OLG Düsseldorf I-3 Wx 300/16

Juli 14, 2020

OLG Düsseldorf I-3 Wx 300/16, Beschluss vom 01.02.2017, Auflösung Gesellschaft, Betriebsprüfung, Liquidation sei beendet. Nachtragsliquidation

Tenor

Die angefochtene Zwischenverfügung wird aufgehoben.

Gründe

OLG Düsseldorf I-3 Wx 300/16

I.

Im Februar 2015 wurden die Auflösung der betroffenen Gesellschaft und die Bestellung der Beteiligten zur Liquidatorin im Handelsregister eingetragen.

2016 fand bei der betroffenen Gesellschaft eine mehrmonatige Betriebsprüfung statt. Im Betriebsprüfungsbericht vom 10. November 2016 wurde unter anderem der Standpunkt vertreten, aufgrund diverser formeller Mängel in der Kassenführung sei eine pauschale Hinzuschätzung von 2 % auf die von der Gesellschaft ermittelten Jahreserlöse gerechtfertigt; hieraus ergäben sich Nachforderungen von etwas mehr als 10.000 €.

Mit notariell beglaubigter Erklärung vom 11. April 2016 hat die Beteiligte zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet, die Liquidation sei beendet, die Firma der Gesellschaft erloschen, Bücher und Schriften der Gesellschaft würden von ihr verwahrt.

Daraufhin hat das Registergericht das zuständige Finanzamt Viersen (Körperschaftssteuerstelle) angeschrieben und unter anderem angefragt, ob dort gegen eine Löschung der Gesellschaft zum gegenwärtigen Zeitpunkt Bedenken bestünden.

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Das Finanzamt hat mit Datum vom 28. April 2016 geantwortet, es bitte, die Gesellschaft noch nicht zu löschen, weil das Besteuerungsverfahren noch nicht abgeschlossen sei.

Auf die sich daran anschließende Mitteilung des Registergerichts, es sei beabsichtigt, die Löschung bis zum Abschluss des Besteuerungsverfahrens zurückzustellen, hat die Beteiligte mit Schreiben vom 14. November 2016 unter anderem geantwortet, zwischenzeitlich sei das Gesellschaftskapital durch unnötig verursachte behördliche Kosten gänzlich aufgebraucht, die Gesellschaft also vermögenslos; der Löschungsantrag müsse nunmehr sofort umgesetzt werden.

Sodann hat sich das Registergericht unter dem 22. November 2016 im Wege eines Schreibens an den beglaubigenden Notar gewandt und ausgeführt:

Das Besteuerungsverfahren müsse abgeschlossen sein, bevor die Löschung der Gesellschaft beantragt werden dürfe.

Angesichts dessen werde gebeten, entweder nachzuweisen, dass das Finanzamt der Löschung zugestimmt habe, oder den Eintragungsantrag zwecks Vermeidung einer kostenpflichtigen Zurückweisung zurückzunehmen und zu gegebener Zeit neu zu stellen.

Dieses Schreiben ist mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen.

In der Folgezeit hat das Finanzamt mit Zuschrift vom 1. Dezember 2016 dem Registergericht mitgeteilt, das Besteuerungsverfahren sei immer noch nicht abgeschlossen.

Hernach hat die Beteiligte mit Schreiben vom 2. Dezember 2016, bei Gericht am5. Dezember 2016 eingegangen, zum einen Beschwerde gegen die Verfügung vom 22. November 2016 eingelegt, zum anderen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die betroffene Gesellschaft gestellt und in diesem Zusammenhang geltend gemacht:

Zwar habe sie die – noch nicht festgesetzten – Steuerforderungen, deren sich das Finanzamt berühme, zurückgewiesen, gleichwohl stelle sie wegen drohender Überschuldung und gegebener Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft den Insolvenzantrag.

Die Gesellschaft könne ausschließlich Steuern in einem nicht bekannten Umfang schulden.

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Dem Antrag ist ein Schreiben des Steuerberaters der Gesellschaft beigefügt, in dem dieser den Steuerforderungen im Einzelnen entgegentritt.

