FG Berlin-Brandenburg 14 K 14201/14

Juli 27, 2017

FG Berlin-Brandenburg 14 K 14201/14 Festsetzungsverjährung bei Schenkungsteuer, Anlaufhemmung bei Anzeigepflicht Dritter, maßgebliche positive Kenntnis der zuständigen Stelle

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Tatbestand FG Berlin-Brandenburg 14 K 14201/14

Mit notariellem Schenkungsvertrag vom 05.11.2002 des Notars B… in C… zur Ur-Nr. 227/… übertrug die Mutter des Klägers ihre Eigentumsanteile an dem Grundbesitz D…-straße (1/1), E…-straße (1/2) und F…-straße (1/3) in C… sowie zwei Eigentumswohnungen der Wohnungseigentumsanlage G…-straße in H… gegen Einräumung eines lebenslangen Nießbrauchs zu gleichen Teilen von je 1/3 auf den Kläger und dessen Schwestern. Auf der letzten Seite der Notarurkunde findet sich ein Stempelabdruck mit dem Text „Abschrift der Urkunde dem FA übersandt“ mit der handschriftlichen Ergänzung des Datums „7.11.2002“.
Eine Aufforderung zur Abgabe einer Schenkungsteuererklärung erhielt weder der Kläger noch eine seiner Schwestern.
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Am 15.12.2009 verstarb die Mutter des Klägers. Im Rahmen der Erbschaftsteuererklärung hierzu, die beim Beklagten am 20.10.2011 einging, wurde der geschenkte Grundbesitz ordnungsgemäß als Vorerwerb aus dem Jahr 2002 erklärt.
Hierauf setzte der Beklagte mit Schenkungsteuerbescheid vom 01.11.2012 für den Kläger die Schenkungsteuer unter Ansatz der von den Lagefinanzämtern festgestellten Grundbesitzwerte mit 624.166,67 € unter Abzug eines Freibetrages von 205.000 € bei einem Steuersatz von 15 v. H. ebenso wie bei seiner Schwester I… auf 62.865 € fest. Bei der Schwester J… wurde noch ein weiterer Vorerwerb in Ansatz gebracht und die Steuer (19 v. H.) auf 99.050 € festgesetzt.
Hiergegen legte der Kläger am 29.11.2012 Einspruch ein und berief sich darauf, dass die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen sei. Der Notar habe Ausfertigungen der Vertragsurkunde sowohl an das Finanzamt K… für Zwecke der Grunderwerbsteuer als auch an das damals für die Schenkungsteuer zuständige Finanzamt L… gesandt. Der Beklagte teilte daraufhin mit, dass ihm die Schenkungsvorgänge bisher nicht bekannt gegeben worden seien. Lediglich eine Veräußerungsanzeige des Notars über das Grundstück E…-straße sei am 11.02.2002 beim Finanzamt K… eingegangen.
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In der beigezogenen Schenkungsteuerakte befindet sich diese Veräußerungsanzeige sowie eine Anlage hierzu, aus der sich die Ur.-Nr. des Notars ergibt sowie die Personalien der drei beschenkten Geschwister. Auf der Rückseite dieser Anlage befindet sich ein Verfügungsstempel der Finanzverwaltung, datiert vom 05.12.2002 mit einer Widervorlage „01.2003“ und der Anmerkung „Vertrag ?“. Ebenfalls handschriftlich ist neben dem Verfügungsstempel die Formulierung „X 8774/92 (19.10,92)“ und „S 8436/99“ vermerkt. Als nächste Seite findet sich unter der Nummerierung Blatt 3 in der Akte der notarielle Schenkungsvertrag mit dem handschriftlichen Vermerk „Eingang 30.3.12“.
Der Beklagte erklärte im Einspruchsverfahren ferner, dass eine Schenkungsteuerfestsetzung bisher unterblieben sei, weil der bekannt gewordene Veräußerungsvorgang gegen Nießbrauchseinräumung unterhalb des jeweiligen Freibetrages gelegen habe.
