OLG München 31 Wx 183/19

September 18, 2022

OLG München 31 Wx 183/19, Beschluss vom 12.11.2019 – Erbscheinsverfahren, keine ausdrückliche Erbeinsetzung des Beschwerdeführers für den ersten Erbfall.

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Amtsgerichts Augsburg – Nachlassgericht – vom 28.01.2019 wird zurückgewiesen.

2. Der Beschwerdeführer trägt die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens, außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet.

3. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auch bis zu 420.000 € festgesetzt.

Gründe OLG München 31 Wx 183/19

I.

Die verheiratete Erblasserin ist am 22.8.2018 verstorben. Sie hinterlässt ihren Ehemann (Beteiligter zu 1) und die beiden gemeinsamen Kinder (Beteiligte zu 2 und 3).

Die Ehegatten errichteten am 10.08.2002 ein von ihnen eigenhändig ge- und unterschriebenes Testament, in dem es auszugsweise heißt:

“Wir (Ehemann) geb. am (…) und (Ehefrau) geb. am (…) wollen dass nach unserem Tod das Haus unser Sohn (Beteiligter zu 2) … bekommt.

Er muss aber unserer Tochter 35% ausbezahlen. Wenn noch Geld vorhanden ist, bekommt jedes die Hälfte.

(Beteiligter zu 2) bekommt die Münzen und Vaters Sachen.

(Beteiligte zu 3) bekommt Schmuck, Puppen, Handarbeiten, Kaffee- und Speiseservice, Silber-Besteck.

(Unterschriften)”

Auf der Grundlage dieses Testaments beantragte der Ehemann beim Nachlassgericht einen Alleinerbschein.

Das Nachlassgericht lehnt die Erteilung eines entsprechenden Erbscheins ab. Es ist der Ansicht, dass das fragliche Testament keine Regelung für den ersten Erbfall enthalte.

Dagegen richtet sich die Beschwerde.

II.

OLG München 31 Wx 183/19

Die zulässige Beschwerde bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.

Zutreffend ist das Nachlassgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beschwerdeführer die Erblasserin nicht aufgrund Testaments vom 10.8.2002 allein beerbt hat.

Die dagegen vom Beschwerdeführer vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.

1. Das Testament vom 10.8.2002 enthält – was auch vom Beschwerdeführer nicht angezweifelt wird – keine ausdrückliche Erbeinsetzung des Beschwerdeführers für den ersten Erbfall.

2. Soweit der Beschwerdeführer meint, eine Erbeinsetzung des überlebenden Ehegatten für den ersten Erbfall ergebe sich durch Auslegung der Verfügung, trifft dies nicht zu.

a) Bei einer Testamentsauslegung gemäß § 133 BGB kommt es auf den wirklichen Willen des Erblassers an, ohne am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften

(BGH ZEV 1997, 376; FamRZ 2012, 26;

Leipold in: MüKo/BGB, 7. Auflage <2017> § 2084 Rn. 1;

Czubayko in: Burandt/Rojahn Erbrecht, 3. Auflage <2019> § 2084 Rn. 9;

Krätzschel in: Firsching/Graf Nachlassrecht, 11. Auflage <2019> § 9 Rn. 11;

Fleindl in: NK-Erbrecht 5. Auflage <2018> § 2084 Rn. 3).

Eine Erbeinsetzung, die in dem Testament nicht enthalten und nicht einmal angedeutet ist, kann den aufgeführten Formzwecken nicht gerecht werden. Sie ermangelt der gesetzlich vorgeschriebenen Form und ist daher gemäß § 125 S. 1 BGB nichtig (BGH NJW 1981, 1737; OLG München FGPrax 2013, 72).

Auch wenn Ehegatten sich üblicherweise gegenseitig selbst bedenken, stellt diese Tatsache keinen ausreichenden Anhalt für eine gegenseitige Erbeinsetzung dar. Die gegenseitige Erbeinsetzung kann daher nicht allein aufgrund der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testamentes angenommen werden

(BGH a.a.O. S. 1738; Horn in: Horn/Kroiß Testamentsauslegung, 2. Auflage <2019> § 24 Rn. 62;

Krätzschel in: Firsching/Graf, Nachlassrecht, 11. Auflage <2019> § 9 Rn. 17 “Fehlende Alleinerbeneinsetzung”).

