OLG Düsseldorf I-3 Wx 48/14

Juli 14, 2020

OLG Düsseldorf I-3 Wx 48/14, Beschluss vom 27.03.2014, Gesellschaft aufgelöst, Finanzamt hat Einwände gegen Löschung, Nachtragsliquidation

Tenor

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben. Das Registergericht wird angewiesen, den sofortigen Vollzug des Antrages auf Eintragungen in das Handelsregister gemäß der Anmeldung vom 11. Oktober 2013 (UR-Nr. 3121/2013 des Verfahrensbevollmächtigten) nicht mit der Begründung abzulehnen, das Finanzamt habe Einwände gegen die derzeitige Löschung der betroffenen Gesellschaft erhoben.
Gründe

1.

Unter dem 11. Oktober 2013 haben die Beteiligten zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet:

“Die Gesellschaft ist durch Beschluss der Gesellschafter aufgelöst.

Die Firma ist erloschen.

Der Geschäftsbetrieb wurde ohne Liquidation eingestellt. Zu verteilendes Vermögen ist nicht vorhanden.

Die Bücher und Papier der aufgelösten Gesellschaft werden von Herrn C. M. verwahrt.”

Auf diesen Eintragungsantrag hat das Registergericht durch die angefochtene Entscheidung ausgesprochen, sein Vollzug werde zunächst zurückgestellt. Zur Begründung hat es angeführt, ein Vollzug der Anmeldung sei noch nicht möglich, da das Finanzamt Mönchengladbach zweifach Einwände gegen die jetzige Löschung der Gesellschaft mitgeteilt habe.

Das Finanzamt hatte sich im Oktober 2013 dahin geäußert, es müssten noch ausstehende Veranlagungen durchgeführt werden, und im Dezember 2013, aufgrund eines langwierigen Rechtsbehelfsverfahrens bitte es von der Löschung der Gesellschaft im Handelsregister vorerst abzusehen.

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Gegen den registergerichtlichen Beschluss vom 31. Januar 2014 wenden sich die drei Beteiligten mit Schrift ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 5. Februar 2014, die am 6. Februar 2014 bei Gericht eingegangen ist. Mit weiterem Beschluss vom 18. Februar 2014 hat das Registergericht dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf als Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Registerakte Bezug genommen.

2.

Das zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

a)

Es ist bereits zweifelhaft, ob neben den Möglichkeiten, über einen Eintragungsantrag sofort zu entscheiden oder das Verfahren gemäß §§ 381, 21 Abs. 1 FamFG auszusetzen, für das Registergericht auch die Möglichkeit einer sozusagen formlosen Zurückstellung des Vollzuges des Eintragungsantrags, wie hier vom Amtsgericht ausgesprochen, besteht. Diese Frage bedarf indes keiner näheren Behandlung.

b)

Denn jedenfalls wird die Vollzugsreife des Eintragungsantrags nicht durch die vom Finanzamt vorgebrachten Bedenken beseitigt.

Im Rahmen der Liquidation einer Kommanditgesellschaft, §§ 161 Abs. 2, 145 ff. HGB, enthält § 155 HGB Regelungen zur Verteilung des Gesellschaftsvermögens. § 157 Abs. 1 HGB bestimmt sodann, dass nach der Beendigung der Liquidation das Erlöschen der Firma von den Liquidatoren zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden sei.

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Es ist – soweit ersichtlich – allgemein anerkannt, dass die Kommanditgesellschaft vollbeendigt ist, wenn kein Aktivvermögen mehr vorhanden ist, namentlich mit dem vorhandenen Vermögen die Gläubiger befriedigt wurden und ein etwaiger Überschuss an die Gesellschafter verteilt wurde.

Zum Aktivvermögen gehören auch offene Forderungen der Gesellschaft gegen die Gesellschafter. Ist die Liquidation mit der Verwendung und Verteilung des Aktivvermögens abgeschlossen, ist die Gesellschaft erloschen; ihre Löschung im Handelsregister ist für die Vollbeendigung weder notwendig noch hinreichend und hat nur deklaratorische Wirkung; mit anderen Worten beurteilt sich das Erlöschen der Firma allein nach der tatsächlichen Vollbeendigung der Gesellschaft.

Dies rechtfertigt sich nicht nur aufgrund der dargestellten juristisch konstruktiven Erwägungen, sondern auch deshalb, weil die Notwendigkeit eines gesonderten gerichtlichen Verfahrens zur Bestellung von Nachtragsliquidatoren in den allermeisten Fällen entbehrlich ist.

Stellt sich nämlich nachträglich heraus, dass doch noch Gesellschaftsvermögen vorhanden ist, die Gesellschaft also nur scheinbar zu bestehen aufgehört hat und die Liquidation “in Wahrheit” noch nicht beendet ist, wird die Gesellschaft in der Nachtragsliquidation von den bisherigen Liquidatoren vertreten, ohne dass es einer Neubestellung bedürfte, und kann die Gesellschaft unter ihrer Firma klagen (und verklagt werden).

