1.
Das Grundbuchamt kann die Vorlage eines Zeugnisses über das Nichtbestehen oder die Nichtausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts nicht verlangen, wenn die Überprüfung des zu vollziehenden notariellen Vertrages ergibt, dass ein Vorkaufsfall nicht vorliegt.
2.
Eine Grundbesitzübertragung steht einem den Vorkaufsfall auslösenden Kauf nicht gleich, wenn die etwa vorkaufsberechtigte Gemeinde nicht in der Lage wäre, in den Vertrag einzutreten, weil sie die für die Grundstücksübertragung vereinbarte Gegenleistung (hier: neben Teilkaufpreiszahlung Übertragung eines anderen Grundstücks) nicht vollständig erbringen könnte.
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Mai 2010 – I-3 Wx 90/10
I.
Mit notariellem „Kauf- und Übertragungsvertrag“ vom 31. März 2009 (UR-Nr. 392/2009 des vertretenden Notars) veräußerte die Beteiligte zu 1. den in Keppeln belegenen Grundbesitz an den Beteiligten zu 2.; die Gegenleistung sollte derart erbracht werden, dass die Beteiligten zu 3. für Rechnung des Beteiligten zu 2. – ihres Sohnes – den in Nergena belegenen Grundbesitz auf die Beteiligte zu 1. übertrugen und der Beteiligte zu 2. weiterhin einen Barkaufpreis von 85.000 € entrichtete.
Mit Schrift vom 21. Juli 2009 haben die Beteiligten beantragt, den Grundbesitz Keppeln auf den Beteiligten zu 2. und den Grundbesitz Nergena auf die Beteiligte zu 1. umzuschreiben; hierzu haben sie unter anderem eine Bescheinigung der Gemeinde Uedem vorgelegt, wonach in Bezug auf den Grundbesitz Keppeln ein Vorkaufsrecht nach dem Baugesetzbuch nicht bestehe beziehungsweise im Falle seines Bestehens nicht ausgeübt werde.
Mit Zwischenverfügung vom 19. August 2009 hat das Grundbuchamt beanstandet, die Beteiligten müssten noch ein Zeugnis der zuständigen Gemeinde Goch, nämlich hinsichtlich des Grundbesitzes Nergena, über das Nichtbestehen beziehungsweise die Nichtausübung des gesetzlichen Vorkaufrechtes gemäß §§ 24 ff BauGB einreichen.
Die hiergegen mit der Begründung, hinsichtlich des Grundbesitzes Nergena liege kein Kauf-, sondern ein Übertragungsvertrag vor, von den Beteiligten eingelegte Beschwerde ist vor dem Landgericht ohne Erfolg geblieben.
Gegen die Zurückweisung ihrer Erstbeschwerde wenden sich die Beteiligten nunmehr mit ihrer weiteren Beschwerde.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Grundakten Bezug genommen.
II.
Das gemäß §§ 71 Abs. 1, 78 Satz 1, 80 GBO a.F. als weitere Beschwerde zulässige Rechtsmittel der Beteiligten hat auch in der Sache Erfolg. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts beruht auf einer Rechtsverletzung im Sinne der §§ 78 Satz 2 GBO a.F., 546 ZPO.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Das Grundbuchamt habe selbständig und eigenverantwortlich zu prüfen, ob der Gemeinde ein Vorkaufsrecht überhaupt zustehe; es könne die Vorlage eines Zeugnisses über das Nichtbestehen bzw. die Nichtausübung des gemeindlichen Vorkaufsrecht nach §§ 24 bis 28 BauGB nicht verlangen, wenn sich aus dem zu vollziehenden notariellen Vertrag ergebe, dass ein Vorkaufsfall nicht gegeben sei. Hier handele es sich bezüglich des Grundbesitzes Nergena zwar nicht um einen Kaufvertrag, sondern um einen Tausch. Auf einen solchen fänden gemäß § 480 BGB jedoch die Vorschriften über den Kauf entsprechende Anwendung. Im übrigen wäre, wollte man anders entscheiden, es für einen Verkäufer ein Leichtes, durch Übertragung von Grundbesitz nicht gegen Geld, sondern beispielsweise gegen marktgängige Wertpapiere das gemeindliche Vorkaufsrecht zu unterlaufen.
2.
Diese Erwägungen halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Zwar hat das Landgericht den Prüfungsumfang des Grundbuchamtes nach zutreffenden rechtlichen Grundsätzen bestimmt und ist es auch ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass sich die Übertragung des Grundbesitzes Nergena als Tausch darstellt. Die vom Beschwerdegericht hieraus gezogenen rechtlichen Folgerungen sind indes nicht tragfähig.
