KG Berlin, 1 W 10/12
Schlusserbeneinsetzung mit Pflichtteilsstrafklausel: Nachweis der Nichtgeltendmachung des Pflichtteils im Grundbuchverfahren durch eidesstattliche Versicherung
Tenor
Die Zwischenverfügung wird aufgehoben.
Gründe
I.
Der Beteiligte zu 1. ist eingetragener Eigentümer des im Beschlusseingang bezeichneten Grundstücks. In Abteilung II lfd. Nr. 1 ist für eine ideelle Grundstückshälfte zugunsten von H… K… ein befristetes Vorkaufsrecht eingetragen. Nach der bei der Eintragung in Bezug genommenen Bewilligung (UR-Nr. 2… /1… des Notars Dr. G… S… ), die die Mutter des Beteiligten zu 1. in dessen Vollmacht erklärt hat, war das Grundstück zu diesem Zeitpunkt an H… K… vermietet. Das Vorkaufsrecht wurde ihm und seinen Erben eingeräumt „in der Art (…), dass das Vorkaufsrecht so lange besteht, als der Mietvertrag besteht“.
Der Beteiligte zu 1. begehrt die Löschung des Vorkaufsrechts.
H… K… und seine Ehefrau E… haben sich mit gemeinschaftlichem Testament vom 15. August 1983 gegenseitig als Erben und die gemeinsame Tochter U… als Schlusserbin eingesetzt. Weiter haben sie bestimmt, dass ihr Enkel, der am 1. September 1964 geborene Beteiligte zu 2., Erbe des Letztversterbenden sein solle, wenn U… nach dem Tode des Erstversterbenden den Pflichtteil fordere. Ferner bestimmten sie einen Testamentsvollstrecker für den Fall, dass der Beteiligte zu 2. Schlusserbe werden und zu diesem Zeitpunkt das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben sollte.
H… K… ist am 19. Januar 19… verstorben, E… K… am 17. Mai 19… und U… S… geb. K… am 1. April 20….
Auf die Zwischenverfügung des Grundbuchamts hat der Beteiligte zu 1. eine Löschungsbewilligung des Beteiligten zu 2. und einen Erbschein vorgelegt, der den Beteiligten zu 2. als Alleinerben seiner Mutter U… I… S… geb. K… ausweist.
Mit weiterer Zwischenverfügung vom 24. Oktober 2011 hat das Grundbuchamt dem Beteiligten zu 1. aufgegeben, eine Zustimmung des Testamentsvollstreckers zur Löschung des Vorkaufsrechts oder einen Erbschein vorzulegen, aus dem ersichtlich sei, dass keine Testamentsvollstreckung gelte. Der Beteiligte zu 1. hat daraufhin eine eidesstattliche Versicherung des Beteiligten zu 2. (UR-Nr. 3… /2… des Notars F… -M… W… ) vorgelegt, mit der dieser versichert, dass seine Mutter nach dem Tode ihres Vaters den Pflichtteil nicht verlangt hat.
Der Beteiligte zu 1. meint außerdem, das Vorkaufsrecht sei inhaltlich gegenstandslos geworden, weil ein Mietvertrag mit Herrn K… oder dessen Erben offensichtlich nicht mehr bestehe. Er trägt dazu vor, das auf dem Grundstück stehende Gebäude sei nach einem Brand nicht mehr bewohnbar. Er selbst habe keine Kenntnisse von den rechtlichen Verhältnissen betreffend das Grundstück, da er Zeit seines Lebens durch die Welt gereist sei. Sein Betreuer versichert an Eides statt, dass ihm während der mehr als einjährigen Betreuungszeit keinerlei Personen bekannt geworden seien, die sich auf ein Mietverhältnis mit dem Beteiligten zu 1. beriefen.
Das Grundbuchamt ist der Ansicht, es könne die eidesstattliche Versicherung des Beteiligten zu 2. wegen der Beweismittelbeschränkung des § 29 Abs. 1 GBO nicht berücksichtigen. Der Beteiligte zu 1. und die Beteiligten zu 3. und 4. haben deshalb Beschwerde eingelegt, der das Grundbuchamt nicht abgeholfen hat.
II.
Die Beschwerde ist als gegen die Zwischenverfügung vom 24. Oktober 2011 gerichtet auszulegen und in dieser Form zulässig (§§ 71 ff GBO) und begründet. Die Zwischenverfügung ist nicht gemäß § 18 GBO veranlasst, denn das beanstandete Hindernis steht der Löschung des Vorkaufsrechts nicht entgegen. Die Zustimmung eines Testamentsvollstreckers oder die Vorlage eines Erbscheins ohne Hinweis auf angeordnete Testamentsvollstreckung sind nicht erforderlich.
Das Versterben der Mietvertragspartner hat ebenfalls nicht zur Beendigung des Mietverhältnisses ipso iure, sondern nur zu einem Übergang des Vertrages auf die Erben geführt. Das Vorkaufsrecht war entgegen der Darstellung des Beteiligten zu 1. auch nicht in der Weise befristet, dass es nur bestehen sollte, solange der Mietvertrag mit H… K… als Vertragspartner geführt wurde. Es ist vielmehr ausdrücklich auch dessen Erben eingeräumt.
