Grundbuchverfahren: Auslegung einer Generalvollmacht als Vorsorgevollmacht

September 25, 2020

Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 06. Juni 2013 – 9 W 266/13

Grundbuchverfahren: Auslegung einer Generalvollmacht als Vorsorgevollmacht

Tenor

Auf die Beschwerde wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts – Grundbuchamt – G. vom 28.02.2013, ergänzt durch Verfügung vom 19.03.2013, aufgehoben.

Das Grundbuchamt wird angewiesen, den Eintragungsantrag nicht aus den Gründen der Verfügungen vom 28.02.2013 und vom 19.03.2013 zurückzuweisen.

Gründe

I.

Mit notarieller Urkunde des verfahrensbevollmächtigten Notars vom 08.02.2013 verkauften die Beteiligten zu 1 und 2 an die Beteiligte zu 3 mehrere in den im Betreff bezeichneten Grundbüchern eingetragene Grundstücke bzw. Miteigentumsanteile. Die Beteiligten bewilligten bzw. beantragten die Eintragung von Auflassungsvormerkungen in den Grundbüchern. Für die Beteiligte zu 2 handelte Frau K. H. unter Vorlage einer durch das Landratsamt S., Betreuungsbehörde beglaubigten Vollmacht vom 25.11.2009. Der Beglaubigungsvermerk ist unterschrieben und mit dem Siegel der Behörde versehen. Die Vollmacht wird in der Überschrift der Urkunde sowie in einer weiteren Textstelle als Vorsorgevollmacht bezeichnet. Die Vollmachtnehmerin wird im Eingang der Urkunde zur Vertretung in sämtlichen Vermögens- und Rechtsangelegenheiten ermächtigt; auf Seite 1 findet sich folgende Regelung: “…Falls trotz dieser Vollmacht eine gesetzliche Vertretung (rechtliche Betreuung) erforderlich sein sollte, bitte ich, die oben bezeichnete Vertrauensperson als Betreuer zu bestellen…”. Die Vollmacht enthält sodann unter A. umfassende Regelungen zur Vertretungsmacht in Vermögensangelegenheiten, insbesondere wird die Vollmachtnehmerin zur Verwaltung des Vermögens der Beteiligten zu 2, zu beliebigen Verfügungen hierüber sowie zum Erwerb, der Belastung und Veräußerung von Vermögensgegenständen jeder Art ermächtigt. Unter B. sind persönliche Angelegenheiten (Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitssorge, Unterbringung und sonstige freiheitsbeschränkende Maßnahmen) geregelt; C. enthält eine Patientenverfügung. Nach Ziff. II der Urkunde soll sich das Innenverhältnis zwischen der Beteiligten zu 2 und der Vollmachtnehmerin nach Auftragsvorschriften richten.

Die Grundbuchrechtspflegerin beanstandete mit Zwischenverfügung vom 28.02.2013 die Form der Vollmacht. Es handele sich entgegen der Überschrift nicht um eine Vorsorgevollmacht, sondern um eine Generalvollmacht, aus der sich insbesondere nicht ergebe, dass ihre Verwendung zumindest im Innenverhältnis nur für den Fall der Betreuungsbedürftigkeit erfolgen dürfe. Eine Beglaubigungszuständigkeit der Betreuungsbehörde sei daher nicht gegeben. Das Grundbuchamt gab dem Notar daher auf, den Vollmachtsnachweis in der Form des § 29 GBO zu führen, setzte hierfür eine Frist und kündigte für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs die Zurückweisung des Eintragungsantrags an. Nach weiterem Schriftwechsel hielt das Grundbuchamt an dieser Forderung fest und verlängerte mit Verfügung 19.03.2013 die gesetzte Frist. Dagegen richtet sich die von dem verfahrensbevollmächtigten Notar eingelegte Beschwerde. Er meint, sowohl aus dem Wortlaut als auch dem Inhalt der Vollmacht ergebe sich, dass es sich um eine Vorsorgevollmacht handele; die Beglaubigungszuständigkeit der Betreuungsbehörde sei daher gegeben. Das Grundbuchamt hat der Beschwerde mit Beschluss vom 15.05.2013 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht vorgelegt. Der Urkundsnotar hat sich zur Nichtabhilfeentscheidung geäußert; er wiederholt und vertieft seine bereits dem Grundbuchamt unterbreitete Rechtsauffassung.

II.

Die Beschwerde ist nach den §§ 71 ff. GBO an sich statthaft und auch sonst zulässig. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Zwischenverfügung, weil das vom Grundbuchamt angenommene Eintragungshindernis nicht besteht.

Die vorgelegte Vollmacht berechtigt ihrem Inhalt nach die Vollmachtnehmerin zur Bewilligung der Eintragung der Auflassungsvormerkungen; das stellt auch das Grundbuchamt nicht in Abrede. Sie wahrt auch die Form des § 29 Abs. 1 S. 1 GBO. Die Streitfrage, ob eine durch die Betreuungsbehörde im Sinne von § 6 Abs. 2 BtBG beglaubigte Unterschrift auf Vorsorgevollmachten den Anforderungen des § 29 Abs. 1 S. 1 GBO genügt, hat sich durch die Änderung der Vorschrift durch Art. 11 des Gesetzes vom 06.7.2009 (BGBl. I, 1696) erledigt (OLG Dresden NotBZ 2010, 409 f.). Der Beglaubigungsvermerk entspricht § 40 BeurkG. Entgegen der Auffassung des Grundbuchamts handelt es sich um eine Vorsorgevollmacht, so dass die Beglaubigungszuständigkeit der Betreuungsbehörde gewahrt ist.

