OLG Frankfurt 20 W 380/13

August 14, 2017

OLG Frankfurt 20 W 380/13, Beschluss vom 17. Februar 2015 Testamentsanfechtung: Genehmigungserfordernis für Anfechtung durch den Betreuer eines der Erben; Inhaltsirrtum des Erblassers

  1. Sofern zu den Aufgabenkreisen des Betreuers eines der Testamentserben auch die Vermögenssorge gehört, bedarf dieser für die Anfechtung des Testaments (hier: wegen Irrtums des Erblassers) nicht der Genehmigung des Betreuungsgerichts nach §§ 1908i Abs. 1, 1822 Nr. 2 BGB.
  1. Steht der Erblasserwille im Widerspruch zu den Rechtsfolgen der testamentarischen Verfügung und hat der Erblasser deren Bedeutung verkannt und kann nicht davon ausgegangen werden, dass er die Erklärung bei Kenntnis der Sachlage abgegeben hätte, so liegt ein Inhaltsirrtum im Sinne des § 2078 Abs. 1 BGB vor.
  1. Der Irrtum des Erblassers betrifft das Testament als Ganzes, wenn der Erblasser seinen Willen (hier: Alleinerbenstellung des einzigen Kindes) nicht isoliert durch eine der getroffenen Anordnungen des Testaments hätte erreichen können.

vorgehend AG Bad Schwalbach, 6. November 2013, Az: 4 VI 54/12

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller im Beschwerdeverfahren entstandene notwendige Aufwendungen zu erstatten.

Gründe OLG Frankfurt 20 W 380/13

I.

Die ledige Erblasserin hat eine letztwillige Verfügung in Form eines notariellen Testaments vom …02.2005 hinterlassen. In § 1 dieses Testamentes hat sie ihren Sohn – den Antragsteller – zu 55% Anteil und die Antragsgegnerin zu 45% Anteil zu ihren Erben eingesetzt. Hinsichtlich der Erbeinsetzung für den Antragsteller hat sie dort Vor- und Nacherbschaft angeordnet; Nacherbin sollte die Antragsgegnerin werden. In § 2 des Testamentes hat sie Testamentsvollstreckung angeordnet und Rechtsanwältin RA’in 1, Stadt1, als Testamentsvollstreckerin bestimmt.

Bezüglich des Erbanteils für den Antragsteller hat sie dort Dauertestamentsvollstreckung angeordnet und noch niedergelegt, dass die Antragsgegnerin von ihr gebeten werde, nach ihrem Tod den Antragsteller mit Zuwendungen für ganz persönliche Bedürfnisse zu unterstützen, soweit dies aus der ihm anfallenden Erbschaft nicht möglich sei. Wegen der Einzelheiten und des genauen Wortlauts des Testaments wird auf die notarielle Urkunde des Notars N, Stadt1, vom …02.2005, UR-Nr. …/2005, verwiesen (Bl. 12 ff. d. A.).

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Für die Erblasserin hatte zu ihren Lebzeiten eine beim Amtsgericht … unter dem Az. …/98 laufende Betreuung bestanden, die sich zunächst auf die Aufgabenkreise Vertretung gegenüber Behörden und Ämtern, Vermögenssorge einschließlich der Wohnungsangelegenheiten, Organisation häuslicher Hilfen, Vertretung in Erbangelegenheiten, Geltendmachung von Ansprüchen auf Altersvorsorge, Sozialhilfe und Hilfen zum Lebensunterhalt sowie Entgegennahme, Öffnen und Anhalten von Post erstreckt hatte. Betreuer war der Zeuge Z1, Stadt1, der – nach seiner Aussage – für die Antragsgegnerin ehrenamtlich tätig ist. Die im Testament bestimmte Testamentsvollstreckerin ist dessen Tochter. Sie ist Mitglied des Vorstands der Antragsgegnerin. In der bezeichneten Betreuungsakte finden sich zu der Erblasserin die Diagnosen: Intellektuelle Minderbegabung, Neigung zu depressiven Verstimmungszuständen und Intelligenzminderung. Der genannte Betreuer hat in seinen Berichten gegenüber dem Betreuungsgericht von Grenzdebilität und Intelligenzminderung gesprochen.

Auch für den Antragsteller besteht beim Amtsgericht … unter dem Az. …/93 eine Betreuung mit den Aufgabenkreisen Sorge für die Gesundheit, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge. Er hat durch seine Betreuerin mit Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht vom 24.02.2012 (Bl. 25 ff. d. A.) das Testament vom ….02.2005 wegen Irrtums nach § 2078 BGB angefochten und die Anfechtung damit begründet, dass der tatsächliche Wille der Erblasserin immer dahin gegangen sei, dass der Antragsteller das von der Großmutter geerbte Haus alleine bekommen solle.

Die intellektuellen Fähigkeiten der Erblasserin seien auf dem Niveau eines Grundschulkindes gewesen. Die Erblasserin sei danach testierunfähig, jedenfalls nicht in der Lage gewesen, Bedeutung und Tragweite der von ihr in der Urkunde des Notars vom ….02.2005 abgegebenen Erklärungen über die Einsetzung des Antragstellers als Vorerbe zu 55% und der Antragsgegnerin als Vollerbin zu 45% und Nacherbin des Antragstellers zu erfassen. Die Erblasserin habe bei der Errichtung des Testaments vom ….02.2005 die Bedeutung von Vor- und Nacherbschaft, einer Stiftung und der Prozentzahlen nicht verstanden.

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Am 15.05.2012 hat der Antragsteller über seine Betreuerin einen Erbschein beantragt, der diesen als Alleinerben nach der Erblasserin aufgrund gesetzlicher Erbfolge ausweisen solle. Er hat auf die Anfechtung Bezug genommen und behauptet, die Erblasserin habe immer geäußert, dass ihr Sohn alles erben solle. Wegen der Einzelheiten des Antrags und seiner Begründung wird auf das Protokoll des Amtsgerichts Bad Schwalbach vom 15.05.2012 (Bl. 57 ff. d. A.) verwiesen. Die Antragsgegnerin hat einer Erbscheinserteilung mit diesem Inhalt widersprochen und die Auffassung vertreten, dass ein Anfechtungsgrund nicht gegeben sei. Der Notar N habe die Erblasserin bei der Protokollierung der letztwilligen Verfügung vom ….02.2005 über die Bedeutung und Tragweite der abgegebenen Erklärungen belehrt und sich davon überzeugt, dass die Erblasserin diese verstanden habe.

