OLG München 31 Wx 182/17
Beschluss vom 13.11.2018
Erbschein Vor- und Nacherbfolge
Nachlassgericht
Beschwerdeverfahren
Der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 13. November 2018 befasst sich mit der Auslegung eines handschriftlichen Testaments
und der Frage, ob die darin eingesetzte Erbin als befreite Vorerbin anzusehen ist.
Sachverhalt
Der Erblasser war verheiratet und hatte aus dieser Ehe zwei Kinder.
Mit seiner Lebensgefährtin hatte er eine weitere Tochter.
In seinem Testament setzte er seine Lebensgefährtin als Alleinerbin ein und verfügte, dass sie das Vermögen für seine Kinder verwalten solle.
Die Lebensgefährtin beantragte zunächst einen Erbschein als unbeschränkte Alleinerbin, nahm diesen Antrag aber nach Hinweis des Gerichts zurück.
Anschließend beantragte sie einen Erbschein als befreite Vorerbin mit den Kindern als Nacherben.
Das Nachlassgericht wies den Antrag zurück, wogegen die Lebensgefährtin Beschwerde einlegte.
Entscheidung des Oberlandesgerichts
Das Oberlandesgericht wies die Beschwerde zurück.
Es führte aus, dass die Anordnung einer Befreiung von den Beschränkungen der Vorerbschaft gemäß § 2136 BGB eine entsprechende Anordnung in der letztwilligen Verfügung voraussetzt.
Diese müsse nicht ausdrücklich erfolgen, könne aber auch durch Auslegung ermittelt werden.
Im vorliegenden Fall enthielt das Testament keine Anhaltspunkte für eine Befreiung der Lebensgefährtin.
Die Einsetzung als Alleinerbin deute in der Laiensphäre nicht zwingend auf eine unbeschränkte Vorerbschaft hin.
Auch die Erteilung einer Vollmacht über alle Konten spreche nicht für eine Befreiung, sondern diene möglicherweise lediglich der Handlungsfähigkeit der Lebensgefährtin.
Die Anordnung, dass die Lebensgefährtin das Vermögen für die Kinder verwalten solle, deute sogar eher auf eine Beschränkung ihrer Rechte hin.
Der Wille des Erblassers, seine Lebensgefährtin und die gemeinsame Tochter finanziell abzusichern, spreche ebenfalls nicht zwingend
für eine befreite Vorerbschaft, da die Tochter als Nacherbin und die Lebensgefährtin als Vorerbin bereits abgesichert seien.
Die Unterstützung durch einen Steuerberater diene lediglich dem Schutz der Lebensgefährtin vor Haftung.
Auch das Argument, dass die Kinder zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung minderjährig waren und
eine Pflegerbestellung bei Grundstücksverfügungen erforderlich gewesen wäre, überzeugte das Gericht nicht.
Der Erblasser habe alle drei Kinder als Nacherben eingesetzt und damit zum Ausdruck gebracht, dass sie in gleichem Maße am Vermögen teilhaben sollten.
Zusammenfassend stellte das Oberlandesgericht fest, dass sich aus dem Testament keine Anhaltspunkte
für eine Befreiung der Lebensgefährtin von den Beschränkungen der Vorerbschaft ergeben.
Die Formulierungen des Erblassers deuteten vielmehr darauf hin, dass die Kinder sein Vermögen ungeschmälert erhalten sollten.
Konsequenzen der Entscheidung
Die Lebensgefährtin wurde nicht als befreite Vorerbin anerkannt.
Sie ist daher an die Beschränkungen der Vorerbschaft gebunden und kann nicht frei über das Erbe verfügen.
Die Kinder sind als Nacherben abgesichert und werden nach dem Tod der Lebensgefährtin das Erbe erhalten.
Bedeutung des Beschlusses
Der Beschluss des Oberlandesgerichts München verdeutlicht die strengen Anforderungen an die Auslegung von Testamenten,
insbesondere im Hinblick auf die Anordnung einer befreiten Vorerbschaft.
Es reicht nicht aus, dass der Erblasser eine Person als Alleinerbin einsetzt.
Vielmehr müssen sich aus dem Testament konkrete Anhaltspunkte für eine Befreiung von den Beschränkungen der Vorerbschaft ergeben.
Andernfalls ist davon auszugehen, dass der Erblasser die gesetzliche Regelung der Vor- und Nacherbschaft mit ihren Beschränkungen für den Vorerben gewollt hat
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