OLG Hamburg 13 W 59/22, Beschl. v. 10.1.2023 − Keine Voreintragung der Erben bei Vorliegen einer postmortalen Vollmacht
Gründe:
I.
Die Beschwerdeführer begehren die Eintragung einer Grundschuld in das Wohnungseigentum, eingetragen zugunsten des am 30.9.2010 verstorbenen Herrn (…), Blatt (…) beim Amtsgericht Hamburg-Altona.
Der Grundschuldbestellung liegt ein notariell beglaubigter Kaufvertrag an diesem Wohnungseigentum sowie einem weiteren Wohnungseigentumsanteil zugrunde.
OLG Hamburg 13 W 59/22
Beim Kaufvertragsabschluss wurde die vermeintliche Erbin des Herrn (…) vollmachtlos vertreten durch dessen Kinder.
Der Kaufvertrag wurde nachfolgend von der Beteiligten zu 3), die eine notarielle postmortale Generalvollmacht besitzt, genehmigt.
Im Rahmen ihrer Genehmigung erklärte sie, Alleinerbin nach Herrn (…) zu sein. In der gleichen Urkunde wie dem notariellen Kaufvertrag wurden die Beschwerdeführer bevollmächtigt, eine Grundschuld einzutragen und deren Eintragung zu bewilligen.
Laut § 4 der Generalvollmacht ist der Beteiligten zu 3) im Einzelfall eine Unterbevollmächtigung erlaubt. (…)
II.
Voraussetzung einer Eintragung im Grundbuch ist nach § 19 GBO die Bewilligung desjenigen, dessen Recht von der Eintragung betroffen wird.
Diese Bewilligung kann dabei grundsätzlich auch durch einen hierfür Berechtigten erfolgen, soweit dieser seine Berechtigung im Sinne des § 29 GBO nachweisen kann.
Die Beteiligte zu 3) hat einen solchen Nachweis in Form der notariell beurkundeten General- und Vorsorgevollmacht beigebracht.
Die von der Beteiligten zu 3) eingereichte Vollmacht umfasst sämtliche Rechtsgeschäfte, enthält eine Befreiung von den Voraussetzungen des § 181 BGB und soll nach § 4 auch über den Tod des Vollmachtgebers hinaus wirksam bleiben.
Ferner ist sie zur Unterbevollmächtigung berechtigt und hat die Beschwerdeführer ihrerseits wirksam mit notarieller Urkunde bevollmächtigt.
OLG Hamburg 13 W 59/22
Ausreichende Bedenken gegen den Nachweis einer wirksamen Bevollmächtigung ergeben sich nicht daraus, dass die Beteiligte zu 3) erklärt hat, Alleinerbin des Herrn (…) geworden zu sein.
Grundsätzlich gilt nach § 168 BGB, dass eine Vollmacht solange gültig bleibt, bis sie vom Vollmachtgeber bzw. dessen Erben im Fall einer postmortalen Vollmacht widerrufen wird.
§ 172 Abs. 2 BGB bestimmt darüber hinaus, dass die Vertretungsmacht aufgrund einer Vollmachtsurkunde solange fortbesteht, bis die Urkunde zurückgegeben oder für kraftlos erklärt wurde.
Eine Ausnahme hierzu besteht nach § 173 BGB nur, wenn Dritte – hier das Grundbuchamt – positive Kenntnis bzw. fahrlässige Unkenntnis vom Erlöschen der Vollmacht haben.
Eine solche positive Kenntnis folgt jedoch nicht bereits aus der Erklärung der Vollmachtnehmerin in einer notariellen Urkunde, dass sie sich für die Alleinerbin des Vollmachtgebers hält.
Insofern ist bereits unklar, auf welcher Tatsachenbasis die Vollmachtnehmerin diese Erklärung abgegeben hat. Die Frage, ob eine Alleinerbenstellung tatsächlich besteht, lässt sich regelmäßig nur in einem hierfür vorgesehenen Verfahren klären.
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Sofern ein solches Verfahren nicht abgeschlossen ist, besteht ein Interesse an der Wirksamkeit der postmortalen Vollmacht fort.
Jedenfalls im Außenverhältnis, das auch dem Grundbuchamt gegenüber anzunehmen ist, besteht die Legitimationswirkung der Vollmacht fort
(vgl. OLG Stuttgart, MittBayNot 2019, 587).
Das Grundbuchamt ist auch nicht aufgrund des Legalitätsprinzips verpflichtet, die Wirksamkeit der Vollmacht weiter aufzuklären.
Für eine verbindliche Feststellung der Erbenstellung ist das Grundbuchverfahren mit seiner Beschränkung auf präsente Beweismittel ungeeignet.