Die Erblasserin habe eine Notiz gefertigt: “Behindertentestament mit Vor- und Nacherbschaft 51% und 49%.” Insoweit sei sie – wie die Antragsgegnerin zunächst behauptet hat – dem Rat ihres Bruders gefolgt; sodann hat sie behauptet, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Information aufgrund rechtlicher Beratung durch Mitarbeiter des … zustande gekommen sei. Mit dem Testament habe sie eine kluge und wertsichernde Entscheidung zum Wohl ihres Sohns – des Antragstellers – getroffen. Es sei ihr ausdrücklicher Wunsch gewesen, die für die Versorgung des Antragstellers nicht benötigten Mittel armen Kindern zukommen zu lassen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf das Vorbringen der Beteiligten in den eingereichten Schriftsätzen, sowie die dortigen Anlagen und Beweisangebote Bezug genommen.

Das Nachlassgericht hat die beim Amtsgericht … unter dem Az. … /98 laufenden Betreuungsakten der Erblasserin beigezogen. Ferner hat es die Akten eines gegen die Erblasserin unter dem Az. … C …/06 beim Amtsgericht … geführten Rechtsstreits beigezogen, in dem es im Rahmen einer Wiedereinsetzungsentscheidung um die Geschäftsfähigkeit der Erblasserin gegangen war.

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Das Nachlassgericht hat sodann Beweis durch Vernehmung von Zeugen erhoben. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme und ihres Ergebnisses wird auf die Zusammenfassung im Beschluss des Nachlassgerichts vom 06.11.2013 unter Ziffer I. verwiesen. Durch diesen Beschluss, auf dessen Begründung ebenfalls umfassend Bezug genommen wird (Bl. 296 ff. d. A.), hat das Nachlassgericht sodann die aufgrund des Antrags des Antragstellers vom 15.05.2012 zur Erteilung eines Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet und angekündigt, einen Erbschein mit dem Inhalt zu erteilen, dass der Antragsteller Alleinerbe nach der Erblasserin geworden sei. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller als Sohn der Erblasserin nach § 1924 Abs. 1 BGB deren gesetzlicher Erbe geworden sei.

Der Antragsteller habe wirksam und fristgerecht die Anfechtung des Testaments vom ….02.2005 wegen Inhaltsirrtums gemäß § 2078 Abs. 1 BGB erklärt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Nachlassgerichts fest, dass die Erblasserin bei der letztwilligen Verfügung nicht die Rechtsfolgen erstrebt habe, die sich für den Antragsteller aus der Einsetzung als Vorerben zu 55% Anteil und der Einsetzung der Antragsgegnerin als Vollerbin zu 45% Anteil und als Nacherbin des Antragstellers ergäben. Es sei vielmehr der tatsächliche Wille der Erblasserin gewesen, dass der Antragsteller ihr Haus und ihr sonstiges Vermögen erhalte, wenn sie versterbe.

Die Erblasserin habe nicht über das Verständnisvermögen eines durchschnittlich intelligenten und gebildeten Menschen verfügt, ihre Defizite aber nicht unbedingt offenbart, sondern häufig auch erklärt, etwas verstanden zu haben, obwohl sie es nicht verstanden habe oder aber einfach abgeschaltet, wenn Situationen ihr Verständnisvermögen überstiegen.

Sie habe damit nicht die intellektuellen Fähigkeiten gehabt, um Bedeutung und Tragweite der von ihr in der notariellen Urkunde abgegebenen Erklärungen zu erfassen. Die Beweisaufnahme habe nicht ergeben, dass eine den intellektuellen Fähigkeiten der Erblasserin entsprechende Erklärung der Bedeutung der in der Urkunde vom …02.2005 niedergelegten Erklärungen erfolgt sei.

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Die entgegenstehenden Aussagen der Zeugen RA’in 1, Z1 und Rechtsanwältin RA’in 2 seien nicht glaubhaft, da beide Zeugen aufgrund ihrer nahen Verbindung zur Antragsgegnerin und ihrer Einbindung bei der Veranlassung der streitgegenständlichen Protokollierung nach Überzeugung des Gerichts nicht unbeeinflusst von den Interessen der Antragsgegnerin ausgesagt hätten. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass die Erblasserin dem Zeugen Z1 als ihrem Betreuer soweit vertraut habe, dass sie bereit gewesen sei, die Erklärungen in der Urkunde abzugeben, ohne die Bedeutung tatsächlich verstanden zu haben. Sie habe einfach darauf vertraut, dass ihr Betreuer eine Regelung vornehme, die ihrem Wunsch entspreche, dass ihr Sohn alles bekomme und versorgt werde.

Es handele sich damit bei der Protokollierung vom ….02.2005 gerade nicht um eine eigene letztwillige Verfügung der Erblasserin unter bewusster Abwägung der mit der Entscheidung verbundenen Vor- und Nachteile für den Antragsteller als der Person, der die Fürsorge der Erblasserin gegolten habe, sondern um eine Entscheidung des Betreuers, was aus seiner Sicht die beste Lösung für den Wunsch der Erblasserin sei, ihrem Sohn alles zukommen zu lassen.

Die Erblasserin habe ihre Erklärungen nach Überzeugung des Gerichts im blinden Vertrauen darauf abgegeben, dass ihr Betreuer eine Gestaltung für sie ausgewählt habe, die ihrem Willen entspreche. Dies sei vorliegend jedoch mit der Einsetzung des Antragstellers als Vorerbe zu 55% Anteil und der Bestimmung einer Testamentsvollstreckerin ohne genaue Vorgaben, in welchen Fällen Zuwendungen in welcher Höhe an den Antragsteller zu leisten seien, gerade nicht gegeben. Dies zeige sich auch deutlich an den laufenden Auseinandersetzungen der Betreuerin des Antragstellers mit der Testamentsvollstreckerin über Kostentragung und Zahlungen aus dem Nachlass.

