Kürzung von Vermächtnissen
RA und Notar Krau
§ 2322 des BGB ergänzt die Vorschriften der §§ 2320 und 2321, die regeln, dass derjenige, dem die Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses durch einen Pflichtteilsberechtigten zugutekommt, die Pflichtteilslast in Höhe des erlangten Vorteils zu tragen hat.
Wenn die ausgeschlagene Erbschaft oder das ausgeschlagene Vermächtnis selbst mit einem Vermächtnis oder einer Auflage belastet ist, muss derjenige, der die Ausschlagung empfängt, auch diese Belastungen tragen.
§ 2322 legt fest, dass der Pflichtteilsanspruch des Ausschlagenden Vorrang vor den Belastungen der ausgeschlagenen Zuwendung hat.
Diese Regelung definiert das Rangverhältnis zwischen den Pflichtteilsberechtigten, den Vermächtnisnehmern, den Auflagenbegünstigten und den Erben gemäß §§ 2320, 2321.
Zudem schützt sie mittelbar auch den Nachberufenen, der sich aber bereits durch allgemeine Haftungsbeschränkungen absichern kann.
Im Verhältnis zu § 2318 führt § 2322 dazu, dass derjenige, der anstelle des ausschlagenden Pflichtteilsberechtigten Erbe geworden ist, Vermächtnisse und Auflagen nur soweit kürzen kann, wie es nötig ist, um den Pflichtteilsanspruch zu erfüllen.
Ein eventueller Mehrwert des Nachlasses muss vollständig zur Tilgung der Vermächtnisse und Auflagen verwendet werden.
Diese Regelung widerspricht § 2318 Abs. 1, der vorsieht, dass die Pflichtteilslasten anteilig von Erben, Vermächtnisnehmern und Auflagenbegünstigten getragen werden müssen.
§ 2322 verdrängt jedoch § 2318 zu Recht, da der Erbe nur durch die freiwillige Ausschlagung des Pflichtteilsberechtigten in die Erbenstellung gekommen ist.
Das Kürzungsrecht ermöglicht es dem Erben, der an die Stelle des Pflichtteilsberechtigten tritt, die Belastungen nur insoweit zu kürzen, wie es zur Befriedigung des Pflichtteilsanspruchs notwendig ist.
Ist eine unteilbare Leistung Gegenstand des Vermächtnisses oder der Auflage, greift das Kürzungsrecht nicht.
Das Kürzungsrecht kann vom Erblasser ausgeschlossen werden, was jedoch oft zur Nachlassinsolvenz führt, da der Ersatzerbe dann möglicherweise haftungsrechtliche Probleme bekommt.
Der Voraus des Ehegatten oder Lebenspartners kann nicht zugunsten des Pflichtteils gekürzt werden, da er dem Pflichtteilsrecht vorgeht. Für den Dreißigsten (§ 1969) gilt dies allerdings nicht.