Mit Beschluss vom 19. Dezember 2016 hat das Registergericht dem Rechtsmittel der Beteiligten nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf als Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.

Dem Senat gegenüber hat die Beteiligte mit Schreiben vom 9. Januar 2017 unter anderem erklärt, die betroffene Gesellschaft habe zum 15. Januar 2015 Betriebsschluss gehabt, zu jenem Zeitpunkt sei die Geschäftseinstellung erfolgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Registerakten Bezug genommen.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig.

1.

Es ist gemäß §§ 382 Abs. 4 Satz 2, 59 Abs. 2, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 64 Abs. 1 und 2 FamG als befristete Beschwerde statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Insbesondere ist es von der Beteiligten, die in der Rechtsmittelschrift ausdrücklich auf ihre “Eigenschaft als Liquidatorin” Bezug nimmt, ersichtlich im Namen der beschwerdeberechtigten betroffenen Gesellschaft eingelegt worden.

Es richtet sich auch gegen eine anfechtbare Zwischenverfügung: Zwar darf diese nach § 382 Abs. 4 Satz 1 FamFG lediglich bei einem behebbaren Hindernis ergehen und deshalb nicht die Anregung der Antragsrücknahme zum alleinigen Inhalt haben, jedoch hat das Registergericht hier der Beteiligten nicht nur die Möglichkeit aufgezeigt, den Eintragungsantrag zurückzunehmen und zu gegebener Zeit neu zu stellen, sondern hierneben den Vollzug ihres Antrages für den Fall in Aussicht gestellt, dass sie im vorliegenden Verfahren noch nachweise, dass das Finanzamt der Löschung zustimme.

2.

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Die Beschwerde ist auch begründet.

a) Es spricht viel dafür, dass die angegriffene Zwischenverfügung bereits aus formellen Gründen der Aufhebung unterliegt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats, an der nach Überprüfung festgehalten wird, hat eine Zwischenverfügung auch im Registerverfahren durch einen formgerechten Beschluss, der den Anforderungen der §§ 38 Abs. 2 und 3, 39 Satz 1 FamFG genügt, zu erfolgen (Keidel-Heinemann, FamFG, 19. Aufl. 2017, § 382 Rdnr. 25 m.w.Nachw.). Hier aber hat sich das Registergericht durch ein formloses Schreiben geäußert.

b)Darauf kommt es indes entscheidungstragend nicht an. Denn die Zwischenverfügung vom 22. November 2016 kann auch in der Sache keinen Bestand haben. Die Vollzugsreife des Eintragungsantrages hängt nicht von einem Einverständnis der Finanzverwaltung ab.

Zwar ist im Grundsatz eine Liquidation nicht beendet, wenn ein die Gesellschaft betreffendes Besteuerungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist.

Dies beruht indes auf der Erwägung, dass sich gegebenenfalls Steuernachforderungen oder auch Steuererstattungen auf das verwertbare Gesellschaftsvermögen auswirken können.

Diese Lage ist anders, wenn die Gesellschaft den Geschäftsbetrieb endgültig eingestellt hat, über kein Vermögen mehr verfügt und lediglich Steuernachforderungen in Rede stehen; dann ist die Vollzugsreife der Eintragung der Löschung gleichwohl gegeben.

Dies hat der Senat in der Vergangenheit für die Liquidation einer Kommanditgesellschaft ausgesprochen (z.B. NJW-RR 2014, 723 f), und dem haben sich Stimmen in Rechtsprechung und Schrifttum für die GmbH angeschlossen

(OLG Jena ZIP 2016, 25 f;

Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 74 Rdnr. 2).

In der Tat ist allein der Umstand, dass die spätere Fortsetzung einer Liquidation bei einer KG gegenüber einer Nachtragsliquidation für eine GmbH mit geringerem Aufwand verbunden sein mag, nicht geeignet, eine unterschiedliche Behandlung zu rechtfertigen.