Das Nachlassgericht sei überzeugt davon, dass diese Auseinandersetzungen keinesfalls dem Willen der Erblasserin entsprächen und ihr letzter Wille eindeutig dahin gegangen sei, dass der Nachlass ihrem Sohn zugutekommen solle, ohne einer Kontrolle durch eine Testamentsvollstreckerin zu unterliegen, die gleichzeitig im Vorstand der weiteren Begünstigten, der Antragsgegnerin, tätig sei und damit bei jeder Entscheidung über Zuwendungen aus dem Nachlass an den Antragsteller automatisch die finanziellen Interessen der Antragsgegnerin beeinträchtige. Dass ein derartiger offensichtlicher Interessenwiderstreit dem Willen der Erblasserin entsprochen haben soll, sei für das Nachlassgericht völlig ausgeschlossen.

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Gegen diesen am 11.11.2013 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin mit am 04.12.2013 eingegangenem Schriftsatz vom 03.12.2013 Beschwerde eingelegt und beantragt, den amtsgerichtlichen Beschluss aufzuheben und den Antrag des Antragstellers auf Erteilung eines Alleinerbscheins zurückzuweisen. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie rügt die Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Nachlassgericht unter anderem dahingehend, dass das Nachlassgericht sich bei der Beweisaufnahme verschiedentlich auf Schreiben von Zeugen an das Gericht bezogen habe und diese zum Gegenstand der jeweiligen Zeugenaussage gemacht habe, ohne diese Schreiben der Antragsgegnerin zugänglich gemacht zu haben.

Darüber hinaus rügt sie, dass die Anfechtungserklärung des Antragstellers, vertreten durch seine Betreuerin, nicht wirksam erfolgt sei, da zum Aufgabenkreis “Vermögenssorge” nicht auch die Anfechtung eines Testamentes, das den Betreuten in vieler Hinsicht besserstelle als die gesetzliche Erbfolge, berechtige. Überdies fehle die erforderliche Genehmigung durch das Betreuungsgericht. Darüber hinaus rügt die Beschwerde die Beweiswürdigung und die rechtliche Würdigung durch das Nachlassgericht, das zu Unrecht einen Inhaltsirrtum für begründet erachtet habe.

Der Antragsteller tritt der Beschwerde entgegen und beantragt deren Zurückweisung. Er verteidigt den angefochtenen Beschluss und wiederholt sein bisheriges Vorbringen.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde ausweislich seines Beschlusses vom 04.12.2013 (Bl. 314 d. A.) nicht abgeholfen und hat sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

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Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthaft und auch ansonsten zulässig, so insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Der Beschluss des Nachlassgerichts vom 06.11.2013 ist nicht zu beanstanden. Zu Recht hat das Nachlassgericht die aufgrund des Antrags des Antragstellers vom 15.05.2012 zur Erteilung eines Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet.

Die Entscheidung des Nachlassgerichts beruht zunächst nicht auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs.

Soweit die Beschwerde insoweit rügt, die zur Gerichtsakte gereichten und den Zeugen im Rahmen ihrer Vernehmung vorgehaltenen Schreiben seien der Antragsgegnerin in erster Instanz nicht übermittelt worden, führt dies nicht zum Erfolg. Dabei kann offen bleiben, ob dieser Umstand in erster Instanz gerügt worden war, was sich nicht aus den Akten ergibt, und inwieweit diese Schreiben der Antragsgegnerin bereits in erster Instanz zugegangen waren, was diese im Hinblick auf die gerichtlichen Übersendungsverfügungen ausweislich ihres Schriftsatzes vom 20.02.2014 mit dem Bemerken in Abrede gestellt hat, sie seien jedenfalls nicht auffindbar.

Auf die daraufhin erfolgte Übersendung durch den Senat hat die Antragsgegnerin insoweit nicht mehr reagiert, insbesondere nicht vorgebracht, was sie vorgetragen bzw. den Zeugen in Kenntnis der Schreiben vorgehalten hätte, wenn die Schreiben ihr zuvor bekannt gewesen wären, und was es zumindest als möglich hätte erscheinen lassen, dass die Zeugen anderweitige Angaben gemacht hätten. Darüber hinaus spielen diese Schreiben im Rahmen der Bewertung der Zeugenaussagen und der Beweiswürdigung im Übrigen ohnehin nur eine ganz untergeordnete Rolle, nachdem das Nachlassgericht sich nicht darauf beschränkt hat, die Zeugen auf die Schreiben Bezug nehmen zu lassen, sondern die Zeugen sehr eingehend vernommen und deren Aussagen ausführlich protokolliert hat.

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Hierauf beruht die Entscheidung des Nachlassgerichts im Wesentlichen; es ist nicht ersichtlich und auch nicht dargetan, dass bei vorheriger Kenntnisnahme der Antragsgegnerin bzw. ihres Verfahrensbevollmächtigten eine anderweitige Entscheidung hätte ergehen können.

Die Betreuerin des Antragstellers war berechtigt, für diesen die Anfechtung des Testaments vom ….02.2005 zu erklären. Die diesbezüglichen Einwendungen der Beschwerde greifen nicht durch. Nach § 1902 BGB vertritt der Betreuer in seinem Aufgabenkreis den Betreuten grundsätzlich gerichtlich und außergerichtlich. Wird – wie hier – die Vermögenssorge als Aufgabenkreis angeordnet, so fallen hierunter alle finanziellen Angelegenheiten im weitesten Sinne.

