Zum Nachweis der Entgeltlichkeit bei der Verfügung über Grundbesitz bei einem neben dem Kaufpreis vereinbarten Nießbrauch für den Vorerben.

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten wird der Beschluss des Amtsgerichts Starnberg -Grundbuchamt – vom 1. August 2013 aufgehoben. Das Grundbuchamt wird angewiesen, den im Wohnungsgrundbuch des Amtsgerichts Starnberg von Starnberg Blatt 5833 in Abt. … eingetragenen Nacherbenvermerk an dem ehemaligen 1/2-Miteigentumsanteil der … zu löschen.

Gründe

I.
Der Beteiligte zu 1 war als Eigentümer von Wohnungseigentum im Grundbuch eingetragen.
Einen Hälfteanteil hatte er im Weg der Erbfolge als (befreiter) Vorerbe erhalten. In Abt. … ist daher an dem ehemaligen Hälfteanteil ein Nacherbenvermerk eingetragen.
Mit Urkunde vom 1.8.2012 veräußerte der Beteiligte zu 1 das Wohnungseigentum an den Beteiligten zu 2. Als Gegenleistungen sind ein Kaufpreis von 215.000 € und ein unentgeltlicher Nießbrauch für den Beteiligten zu 1 auf Lebensdauer vereinbart.
Den Antrag auf Eigentumsumschreibung und Eintragung des Nießbrauchs, der auch den Antrag auf Löschung des Nacherbenvermerks umfasste, hatte das Grundbuchamt zunächst am 22.11.2012 zurückgewiesen, nach erneuter – eingeschränkter – Antragstellung aber am 10.1.2013 die Auflassung und den Nießbrauch eingetragen.
OLG München 34 Wx 415/13
Am 21.5.2013 beantragte der beurkundende Notar erneut die Löschung des Nacherbenvermerks, da von Entgeltlichkeit des Rechtsgeschäfts auszugehen sei.
Diesen Antrag hat das Amtsgericht – Grundbuchamt – nach Anhörung der Nacherben am 1.8.2013 zurückgewiesen.
Es sei von teilweiser Unentgeltlichkeit auszugehen, da das Objekt im Jahr 2005 zu 465.000 € erworben worden sei; der aktuelle Kaufpreis zuzüglich des Werts des Nießbrauchs bleibe um 57.669 € hinter dem Wert zurück.
Hiergegen hat der Notar am 19.10.2013 Beschwerde eingelegt. Die Bewertung des Nießbrauchs sei an Marktwerten, nicht an kostenrechtlichen Vorschriften zu orientieren.
Der Vertrag sei zwischen einander fremden Vertragsteilen abgeschlossen, die vor der Beurkundung längere Zeit verhandelt hätten.
Im Übrigen sei eine im Vergleichsweg vereinbarte Minderung von 20.000 € auf den Kaufpreis von 465.000 € zu berücksichtigen.
Auch habe der Beteiligte zu 2 im Vertrag die nicht auf Mieter umlegbaren Nebenkosten übernommen, die zum Kaufpreis hinzuzurechnen seien.
Der Beschwerde hat das Grundbuchamt nicht abgeholfen.
II.
OLG München 34 Wx 415/13
Das Rechtsmittel ist als unbeschränkte Grundbuchbeschwerde nach § 71 Abs. 1 GBO statthaft. Diese ist zulässig für den Beteiligten zu 2 eingelegt (§ 73 GBO; § 10 Abs. 2 Nr. 3 Fa-mFG in Verb. mit der im Kaufvertrag vom 1.8.2012 – Ziff. XI.1.d) und 2. – enthaltenen Vollmacht) und auch begründet, da das Grundbuch durch den Nacherbenvermerk unrichtig ist, nachdem der Beteiligte zu 1 entgeltlich über das Grundeigentum verfügt hatte. Der Vermerk kann nun – nach erfolgter Anhörung der Nacherben – gelöscht werden.
1. Ein Nacherbenvermerk ist zu löschen, wenn eine Bewilligung der Nacherben vorliegt oder die Unrichtigkeit des Grundbuchs nachgewiesen ist.
Letzteres ist beispielsweise der Fall, wenn das Grundstück aus dem Nachlass ausgeschieden ist (Demharter GBO 29. Aufl. § 51 Rn. 42). Dies kommt in Frage, wenn der Vorerbe wirksam über den Nachlassgegenstand verfügt hat.
Der befreite Vorerbe kann wirksam (§ 2113 Abs. 1, § 2136 BGB) auch über Grundstücke verfügen.
Da von der Beschränkung des § 2113 Abs. 2 BGB aber eine Befreiung nicht möglich ist, benötigt er für unentgeltliche Verfügungen die Zustimmung der Nacherben.
Unentgeltlich ist eine Verfügung des Vorerben über einen Nachlassgegenstand dann, wenn seiner Leistung, mithin dem von ihm aufgegebenen Vermögenswert, objektiv keine oder keine gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht und der Vorerbe subjektiv das Fehlen oder die Ungleichwertigkeit der Gegenleistung erkannt hat oder hätte erkennen müssen
(BGH NJW 1984, 366; vgl. Palandt/Weidlich BGB 73. Aufl. § 2113 Rn. 10; Staudinger/Avenarius BGB Neubearb. 2013 § 2113 Rn. 61).
Ein Nachweis der Entgeltlichkeit als Eintragungsvoraussetzung wird allerdings regelmäßig nicht in der Form des § 29 Abs. 1 GBO geführt werden können, weshalb auch Freibeweis zugelassen wird (Hügel/Zeiser GBO 2. Aufl. § 51 Rn. 80; Demharter § 51 Rn. 42 und § 52 Rn. 23 f.).
OLG München 34 Wx 415/13
Die Rechtsprechung hat den allgemeinen Satz aufgestellt, dass eine entgeltliche Verfügung anzunehmen ist, wenn die dafür maßgebenden Beweggründe im Einzelnen angegeben werden, verständlich und der Wirklichkeit gerecht werdend erscheinen und begründete Zweifel an der Pflichtmäßigkeit der Handlung nicht ersichtlich sind (vgl. Demharter § 51 Rn. 42 und § 52 Rn. 23 m. w. N.; Meikel/Hertel GBO 10. Aufl. § 29 Rn. 439).