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Hingegen meint das OLG Hamm, ein nicht abgeschlossenes Besteuerungsverfahren stehe zwar – da die Voraussetzung fehlenden verwertbaren Aktivvermögens erfüllt sei und unabhängig von der steuerrechtlichen Beurteilung des Fortbestandes der Gesellschaft – einer Löschung wegen Vermögenslosigkeit nach § 394 FamFG nicht entgegen

(Beschlüsse vom 3. September 2014 in Sachen 27 W 109/14 und vom 22. April 2015 in Sachen 27 W 46/15),

wohl aber dem Vollzug eines Eintragungsantrages mit dem hier verfahrensgegenständlichen Inhalt

(NJW-RR 2015, 1134 und 1450 f),

weil die Gesellschaft durch ihre Löschung gleichsam einem laufenden Steuerverfahren entzogen würde; die amtswegige Löschung einer vermögenslosen Gesellschaft beruhe auf anderen Wertungen und habe andere Voraussetzungen als eine Löschung auf Betreiben der Liquidatoren einer Gesellschaft.

So richtig die letztgenannte Begründung auch ist, trägt sie nach Auffassung des Senats doch dem eingangs beschriebenen Sonderfall namentlich in praktischer Hinsicht nicht hinreichend Rechnung.

Denn wenn bei endgültiger Einstellung des Geschäftsbetriebs ausschließlich mögliche Steuernachforderungen in Rede stehen, hat das Registergericht bei Eingang des Eintragungsantrages und Kenntnis der zu seiner Einreichung führenden tatsächlichen Gegebenheiten ohnehin die Einleitung eines Löschungsverfahrens nach § 394 FamFG zu erwägen, wie es im vorliegenden Fall ausweislich mehrerer gerichtsinterner Verfügungen in der Tat geschehen ist.

Dann aber stellt sich auch nach dem Standpunkt des OLG Hamm die Frage der Notwendigkeit einer Nachtragsliquidation alsbald in gleicher Weise, und im einen wie im anderen Fall wird der Steuergläubiger abzuwägen haben,

ob sich für ihn die Beantragung einer solchen als “lohnend” erweisen könnte. Insgesamt ist dann aus Sicht des Senats keine Notwendigkeit, die Vollzugsreife bereits des Eintragungsantrages zu verneinen, begründbar.

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Aus diesen Gründen kommt es nicht auf ein Einverständnis der Finanzverwaltung, sondern darauf an, ob die von der Beteiligten vorgebrachten Umstände feststellbar sind. Nach dem von ihr in Ablichtung zur Akte gereichten Betriebsprüfungsbericht lassen sich künftige Steuererstattungen ausschließen.

Auch konkrete Zweifel daran, dass der Geschäftsbetrieb der betroffenen Gesellschaft seit 2015 eingestellt ist, dürften nicht veranlasst sein.

Der von Amts wegen – zweckmäßigerweise anhand der Insolvenzakte – vorzunehmenden Prüfung könnte es allerdings bedürfen, ob die Angabe der Beteiligten zutrifft, die betroffene Gesellschaft sei vermögenslos.

III.

Da das Rechtsmittel erfolgreich ist und am Beschwerdeverfahren allein die Beteiligte teilgenommen hat, ist eine Kostenentscheidung ebenso wenig veranlasst wie eine Festsetzung des Geschäftswertes.

Die Rechtsbeschwerde kann nicht zugelassen werden.

Zwar dürften wegen der vom Standpunkt des Senats abweichenden Rechtsprechung des OLG Hamm die Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG erfüllt sein, doch könnte die Beteiligte jenes Rechtsmittel nicht zulässigerweise einlegen.

Anerkanntermaßen ist nicht nur die Zulässigkeit einer Erstbeschwerde, sondern auch diejenige einer Rechtsbeschwerde von einer Beschwerdeberechtigung und damit einer Beschwer des Rechtsmittelführers abhängig (BGH NJW 2016, 250 f m.w.Nachw.).

Die Beteiligte ist jedoch durch die vorliegende Entscheidung weder in formeller, noch in materieller Hinsicht beschwert.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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