Dazu gehören etwa auch die Nachlassverwaltung einschließlich der Befugnis auf Erbscheinsbeantragung und Erbauseinandersetzung (vgl. hierzu Bieg in jurisPK-BGB, 7. Aufl., § 1896 Rz. 70; Bienwald/Sonnenfeld/Hoffmann, Betreuungsrecht, 5. Aufl., § 1896 Rz. 157 Stichwort “Erbschaft, Erbausschlagung, Erbscheinsbeantragung, Erbauseinandersetzung”; Schwab in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl., § 1896 Rz. 113; N in BeckOK BGB, Stand: 01.11.2014, § 1902 Rz. 6; Notarinstitut DNotI-Report 2004, 1; DNotI-Report 2010, 47); dies impliziert auch die in diesem Zusammenhang als notwendig angesehene Anfechtung eines Testaments wegen Irrtums des Erblassers.

Eine spezielle Aufgabenzuweisung – wie die Antragsgegnerin offensichtlich meint – ist nicht erforderlich (vgl. dazu Zimmermann, Betreuung und Erbrecht, Rz. 10).

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Für die wirksame Anfechtung des Testaments vom ….02.2005 durch die Betreuerin bedarf es auch nicht der Genehmigung des Betreuungsgerichts gemäß den §§ 1908i Abs. 1 , 1822 Nr. 2 BGB . Vorsorglich bemerkt der Senat, dass eine solche in dem Schreiben des Betreuungsgerichts vom 06.02.2012 (Bl. 351 d. A.), ausweislich dessen die Vorgehensweise der Betreuerin begrüßt werde, auch noch nicht zu sehen wäre. Nach den genannten Vorschriften bedarf der Betreuer der Genehmigung des Betreuungsgerichts zur Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses, zum Verzicht auf einen Pflichtteil sowie zu einem Erbteilungsvertrag. Keiner dieser Fälle liegt vor; die Testamentsanfechtung durch den Betreuer nach § 2078 BGB – zumal in Verbindung mit dem hier verfolgten Zweck, dass der Betreute Alleinerbe wird – gehört nicht hierzu.

Der Kreis der genehmigungspflichtigen Rechtsgeschäfte ist um der Rechtssicherheit willen formal und nicht nach den Umständen des Einzelfalls zu bestimmen (BGH ZEV 2003, 375 [BGH 28.01.2003 – X ZR 199/99] ; BGHZ 107, 24). Eine Genehmigungsbedürftigkeit besteht also nur dann, wenn das Gesetz sie ausdrücklich vorsieht (vgl. Zimmermann, a.a.O., Rz. 696). Eine Ausdehnung des Genehmigungserfordernisses im Wege des Analogieschlusses ist also ausgeschlossen (vgl. die Nachweise bei Lafontaine in: jurisPK-BGB, a.a.O., § 1822 Rz. 27).

Dies muss auch für den von der Beschwerde herangezogenen § 2282 Abs. 2 BGB gelten. Dieser regelt die Anfechtung eines Erbvertrags selbst durch den Erblasser und geht davon aus, dass bei so weittragenden Erklärungen auf die persönliche Willensentscheidung des Verfügenden besonderes Gewicht zu legen ist. Deshalb ist die Vertretung auch beim Abschluss des Erbvertrags, bei der Bestätigung der Aufhebung und dem Rücktritt ausgeschlossen, vgl. §§ 2274 , 2284 , 2290 , 2296 BGB (vgl. Staudinger/Kanzleiter, BGB, Neub. 2014, § 2282 Rz. 1). Demgemäß stellt diese Anfechtung ein höchstpersönliches Recht dar und entspricht insoweit den sonstigen erbrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten (Erman/Kappler, BGB, 14. Aufl., § 2282 Rz. 1).

Beim hier vorliegenden Fall einer Anfechtung nach den §§ 2078 , 2080 BGB geht es jedoch nicht um die Anfechtung einer eigenen Erklärung des Betreuten, die nur höchstpersönlich möglich wäre (vgl. Staudinger/Otte, BGB, Neub. 2013, § 2080 Rz. 21; Leipold in Münchener Kommentar zum BGB, a.a.O., § 2080 Rz. 14, dort auch zur abweichenden Rechtslage nach § 2282 BGB ). Soweit die Beschwerde weiter darauf abstellt, dass nach dem Gesetzeswortlaut auch die Ausschlagung einer Erbschaft ebenso wie die Anfechtung der Annahme genehmigungsbedürftig ist, da Letztere als Ausschlagung gilt (vgl. die Nachweise bei Zimmermann, a.a.O., Rz. 672; Wagenitz in Münchener Kommentar zum BGB, a.a.O., § 1822 Rz. 8; zur Ausschlagung eines “Behindertentestaments”: Klüsener RPfleger 1993, 133), liegt ein solcher Fall hier ebenfalls nicht vor.

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Der Antragsteller hat nicht die Erbschaft als durch Testament eingesetzter Erbe im Sinne der §§ 1944 , 1945 , 1948 Abs. 1 BGB mit der dann eintretenden Wirkung des § 1953 BGB – ungeachtet der Frage, ob die Voraussetzungen des § 1948 Abs. 1 BGB hier überhaupt vorlägen und welche Rechtsfolgen eine solche Ausschlagung hätte – ausgeschlagen oder deren Annahme angefochten, sondern das Testament wegen Irrtums angefochten. Dass er damit letztendlich – wie sein Erbschaftsantrag zeigt – das Ziel verfolgt, Alleinerbe zu werden und die Erbschaft mithin anzunehmen, lässt diesen Vorgang noch nicht zu einer Ausschlagung im Sinne des Gesetzes mit der Folge einer Genehmigungspflicht werden.

Im Ergebnis zu Recht hat das Nachlassgericht die Testamentsanfechtung durch bzw. für den Antragsteller durchgreifen lassen. Dass sie form- und fristgerecht erklärt wurde, hat das Nachlassgericht zutreffend angenommen; dagegen erhebt die Beschwerde – mit Ausnahme der oben abgehandelten Gesichtspunkte – auch keine konkreten Einwände.

Es liegt ein Anfechtungsgrund im Sinne des § 2078 Abs. 1 BGB vor. Die Anfechtung eines Testaments aufgrund des § 2078 BGB setzt voraus, dass der Erblasser sich in einem Irrtum befunden hat, sei es, dass er sich über den Inhalt seiner Erklärung im Irrtum befand oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, sei es, dass er bei Kenntnis der Sachlage die Erklärung überhaupt nicht abgegeben hätte.

