OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Oktober 2018 – I-3 Sa 1/18 Nachlasssache: Zuständiges Gericht für die Entgegennahme der Ausschlagungserklärung in internationalen Erbfällen; Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses bei Versagung rechtlichen Gehörs

April 7, 2019

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Oktober 2018 – I-3 Sa 1/18
Nachlasssache: Zuständiges Gericht für die Entgegennahme der Ausschlagungserklärung in internationalen Erbfällen; Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses bei Versagung rechtlichen Gehörs
1. In internationalen Erbfällen (hier: in Spanien verstorbener Erblasser) ist für die Entgegennahme der Ausschlagungserklärung neben dem nach dem Erbstatut vorgesehenen Gericht das Nachlassgericht zuständig, in dessen Bezirk die erklärende Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.
2. Der Verweisungsbeschluss des Nachlassgerichts entfaltet keine Bindungswirkung für das als zuständig bezeichnete Gericht, wenn die Verweisung unter Versagung rechtlichen Gehörs ergangen ist, d.h. das verweisende Gericht den bekannten Verfahrensbeteiligten nicht vor der Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat.
Tenor
Zuständig für die Bearbeitung des Verfahrens 3 VI 258/18 ist das Amtsgericht Leer.
Gründe
I.
Mit notariell beurkundeter Erklärung vom 8. März 2018 erklärte die Beteiligte die Ausschlagung der Erbschaft nach dem Erblasser. Diese Erklärung übersandte sie an die Amtsgerichte Ratingen (dort eingegangen am 13. März 2018) und Leer (dort eingegangen am 14. März 2018). Das Amtsgericht Ratingen sandte die Erklärung mit Schreiben vom 14. März 2018 unbearbeitet an die Beteiligte zurück, da es für das Nachlassverfahren nicht zuständig sei. Da der Erblasser in Spanien verstorben sei, müsse die Erklärung an eine spanische Behörde übersandt werden.
Das Amtsgericht Leer gab das Verfahren mit Beschluss vom 19. März 2018 zuständigkeitshalber an das Amtsgericht Schöneberg ab, da der Erblasser im Zeitpunkt des Erbfalls weder Wohnsitz noch Aufenthalt im Inland gehabt habe. Mit Beschluss vom 20. April 2018 erklärte sich das Amtsgericht Schöneberg für unzuständig. Es führte aus, da der Erblasser nach dem 17. August 2015 verstorben sei, richte sich die Zuständigkeit gem. § 343 Abs. 2 FamFG n.F. nach seinem letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.
Nachdem das Amtsgericht Leer Ratingen als letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers ermittelt hatte, gab es das Verfahren mit Beschluss vom 26. Juni 2018 zuständigkeitshalber an das Amtsgericht Ratingen ab. Dieses erklärte mit Schreiben vom 5. Juli 2018, das Verfahren könne nicht übernommen werden, da die Bearbeitung des Erbfalls in die Zuständigkeit einer spanischen Behörde falle. Aus Art. 13 EuErbVO folge keine weitere Zuständigkeit des Amtsgerichts Ratingen. Die Ausschlagungserklärung sei nach dieser Vorschrift lediglich zu protokollieren. Die Übermittlung der Erklärung an die im Ausland zuständige Behörde sei Sache der ausschlagenden Person.
Mit Verfügung vom 13. August 2018 hat das Amtsgericht Leer das Oberlandesgericht Oldenburg ersucht, das Amtsgericht Ratingen als zuständiges Nachlassgericht zu bestimmen. Mit Verfügung vom 21. August 2018 hat das Oberlandesgericht Oldenburg die Sache an das Amtsgericht Leer zurückgesandt und erklärt, es sei für die Zuständigkeitsbestimmung nicht zuständig. Zuständiges Gericht sei vielmehr das Oberlandesgericht Düsseldorf, weil das in seinem Bezirk gelegene Amtsgericht Ratingen zuerst mit der Sache befasst gewesen sei. Daraufhin hat das Amtsgericht Leer das Verfahren mit Verfügung vom 29. August 2018 dem Oberlandesgericht Düsseldorf mit der Bitte übersandt, das Amtsgericht Ratingen als zuständiges Nachlassgericht zu bestimmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Nachlassakte Bezug genommen.