Darauf erwiderte der Kläger, dass es sich hierbei um eine Schutzbehauptung des Beklagten handele, da der Bedarfswert des Grundstücks E…-straße in C… gemäß der Feststellungen des Beklagtes im Rahmen des streitgegenständlichen Schenkungsteuerbescheides vom 12.05.2014 zum Stichtag 05.11.2002 tatsächlich bei 678.498,00 € lag, so dass allein dieses Grundstück bereits Schenkungsteuer ausgelöst hätte. Denn unter der damals geltenden Fassung des § 25 Erbschaftsteuergesetz -ErbStG- sei ein eingeräumtes Nießbrauchsrecht nicht wertmindernd zu erfassen gewesen.
Der Notar habe entsprechend § 18 Grunderwerbsteuergesetz -GrEStG- den Vertrag über die Übertragung der Grundstücke dem Finanzamt K… übersandt, da jegliche Übertragung von Grundstücken zunächst einmal grunderwerbsteuerbar sei. Erst die Prüfung des vorliegend nach § 3 Nr. 6 GrEStG steuerfreien Vorgangs führe zur Frage einer Schenkungsteuerpflicht. Die Übersendung einer weiteren Urkunde des Notars an die Schenkungsteuerstelle sei deshalb nicht erforderlich gewesen.
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Dies habe das Finanzamt K… offensichtlich auch so erkannt und eine Mitteilung an den Beklagten über den Vorgang gemacht. Warum scheinbar wahllos nur eine Meldung über die Schenkung eines Grundstücks anstelle aller Grundstücke (beurkundet in einer Urkunde) gemacht wurde, sei dem Kläger nicht erklärlich.
Da somit der Beklagte von der Schenkung Kenntnis hatte bzw. hätte haben müssen, sei die Verjährung der Festsetzungsfrist hinsichtlich des gesamten Vorgangs eingetreten. Es sei aus der Akte ersichtlich, dass es eine Befassung mit dem Vorgang gegeben habe, denn bei dem Vermerk „S 8436/99“ handele es sich um einen Vorerwerb der Schwester J… des Klägers. Wieso die Wiedervorlage laut Verfügungsstempel nicht zur Anforderung von Unterlagen und Weiterbearbeitung geführt habe, sei nicht erklärlich. Jedenfalls hätte aber der Beklagte zu dieser Zeit schon Kenntnis von der Gesamtschenkung erlangen können und müssen.
Mit Bescheid vom 12.05.2014 änderte der Beklagte den Schenkungsteuerbescheid nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dahingehend, dass der Erwerb der E…-straße wegen eingetretener Festsetzungsverjährung nicht mehr in Ansatz gebracht und ein Anrechnungsbetrag i. H. v. 1.477 € nach § 14 ErbStG für Vorerwerbe von der bisher festgesetzten Steuer in Abzug gebracht und damit die Steuer auf 61.388,00 € herabgesetzt wurde.
Mit Einspruchsentscheidung vom 10.09.2014 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Die Festsetzungsfrist sei hinsichtlich des restlichen Grunderwerbs nicht abgelaufen, da der Beklagte erst mit der Erbschaftsteuererklärung durch die Angabe der Vorerwerbe Kenntnis erlangt habe.
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Der Notar habe seine Verpflichtung nach § 34 Abs. 2 Nr. 3 ErbStG i. V. m. § 8 ErbStG zur Anzeige der beurkundeten Schenkung gegenüber dem Beklagte nicht erfüllt. Es sei nicht ausreichend den Vorgang dem Finanzamt K… wegen § 18 GrEStG mitzuteilen. Der Anlauf der Festsetzungsfrist sei daher bis zum Ablauf des 31.12.2009 gehemmt gewesen, da die Schenkerin am 15.12.2009 verstorben ist und der Beklagte als die zuständige Behörde für die Erbschaft- und Schenkungsteuer erst durch die eingereichte Erbschaftsteuererklärung von der komplexen Vermögensübertragung erfahren habe.
Der Beklagte sei aufgrund der vom Finanzamt K… übermittelten Veräußerungsanzeige nicht verpflichtet gewesen Ermittlungen anzustellen, da nicht erkennbar gewesen sei, ob es sich um einen schenkungsteuerpflichtigen Vorgang gehandelt habe. Bei überschlägiger Berechnung von (1/3 von 575.000 €) abzüglich persönlichem Freibetrag i.H.v. 205.000 € habe kein Grund zu der Annahme bestanden, dass es sich nicht um eine unter dem Freibetrag liegende und damit steuerfreie Schenkung handele.
