einschätzen und seinen Willen danach bestimmen konnte.

  • Die Entscheidung des OLG Düsseldorf ist in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung. Die Gerichte legen die Voraussetzungen für die Gültigkeit eines Nottestaments sehr streng aus, um Missbrauch zu verhindern.

  • Der Fall zeigt auch die Bedeutung einer frühzeitigen und sorgfältigen Nachlassplanung. Hätte die Erblasserin rechtzeitig ein Testament vor einem Notar errichtet, wären die Probleme im vorliegenden Fall vermieden worden.

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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