OLG Köln 24 W 56/22, Beschluss vom 23.09.2022 – Pflicht des Erben zur Übersendung des notariellen Verzeichnisses
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers wird der Beschluss der Einzelrichterin der 19. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 29.06.2022 – 19 O 58/21 – abgeändert.
Die Kosten des durch den Antrag vom 19.05.2022 eingeleiteten Zwangsvollstreckungsverfahrens werden dem Schuldner auferlegt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Schuldner.
Gründe
I.
Die sofortige Beschwerde des Gläubigers ist gemäß §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 91a Abs. 2 S. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen in zulässiger Weise erhoben worden. Über das Rechtmittel entscheidet der Senat durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter (§ 568 S. 1 ZPO).
II.
OLG Köln 24 W 56/22
Das Rechtsmittel hat auch in der Sache selbst Erfolg. Das Landgericht hat dem Gläubiger zu Unrecht die Kosten des Vollstreckungsverfahrens auferlegt.
1.
Haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht gemäß § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen.
Eine solche übereinstimmende Erledigungserklärung ist grundsätzlich auch im Vollstreckungsverfahren möglich; dies gilt jedenfalls dann, wenn das Verfahren – wie bei Anträgen nach den §§ 887 ff. ZPO – kontradiktorisch ausgestaltet ist
(OLG München, BeckRS 2017, 145363, Rdn. 11;
Zöller/Althammer, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 91a Rdn. 7; jeweils m.w.Nachw.).
In der Sache kommt es für die danach zu treffende Kostenentscheidung in erster Linie darauf an, wem nach den allgemeinen Bestimmungen der §§ 91 ff. ZPO die Kosten aufzuerlegen gewesen wären, wenn die Hauptsache nicht einvernehmlich für erledigt erklärt worden wäre
(BGH NJW 2007, 3429; Zöller/Althammer, a.a.O., § 91a Rdn. 24 m.w.Nachw.).
Vor diesem Hintergrund war die landgerichtlichen Kostenentscheidung abzuändern.
a) Der Zwangsgeldantrag des Gläubigers war bis zum Eintritt der Erledigung begründet, so dass der Schuldner bei streitiger Entscheidung gemäß §§ 891 S. 3, 91 Abs. 1 S. 1 ZPO die Kosten des Vollstreckungsverfahrens aufzuerlegen gewesen wären.
Der Vollstreckungsantrag war zu Recht auf die Festsetzung von Zwangsmitteln im Sinne des § 888 Abs. 1 ZPO gerichtet.
Denn bei der Auskunft über den Bestand eines Nachlasses handelt es sich auch dann um eine unvertretbare Handlung im Sinne des § 888 Abs. 1 ZPO, wenn die Auskunft durch Vorlage eines notariellen Verzeichnisses zu erfolgen hat
(BGH, NJW 2019, 231; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2017, 524 f.;
Zöller/Seibel, a.a.O., § 888 Rdn. 3. m.w.Nachw.).
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Auch waren die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen (§ 750 Abs. 1 ZPO) erfüllt:
Das landgerichtliche Teil-Anerkenntnisurteil vom 03.06.2021 ist dem Schuldner am 04.06.2021 zu Händen seines Prozessbevollmächtigten zugestellt worden.
Der Gläubiger hat zudem eine vollstreckbare Ausfertigung dieses Urteils erwirkt und mit seinem Vollstreckungsantrag zur Akte gereicht
(vgl. zu diesem Erfordernis OLG Köln, NJW-RR 2000, 1580; Zöller/Seibel, a.a.O., § 724 Rdn. 1).
b) Der Festsetzung eines Zwangsgeldes hätte es entgegen der Auffassung des Landgerichts auch nicht entgegengestanden, dass der Schuldner den Notar Dr. T. in M. bereits zuvor mit der Erstellung des Nachlassverzeichnisses beauftragt hatte.
Gleiches gilt für den Umstand, dass der Notar das Verzeichnis am 02.02.20222 erstellt und sodann – offenbar erfolglos – versucht hat, dieses an den Gläubiger zu übermitteln.
Zwar ist nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Rahmen der Zwangsvollstreckung nach § 888 Abs. 1 ZPO auch der Erfüllungseinwand des Schuldners zu beachten
(BGH, NJW-RR 2013, 1336, Rn. 9;
BGH, NJW 2019, 231, Rn. 22),
durch die die angesprochenen Handlungen ist indes noch keine Erfüllung im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB eingetreten.
Denn unter “Leistung” ist in § 362 BGB nicht die Leistungshandlung, sondern der Leistungserfolg zu verstehen
(BGH, NJW 2010, 3510 Rn. 22, Grüneberg/Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 362 Rdn. 2;
MünchKomm/Fetzer, BGB, 9. Aufl. 2022, § 362 Rn. 2 m.w.Nachw.).
Der im Teil-Anerkenntnisurteil vom 03.06.2021 titulierte Anspruch war dementsprechend erst dann erfüllt, als die geschuldete Auskunft den Gläubiger tatsächlich erreicht hat.