Gegen die abweisende Einspruchsentscheidung trägt der Kläger im Klageverfahren vor, der Beklagte sei nach Kenntniserlangung von der Schenkung des hälftigen Anteils an dem Grundstück E…-straße, spätestens am 11.11.2002 durch die entsprechende Veräußerungsanzeige zu dem Grundstück, verpflichtet gewesen, den Kläger und seine Schwestern zur Abgabe einer Schenkungsteuererklärung aufzufordern sowie eine Bedarfswertermittlung für das Grundstück gemäß § 151 Abs. 1 Bewertungsgesetz -BewG- zu veranlassen. Hierbei handele es sich um die gesetzlich vorgesehene Bearbeitung eines Schenkungvorgangs.
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Der Beklagte habe ausweislich der in den Akten befindlichen Verfügung durch Einblick in das Schenkungsverzeichnis auch Kenntnis von weiteren Schenkungen gehabt. Er habe eine neue Nummer in das Schenkungsverzeichnis vorgenommen und eine Wiedervorlage für offensichtlich Januar 2003 verfügt. Der Beklagte sei dann aber nicht mehr weiter tätig geworden und habe so gegen seine gesetzliche Ermittlungspflicht nach § 88 Abgabenordnung -AO- verstoßen.
Der Kläger beantragt,
den Schenkungsteuerbescheid vom 01.11.2012 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 12.05.2014 und der Einspruchsentscheidung vom 05.09.2014 aufzuheben; hilfsweise im Unterliegensfalle die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält an seiner Auffassung fest, dass außer für das Grundstück E…-straße keine Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Dieses Grundstück sei daher nicht mit in die Bemessungsgrundlage einbezogen worden. Im Übrigen beruft er sich auf seine Einspruchsentscheidungen.

Entscheidungsgründe FG Berlin-Brandenburg 14 K 14201/14

Die Klage ist zulässig aber nicht begründet.
Der angefochtene Schenkungsteuerbescheid und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Der Beklagte war nicht gehindert, die Schenkungsteuer für die freigebigen Grundstückszuwendungen – mit Ausnahme der E…-straße – auch noch im Jahr 2012 festzusetzen.
Denn der dem Grunde und der Höhe nach unstreitig entstandene Steueranspruch war bei Erlass des Schenkungsteuerbescheides im Mai 2014 noch nicht erloschen (§ 47 AO). Entgegen der Auffassung des Klägers war zu diesem Zeitpunkt noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten.
Nach § 47 AO erlöschen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis u.a. durch Verjährung. Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind daher nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO). Diese beträgt für die Schenkungsteuer regelmäßig vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO). Sie beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist (§ 170 Abs. 1 AO).
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Abweichend hiervon beginnt die Festsetzungsfrist, wenn eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die  Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO).
Diese Anlaufhemmung gilt jedoch nur, wenn der Steuerpflichtige selbst, ggf. auch neben weiteren Personen, zur Erstattung einer Anzeige und / oder zur Abgabe einer Steueranmeldung oder -erklärung verpflichtet ist, nicht hingegen für den Fall, dass diese Verpflichtung ausschließlich einen von ihm unabhängigen Dritten trifft, der – wie etwa Gerichte, Behörden und Notare – nicht Vertreter des Steuerpflichtigen ist (BFH-Urteile vom 16.02.1994  II R 125/90, BStBl II 1994, 866, vom 04.08.1999  II R 63/97, BFH/NV 2000, 409 und vom 26.10.2006 II R 16/05, BFH/NV 2007, 852 sowie Klein / Rüsken, Abgabenordnung, Kommentar, 10. Auflage, § 170 Rz. 14, m.w.N.). Bedarf es daher  –  wie im Streitfall  –  einer Anzeige des Erwerbs durch den Erwerber und / oder Schenker mit Rücksicht auf die (ausschließliche)  Anzeigepflicht des beurkundenden Notars nicht (§ 30 Abs. 3 i. V. m. § 34 Abs. 2 Nr. 3 ErbStG), greift die Anlaufhemmung gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO nicht ein.