II.
Der Senat ist gem. § 5 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 FamFG zur Bestimmung des zuständigen Nachlassgerichts berufen, nachdem sich das Amtsgericht Leer mit Beschluss vom 26. Juni 2018 rechtskräftig für unzuständig erklärt und das Amtsgericht Ratingen durch Verfügung vom 5. Juli 2018 die Übernahme der Sache abgelehnt hat. Die Verfügung des Amtsgerichts Ratingen genügt den Anforderungen an das Merkmal „rechtskräftig“ im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 4 FamFG, weil es insoweit allein darauf ankommt, dass – wie hier – eine den Beteiligten bekannt gemachte ausdrückliche Kompetenzleugnung vorliegt (Senat NJW-RR 2013, 520; OLG Brandenburg FamRZ 2011, 56). Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Düsseldorf für die Zuständigkeitsbestimmung ergibt sich aus § 5 Abs. 2 FamFG. Nachdem das nächsthöhere gemeinsame Gericht der Bundesgerichtshof ist, wird die Zuständigkeitsbestimmung durch das Oberlandesgericht vorgenommen, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasst Gericht gehört. Das ist hier das Oberlandesgericht Düsseldorf, weil die Ausschlagungserklärung zuerst beim Amtsgericht Ratingen eingegangen ist.
Die Zuständigkeit des Amtsgerichts Leer für die Entgegennahme der Ausschlagungserklärung folgt aus Art. 13 EuErbVO, § 31 S. 1 IntErbRVG. Art. 13 EuErbVO begründet eine konkurrierende Sonderzuständigkeit der Gerichte des Mitgliedsstaats, in dem eine Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, für die Annahme der Ausschlagung einer Erbschaft. Dabei beschränkt sich die Zuständigkeit nach Art. 13 EuErbVO nicht lediglich auf die Protokollierung der Erklärung. Vielmehr soll die Ausschlagung einer Erbschaft in internationalen Erbfällen erleichtert werden, indem dem Ausschlagenden die Erklärung gegenüber den Gerichten seines Aufenthaltsstaates ermöglicht wird. Eine Erklärung gegenüber diesem Gericht ersetzt dabei eine Erklärung gegenüber dem nach dem Erbstatut vorgesehenen Gericht (vgl. Dutta, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2018, EuErbVO Art. 13 Rn. 1; Leipold ZEV 2015, 553). Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Leer ergibt sich aus § 31 S. 1 IntErbRVG. Danach ist für die Entgegennahme der Ausschlagungserklärung das Nachlassgericht zuständig, in dessen Bezirk die erklärende Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Leer vom 26. Juni 2018 entfaltet keine Bindungswirkung (§ 3 Abs. 3 S. 2 FamFG), durch die eine Zuständigkeit des Amtsgerichts Remscheid begründet worden wäre. Zwar ist ein Verweisungsbeschluss grundsätzlich für das als zuständig bezeichnete Gericht bindend, § 3 Abs. 3 S. 2 FamFG. Die Bindungswirkung entfällt jedoch, wenn die Verweisung unter Versagung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) ergangen ist, d.h. das Gericht den bekannten Verfahrensbeteiligten vor der Entscheidung entgegen § 3 Abs. 1 S. 2 FamFG keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (Keidel, FamFG, 17. Auflage, § 3 Rn. 37b). Das ist hier der Fall, weil das Amtsgericht Leer die Beteiligte vor Erlass des Verweisungsbeschlusses nicht angehört hat. Die nachträgliche Abgabenachricht ist insoweit nicht ausreichend, so dass der Verweisungsbeschluss keine Bindungswirkung entfaltet.
III.
Nebenentscheidungen sind nicht veranlasst.

Schlagworte

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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