Eines Erbscheins für U… S… geb. K… nach E… K… bedarf es nicht. Zwar ist nach § 35 Abs. 1 S. 1 GBO der Nachweis der Erbfolge beim Grundbuchamt grundsätzlich durch einen Erbschein zu führen. Beruht die Erbfolge auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, so genügt die Vorlage dieser Urkunde und der Eröffnungsniederschrift; wenn das Grundbuchamt die Erbfolge dadurch nicht für nachgewiesen erachtet, kann es die Vorlage eines Erbscheins verlangen (§ 35 Abs. 1 S. 2 GBO). „Nicht nachgewiesen“ bedeutet hierbei, dass tatsächliche Ermittlungen über Umstände angestellt werden müssten, die sich außerhalb der Urkunde befinden (Wilsch in Hügel, GBO, 2. Aufl., § 35 Rdn. 104).
U… S… geb. K… war in dem notariellen gemeinschaftlichen Testament der Eheleute K… vom 15. August 1983, das am 29. Juni 1984 eröffnet wurde, als Schlusserbin bestimmt, allerdings nur unter der Bedingung, dass sie nach dem Tode des Erstversterbenden ihren Pflichtteil nicht geltend machen würde. Insofern besteht eine Lücke in dem Nachweis ihrer Erbfolge, die grundsätzlich das Grundbuchamt gemäß § 35 Abs. 1 S. 2, letzter Halbsatz GBO berechtigen würde, die Vorlage eines Erbscheins zu verlangen. Die Lücke ist hier jedoch dadurch geschlossen, dass der Beteiligte zu 2. als einzig verbliebene Auskunftsperson an Eides statt versichert hat, dass seine Mutter nach dem Tode ihres Vaters den Pflichtteil nicht verlangt hat. Diese eidesstattliche Versicherung konnte im Grundbuchverfahren berücksichtigt werden und hat dazu geführt, dass weitere tatsächliche Ermittlungen nicht angestellt werden müssen.
Das Grundbuchamt hat zwar grundsätzlich mit Recht ausgeführt, dass es eigene tatsächliche Ermittlungen nicht anstellen darf (Senat, OLGR 1925, 88; BayObLG, Rpfleger 1983, 104, Demharter, GBO, 28. Aufl., § 35 Rdn. 40) und die eidesstattliche Versicherung im Grundbuchverfahren kein zulässiges Nachweismittel ist. Dieser Grundsatz erfährt jedoch eine (eng begrenzte) Ausnahme für den Nachweis der negativen Tatsache der fehlenden Geltendmachung des Pflichtteils, wenn auch das Nachlassgericht ohne weitere Ermittlungen eine solche eidesstattliche Versicherung (§ 2356 Abs. 2 BGB) der Erbscheinserteilung zugrunde legen würde (OLG Hamm, NJW-RR 2011, 1097; Demharter a.a.O. § 35 Rdn. 39; Herrmann in Kuntze/Ertl/Herrmann/Eickmann, Grundbuchrecht, 6. Aufl., § 35 Rdn. 70; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 14. Aufl., Rdn. 790; Wilsch a.a.O. Rdn. 108). Ist die eidesstattliche Versicherung zum Nachweis der Tatsache inhaltlich geeignet und ausreichend, verblieben also bei ihrer Berücksichtigung keine Zweifel, die über die abstrakte Möglichkeit eines anderen Sachverhalts hinausgehen, so wäre der Verweis auf das Erbscheinsverfahren ein rein formaler und sachlich nicht gerechtfertigter Umweg für die Parteien. Die Vermeidung eines solchen Umwegs ist gerade der Gesetzeszweck von § 35 Abs. 1 S. 2 GBO (OLG Hamm a.a.O.).
Die eidesstattliche Versicherung des Beteiligten zu 2. lässt keinen Raum für Zweifel daran, dass seine Mutter den Pflichtteil nach ihrem Vater nicht geltend gemacht hat. Solche Zweifel ergeben sich insbesondere nicht schon daraus, dass der Beteiligte zu 2. nicht eigene Handlungen, sondern nur ein Unterlassen seiner Mutter bekundet hat, sich seine Versicherung also inhaltlich darauf beschränken muss, dass er keine Kenntnis von gegenteiligen Tatsachen habe. Die eidesstattliche Versicherung von Personen, die nur mittelbare Kenntnis von dem bekundeten Sachverhalt haben, wird auch zugelassen bei dem Nachweis des Nichtvorhandenseins weiterer Abkömmlinge nach dem Versterben beider Elternteile (vgl. BayObLG, DNotZ 2001, 385; OLG Schleswig, Rpfleger 1999, 533; OLG Düsseldorf, FGPrax 2010, 114; Demharter a.a.O. Rdn. 40; Herrmann a.a.O.). Auch in diesem Fall ist stets theoretisch denkbar, dass die Erklärenden nur keine Kenntnis von tatsächlich vorhandenen weiteren Abkömmlingen haben. Der Beteiligte zu 2. war zudem bei dem Tode sowohl seines Großvaters als auch seiner Großmutter 19 Jahre alt und damit geistig ausreichend reif, um zu bemerken und zu verstehen, wenn seine Mutter nach dem Versterben des Großvaters Zahlungsforderungen gegen die Großmutter erhoben hätte. Mit Rücksicht darauf, dass negative Tatsachen nur indirekt nachweisbar sind, und bei Versterben der direkt Betroffenen auch im Erbscheinsverfahren kein weiteres Beweismittel verbleiben würde, sind die Angaben dazu, dass nach seiner Kenntnis der Pflichtteil nicht geltend gemacht wurde und er deshalb auch nicht als Erbe nach seiner Großmutter behandelt wurde, als ausreichend anzusehen.