Denn eine andere Auslegung dieser Vorschrift würde dazu führen, dass eine verspätete Anzeige einer Behörde, eines Notars oder eines Gerichtes den Beginn der Festsetzungsfrist gegenüber dem Steuerpflichtigen hinausschieben könnte, obwohl der Steuerpflichtige keinerlei Einfluss auf die Einhaltung der Verpflichtung durch diese „Dritten“ hätte.

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Da den Kläger persönlich keine Verpflichtung traf, den schenkungsteuerlich bedeutsamen Vorgang anzuzeigen bzw. eine Steuererklärung hierzu einzureichen, richtete sich der Beginn der vierjährigen Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden  ist (mit Ablauf des Jahres 2002,) allerdings nicht bevor die Schenkerin verstorben ist, gemäß § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO (15.12.2009). Demgemäß hat erst mit Ablauf des 31.12.2009 für den hier streitigen Schenkungsteuertatbestand die Festsetzungsfrist zu laufen begonnen.
Der Beklagte bzw. das damals zuständige Finanzamt L… hatte ausweislich der beigezogenen Akten durch die Weiterleitung der Veräußerungsanzeige des Notars bezüglich des Grundstücks E…-straße vom Finanzamt K… noch im Jahr der Schenkung 2002 von dieser Grundstücksschenkung Kenntnis erlangt. Nach § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO beginnt die Festsetzungsfrist für die Schenkungsteuer bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat, wobei die jeweils zuerst eingetretene Alternative –  hier also die letztgenannte – lediglich für das Grundstück E…-straße maßgeblich ist (BFH-Urteil vom 05.02.2003  II R 22/01, BStBl II 2003, 502).
Dabei wird der Fristbeginn nach § 170 Abs. 5 Nr. 2 Alternative 2 AO durch den Zeitpunkt des Todes des Schenkers bzw. der Kenntniserlangung nicht vorverlegt, sondern allenfalls auf einen späteren Zeitpunkt verschoben (BFH-Urteile vom 26.10.2006 II R 16/05, BFH/NV 2007, 852, und vom 06.06.2007  II R 54/05, BStBl II 2007, 954, 955). § 170 Abs. 5 Nr. 2 Alternative 2 AO enthält einen auf die Schenkungsteuer beschränkten selbständigen Hemmungstatbestand, der den Beginn der Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. § 170 Abs. 1 und 2 AO) auf den Ablauf des Jahres des Todes des Schenkers oder der Kenntniserlangung des Finanzamts von der vollzogenen Schenkung festlegt.
Durch diese Vorschrift wird bei einer nach § 30 ErbStG bestehenden Anzeigepflicht oder nach § 31 ErbStG durch Aufforderung ausgelösten Erklärungspflicht die in § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO enthaltene Drei-Jahres-Grenze, bis zu der der Anlauf der Festsetzungsfrist längstens gehemmt ist, außer Kraft gesetzt und bei einer  –  wie hier  – lediglich für Gerichte und Notare bestehenden Anzeigepflicht nach § 34 ErbStG der Anlauf der sonst nach § 170 Abs. 1 AO beginnenden Festsetzungsfrist gehemmt (BFH-Urteile vom 05.02.2003  II R 22/01, a.a.O., und vom 06.06.2007  II R 54/05, a.a.O.).

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Fordert das Finanzamt den Steuerpflichtigen, nachdem es gemäß § 170 Abs. 5 Nr. 2 Alternative 2 AO Kenntnis von der vollzogenen Schenkung erlangt hat, noch innerhalb der regulären Festsetzungsfrist zur Abgabe einer Schenkungsteuererklärung auf (§ 31 Abs. 1 ErbStG), greift –  ebenso wie bei einer nach § 30 Abs. 1 und 2 ErbStG bestehenden, aber nicht erfüllten Anzeigepflicht des Erwerbers oder Schenkers (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 18.10.2000  II R 50/98, BStBl II 2001, 14, vom 06.12.2000  II R 44/98, BStBl II 2001, 574, und vom 06.06.2007  II R 54/05, a.a.O.)  –  die reguläre Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO ein. Hinsichtlich des Grundstücks E…-straße hat es der Beklagte bzw. das damals zuständige Finanzamt L… versäumt, innerhalb der regulären Festsetzungsfrist ein Besteuerungsverfahren einzuleiten und abzuschließen.
