OLG Hamm, Beschluss vom 12. Februar 2013 – I-15 W 52/13 Zur Auslegung einer Vollmacht im Grundbuchverfahren im Hinblick auf die Frage, ob auch ohne ausdrückliche Regelung die Befugnis zur Erteilung von Untervollmacht von der Vollmacht umfasst ist.

April 6, 2019

OLG Hamm, Beschluss vom 12. Februar 2013 – I-15 W 52/13
Zur Auslegung einer Vollmacht im Grundbuchverfahren im Hinblick auf die Frage, ob auch ohne ausdrückliche Regelung die Befugnis zur Erteilung von Untervollmacht von der Vollmacht umfasst ist.
Die angefochtene Zwischenverfügung wird aufgehoben.
Gründe
Die namens der Beteiligten vom Urkundsnotar (§ 15 GBO) eingelegte Beschwerde ist nach §§ 71, 73 GBO zulässig. Da das FGG-RG die Eigenständigkeit der Vorschriften der §§ 71 ff. GBO betreffend die Beschwerde in Grundbuchsachen nicht berührt hat, verbleibt es bei den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Zulässigkeit der Beschwerde. Dazu gehört, dass die Rechtsmittelfähigkeit einer Zwischenverfügung des Grundbuchamtes anerkannt ist, obwohl es sich dabei nicht um eine instanzabschließende Entscheidung handelt (BGH NJW 1994, 1158); § 58 Abs. 1 FamFG ist in diesem Zusammenhang nicht anwendbar.
In der Sache hat die Beschwerde Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Zwischenverfügung.
Der Senat teilt nicht die Auffassung des Grundbuchamts, die Beteiligte zu 2) habe ihren Vater, den Beteiligten zu 1), in der notariellen Urkunde vom 19.12.2008 über die Erteilung einer „Immobilienvollmacht“ nicht dazu bevollmächtigt, bezüglich aller ihr jetzt und in Zukunft von ihrem Vater übertragenen Grundstücke bzw. Wohnungseigentumseinheiten Grundpfandrechte durch einen Unterbevollmächtigten bestellen zu lassen, so dass die Beteiligte zu 2) bei der Grundschuldbestellung nicht ordnungsgemäß vertreten worden sei und deshalb die in ihrem Namen abgegebenen Erklärungen genehmigen müsse.
Lässt sich ein Beteiligter bei der Erklärung einer Grundschuldbestellung in zulässiger Weise vertreten, erstreckt sich die Prüfungspflicht des Grundbuchamtes auch auf den in der Form des § 29 GBO zu führenden Nachweis der Bevollmächtigung des Vertreters. Dabei genügt es, dass der Bevollmächtigte im Zeitpunkt der Bestellung Vollmacht hatte. Die Auslegung einer Vollmacht hat nach den Grundsätzen für die Auslegung von Grundbucherklärungen zu erfolgen (Senat FGPrax 2005, 240 und 2010, 10 [für die Auflassungserklärung]). Maßstab der Auslegung ist deshalb die Bedeutung, die sich nach Wortlaut und Sinn der Erklärung für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende ergibt. Außerhalb der Erklärung liegende Umstände dürfen zur Auslegung nur insoweit herangezogen werden, als sie für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (BGH NJW 1985, 385; 1991, 1613). Dem das Grundbuchverfahren beherrschenden Bestimmtheitsgrundsatz wird allerdings nur genügt, wenn eine Auslegung zu einem zweifelsfreien und eindeutigen Ergebnis führt (BGH NJW 1995, 1081). Diese Einschränkung ist jedoch lediglich dahin zu verstehen, dass Zweifel, die bei der methodisch beschränkten Auslegung verbleiben, nicht durch die Berücksichtigung außerhalb der Urkunde liegender Umstände im Wege weiterer tatsächlicher Ermittlungen, sondern nur durch ergänzenden urkundlichen Nachweis behoben werden können. Dies bedeutet jedoch auch umgekehrt, dass ein bestimmtes Auslegungsergebnis, das sich aus einer urkundlich nachgewiesenen Erklärung ableiten lässt, nicht durch die Einbeziehung von Umständen in Zweifel gezogen werden kann, die im Rahmen einer individuellen Auslegung am Maßstab des § 133 BGB zwar angebracht werden könnten, jedoch in dem auf den formellen Nachweis der Eintragungsvoraussetzungen beschränkten Grundbuchverfahren nicht berücksichtigt werden können.
Ob ein Bevollmächtigter zur Erteilung einer Untervollmacht berechtigt ist, ist, sofern die Befugnis dazu nicht ausdrücklich geregelt ist, im Wege der Auslegung zu ermitteln (§ 133 BGB). Dabei ist in erster Linie auf den Willen des Geschäftsherrn abzustellen. Beruht die Hauptvollmacht auf besonderen Umständen, wird dies in der Regel die Erteilung einer Untervollmacht ausschließen. Anders ist es, wenn der Geschäftsherr kein Interesse daran haben kann, dass gerade der Bevollmächtigte die Angelegenheit persönlich wahrnimmt (vgl. BGH BB 1959, 319).