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Sind sogar nur noch einzelne Abwicklungsmaßnahmen erforderlich, kann nach einer im Schrifttum vertretenen Auffassung der Verwahrer der Bücher und Papiere gemäß § 157 Abs. 2 HGB als ermächtigt angesehen werden, derartige Erklärungen für die gelöschte Gesellschaft abzugeben (statt aller: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Hillmann, HGB, 2. Aufl. 2008, § 157 Rdnr. 4 und 7 sowie § 155 Rdnr. 21 f m.w.Nachw.).

Nicht einheitlich beantwortet wird demgegenüber die Frage, wie offene Verbindlichkeiten der Gesellschaft, die nach Verteilung des liquiden Vermögens noch existieren, zu behandeln seien. Nach herrschender Meinung stehen diese der Vollbeendigung der Gesellschaft nicht entgegen:

Mit der Beendigung der Verteilung des Reinvermögens erlösche die Firma, mithin dürften keine beitreibbaren Forderungen mehr – auch nicht gegen Gesellschafter oder Liquidatoren – vorhanden sein, wohl aber noch Gesellschaftsschulden (so deutlich: Baumbach-Roth, HGB, 36. Aufl. 2014, § 157 Rdnr. 1).

Offene Verbindlichkeiten der Gesellschaft seien nach Verteilung des Reinvermögens über die fortbestehende Haftung der ehemaligen Gesellschafter zu tilgen, und der Ausgleich der Gesellschafter untereinander habe außerhalb des Liquidationsverfahrens zu erfolgen. Dies kritisiert eine Minderheitsmeinung als widersprüchlich.

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Sie verweist darauf, dass es unter Geltung des § 735 BGB ausgeschlossen sei, dass die Gesellschaft zwar Schulden, aber kein Aktivvermögen habe; seien nämlich die Gesellschafter aufgrund offener Gesellschaftsschulden oder wegen der Notwendigkeit eines Ausgleichs zwischen den Gesellschaftern der Gesellschaft gegenüber zum Nachschuss verpflichtet, so verfüge diese mit dem Anspruch aus § 735 BGB über einen Vermögensgegenstand, der die Annahme ihrer Vollbeendigung ausschließe; letztere trete somit erst ein, wenn neben dem sonstigen Vermögen auch etwaige Sozialansprüche erloschen oder aus dem Gesellschaftsvermögen ausgeschieden seien (Staub-Habersack, HGB, 5. Aufl. 2009, § 157 Rdnr. 6 sowie § 155 Rdnr. 34; MK-K. Schmidt, HGB, 3. Aufl. 2011, § 157 Rdnr. 10 sowie § 155 Rdnr. 53).

Allerdings stellt auch diese Ansicht klar, dass es den Gesellschaftern freistehe, den Ausgleich nach § 735 BGB abzubedingen (oder der Gesellschaft den Anspruch anderweitig zu entziehen), in diesem Fall sei die Gesellschaft vermögenslos und erloschen, wenn sie nicht über sonstiges Aktivvermögen verfüge (Staub-Habersack a.a.O., § 155 Rdnr. 34);

der Wille der Gesellschafter müsse dahin gehen, dass Ansprüche gegen sie aus § 735 BGB über das Gesellschaftsvermögen abgewickelt werden sollten, doch bleibe es ihnen unbenommen, den Innenausgleich im Verhältnis untereinander und nicht über das Gesellschaftsvermögen zu betreiben (MK-K. Schmidt a.a.O., § 157 Rdnr. 10).

Weitergehend wird sogar geäußert, der Ausschluss des Innenausgleichs über das Gesellschaftsvermögen entspreche wohl dem Regelfall (MK- K. Schmidt a.a.O.). Jedenfalls unterscheiden sich für eine solche Sachverhaltsgestaltungen die Ergebnisse der Minderheitsauffassung nicht mehr von denjenigen der herrschenden Meinung.

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Nach diesen Grundsätzen ist es – in der vom Senat allein zu beurteilenden zivilrechtlichen Hinsicht – ohne Belang, ob die Finanzverwaltung noch Steuerforderungen gegen die betroffene Gesellschaft hat, etwaige laufende Verfahren sind – soweit es auf das Zivilrecht ankommt – auf den Gesichtspunkt der Gesellschafterhaftung umzustellen.

Denn ein Aktivvermögen der Gesellschaft ist nicht feststellbar. Die Beteiligten haben in ihrer Anmeldung ausdrücklich erklärt, zu verteilendes Vermögen sei nicht vorhanden. Damit haben sie zugleich klargestellt, dass nach ihrem Willen etwaige Ansprüche der Gesellschaft aus § 735 BGB gegen die Gesellschafter abbedungen sein sollten und der im Hinblick auf offene Steuerverbindlichkeiten etwa erforderliche Innenausgleich nicht über das Gesellschaftsvermögen betrieben werden solle.

Unberührt hiervon bleibt die Frage der Steuerrechtsfähigkeit der betroffenen Gesellschaft, die nach den in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zu beurteilen ist.

3.

Über Gerichtskosten wird mit der Rechtsfolge der §§ 25 Abs. 1, 22 Abs. 1 GNotKG nicht entschieden. Ebenso wenig ist eine Entscheidung über außergerichtliche Kosten veranlasst, da am Beschwerdeverfahren nur die Beteiligten teilgenommen haben.

Aus diesem Grunde erübrigt sich auch eine Wertfestsetzung.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG liegen nicht vor.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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