In beiden Fällen muss deshalb grundsätzlich zunächst klargestellt werden, was der Erblasser wirklich gewollt hat und von welchen Voraussetzungen er sich bei der von ihm getroffenen Verfügung hat leiten lassen; denn eine Anfechtung nach § 2078 Abs. 1 BGB kommt nur in Frage, wenn die Erklärung so, wie sie auszulegen ist, mit dem wahren Willen nicht übereinstimmt (vgl. dazu BayObLG FamRZ 2002, 911 ). Die Auslegung ist mithin vorrangig, da sie das Ziel verfolgt, dem erklärten Willen des Erblassers zum Erfolg zu verhelfen, während die Anfechtung nur fehlerhafte Erklärungen beseitigen kann (vgl. die Nachweise bei Leipold in Münchener Kommentar zum BGB, a.a.O., § 2078 Rz. 11).

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Das Nachlassgericht hat zum maßgeblichen Erblasserwillen umfassende tatsächliche Ermittlungen angestellt. Es konnte aufgrund der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme davon ausgehen, dass es der Wille der Erblasserin war, dass der Antragsteller ihr Haus und ihr sonstiges Vermögen erhalte, wenn sie versterbe, und sie jedenfalls nicht die Rechtsfolgen erstrebte, die sich für den Antragsteller aus seiner Erbeinsetzung im Testament vom ….02.2005 mit den darin getroffenen Regelungen ergeben.

Das Nachlassgericht durfte sich zu Ersterem auf die insoweit weitgehend übereinstimmenden Aussagen der vernommenen Zeugen stützen, wie sie auf Seite 5, 1. Abs., des angefochtenen Beschlusses aufgeführt sind. Hierauf kann zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden; der Senat schließt sich dem an.

Diese stehen insbesondere der Annahme entgegen, die Erblasserin habe gewollt, dass dem Antragsteller lediglich Teile des Nachlasses zukommen, deren Erträgnisse ihm ggf. – in welchem Umfang auch immer – zugutekommen. Das Nachlassgericht konnte nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme aber auch annehmen, dass die Erblasserin jedenfalls nicht die Rechtsfolgen erstrebte, die sich für den Antragsteller aus dem Testament ergeben.

Aus den Aussagen der vom Nachlassgericht vernommenen Zeugen, wie sie von diesem ausweislich der Seiten 5 ff. des angefochtenen Beschlusses eingehend und überzeugend gewürdigt wurden, sowie den ausgewerteten Urkunden, wie sie sich etwa aus den beigezogenen Betreuungsakten und auch den hiesigen Akten (vgl. etwa das Attest des Hausarztes der Erblasserin vom 16.05.2012, Bl. 62, 119 d. A.) ergeben, ist zu entnehmen, dass die Erblasserin nicht über das Verständnisvermögen eines durchschnittlich intelligenten und gebildeten Menschen verfügte.

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Dies wird von der Beschwerde auch nicht ernsthaft in Abrede gestellt. Entsprechende Anhaltspunkte hierfür ergeben sich – unabhängig von dessen diesbezüglichen schriftlichen Äußerungen im Betreuungsverfahren – auch aus der Aussage des Zeugen Z1, des ehemaligen Betreuers der Erblasserin; darauf hat das Nachlassgericht auf Seite 10 des angefochtenen Beschlusses zu Recht hingewiesen.

Aus den vom Nachlassgericht erhobenen und gewürdigten Beweisen ergibt sich dann auch ohne weiteres, dass die Erblasserin aufgrund dessen nicht die intellektuellen Fähigkeiten hatte, um Bedeutung und Tragweite der von ihr in der notariellen Urkunde abgegebenen Erklärungen zu erfassen. Angesichts der nicht unerheblichen rechtlichen Komplexität der protokollierten Erklärungen, deren Zwecksetzung als Behindertentestament sich nur erhellt, wenn die zugrunde liegenden Rechtsbegriffe (Vor- und Nacherbschaft; unterschiedliche Erbquoten; Testamentsvollstreckung) zum einen in ihrer Bedeutung erkannt und zum anderen in ihrem Zusammenspiel nachvollzogen werden (können), liegt Anderes hier nach den Aussagen der vernommenen Zeugen und den vorliegenden ärztlichen und anderweitigen Urkunden gänzlich fern.

Auch der Senat vermag hier der Aussage des Zeugen Z1, der dies im Übrigen in Ansätzen – etwa die Vor- und Nacherbschaft betreffend – auch nicht anders gesehen hat, nicht ein solches Gewicht beizumessen, dass sich darauf eine gegenteilige Feststellung stützen ließe. Gleiches gilt für die Aussagen der Zeugen N und RAin 2. Insoweit folgt der Senat der Beweiswürdigung des Nachlassgerichts. Dies gilt auch für die aufgrund der Beweisaufnahme vom Nachlassgericht getroffene Feststellung, dass eine den intellektuellen Fähigkeiten der Erblasserin entsprechende Erklärung der Bedeutung der in der Urkunde vom ….02.2005 niedergelegten Erklärungen – sollte eine solche Belehrung überhaupt möglich gewesen sein – nicht erfolgt ist.

Dass und aus welchen Gründen das Nachlassgericht dies nicht den Aussagen des Zeugen N – des beurkundenden Notars – in Verbindung mit dessen in der Testamentsurkunde aufgenommenen Feststellung und denjenigen der Zeugen Z1 und RA’in 2 entnehmen konnte, hat es im angefochtenen Beschluss im Einzelnen dargelegt und eingehend und überzeugend begründet (Seiten 6, 8 ff. des angefochtenen Beschlusses).

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Die Würdigung rechtfertigt sich auch aus der weiteren aufgrund der Beweisaufnahme getroffenen Feststellung, dass die Erblasserin ihre Defizite nicht unbedingt offenbarte, sondern häufig auch erklärte, etwas verstanden zu haben, obwohl sie es nicht verstanden hatte oder aber einfach abschaltete, wenn Situationen ihr Verständnisvermögen überstiegen (Seite 8 des angefochtenen Beschlusses).