Ein solcher Nachweis kann sich auch auf allgemeine Erfahrungssätze stützen.
Ein allgemeiner Erfahrungssatz besagt zum Beispiel, dass ein Kaufvertrag mit einem unbeteiligten Dritten ein entgeltlicher Vertrag und keine verschleierte Schenkung ist, wenn die Gegenleistung an den Vorerben bzw. Testamentsvollstrecker erbracht wird (vgl. Meikel/Hertel § 29 Rn. 440; Hügel/Zeiser § 52 Rn. 78).
Unbeteiligter Dritter ist dabei eine Person, die bis zum Vertragsschluss in keiner persönlichen oder familiären Nähe zum Nacherben stand.
2. Nach diesen Grundsätzen deutet hier nichts auf ein unentgeltliches Geschäft hin. Der Beteiligte zu 1 war laut Eintragung im Grundbuch Eigentümer des gesamten Grundbesitzes und hinsichtlich eines ehemaligen Hälfteanteils befreiter Vorerbe.
Der Grundbesitz wurde an einen unbeteiligten Dritten verkauft. Anhaltspunkte, dass diesem ein verdecktes Geschenk zugewandt werden sollte, sind nicht ersichtlich.
Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Beteiligte zu 1 nur anteilig das Wohnungseigentum als Vorerbe hält, er im Übrigen keinen Beschränkungen unterliegt.
Auch daher ist nicht ersichtlich, dass der Beteiligte zu 1 ein Interesse haben könnte, die Immobilie unter Wert zu veräußern.
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3. Zudem hat der Beteiligte zu 1 aber auch die Gründe für die Preisbildung nachvollziehbar dargelegt. Demgegenüber erscheint der vom Grundbuchamt angesetzte Verkehrswert übersetzt.
Im Beschwerdeverfahren wird ausgeführt, dass der Kaufpreis im Jahr 2005 von zunächst 465.000 € nachträglich durch Vergleich um 20.000 € gemindert war.
Dieser neue Vortrag ist zu berücksichtigen, § 74 GBO. Zugrunde gelegt werden weiter der vom Grundbuchamt herangezogene Kaufpreisindex, eine Minderung des Immobilienwerts von 2% (p. a.) auf den Kaufpreis (vgl. § 47 Satz 1 GNotKG) seit Anschaffung durch den Erblasser und seine Ehefrau im Jahr 2005 sowie ein Sicherheitsabschlag von 10%.
Allerdings hat der Erwerber die nicht auf einen Mieter umlegbaren Nebenkosten, insbesondere also Instandhaltungskosten, schon ab Besitzübergang übernommen,
was nach dem nachvollziehbaren Vortrag des Beteiligten zu 2 einen weiteren Abzug von mindestens 54.000 € rechtfertigt (durchschnittliche anteilige Instandhaltungskosten der Wohnanlage von mindestens 3.000 € p. a. für den zu erwartenden Zeitraum des Nießbrauchs von 18 Jahren).
Der Wert der Leistung des Vorerben ergibt sich, wenn man von dem so berichtigten Preis noch den Wert des Nießbrauchs in Abzug bringt (OLG Braunschweig FamRZ 1995, 443/445).
Denn ein Nießbrauch, den der Erwerber zugunsten des Vorerben bestellt, ist keine Gegenleistung des Erwerbers, sondern mindert den Wert der Leistung des Vorerben (OLG Braunschweig a. a. O.; Palandt/Weidlich § 2113 Rn. 9).
Für die Bestimmung des Geschäftswerts in einem Verfahren, das einen Nießbrauch betrifft, gibt es zwar gesetzliche Vorgaben (vgl. § 52 GNotKG).
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Dies bedeutet jedoch nicht, dass allein diese Berechnungsmethode auch für die Vertragsparteien im Verhältnis untereinander zur Bestimmung von Leistung und Gegenleistung verbindlich wäre.
Der Beteiligte zu 1 hat unter Bezugnahme auf die Berechnung des Maklers, eines Bankfachwirts/Dipl.-Betriebswirts und somit einer fachkundigen Person, nach Abzug des Nießbrauchwertes einen zu erzielenden Kaufpreis von 210.000 € ermittelt.
Die Berechnung geht von einer derzeitigen Monatsmiete von 1.541 € aus, die unter Berücksichtigung der restlichen Lebenserwartung des Beteiligten zu 1 und unter Abzug einer Abzinsung summiert wird.
Die eingesetzten Werte erscheinen plausibel, zumal der Wert des Nießbrauchs dabei ersichtlich unter der Prämisse berechnet ist, dass der Barkaufpreis für den Beteiligten zu 1 angelegt wird, um eine monatliche Sofortrente zu erlangen.
Ein Interesse des Beteiligten zu 1, den Nießbrauch überzubewerten, was den Barbetrag und damit seine Sofortrente verringern würde, kann daher nicht angenommen werden.
Somit sind keine begründeten Zweifel ersichtlich, die gegen eine entgeltliche Verfügung des Vorerben sprächen.
Vor allem ist nicht ersichtlich, dass der Beteiligte zu 1 subjektiv der Meinung war, etwas zu verschenken, nachdem der erzielte Barkaufpreis über dem Betrag liegt, den der Makler als angemessen beziffert hatte.
4. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
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