Die den Vorkauf regelnden §§ 463 bis 474 BGB finden anerkanntermaßen auch auf die gesetzlichen Vorkaufsrechte, wozu das im Baugesetzbuch geregelte Vorkaufsrecht für Gemeinden zählt, Anwendung (statt aller: Palandt-Weidenkaff, BGB, 69. Aufl. 2010, vor § 463 Rdnr. 2 und 4). § 463 BGB erfordert für den Eintritt des Vorkaufsfalles das Vorliegen eines Kaufvertrages zwischen dem Vorkaufsverpflichteten und dem Drittkäufer. Es ist seit jeher anerkannt, dass das Vorkaufsrecht nicht bei anderen Schuldrechtsverhältnissen zwischen diesen Personen begründet wird, so beispielsweise nicht bei gemischter Schenkung, Einbringung in eine Gesellschaft oder deren Auseinandersetzung oder bei Tausch (speziell für das gemeindliche Vorkaufsrecht: Krämer MittRhNotK 1961, S. 186/204; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 14. Aufl. 2008, Rdnr. 4113a).
Allerdings hat die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht verkannt, dass „eine einfallsreiche Kautelarpraxis … seit jeher Versuche unternommen (habe), Vorkaufsrechte zu unterlaufen“ (BGHZ 115, 335 ff.). Dem tritt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dadurch entgegen, dass bei der Frage, ob ein Vorkaufsfall gegeben sei, rein formale Kriterien zurücktreten müssten gegenüber einer materiellen Betrachtungsweise und einem interessengerechten Verständnis; es gebe Vertragsgestaltungen, die einem Kauf im Sinne des Vorkaufsrechts so nahe kämen, dass sie ihm unter Berücksichtigung der Interessen des Vorkaufsberechtigten und des Vorkaufsverpflichteten gleichgestellt werden könnten, und in die der Vorkaufsberechtigte zur Wahrung seines Abwehr- und Erwerbsinteresses „eintreten“ könne, ohne die vom Verpflichteten ausgehandelten Konditionen der Veräußerung zu beeinträchtigen (BGH a.a.O. sowie BGH NJW 1998, S. 2136 ff.). In der obergerichtlichen Rechtsprechung sind diese Grundsätze auf das gemeindliche Vorkaufsrecht nach BauGB übertragen worden (OLG Frankfurt NJW 1996, S. 935, dort für den Fall der Vereinbarung einer Gegenleistung nicht in Geld, sondern durch Hingabe von fünf marktgängigen Aktien). Im Ergebnis besteht ein Vorkaufsrecht damit nicht nur in Fällen der Gesetzesumgehung – gemäß § 134 BGB – (so bereits BGH DNotZ 1961, S. 263 f.), sondern auch in denjenigen einer einem Kauf auf die vorbezeichnete Weise gleichkommenden Vertragsgestaltung.
§ 480 BGB führt zu keinem weitergehenden Ergebnis. Zwar kann der Abschluss eines Tauschvertrages über eine Sache, die den Gegenstand eines Vorkaufsrechts bildet, ein Vorkaufsfall sein, aber nur dann, wenn sich der Vorkaufsverpflichtete eine auch vom Vorkaufsberechtigten erbringbare Gegenleistung ausbedungen hat (vgl. MK-H.P.Wes-termann, BGB, 5. Aufl. 2008, § 480 Rdnr. 7, dort aber wohl unter Verwechselung der Beteiligten).
Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, ergibt sich aus dem zu vollziehenden notariellen Vertrag, dass ein Vorkaufsfall nicht gegeben ist, weil in der hier maßgeblichen Hinsicht kein Kaufvertrag mit einem Dritten oder eine diesem gleichkommende Vertragskonstruktion vorliegt.
Die Übertragung des Grundbesitzes Nergena kommt schon deshalb einem Kauf nicht im vorbezeichneten Sinne gleich, weil die etwa vorkaufsberechtigte Gemeinde in den Vertrag nicht „eintreten“ könnte, ohne die von den etwa vorkaufsverpflichteten Beteiligten zu 3. ausgehandelten Konditionen zu beeinträchtigen. Die Gemeinde wäre gerade nicht in der Lage, die vereinbarte Gegenleistung zu erbringen, nämlich den Grundbesitz Keppeln ganz oder teilweise zu übertragen. Erst recht kann keine Rede davon sein, die bezeichnete Gegenleistung sei einer solchen in Geld funktional gleichwertig.
Dafür, dass die vertragliche Konstruktion insgesamt hier gewählt wurde, um ein Vorkaufsrecht der Gemeinde in Bezug auf den Grundbesitz Nergena zu unterlaufen, gibt es ebenfalls keine Anhaltspunkte, weder aus dem eingereichten notariellen Vertrag, noch aus dem Inhalt der Grundakte im übrigen. Der bloße Umstand, dass die Gegenleistung für den Erwerb des Grundbesitzes Keppeln überwiegend – zu rund 64 % – in Geld und nur zum restlichen Teil durch tauschweise Übertragung anderen Grundbesitzes erbracht werden sollte, reicht für sich genommen zur Annahme eines Umgehungsgeschäftes nicht aus.
III.
Hinsichtlich des Erstbeschwerdeverfahrens und des Verfahrens der weiteren Beschwerde ist eine Kostenentscheidung ebensowenig veranlasst wie eine Wertfestsetzung.