OLG München 31 Wx 33/10-Beschluss v. 15.07.2010, Auslegung, Zuwendung einer wertlosen Wohnungseinrichtung
Tenor
I.
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des Amtsgerichtes München vom 17. Januar 2010 aufgehoben.
II.
OLG München 31 Wx 33/10
Der Antrag der Beteiligten zu 1 auf Erteilung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin der Erblasserin ausweist, wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die am … 2009 im Alter von 83 Jahren verstorbene Erblasserin war ledig und kinderlos.
Die Erblasserin erteilte am 4.2.2009 hinsichtlich ihrer Sparkonten (ob für sämtliche ist derzeit nicht abschließend geklärt) Kontovollmacht für die Beteiligte zu 1.
Des Weiteren traf sie am 28.2.2009 eine Vorsorgevollmacht zugunsten der Beteiligten zu 1 sowie eine Patientenverfügung.
Am 01.03.2009 richtete die Erblasserin ein eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament mit folgendem Inhalt:
„(Erblasserin) 01.03.2009
Testament (Beteiligte zu 1), …, ist berechtigt, die gesamte Wohnungseinrichtung in Empfang zu nehmen.
(Beteiligte zu 1), bitte erfüllen Sie das Vermächtnis: Herrn K. A., (…), 500 Euro zu überweisen.
Dies bestätigt: (Erblasserin)
(Ort), den 01.03.2009 (Unterschrift der Erblasserin)“
Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus Wertpapieren in Höhe von ca. 12.000 € sowie aus Bar- und Geldvermögen in Höhe von ca. 38.000 €.
Am 23.10.2009 beantragte die Beteiligte zu 1 unter Berufung auf das Testament vom 01.03.2009 einen Erbschein, der sie als Alleinerbin ausweist.
Sie ist der Auffassung, dass die Erblasserin ihr mit diesem Testament eine Alleinerbenstellung zukommen lassen wollte.
Dies zeige sich darin, dass die Erblasserin ihr umfängliche Kontovollmachten erteilt habe und sie in ihrem Testament vom 01.03.2009 gebeten habe, das Vermächtnis für Herrn A. zu erfüllen.
OLG München 31 Wx 33/10
Die Beteiligte zu 2 ist demgegenüber der Auffassung, dass das Testament vom 01.03.2009 keine Erbeinsetzung, sondern nur die Anordnung zweier Vermächtnisse beinhalte.
Das Testament vom 01.03.2009 enthalte gerade nicht die Formulierung, zu „meinem Erben setzte ich ein …“ oder „… vermache ich mein Vermögen …“.
Zu dem sei es nicht unüblich, eine dritte Person umfassend zu bevollmächtigen, ohne sie zugleich als Erben einzusetzen.
Die Bitte in dem Testament vom 01.03.2009, dass die Beteiligte zu 1 das Vermächtnis zugunsten des Herrn A erfüllen solle, ergebe sich aus der über den Tod hinaus erteilten Vollmacht.
Daher sei davon auszugehen, dass gesetzliche Erbfolge eingetreten sei.
Mit Beschluss vom 17.01.2010 bewilligte das Nachlassgericht den von der Beteiligten zu 1 beantragten Erbschein und setzte die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses aus.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 2. Sie ist weiterhin der Auffassung, dass das Testament keine Erbeinsetzung enthalte, sondern lediglich die Anordnung zweier Vermächtnisse.
Zu Unrecht habe das Nachlassgericht eine Andeutung der Erbeinsetzung zugunsten der Beteiligten zu 1 in dem Testament bejaht.
Zudem sprächen auch keine äußeren Umstände für eine Erbeinsetzung.
Die Erblasserin habe gerade keine Verfügung von Todes wegen getroffen, sondern der Beteiligten zu 1 lediglich eine Konto- sowie eine Vorsorgevollmacht ausgestellt.
Daraus könne der Schluss gezogen werden, dass die Erblasserin gerade nicht der Beteiligten zu 1 ihr gesamtes Vermögen nach ihrem Ableben vermachen wollte.