Die von der Beschwerde auszugsweise wiedergegebenen Passagen der Aussage des Zeugen N ändern daran angesichts der – wegen des Zeitablaufs, verständlichen – Unsicherheiten des Zeugen in seiner Erinnerung, wie er sie ausdrücklich bekundet hat und auf die das Nachlassgericht mithin abstellen durfte, nichts. Es lässt sich auch nicht erkennen – wie die Beschwerde rügt -, dass das Nachlassgericht bei dieser Tatsachenwürdigung die Funktion des § 17 BeurkG verkannt hätte.

Es liegt auf der Hand, dass der in der Urkunde enthaltene Belehrungsvermerk allenfalls eine Vermutungswirkung dahingehend haben kann, dass der Notar die Beteiligten ausreichend verständlich im Sinne des Vermerks belehrt hat (vgl. dazu Winkler, BeurkG, 17. Aufl., § 17 Rz. 277; vgl. zum – im gegebenen Zusammenhang nicht unmittelbar maßgeblichen – Vermerk nach § 28 BeurkG : Grziwotz/Heinemann, BeurkG, § 28 Rz. 20). Für den hier in der notariellen Urkunde im Rahmen der Vorbemerkung aufgenommenen Vermerk kann angesichts der hier vorliegenden Besonderheiten in der Person der Erblasserin nichts anderes gelten. Die weiteren Einwendungen der Beschwerde gegen die Beweiswürdigung, die im Wesentlichen auf einer anderweitigen Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussagen der Zeugen Z1 und RA’in 2 gründen, greifen nicht durch.

Einer Wiederholung der Vernehmung – etwa des Zeugen Z1 – durch den Senat als Beschwerdegericht bedarf es nicht, vgl. § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG . Eine Beweisaufnahme ist als Verfahrenshandlung etwa dann durch das Beschwerdegericht zu wiederholen, wenn die erstinstanzlichen Ermittlungen insoweit unzureichend waren oder wenn das Beschwerdegericht eine protokollierte Aussage anders als das erstinstanzliche Gericht versteht oder die Glaubwürdigkeit eines Zeugen abweichend beurteilt. Ist hingegen die Beweisaufnahme erschöpfend und die Beweiswürdigung überzeugend, ist eine Wiederholung nicht erforderlich (vgl. die Nachweise bei Zöller/Feskorn, ZPO, 30. Ausl., § 68 FamFG Rz. 10, und Schulte-Bunert/Weinreich/Unger, FamFG, 4. Aufl., § 68 Rz. 43 ff.). Letzteres ist hier der Fall.

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Die Würdigung der Glaubwürdigkeit der vernommenen Zeugen und der Glaubhaftigkeit ihrer Bekundungen durch das Nachlassgericht sind – wie gesagt – in keiner Weise zu beanstanden. Hinreichende und überzeugende Gründe, die zu einer anderweitigen Würdigung der Glaubwürdigkeit der Zeugen und der Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen führen könnten, zeigt die Beschwerde auch nicht auf.

Sie beschränkt sich im Wesentlichen auf eine anderweitige Würdigung der Glaubwürdigkeit der Zeugen Z1 und RA’in 2 bzw. der Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen. Insbesondere ist der Vorwurf der Beschwerde verfehlt, das Nachlassgericht habe die von der Antragsgegnerin behaupteten – und in erster Instanz teilweise auch unterschiedlich dargestellten – Hintergründe des Testaments in keiner Weise ermittelt. Der von der Beschwerde hierzu wiederholt angebotene Zeuge Z1 ist hierzu in Anwesenheit des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin eingehend vernommen worden und hat ausführliche Angaben gemacht. Sie sind vom Nachlassgericht verwertet und gewürdigt worden. Darüber hinausgehende und anderweitige Erkenntnismöglichkeiten, die weitere tatsächliche Ermittlungen rechtfertigen könnten, zeigt die Beschwerde nicht auf.

Die vom Nachlassgericht getroffenen Feststellungen rechtfertigen damit dessen Schlussfolgerung, dass es sich bei der betroffenen letztwilligen Verfügung der Erblasserin letztendlich um eine Entscheidung des Betreuers, des Zeugen Z1, handelte, was aus seiner Sicht die beste Lösung für den Wunsch der Erblasserin war, ihrem Sohn alles zukommen zu lassen, und die Erblasserin ihre Erklärungen im blinden Vertrauen darauf abgegeben hat, dass ihr Betreuer eine Gestaltung für sie ausgewählt habe, die ihrem Willen, dass ihr Sohn alles bekommen solle, entspreche.

Die Regelungen des Testaments entsprechen jedoch – wie das Nachlassgericht ebenfalls zu Recht angenommen hat – gerade nicht dem letztgenannten Willen der Erblasserin und zwar weder in ihrer Gesamtheit noch etwa im Hinblick auf einzelne darin enthaltene Verfügungen.

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Dabei mag sogar unterstellt werden, dass die Erblasserin insoweit auch den eigenen Wunsch hatte, dass das Vermögen nicht einem Dritten – etwa dem …verband – zufällt, was ihrem festen Wunsch, dass ihr Sohn – der Antragsteller – im Falle ihres Versterbens ihr Haus und ihr sonstiges Vermögen erhält, wenn sie verstirbt, widersprochen hätte, und sie demgemäß auch entsprechende Vorsorge treffen wollte, mochte sie auch die Rechtsfolgen ihrer Erklärungen nicht abschätzen können. Von daher mag eine Vielzahl der wechselseitigen und streitig gebliebenen tatsächlichen Behauptungen zum Zustandekommen des Testaments, etwa zu dem angeblich von der Erblasserin vorgelegten Zettel oder zu (zuletzt) angeblichen Auskünften von Mitarbeitern des …, sogar dahinstehen.