In der genannten Immobilienvollmachtsurkunde heißt es, die Beteiligte zu 2) bevollmächtige ihren Vater,
– Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte, wie Wohnungs- und Teileigentum sowie Erbbaurechte nebst Bestandteilen und Zubehör sowie ggf. auch Inventar zu verkaufen, die Vertragsbedingungen zu vereinbaren, die Auflassung zu erklären und alle zur Durchführung des Vertrages erforderlichen und zweckmäßigen Erklärungen und Bewilligungen abzugeben und entgegenzunehmen sowie alle hierzu erforderlichen Rechtshandlungen vorzunehmen,
– Wohnungs- und Teileigentum sowie Erbbaurechte aufzuheben,
– beliebige Rechte zu bestellen und zu bewilligen und zu beantragen sowie zu löschen,
– Grundpfandrechte einschließlich Zins- und Nebenleistungen und sonstige Rechte für beliebige Gläubiger und Berechtigte zu bestellen und die Eintragung im Grundbuch zu bewilligen und zu beantragen, dingliche Zwangsvollstreckungsunterwerfung auch nach § 800 ZPO zu erklären, die Löschung von allen dinglichen Rechten zu erklären, die Löschung von allen dinglichen Rechten zu erklären und im Grundbuch zu bewilligen.
Nach Ziffer 3. der „Immobilienvollmacht“ sollte der Bevollmächtigte von allen Beschränkungen des § 181 BGB befreit sein.
In dem notariellen Kaufvertrag mit Auflassung vom 19.11-2012, in dem die Beteiligten zu 1) und 2), letztere vertreten durch den Beteiligten zu 1), das eingangs genannte Wohnungseigentum an die Beteiligten zu 3) und 4) veräußerten, heißt es unter „III. Finanzierungsvollmacht“:
1. Der Veräußerer verpflichtet sich, zur Finanzierung des Kaufpreises sowie ggf. von Nebenkosten und Baumaßnahmen bei der Bestellung von Grundpfandrechten mitzuwirken. Er erteilt daher den Erwerbern -jedem einzeln- die sofort wirksame Vollmacht, vollstreckbare (§ 800 ZPO) Grundpfandrechte im Nennbetrag von bis zu 180.000,00 € mit beliebigen Nebenleistungen zugunsten deutscher Kreditinstitute am Vertragsgegenstand zu bestellen, die banküblichen Sicherheitszweckerklärungen abzugeben sowie Löschungs- und Rangänderungserklärungen in den Abteilungen II und III des Grundbuches zuzustimmen.
2. Mitwirkungspflicht und Vollmacht bestehen hinsichtlich der grundbuchrelevanten Erklärungen nur, wenn von der Vollmacht vor dem amtierenden Notar oder seinem Vertreter Gebrauch gemacht wird. …
Diese „Finanzierungsvollmacht“ in dem Erwerbsvertrag vom 19.11.2012 geht in ihrem Umfang nicht weiter als die dem Beteiligten zu 1) in der „Immobilienvollmacht“ erteilte Vollmacht. Die von den Beteiligten zu 3) und 4) am 19.11.2012 bestellte Grundschuld (UR-Nr. 1595/2012) hält sich im Rahmen der Finanzierungsvollmacht. Es sind keine Gesichtspunkte für die Annahme zutage getreten, dass die Beteiligte zu 2) erkennbar ein Interesse daran haben könnte, dass für sie nur ihr Vater bei der vorliegenden Grundschuldbestellung handeln sollte. Denn sie hat dem Beteiligten zu 1) in der „Immobilienvollmacht“ vom 19.12.2008 eine umfassende Vollmacht, insbesondere auch zur Belastung des Grundstücks bzw. Wohnungseigentums erteilt und dabei zusätzlich dem Urkundsnotar bzw. dessen Vertreter im Amt die Überprüfung ihrer Interessen überantwortet. Dabei ist auch in den Blick zu nehmen, dass sich die Vollmacht nur auf Grundstücke bezieht, die die Beteiligte zu 2) von dem Beteiligten zu 1) erworben hat, und es sich bei dem vorgenommenen Rechtsgeschäft, die Bestellung einer Grundschuld, um eine Routineangelegenheit handelt, bei der die Vollmachtgeberin kein erkennbares schutzwürdiges Interesse an der persönlichen Wahrnehmung der Vertretungsvollmacht durch den Hauptvertreter hat.
Eine Wertfestsetzung ist wegen des Erfolgs des Rechtsmittels nicht erforderlich.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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