II.
OLG München 31 Wx 33/10
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Die Beteiligte zu 1 ist nicht Erbin der Erblasserin geworden.
Ihre Erbeinsetzung ergibt sich nicht aus dem Testament vom 01.03.2009, sondern es ist gesetzliche Erbfolge eingetreten, so dass ihr Antrag auf Erteilung eines Alleinerbscheins zurückzuweisen ist.
1. Eine ausdrückliche Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1 findet sich in dem Testament vom 01.03.2009 nicht. Ihr wurde darin ausdrücklich (lediglich) die Wohnungseinrichtung vermacht.
Gemäß § 2087 Abs. 2 BGB ist die Zuwendung nur einzelner Gegenstände im Zweifel nicht als Erbeinsetzung aufzufassen.
Die Vorschrift kommt jedoch erst dann zur Anwendung, sofern im Wege der individuellen Auslegung (§§ 133, 2084 BGB) kein anderer Erblasserwillen festgestellt werden kann.
Führt diese zu einem eindeutigen Ergebnis, ist für die Anwendung der gesetzlichen Regel kein Raum
(BGH FamRZ 1972, 561;
BayObLG FamRZ 90, 1399).
a) So ist – entgegen dem Wortlaut des § 2087 Abs. 2 BGB – regelmäßig anzunehmen, dass der Testierende eine Erbeinsetzung bezweckt, wenn er praktisch sein ganzes Vermögen an die bedachten Personen aufgeteilt hat, da nicht angenommen werden kann, dass er gar keinen Erben berufen wollte
(BayObLG NJW-RR 1997, 517; 2001, 656/657;
BayObLG FamRZ 2005, 1202/1203 m. w. N.).
Auch die Zuwendung eines Gegenstandes kann Erbeinsetzung sein, wenn entweder der Nachlass dadurch erschöpft wird
(BayObLGZ 1966, 408)
oder wenn sein objektiver Wert das übrige Vermögen so erheblich übertrifft, dass der Erblasser ihn offensichtlich als wesentlichen Nachlass angesehen hat
(BayObLG FamRZ 1995, 836),
was z.B. dann der Fall ist, wenn eine Immobilie wie ein Hausgrundstück oder eine Eigentumswohnung des Erblassers einen Hauptnachlassgegenstand bildet
(vgl. BayObLG FamRZ 1997, 1177/1178; FamRZ 1999, 59/60; NJW-RR 2000, 1174).
Eine Erbeinsetzung kann aber auch darin liegen, falls ein Bedachter das „übrige Vermögen“ und damit alles erhalten soll, was nicht ausdrücklich als Zuwendung einzelner Gegenstände an andere Personen verteilt wurde, wenn dieses Restvermögen den Wert jeder einzelnen anderen Zuwendung erheblich übersteigt, selbst wenn es dann die anderweitigen Verfügungen insgesamt wertmäßig nicht übertrifft
(BayObLG NJW-RR 2002, 1232).
Ebenso kann die Einsetzung auf bestimmte Vermögensgruppen als Erbeinsetzung auf einen Bruchteil oder sogar auf das ganze Vermögen und nicht als Anordnung eines Vermächtnisses auszulegen sein
(vgl. BGH FamRZ 1972, 561/563;
BayObLG FamRZ 1995, 835/836; 1999, 62/63;
BayObLGZ 2003, 149; BayObLG FamRZ 2005, 310).
Entscheidend ist, ob der Erblasser durch die bedachten Personen seine wirtschaftliche Stellung fortgesetzt wissen wollte und ob der Bedachte nach dem Willen des Erblassers auch den Nachlass zu regeln hatte
(BayObLG FamRZ 1999, 1392, 1394;
BayObLG FamRZ 2001, 1174/1176).
Auszugehen ist dabei von den Vorstellungen, die der Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung über die voraussichtliche Zusammensetzung seines Nachlasses und den Wert der in diesen fallenden Gegenstände hatte
(BGH FamRZ 1972, 563;
BayObLG NJW-RR 1995, 1096; 1997, 517).