Zwar hat das Grundbuchamt im Rahmen des Legalitätsprinzips Zweifeln an der Richtigkeit bzw. Wirksamkeit der ihm vorgelegten Erklärungen grundsätzlich nachzugehen.
Das Grundbuchamt ist nicht nur zur Beachtung der förmlichen Eintragungsvoraussetzungen, sondern auch zur Wahrung der Richtigkeit des Grundbuchs verpflichtet (vgl. BGH NJW 1989, 10931).
Unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks des Legalitätsprinzips können vorliegend weitere Nachweise jedoch nicht verlangt werden.
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Das Legalitätsprinzip soll verhindern, dass das Grundbuch materiell unrichtig wird. Insofern ist das Legalitätsprinzip dahingehend eingeschränkt, dass weitere Nachweise nur dann verlangt werden können, wenn dies Auswirkungen auf die Richtigkeit des Grundbuchs hat.
Die Nachweisanforderungen des Grundbuchverfahrens sind kein Selbstzweck, sondern sollen verlässliche Eintragungsgrundlagen sicherstellen und die Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen in standardisierten Verfahren ohne einzelfallbezogene Beweiswürdigung ermöglichen
(vgl. KG Berlin, FGPrax 2021, 99, 1002).
Die Gefahr einer materiellen Unrichtigkeit ist jedoch jedenfalls dann, wenn keine weiteren Gründe für die Unwirksamkeit der Bevollmächtigung erkennbar sind, aus der Sicht des Grundbuchamts nicht gegeben.
Sollte die Vollmacht mangels Alleinerbenstellung wirksam sein, wäre die Eintragung zu vollziehen.
Sollte die Beteiligte zu 1) Alleinerbin sein, so wäre sie Berechtigte im Sinne der §§ 19, 39 GBO.
82) Auch einer Voreintragung der Beteiligten zu 1) nach § 39 GBO bedarf es im vorliegenden Fall nach § 40 Abs. 1 GBO analog nicht.
Zwar ist umstritten, ob die Vorschrift des § 40 Abs. 1 GBO auf Finanzierungsgrundschulden anzuwenden ist.
So spricht insbesondere der Wortlaut des § 40 Abs. 1 GBO gegen eine solche Anwendung, da es sich weder um eine Übertragung noch eine Aufhebung eines Rechts, sondern vielmehr um eine Belastung handelt.
Eine Voreintragung solle nur in Fällen entbehrlich sein, in denen der Erbe unmittelbar mit seiner Eintragung wieder aus dem Grundbuch verschwindet
(vgl. KG Beschluss vom 2.8.2011 – 1 W 243/11, FGPrax 2011, 270).
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Andererseits sprechen die gewichtigeren Gründe für eine entsprechende Anwendung des § 40 Abs. 1 GBO in denjenigen Fällen, in denen der Erblasser eine postmortale Vollmacht erteilt hat.
Insofern ist zu berücksichtigen, dass nach ganz überwiegender Meinung im Falle der Veräußerung eines vererbten Grundstücks zur Eintragung einer Auflassungsvormerkung für den Erwerber die Voreintragung der Erben nicht erforderlich ist.
Die Auflassungsvormerkung dient insofern allein dem Zweck, die endgültige Übertragung vorzubereiten und zu sichern und ist in ihrem rechtlichen Bestand von dem Bestand des gesicherten Übertragungsanspruchs abhängig
(vgl. u. a. KG, Beschluss vom 2.8.2011, 1 W 243/11;
Bauer/Schaub, GBO, 4. Aufl., § 40 Rn. 17).
Eine vergleichbare Sachlage ist aber auch bei einer Finanzierungsgrundschuld wie im vorliegenden Fall gegeben.
Auch diese dient dem Zweck, die regelmäßig kurz danach erfolgende Eigentumsübertragung vorzubereiten und ist ohne weiteres identifizierbar.
Zudem ist ihre Bestellung durch die Erklärung des postmortal bevollmächtigten Beteiligten für die Erben bindend geworden.
Auch in diesem Fall liegt eine Konstellation vor, in welcher der berechtigte Erbe alsbald wieder aus dem Grundbuch verschwindet. Hinzu kommt, dass das Handeln des postmortal Bevollmächtigten rechtskonstruktiv vergleichbar ist mit dem Handeln eines Nachlasspflegers, für den die Ausnahme vom Voreintragungsgrundsatz nach § 40 Abs. 1 Alt. 2 Fall 2 GBO ausdrücklich gilt
(vgl. insofern auch OLG Frankfurt a. M., ZEV 2017)
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