Hinsichtlich des restlichen Grundstückserwerbs hat der Beklagte dagegen erst mehr als drei Jahre nach der Steuerentstehung von der vollzogenen Schenkung erfahren, so dass die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Jahres des Todes der Schenkerin begonnen hat.
Der Beklagte hat erst durch die Angaben, die in der am 20.10.2011 eingereichten Erbschaftsteuererklärung als Vorerwerbe aufgeführt waren, von den weiteren Grundstückschenkungen Kenntnis erlangt.
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Erst damit sind dem für die Besteuerung der Schenkungen zuständigen Finanzamt (§ 35 Abs.1 Satz 1 ErbStG  i. V. m. § 19 AO) alle Umstände bekanntgeworden, die es für die Prüfung benötigte, ob ein steuerbarer Vorgang vorliegt und ein Besteuerungsverfahren einzuleiten (§ 86 AO ), insbesondere von der Klägerin eine Steuererklärung anzufordern ist (§ 31 Abs.1 ErbStG , § 149 AO ), wie dies bei der rechtzeitigen Anzeige durch den Notar ebenfalls der Fall gewesen wäre.
Da die Mutter des Klägers als Schenkerin aber bereits im Jahr 2009 verstorben war, hat die Festsetzungsfrist somit zum 31.12.2009 zu laufen begonnen, obwohl erst im Jahr 2012 durch die Angaben in der Erbschaftsteuererklärung für die vom Beklagte anzustellende Prüfung in ausreichendem Maße die namentliche Bezeichnung des Schenkers und der Erwerber sowie die Mitteilung des Rechtsgrundes für den Erwerb bekannt war.
Entgegen der Auffassung des Klägers, waren dem Beklagten die im Jahr 2002 vollzogenen Schenkungen – mit Ausnahme der E…-straße – auch noch nicht vor dem Tod der Mutter bekannt.
Nach der Rechtsprechung des BFH steht es einer Anzeige gemäß §§ 30, 34 ErbStG gleich, wenn das für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt anderweitig eine Kenntnis von der Schenkung erlangt, die ihm ohne weitere Ermittlungen die Prüfung ermöglicht, ob ein schenkungsteuerpflichtiger Vorgang vorliegt. Dazu gehört regelmäßig die Angabe des Namens und der Wohnung des Schenkers und des Bedachten (§ 30 Abs. 4 Nr. 1 ErbStG) sowie die Angabe des Rechtsgrundes für den Erwerb.
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Wie schon bei Anwendung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO genügt es auch im Rahmen des Abs. 5 Nr. 2 Alternative 2 der Vorschrift, wenn das für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt nicht durch eine Anzeige gemäß §§ 30, 34 ErbStG, sondern anderweitig in dem erforderlichen Umfang (Name und Anschrift des Schenkers und des Bedachten; Rechtsgrund des Erwerbs) Kenntnis erlangt hat (so zu § 30 ErbStG BFH-Urteil vom 28.05.1998 II R 54/95, BStBl II 1998, 647).
Ebenso, wie die inhaltlichen Anforderungen an eine Anzeige gemäß § 30 ErbStG das Maß dessen vorgeben, was das für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt auch bei anderweitiger Kenntniserlangung erfahren haben muss, damit die Rechtsfolgen des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bzw. Abs. 5 Nr. 2 AO ausgelöst werden, beantwortet sich auch die Frage, wer die Kenntnis erlangt haben muss, aus dem Rechtsinstitut der Anzeige. Das gilt gleichermaßen für das Erlangen der erforderlichen Kenntnis auf andere Weise als durch eine Anzeige. Zwar kann die Anzeige als fristauslösendes Moment durch ein anderweitiges Bekanntwerden der Schenkung ersetzt werden; dies betrifft aber nur das Erlangen der Kenntnis als solches, ohne dass dabei andere Anforderungen an den Inhalt oder denjenigen zu stellen wären, dem die Schenkung bekannt geworden sein muss.