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Soweit im angefochtenen Beschluss – im Ansatz zutreffend – darauf abgestellt wird, dass der nach Maßgabe des § 2314 S. 1 und 3 BGB verurteilte Schuldner verpflichtet ist, die Mitwirkung des Notars mit der gebotenen Intensität einzufordern, ändert dies an der Bewertung im Ergebnis nichts.
Denn die angesprochene Verpflichtung lässt die Pflicht zur Vorlage des Nachlassverzeichnisses beim Gläubiger unberührt. Sie tritt neben diese Verpflichtung und trägt dabei dem Umstand Rechnung, dass der Schuldner zur Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses auf die Mitwirkung des beauftragten Notars angewiesen ist.
Da § 888 Abs. 1 ZPO voraussetzt, dass der Schuldner zur Vornahme der geschuldeten Handlung in der Lage ist, kommt die Festsetzung von Zwangsmitteln nicht in Betracht, wenn die erforderliche Mitwirkung des Dritten (hier des Notars) trotz intensiven Bemühens nicht zu erlangen und der Schuldner deshalb zur Erfüllung gar nicht in der Lage ist
(vgl. BGH, NJW 2009, 2308;
OLG Düsseldorf, NJW-RR 2017, 524, Rn. 16).
Eine weitergehende Entlastung des Schuldners geht mit den dargelegten Grundsätzen indes nicht einher; insbesondere führen sie in Fällen der vorliegenden Art nicht dazu, dass die Verpflichtung des Schuldners sich auf die gebotene Mitwirkung bei der Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses beschränkt.
Die Auskunftsverpflichtung verbleibt weiterhin bei dem als Erben verurteilten Schuldner, der dementsprechend auch dafür zu sorgen hat, dass das vom Notar erstellte Verzeichnis den auskunftsberechtigten Pflichtteilsberechtigten erreicht.
Geschieht dies nicht, tritt auch dann keine Erfüllung ein, wenn der Schuldner den Notar zur Mitwirkung bewegen konnte und – möglicherweise sogar zu Recht – davon ausgeht, der Notar werde das Verzeichnis von sich aus dem Gläubiger übermitteln.
b) Ein anderes Ergebnis ist auch nicht etwa deshalb gerechtfertigt, weil der Gläubiger gehalten war, sich vor seinem Vollstreckungsantrag vom 19.05.2022 noch einmal nach dem beanspruchten Nachlassverzeichnis zu erkundigen.
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Zwar kann auch im Rahmen der nach § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO zu treffenden Billigkeitsentscheidung der in § 93 ZPO zum Ausdruck gekommene Rechtsgedanke berücksichtigt werden.
Übertragen auf die vorliegende Konstellation bedeutet dies, dass dem Gläubiger trotz seines voraussichtlichen Obsiegens in der Hauptsache die Kosten des Vollstreckungsverfahrens aufzuerlegen sein können, wenn der Schuldner
keinen Anlass zur Einleitung des Verfahrens gegeben hat. “Veranlassung” in diesem Sinne gibt eine der Partei immer dann, wenn ihr Verhalten ohne Rücksicht auf Verschulden und materielle Rechtslage gegenüber so war, dass der Kläger/Gläubiger annehmen muss, er werde ohne gerichtliche Hilfe nicht zu seinem Recht kommen
(allg. Meinung, vgl. etwa Zöller/Herget, a.a.O, § 93 Rn. 3 m.w.Nachw.).
Zu eben dieser Annahme hatte der Gläubiger indes allen Grund. Nachdem die Erblasserin am 00.00.0000 verstorben war, hat der Gläubiger den Schuldner erstmals mit anwaltlichem Schreiben vom 09.10.2020 zur Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses aufgefordert.
Erst nachdem der Gläubiger im März 2021 Stufenklage erhoben hatte, hat der Schuldner sich veranlasst gesehen, den Notar Dr. T. mit der Erstellung eines Nachlassverzeichnis zu beauftragen.
In der Folgezeit hat der Notar zwar im August 2021 einen Entwurf vorgelegt, das endgültige Verzeichnis ist dem Gläubiger aber – trotz Zustellung der vollstreckbaren Ausfertigung des Teil-Anerkenntnisurteils im November 2011 – weiterhin nicht übersandt worden.
Vor diesem Hintergrund hatte der Gläubiger bei Einreichung seines Vollstreckungsantrages im Mail 2022 keinerlei Grund zu der Annahme, das Ausbleiben des geschuldeten Nachlassverzeichnisses könnte auf einem – durch Nachfrage aufzuklärenden – Versehen beruhen.
Für ihn stellte sich die Sachlage vielmehr so dar, als müsse er den Schuldner nach vergeblichen Aufforderungen und weiterem Zuwarten nunmehr durch Zwangsvollstreckung zur Erfüllung seiner Verpflichtung bewegen.
2.
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 91 ZPO.
Anlass zur Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht nicht. Zweck der Kostenentscheidung gemäß § 91a ZPO ist es gerade nicht, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären oder das Recht fortzubilden, soweit es um Fragen des materiellen Rechts geht
(vgl. BGH, NJW-RR 2009, 425 m.w.Nachw.).
Streitwert für das Beschwerdeverfahren: bis.500,00 €
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