Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 24. April 1997 – 2Z BR 38/97

Juni 25, 2020

Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 24. April 1997 – 2Z BR 38/97
Voraussetzungen der Eintragung eines Wirksamkeitsvermerks für Grundstücksbelastungen und sonstige Verfügungen des Vorerben im Wohnungsgrundbuch
Tenor
Die weitere Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 13. Februar 1997 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beteiligte zu 1 ist im Grundbuch als Eigentümerin einer Wohnung eingetragen.
Die Wohnung gehört zum Nachlaß des im Jahr 1980 verstorbenen K. H., der u.a. die Mutter der Beteiligten zu 1 als befreite Vorerbin und die im Zeitpunkt des Nacherbfalls lebenden Abkömmlinge des jeweiligen Vorerben zu Nacherben eingesetzt hatte. Der Nacherbfall ist noch nicht eingetreten.
Aufgrund Erbauseinandersetzungsvertrags zwischen den befreiten Vorerben wurde die Mutter der Beteiligten zu 1 im Jahr 1987 als Alleineigentümerin der Wohnung im Grundbuch eingetragen. Gleichzeitig wurde in Abteilung II vermerkt, daß Nacherben die jeweils im Zeitpunkt des Nacherbfalls lebenden Abkömmlinge der Vorerbin, Ersatznacherben die im Zeitpunkt des Nacherbfalls lebenden (anderen) Abkömmlinge des Erblassers sind; der Nacherbfall tritt mit dem Tod der befreiten Vorerbin ein.
Im Jahr 1995 überließ die Mutter der Beteiligten zu 1 letzterer die Wohnung unentgeltlich. Die Beteiligte zu 1 verkaufte im Jahr 1996 die Wohnung an die Beteiligten zu 2.
Die Vertragsteile haben bewilligt und beantragt, eine Eigentumsvormerkung sowie zwei Grundschulden im Grundbuch einzutragen und im Grundbuch zu vermerken, daß die Vormerkung und die Grundschulden gegenüber den Nacherben wirksam sind. Mit Zwischenverfügung vom 16.12.1996 hat das Grundbuchamt den Eintragungsantrag beanstandet. Die Wirksamkeitsvermerke könnten nur eingetragen werden, wenn alle Nacherben, also auch die bisher unbekannten und möglicherweise noch hinzukommenden, den Verfügungen formgerecht zugestimmt hätten. Da die im Zeitpunkt des Nacherbfalls lebenden Abkömmlinge der Vorerbin als Nacherben eingesetzt seien, sei die Bestellung eines Pflegers sowie die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung zur Wahrung der Rechte von bisher unbekannten und möglicherweise noch hinzukommenden Nacherben notwendig. Möglich sei allerdings auch die Eintragung der Verfügungen ohne den Wirksamkeitsvermerk; eine entsprechende Einschränkung des Antrags werde anheimgestellt. Die Erinnerung/Beschwerde der Beteiligten hat das Landgericht mit Beschluß vom 13.2.1997 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich deren weitere Beschwerde.
II.
Das Rechtsmittel ist unbegründet.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Die Zwischenverfügung sei nicht zu beanstanden. Die Vorerbin habe die Wohnung der Beteiligten zu 1 unentgeltlich überlassen; die Verfügung sei deshalb im Fall des Eintritts der Nacherbfolge insoweit unwirksam, als sie das Recht der Nacherben beeinträchtige. Die Wirksamkeitsvermerke müßten von einem noch für die unbekannten Nacherben zu bestellenden Pfleger bewilligt und vom Vormundschaftsgericht genehmigt werden. Dies gelte unabhängig davon, ob es sich bei den von der Beteiligten zu 1 vorgenommenen Verfügungen um entgeltliche Verfügungen handle, die den Nacherben gegenüber wirksam wären, wenn sie vom befreiten Vorerben vorgenommen wären. Eine rechtsgeschäftliche Surrogation hinsichtlich des Veräußerungserlöses nach § 2111 Abs. 1 BGB finde nicht statt, weil nicht der Vorerbe in eigener Person, sondern die Beteiligte zu 1 Erwerberin des Veräußerungserlöses sei. Eine etwaige Einwilligung der Vorerbin zu den von der Beteiligten zu 1 getroffenen Verfügungen ändere daran nichts. Eine rechtsgeschäftliche Surrogation hinsichtlich des Veräußerungserlöses nach § 2019 Abs. 1 BGB scheide aus, weil die Beteiligte zu 1 nicht Erbschaftsbesitzerin sei.
2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Hat ein Vorerbe ein Recht am Grundstück oder eine Vormerkung bestellt, die bei Eintritt des Nacherbfalls wirksam bleiben, so kann die Eintragung eines Wirksamkeitsvermerks verlangt werden. Durch einen solchen wird verlautbart, daß der eingetragene Nacherbenvermerk gegenüber diesem Recht keine Unwirksamkeit im Sinn von § 2113 BGB anzeigt (KG JFG 13, 111/114; KG HRR 1934 Nr. 199; OLG Hamm Rpfleger 1957, 19; Meikel/Bühler Grundbuchrecht 7. Aufl. Rn.102, Demharter GBO 21. Aufl. Rn.25, jeweils zu § 51; Haegele/Schöner/Stöber Grundbuchrecht 9. Aufl. Rn.296).
b) Der Wirksamkeitsvermerk kann im Wege der Berichtigung gemäß §§ 19, 22 GBO im Grundbuch eingetragen werden, wenn alle Nacherben und Ersatznacherben die Eintragung bewilligen oder wenn nachgewiesen wird, daß das einzutragende Recht entgegen § 2113 Abs. 1 und 2 BGB auch bei Eintritt der Nacherbfolge wirksam bleibt; es gilt hier nichts anderes als für die Löschung des Nacherbenvermerks vor Eintritt des Nacherbfalls (vgl. BayObLG Rpfleger 1982, 277).