Bereits aus dem Wortlaut des § 30 Abs. 1 ErbStG (ebenso § 34 Abs. 1 ErbStG) ergibt sich, dass die Kenntnis anderer Finanzbehörden als des für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamts nicht ausreicht (BFH-Urteil vom 05.02.2003 II R 22/01, BStBl II 2003, 502; BFH-Beschlüsse vom 07.12.2000 II B 7/00, BFH/NV 2001, 575, vom 05.02.2003 II B 124/02, BFH/NV 2003, 739 und vom 26.08.2004 II B 149/03, BFH/NV 2004, 1626). Denn in § 30 ErbStG ist ausdrücklich davon die Rede, dass die Schenkungen dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer – dies schließt die Schenkungsteuer ein – zuständigen Finanzamt anzuzeigen sind (ebenso § 33 Abs. 1 Satz 1 und § 34 Abs. 1 ErbStG).
Eine derartige Anzeige des Notars über den gesamten Umfang der Schenkung an das Finanzamt L… hat der Kläger zwar behauptet, aber er hat es versäumt, diese Behauptung durch präsente Beweismittel, wie etwa eine schriftliche Einlassung des Notars hierzu, zu belegen. Letztlich kann es aber auch dahingestellt bleiben, ob der Notar nicht nur eine Anzeige an das Finanzamt K… sondern auch an das damals zuständige Erbschaftsteuerfinanzamt übersandt hat, denn der Eingang einer derartigen vollumfänglichen Anzeige lässt sich anhand der beigezogenen Akten nicht feststellen. Diesbezüglich ist der Kläger aber nicht nur hinsichtlich der Absendung der Unterlagen sondern auch bezüglich des tatsächlichen Zugangs beweispflichtig.
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Eine Übermittlung der gesamten Daten an das Finanzamt K… für Zwecke der Grunderwerbsteuer reicht jedenfalls nicht aus.  Denn aus dem Wesen der Anzeige nach § 34 ErbStG ergibt sich weiter, dass die Kenntnis des zuständigen Finanzamts schlechthin, also die Kenntnis irgendeiner Dienststelle, nur dann ausreicht, wenn ihr die Schenkung ausdrücklich zur Prüfung der Schenkungsteuerpflicht bekannt gegeben wird. Für solche Fälle ist es Sache der Behörde, so organisiert zu sein und entsprechend zu handeln, dass der Vorgang unverzüglich an die Dienststelle gelangt, die zur Prüfung der Schenkungsteuerpflicht organisatorisch berufen ist.
Wird die Schenkung dagegen anderen Dienststellen nicht zum Zweck der Prüfung einer Schenkungsteuerpflicht bekannt gegeben, sondern zur Bearbeitung unter dem Gesichtspunkt anderer Steuerarten, reicht deren Kenntnis nach der gesetzlichen Ausgestaltung der Mitwirkungspflichten gemäß § 30 ErbStG nicht aus, um mit Jahresende die Festsetzungsfrist für die Schenkungsteuer in Lauf zu setzen (so schon zur Anzeigepflicht nach dem Grunderwerbsteuergesetz -GrEStG- BFH-Urteil vom 21.06.1995 II R 11/92, BStBl II 1995, 802).
Gemäß diesen Grundsätzen ist im Streitfall der angefochtene Schenkungsteuerbescheid hinsichtlich der darin erfassten Grundstücksschenkungen des Jahres 2002 noch innerhalb der Festsetzungsfrist ergangen.
Denn eine zeitnahe Anzeige des Notars nach § 30 Abs. 3 i. V. m. § 34 Abs. 2 Nr. 3 ErbStG vermochte der Senat nicht festzustellen. Aus dem Inhalt der beigezogenen Akten lässt sich eine entsprechende Anzeige jedenfalls nicht feststellen und der Kläger ist für seine Behauptung, dass der Notar dieser Verpflichtung nachgekommen sei, jegliches präsente Beweismittel schuldig geblieben.
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Der Beklagte als die für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständige Behörde hat auch nicht auf andere Weise zu einem so frühen Zeitpunkt Kenntnis von sämtlichen Grundstücksschenkungen erlangt, so dass die Festsetzungsfrist mit Ablauf eines früheren Jahres als des Jahres 2009 begonnen hätte.