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze teilt der Senat die Ansicht des Nachlassgerichts, wonach das verfahrensgegenständliche Testament für den ersten Erbfall keine Erbeinsetzung des Beschwerdeführers enthält.

aa) Dabei bedurfte es auch nicht zunächst einer Beweisaufnahme durch das Nachlassgericht zur Klärung der Frage klärt, ob die Ehegatten den überlebenden als Alleinerben einsetzen wollten oder nicht. Das Nachlassgericht durfte einen entsprechenden Willen unterstellen und zugleich im Wege der Testamentsauslegung ermitteln, ob ein entsprechender Wille im Testament angedeutet ist oder nicht (BGH NJW 2019, 2317/2319).

bb) Auch nach Auffassung des Senats findet sich für eine Erbeinsetzung des überlebenden Ehegatten keine hinreichende Andeutung in der Verfügung.

Soweit der Beschwerdeführer vorträgt, eine solche Auslegung ergebe sich aus dem Wortlaut, da die Ehegatten von “unserem Tod” gesprochen haben, trägt dieser Einwand nicht. Die Formulierung kann ebenso gut zur Begründung dafür herangezogen werden, dass die Eheleute (gerade nur) den Tod des Letztversterbenden regeln wollten, denn dann wäre die Formulierung “nach unserem Tod” im Sinne von “wenn wir beide tot sind…” passend für die Formulierung eines entsprechenden Willen.

Gleiches gilt für den Umstand, dass die Ehegatten von “unserem Haus” sprechen. Die Formulierung selbst ist für sich genommen wenig aussagekräftig, da es durchaus naheliegend ist, dass die Eheleute zu Lebzeiten das gemeinsam erwirtschafte Vermögen als Einheit betrachtet haben. Dass nach dem Tode des Letztversterbenden das Pronomen “unser” unzutreffend wäre, weil dann der überlebende Ehepartner Alleineigentümer geworden wäre, reicht nach Ansicht des Senats jedenfalls nicht aus, um darin die Erbeinsetzung des überlebenden Ehegatten für den ersten Erbfall zu sehen.

Soweit die Beschwerde schließlich vorträgt, der überlebende Ehegatte habe das gemeinsame Haus bis zum Tode des Längerlebenden bewohnen sollen, findet sich dafür im Testament ebenfalls keine Stütze, so dass nicht entschieden werden muss, ob dies ein ausreichender Anhaltspunkt für eine entsprechende Auslegung wäre.

Dass die Abwicklung des ersten Erbfalls dadurch schwierig ist, rechtfertigt ebenfalls keine andere Entscheidung. Es ist weder die Aufgabe der Nachlassgerichte, noch der diesen nachfolgenden Beschwerdegerichte, im Wege der Auslegung unterbliebene Verfügungen zu kreieren, um eine praktisch erscheinende Abwicklung von Erbfällen zu ermöglichen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

Die Festsetzung des Geschäftswertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf dem wirtschaftlichen Interesse des Beschwerdeführers, einen Erbschein als Alleinerbe zu erhalten und dem zum Todestag festgestellten Nachlasswert aufgrund des vorgelegten Nachlassverzeichnisses vom 4.1.2019 (§§ 61, 36, 40 GNotKG).

IV.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG)

OLG München 31 Wx 183/19

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

cemetery with bare trees

Belastung Vermächtnisnehmer mit Grabpflege ist höchstpersönlich und geht nicht auf dessen Erben über – AG München 158 C 16069/22

April 18, 2024
Belastung Vermächtnisnehmer mit Grabpflege ist höchstpersönlich und geht nicht auf dessen Erben über – AG München 158 C 16069/22Zusammenfassun…
paragraph, a book, law

Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Gewährung eines Zuwendungsnießbrauchs – OLG Saarbrücken 5 U 35/23

April 18, 2024
Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Gewährung eines Zuwendungsnießbrauchs – OLG Saarbrücken 5 U 35/23Pflichtteilsergänzungsanspruch (§ 232…
paragraph, gold, law

Zwangsgeld zur Durchsetzung titulierten Anspruches auf Vorlage notariellen Nachlassverzeichnisses – OLG Köln 24 W 49/23

April 18, 2024
Zwangsgeld zur Durchsetzung titulierten Anspruches auf Vorlage notariellen Nachlassverzeichnisses – OLG Köln 24 W 49/23Inhaltsverzeichnis:…