(1) Ein vom Vorerben bestelltes Recht bleibt dann nach Eintritt des Nacherbfalls wirksam, wenn alle Nacherben der Verfügung des Vorerben zugestimmt haben. Dies ist hier nicht der Fall; das Grundbuchamt hat daher diese Zustimmung (Genehmigung) zu Recht zum Gegenstand einer Zwischenverfügung gemacht.
(2) Durch die Auseinandersetzung und die in deren Vollzug vorgenommene Auflassung des Wohnungseigentums an die Mutter der Beteiligten zu 1 schied dieses nicht aus der der Anordnung der Nacherbfolge unterliegenden Erbschaft aus; es trat vielmehr im Wege der Surrogation an Stelle des der Nacherbfolge unterliegenden Erbteils der Mutter (vgl. RGZ 89, 53/57 f.; BGHZ 40, 115/122 f.; BayObLGZ 1986, 208/213); folgerichtig hat das Grundbuchamt auch zugleich mit der Eintragung der Mutter als Alleineigentümerin des Wohnungseigentums die Nacherbfolge zugunsten der Abkömmlinge der Mutter vermerkt.
(3) Das Wohnungseigentum ist auch nicht durch die Übertragung auf die Beteiligte zu 1 endgültig aus der Vorerbschaft ausgeschieden, da die Verfügung unentgeltlich war, §§ 2136, 2113 Abs. 2 BGB. Wie bereits angesprochen, wäre ein Wirksamkeitsvermerk bei der Vormerkung und den Grundschulden dann einzutragen, wenn eine Beeinträchtigung der Nacherben deshalb ausgeschlossen wäre, weil diese der Verfügung der Vorerbin oder den Verfügungen der Beteiligten zu 1 zugestimmt hätten (vgl. Palandt/Edenhofer BGB 56. Aufl. § 2113 Rn.6; Deimann Rpfleger 1978, 244). Dies ist aber nicht geschehen. Sind wie hier als Nacherben die “bei Eintritt des Nacherbfalls lebenden Abkömmlinge des Vorerben” eingesetzt, so ist deren Person bis zu jenem Ereignis unbekannt; vor Eintritt des Nacherbfalls steht keineswegs fest, daß die Beteiligte zu 1 und deren Schwester als Nacherben nach ihrer Mutter berufen sind. Für die unbekannten Nacherben bedarf es der Zustimmung eines gemäß § 1913 BGB bestellten Pflegers und der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts nach §§ 1915, 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB (BayObLG Rpfleger 1982, 277 m.w.N.). Hier ist deshalb zu Recht vom Grundbuchamt den Beteiligten als Mittel zur Beseitigung des Eintragungshindernisses die Beibringung einer solchen Zustimmung aufgezeigt oder die Einschränkung des Antrags (Eintragung ohne Wirksamkeitsvermerk) anheimgegeben worden.
(4) Da die unbekannten Nacherben der unentgeltlichen Verfügung der Vorerbin nicht zugestimmt haben, stellen sich mit dem Eintritt des Nacherbfalls auch die Verfügungen der Beteiligten zu 1 möglicherweise als unwirksame Verfügungen einer Nichtberechtigten dar. Die Genehmigung der Verfügungen durch die Mutter der Beteiligten zu 1 und Vorerbin vermag daran entgegen der Ansicht der Beteiligten nichts zu ändern.
(5) Die Bewilligung der Vormerkung durch die Beteiligte zu 1 und die Bestellung der Grundschulden durch die Beteiligten zu 1 und 2 sind schon deshalb keine entgeltlichen – und damit gemäß §§ 2136, 2113 BGB wirksamen – Verfügungen der befreiten Vorerbin, weil die Vorerbin nach Überlassung der Wohnung an die Beteiligte zu 1 und nach deren Eintragung im Grundbuch weder befugt war, über die Wohnung zu verfügen noch tatsächlich darüber verfügt hat. Rechtlich ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die von der Vorerbin erklärte Zustimmung zu den genannten Verfügungen. Zwar ist § 185 BGB auf das Verhältnis des Vorerben (als nichtberechtigt Verfügendem) zum Nacherben (als Berechtigtem) entsprechend anzuwenden (BayObLG Rpfleger 1997, 156 f. m.w.N.). Nicht aber ist ein verfügender Dritter, dem der befreite Vorerbe eine Wohnung unentgeltlich zum Eigentum überlassen hat, im Verhältnis zum Vorerben ein nichtberechtigt Verfügender. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde kann deshalb der Vorerbin auch nicht gemäß § 816 Abs. 1 BGB der von den Beteiligten zu 2 zu entrichtende Kaufpreis zustehen. Lediglich für den Nacherben kann unter bestimmten Voraussetzungen (vgl. Staudinger/Behrens/Avenarius BGB 13. Aufl. Rn.104, MünchKomm/Grunsky BGB 2. Aufl. Rn.32, jeweils zu § 2113) ein Bereicherungsanspruch in Betracht kommen.
Das Ergebnis ist entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde auch nicht im Hinblick darauf unbillig, daß die befreite Vorerbin mit Wirksamkeit auch gegenüber den Nacherben entgeltlich über die Wohnung hätte verfügen können. In einem solchen Fall wäre nämlich gemäß § 2111 BGB der Kaufpreisanspruch im Wege der Surrogation in den Nachlaß gefallen; eine solche Surrogation tritt hier aber nicht ein, da der Kaufpreisanspruch der Beteiligten zu 1 zusteht.
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt (vgl. BayObLG NJW-RR 1993, 530 f.).

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