Die Veräußerungsanzeige, die sich in der beigezogenen Schenkungsteuerakte befindet, betraf lediglich die Zuwendung der E…-straße. Bezüglich der weiteren Grundstücksschenkungen ist der Bescheid im Jahr 2012 zwar erst nach Ablauf der bei einer Anzeigepflicht des Klägers gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO in ihrem Beginn längstmöglich um drei Jahre (vgl. BFH in BFHE 193, 48, BStBl II 2001, 14) hinausgeschobenen und ansonsten gemäß § 170 Abs. 1 AO beginnenden Frist ergangen. Jedoch greift hier die Anlaufhemmung nach Abs. 5 Nr. 2 der Vorschrift ein, die für den Fall einer Anzeigepflicht die Begrenzung der Anlaufhemmung auf höchstens drei Jahre außer Kraft setzt.
Nach § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO war der Anlauf der Festsetzungsfrist gehemmt, bis die Erbschaft- und Schenkungsteuerstelle des Beklagtes im Jahr 2012 durch die erklärten Vorerwerbe in der Erbschaftsteuererklärung des Klägers und die damit eingereichte Notarurkunde (Ur-Nr. 227/…) von den vollzogenen Schenkungen Kenntnis erlangte oder die Schenkerin vorher verstirbt (2009). Soweit das Finanzamt K… schon früher von sämtlichen Grundstücksschenkungen Kenntnis erhalten hatte, konnte dies den Anlauf der Festsetzungsfrist gemäß § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO nicht auslösen. Denn die Mitteilung an das Finanzamt K… erfolgte nicht für Zwecke der Schenkungsteuer, sondern für Grunderwerbsteuerzwecke.
Da mit den Anzeigepflichten gemäß §§, 34 30 ErbStG die Unkenntnis der für die Veranlagung der Erbschaftsteuer zuständigen Dienststelle des jeweiligen Finanzamts unter dem Verjährungsgesichtspunkt zu Lasten des Schenkers geht, hilft auch die vom Kläger gestellte Forderung, der Beklagte hätte weitere Ermittlungen anstellen müssen, dem Antrag nicht zum Erfolg (vgl. BFH-Urteil vom 05.02.2003, a.a.O.).
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Denn eine Nachforschungspflicht sieht  das Gesetz gerade nicht vor. Der Senat verkennt dabei nicht, dass der Beklagte durch Einleitung eines Besteuerungsverfahrens und Aufforderung zur Einreichung des Notarvertrages von den gesamten Schenkungen hätte Kenntnis erlangen können.
Dieses Versäumnis führt aber lediglich dazu, dass hinsichtlich der bekannten vollzogenen Schenkung E…-straße Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Mangels positiver Kenntnis von den weiteren Schenkungen, hat ein eventuelles Versäumnis des Beklagten aber keinerlei Auswirkung auf das Tatbestandserfordernis der positiven Kenntnis in dem erforderlichen Umfang, die nach Aktenlage jedenfalls nicht vor dem Tod der Mutter gegeben war.
Anders als in den vom Kläger zitierten Urteilen des BFH (BFH-Urteile vom 21.06.1995 II R 11/92, BStBl II 1995, 802; und vom 30.10.1996 II R 70/94, BStBl II 1997, 11), musste der Beginn der Festsetzungsfrist daher nicht weiter hinausgeschoben werden, denn der Beklagte hatte eben nicht von allen für die Entstehung der Steuerschuld wesentlichen Umständen (unentgeltliche Übertragung der übrigen Grundstücke) positiv Kenntnis erlangt.
Da Einwände gegen die inhaltliche Richtigkeit des Schenkungsteuerbescheides weder vorgetragen worden noch diesbezügliche Anhaltspunkte aus den Akten ersichtlich sind, war die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO genannten Gründe gegeben ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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Schlagworte

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April 18, 2024
Zwangsgeld zur Durchsetzung titulierten Anspruches auf Vorlage notariellen Nachlassverzeichnisses – OLG Köln 24 W 49/23Inhaltsverzeichnis:…