Es steht – insoweit ist dem Nachlassgericht zu folgen – nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme aber jedenfalls fest, dass die Erblasserin mit Sicherheit nicht die letztendlich vom Zeugen Z1 als dem Betreuer der Erblasserin betriebene Gestaltung der letztwilligen Verfügung wünschte, die die Erfüllung dieses vorrangigen Wunsches, ihrem Sohn alles zukommen zu lassen, nicht ermöglicht. Dabei kommt es allerdings nicht darauf an, ob es sich dabei – wie der Antragsteller meint -, um eine ungewöhnliche Gestaltung eines Behindertentestaments handelt, wobei auch eine Rolle spielt, dass es sich um ein aus dem Jahr 2005 stammendes Testament handelt (vgl. hierzu und zu den vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten: Kössinger in Nieder/Kössinger, Handbuch der Testamentsgestaltung, 4. Aufl., § 21 Rz. 68 ff.; Erman/Schmidt, a.a.O., Vorb. zu § 2064 Rz. 16).

Allerdings werden gemeinhin gerade Verwaltungsanordnungen (vgl. § 2216 BGB ), wie der Testamentsvollstrecker die Nutzungen der Vorerbschaft verwenden soll, als Kernstück des “klassischen” Behindertentestaments, an das das vorliegende Testament angelehnt sein dürfte, angesehen, die schon deshalb als erforderlich angesehen werden, um einen Zugriff des Sozialhilfeträgers auf diese Nutzungen abzuwenden (vgl. die vielfältigen Nachweise bei Kössinger in Nieder/Kössinger, a.a.O., § 21 Rz. 97 ff.; Bengel in Bengel/Reimann, Testament und Erbvertrag, 3. Aufl., E Rz. 213; Erman/Schmidt, a.a.O., § 2216 Rz. 4; Golpayegani/Boger ZEV 2005, 377; Tersteegen ZEV 2008, 121). Daran fehlt es hier. Ob angesichts dessen der vom Zeugen Z1 verfolgte Zweck des Testaments überhaupt umfassend erreicht werden könnte, kann aber offen bleiben.

Im Rahmen der hier allein maßgeblichen Willensrichtung der Erblasserin ist von Bedeutung, dass im verfahrensgegenständlichen Testament zum einen eine Testamentsvollstreckerin – die Tochter des Zeugen Z1 – ernannt worden ist, die Mitglied des Vorstands der Mit- und Nacherbin – der Antragsgegnerin – ist. Zu Recht hat das Nachlassgericht im angefochtenen Beschluss auf den offensichtlichen Interessenwiderstreit der Testamentsvollstreckerin hingewiesen, der sich daraus ergibt, dass sie bei jeder Entscheidung, die sie als Testamentsvollstreckerin gegebenenfalls zugunsten des Antragstellers zu treffen hat, automatisch die finanziellen Interessen der Antragsgegnerin beeinträchtigt.

OLG Frankfurt 20 W 380/13

Zum anderen fällt ins Gewicht, dass in diesem Testament trotz dieser Interessenkonstellation nicht dafür Sorge getragen worden ist, dass die Testamentsvollstreckerin genaue Vorgaben zur Verwaltung bekommen hat, aus denen sich ergibt, ob und inwieweit sie zu bestimmten Anlässen oder zu bestimmten Zwecken Leistungen bzw. Zuwendungen an den Antragsteller zu erbringen hat. Dies führt hier im Ergebnis dazu bzw. kann dazu führen, dass die Rechte des Antragstellers als (Mit-)Erbe erheblich beeinträchtigt und/oder dessen Unterhaltsbedürfnissen ggf. nicht hinreichend Rechnung getragen wird. Auf die dadurch bereits entstandenen Streitigkeiten bzw. Auseinandersetzungen zwischen dem Antragsteller und seiner Betreuerin einerseits und der Testamentsvollstreckerin andererseits hat das Nachlassgericht bereits hingewiesen, ohne dass es hierbei auf die Berechtigung des vom Antragsteller gestellten Entlassungsantrags ankommt.

Die ohne eine solche Anordnung geltenden gesetzlichen Regelungen (vgl. etwa § 2216 Abs. 1 BGB ) stellen jedenfalls vorliegend hierfür kein geeignetes Äquivalent dar, selbst wenn das von der Testamentsvollstreckerin in ihrer Aussage beschriebene enge Verhältnis zur Erblasserin bestanden haben sollte. Die in das Testament aufgenommene Bitte der Erblasserin, die Antragsgegnerin möge nach ihrem Tod den Antragsteller mit Zuwendungen für ganz persönliche Bedürfnisse unterstützen, soweit dies aus der ihm anfallenden Erbschaft nicht möglich sei, ändert daran ebenfalls nichts, ungeachtet der Frage, ob und inwieweit hieraus ein Leistungsanspruch des Antragstellers hergeleitet werden könnte und ohne dass man dafür auf die von der Betreuerin des Antragstellers – und dem Nachlassgericht – als den Antragsteller herabsetzend empfundenen und der Antragsgegnerin zugerechneten Äußerungen in erster Instanz abstellen müsste.

Dem Nachlassgericht ist jedenfalls darin zu folgen, dass die Erblasserin eine daraus folgende weitgehende Beschränkung der Rechte des Antragstellers – hätte sie die Bedeutung ihrer Erklärungen in ihrer Gesamtheit erkannt – nicht gewollt hätte. Darin liegt der Inhaltsirrtum der Erblasserin im Sinne des § 2078 Abs. 1 BGB . Die Erblasserin hat aus den genannten Gründen die Bedeutung ihrer testamentarischen Verfügungen verkannt; es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Erblasserin die Erklärungen bei Kenntnis der Sachlage abgegeben hätte.

Dieser Irrtum der Erblasserin betrifft nach den obigen Ausführungen das Testament vom ….02.2005 als Ganzes. Dass lediglich Teile der letztwilligen Verfügung angefochten sein sollten, wie die Beschwerde meint, lässt sich der Anfechtungserklärung nicht entnehmen. Zwar ist in der Regel im Rahmen des § 2078 BGB nicht das Testament als solches, sondern es sind immer nur einzelne in ihm enthaltene letztwillige Verfügungen anfechtbar; dabei geht die Anfechtbarkeit im Hinblick auf den ausdrücklichen Wortlaut des § 2078 BGB aber so weit, wie der Irrtum gereicht und auf den Inhalt der Erklärung eingewirkt hat (BGH NJW 1985, 2025 [BGH 08.05.1985 – IVa ZR 230/83] ; vgl. auch die Nachweise bei Leipold in Münchener Kommentar zum BGB, a.a.O., § 2078 Rz. 58).