Vollmachten sind vom Grundbuchamt nach den für Grundbucherklärungen geltenden Grundsätzen auszulegen (Demharter, GBO, 28. Aufl., § 19 Rn. 75 m.w.N.). Es ist mithin auf Wortlaut und Sinn der Erklärung abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung der Erklärung ergibt (Demharter, a.a.O. Rn. 28 m.w.N.). Sogenannte Vorsorgevollmachten sind dadurch gekennzeichnet, dass sie der Vermeidung einer rechtlichen Betreuung dienen sollen. Sie unterscheiden sich von anderen Vollmachten vor allem dadurch, dass sie im Hinblick auf die künftig möglicherweise eintretende Geschäftsunfähigkeit bzw. Betreuungsbedürftigkeit des Vollmachtgebers erteilt werden, ohne dass sie deshalb im Außenverhältnis erst zu diesem Zeitpunkt Wirksamkeit erlangen müssten (Müller in Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl., § 1896 Rn. 27 m.w.N.). Eine solche Vollmacht liegt hier ohne Zweifel vor. Dafür spricht zunächst ihre Bezeichnung sowohl in der Überschrift als auch im Text. Aus der Urkunde geht auch mit hinreichender Deutlichkeit hervor, dass die Vollmacht mit dem Ziel der Verhinderung einer Betreuung erteilt ist. Das ergibt sich schon aus der Textpassage “…Falls trotz dieser Vollmacht eine gesetzliche Vertretung (rechtliche Betreuung) erforderlich sein sollte, bitte ich, die oben bezeichnete Vertrauensperson als Betreuer zu bestellen…”, die das Grundbuchamt bei seiner gegenteiligen Auffassung unberücksichtigt gelassen hat. Die Vollmacht enthält, worauf der verfahrensbevollmächtigte Notar zutreffend hingewiesen hat, inhaltlich alle für eine Vorsorgevollmacht typischen und erforderlichen Regelungen (Vermögen, Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung einschließlich Unterbringung) und darüber hinaus eine sogenannte Patientenverfügung. Der Umstand, dass es sich um eine Generalvollmacht handelt, steht dieser Beurteilung anders als das Grundbuchamt meint nicht entgegen, weil sie nur so ihren Zweck, eine Betreuung in jeder Hinsicht entbehrlich zu machen, erfüllen kann (Bamberger/Roth, a.a.O. Rn. 29). Schließlich scheitert eine Auslegung der Urkunde als Vorsorgevollmacht auch nicht daran, dass die Beschränkung des Vollmachtnehmers im Innenverhältnis, von der Vollmacht erst bei Eintritt der Betreuungsbedürftigkeit Gebrauch machen zu dürfen, in der Urkunde nicht verlautbart wurde. Eine solche Erklärung, die zur Vermeidung des Eindrucks einer auch im Außenverhältnis nur bedingt erteilten Vollmacht absolut eindeutig zu formulieren wäre (vgl. hierzu OLG Frankfurt FGPrax 2011, 273 f.; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht FGPrax 2010, 125 ff.) würde zwar die Auslegung einer Urkunde als Vorsorgevollmacht erleichtern, ist jedoch keineswegs zwingender Bestandteil der abstrakten, von dem dem Innenverhältnis zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zu trennenden Vollmacht (Renner, Rpfleger 2007, 367 ff. m.w.N.). Selbst das auf der Internetseite des Bundesministeriums der Justiz veröffentlichte Formular einer Vorsorgevollmacht enthält die vom Grundbuchamt vermisste Regelung des Innenverhältnisses nicht. Soweit in der Literatur ein derartiges Erfordernis aus der Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden vom 04.08.2010 (NotBZ 2010, 409 f.) abgeleitet wird (so wohl Demharter, a.a.O., § 29 Rn. 42), ist das unzutreffend. Nach dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt enthielt auch dort die zu beurteilende Urkunde gerade keine Regelung des Innenverhältnisses.

III.

Eine Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren ist nicht veranlasst, weil Gerichtkosten nicht entstanden sind (§ 131 Abs. 1, 3 KostO) und andere Beteiligte, denen die Erstattung außergerichtlicher Kosten aufgegeben werden könnte, nicht vorhanden sind. Da die Beschwerdeführer durch die Entscheidung des Senats nicht beschwert sind, kommt die Zulassung der Rechtsbeschwerde von vornherein nicht in Betracht.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

Warum ein notarielles Testament?

März 23, 2024
Warum ein notarielles Testament?Von RA und Notar KrauDer Notar prüft Ihre Testierfähigkeit und beurkundet nur, wenn er davon überzeugt ist…
low angle view of balcony against sky

Eintragung Auflassungsvormerkung – Vermutung Inhaberschaft Recht kraft Eintragung – Anordnung Rückgabe Erbschein – OLG München 34 Wx 240/23

März 20, 2024
Eintragung Auflassungsvormerkung – Vermutung Inhaberschaft Recht kraft Eintragung – Anordnung Rückgabe Erbschein – OLG München 34 Wx 240/23Zus…
an abstract blue and white background with cubes

Keine betreuungsgerichtliche Genehmigung bei Bestellung Finanzierungsgrundschuld aufgrund Belastungsvollmacht – OLG Düsseldorf I-3 Wx 86/23

März 19, 2024
Keine betreuungsgerichtliche Genehmigung bei Bestellung Finanzierungsgrundschuld aufgrund Belastungsvollmacht – OLG Düsseldorf I-3 Wx 86/23Zus…