OLG Frankfurt 20 W 380/13

Eine teilbare Verfügung wird damit also durch eine wirksame Anfechtung nicht notwendig gänzlich nichtig, sondern nur in dem Umfang, wie die Erheblichkeit des Anfechtungsgrundes reicht (Staudinger/Otte, a.a.O., § 2078 Rz. 37). Angesichts der miteinander verbundenen Regelungen der notariellen Urkunde als Behindertentestament, die ihren Zweck bzw. ihr Ziel durch die Gesamtheit der darin enthaltenen Verfügungen entfalten sollen, erscheint schon fraglich, ob es sich überhaupt um eine teilbare Verfügung in diesem Sinne handeln kann (vgl. § 2085 BGB ).

Jedenfalls lässt sich nicht feststellen, dass die Erblasserin eine – und wenn ja, welche – der getroffenen Verfügungen (Vor- und Nacherbschaft; unterschiedliche Erbquoten; Testamentsvollstreckung) isoliert ohne die jeweils andere Verfügung getroffen hätte. Ihren oben dargelegten Wunsch hätte sie auch nicht isoliert durch eine der Anordnungen des Testaments erreichen können; so wäre bei der vorliegenden Sachlage und angesichts der obigen Ausführungen auch nicht anzunehmen, dass die Erblasserin etwa ausschließlich eine Testamentsvollstreckung, wie sie sich aus dem Testament ergibt, hätte anordnen wollen.

Aus den gleichen Gründen und vor dem Hintergrund der präzise und differenziert formulierten Verfügungen scheitert auch eine – wie oben dargelegt der Anfechtung grundsätzlich vorrangige – wohlwollende und/oder ergänzende Auslegung des Testaments dahingehend, dass das Ergebnis den Intentionen des Erklärenden nicht zuwiderläuft, sondern möglichst zum Erfolg verhilft.

OLG Frankfurt 20 W 380/13

Folge der Anfechtung ist mithin – wie vom Nachlassgericht angenommen – die Gesamtnichtigkeit des Testaments und damit einhergehend der Eintritt der gesetzlichen Erbfolge. Dies rechtfertigt den vom Antragsteller gestellten Erbscheinsantrag und die darauf gründende Entscheidung des Nachlassgerichts. Auf die Berechtigung der vom Antragsteller verschiedentlich erhobenen Behauptung, die Erblasserin sei testierunfähig gewesen, kommt es mithin für das vorliegende Verfahren nicht an; die Rechtsfolgen für den hier gestellten Erbscheinsantrag wären identisch.

Für eine Testierfähigkeit wäre allerdings grundsätzlich erforderlich, dass der Testierende in der Lage sein muss, die für und gegen eine letztwillige Verfügung sprechenden Gründe abzuwägen und sich aus eigener Überlegung, frei von Einflüssen Dritter, ein klares Urteil zu bilden.

Es genügt nicht, dass er überhaupt einen Wunsch äußern oder eine Meinung artikulieren kann. Entscheidend ist vielmehr, dass der Testierende fähig ist, sich die Gründe für und wider seine Entscheidung zu vergegenwärtigen und sie gegeneinander abzuwägen, sich also selbständig und aus eigener Kraft ein Urteil zu bilden.

Das setzt voraus, dass es ihm bei der Testamentserrichtung möglich ist, sich an Sachverhalte und Ereignisse zu erinnern, Informationen aufzunehmen, Zusammenhänge zu erfassen und Abwägungen vorzunehmen (vgl. OLG München ZEV 2008, 37, [OLG München 14.08.2007 – 31 Wx 16/07] zitiert nach juris). Ob die Feststellungen des Nachlassgerichts hierfür hinreichende Anhaltspunkte geben bzw. ob insoweit der Inhalt der beigezogenen Verfahrensakte Amtsgericht …, Az. … C …/06, von Bedeutung sein könnte, kann – wie gesagt – offen bleiben.

OLG Frankfurt 20 W 380/13

Auch die Frage, ob – wie die Beschwerde unter Bezugnahme auf das Schreiben des Zeugen Z1 an das Betreuungsgericht hervorhebt – diese Rechtsfolge im Hinblick auf Zugriffsmöglichkeiten der Sozialhilfeträger nicht dem Willen der Erblasserin entsprochen hätte und die damit zusammenhängenden Einzelheiten der diesbezüglichen unterschiedlichen Auffassungen der Beteiligten zu den Folgen der gesetzlichen Erbfolge können dahinstehen.

Die Anfechtung beseitigt Verfügungen, die – wie hier – nicht dem wahren Willen des Erblassers entsprechen, führt aber nicht notwendigerweise diejenige erbrechtliche Lage herbei, die dem wahren, aber nicht erklärten Willen bzw. dem fehlerfrei gebildeten Willen des Erblassers entsprochen hätte (vgl. Leipold in Münchener Kommentar zum BGB, a.a.O., § 2078 Rz. 4; Staudinger/Otte, a.a.O., § 2078 Rz. 6).

Dies ist – da wie ausgeführt eine anderweitige Auslegung des Testaments hier nicht in Betracht kommt – hinzunehmen.

Einer Entscheidung über die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens bedarf es nicht, da sich die Kostentragungspflicht aus dem Gesetz ergibt, §§ 22 Abs. 1 , 25 Abs. 1 GNotKG. Die Entscheidung über die Erstattung notwendiger Aufwendungen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren beruht auf der gesetzlichen Regelung des § 84 FamFG ; Gründe für ein Abweichen von dem darin statuierten gesetzlichen Regelfall hat der Senat nicht gesehen.

Die Geschäftswertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren erfolgt durch gesonderten Beschluss.

Die Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung ist nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind, § 70 FamFG . Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.

OLG Frankfurt 20 W 380/13

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Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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