OLG München 31 Wx 33/10
Ausgehend von diesen Grundsätzen kann in der Zuwendung der Wohnungseinrichtung keine Erbeinsetzung erblickt werden, da dieser ausweislich des Nachlassverzeichnisses keinerlei Wert beizumessen ist und daher das Geld- und Wertpapiervermögen als wesentlicher Nachlassgegenstand anzusehen ist.
b) Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Erblasserin jenseits vernünftiger Zweifel im Zeitpunkt der Testamentserrichtung fälschlich von der Vorstellung ausgegangen war,
dass lediglich die Notwendigkeit für eine Testierung über die Wohnungseinrichtung gegeben war, und daher eine entsprechende Lücke in dem Testament vom 1.3.2009 entstand, die im Wege der ergänzenden Auslegung zu schließen ist, liegen nach Überzeugung des Senats nicht vor.
aa) Dem Testament selbst ist eine solche Vorstellung der Erblasserin nicht zu entnehmen.
Dass die Beteiligte zu 1 nach dem Willen der Erblasserin das Vermächtnis erfüllen soll, stellt unter den hier gegebenen Umständen kein starkes Indiz für eine Erbeneinsetzung dar.
Genauso möglich ist nämlich, dass Anknüpfungspunkt für die Anordnung der Erfüllung des Geldvermächtnisses die der Beteiligten zu 1 von der Erblasserin erteilte Kontovollmacht über ihren Tod hinaus ist. Denn durch diese wird die Beteiligte zu 1 in die Lage versetzt, den Willen der Erblasserin unmittelbar zu erfüllen.
bb) Aber auch aus Umständen außerhalb des Testaments lassen sich solche Anhaltspunkte nicht finden, die den Schluss nahe legen, dass die Erblasserin – wie vom Nachlassgericht angenommen – fälschlich davon ausgegangen ist,
durch die Erteilung der Kontovollmacht bereits eine abschließende Verfügung über den Tod hinaus zugunsten der Beteiligten zu 1 getroffen zu haben, und dass sie es daher nicht mehr für nötig gehalten hat, die Konten bei der Testamentserrichtung mit aufzuführen und der Beteiligten zu 1 explizit zu zuwenden.
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(1) Ein solcher Anhaltspunkt liegt nicht bereits in der Erteilung von Kontovollmachten über den Tod hinaus zugunsten der Beteiligten zu 1 durch die Erblasserin, auch wenn diese im zeitlichen Zusammenhang mit der Errichtung des Testaments erfolgt ist.
Dass damit die Erblasserin auch eine Verfügung über den Tod hinaus treffen wollte, beruht allein auf dem Sachvortrag der Beteiligten zu 1, die durch eine solche Annahme in wirtschaftlicher Hinsicht begünstigt wird.
Dies spricht zwar nicht grundsätzlich gegen die Glaubwürdigkeit der Beteiligten zu 1, ist aber im Rahmen der Würdigung, ob die Erblasserin tatsächlich von solch einer Vorstellung ausgegangen ist, mit zu berücksichtigten.
Zudem erweist sich das Vorbringen der Beteiligten zu 1 nicht als widerspruchsfrei.
Nach ihrem Sachvortrag war Gegenstand des Beratungsgesprächs bei der Bank, dass „sie alles nach ihrem Tod (der Erblasserin) bekomme und alle Verpflichtungen für sie erledige, allerdings erst nach ihrem Tod“.
Die von der Sachbearbeiterin der Bank angeratene Erteilung einer Kontovollmacht über den Tod hinaus, die bereits zu Lebzeiten der Erblasserin – nach dem eigenen Sachvortrag der Beteiligten zu 1 – auch die Erledigung von Aufgaben bei Krankheit der Erblasserin gewährleisten sollte,
legt eher den Schluss nahe, dass Kern der Intention der Erblasserin nicht die Übertragung des Geldvermögens war, sondern dass lediglich sichergestellt werden sollte, dass die Beteiligte zu 1 die Möglichkeit hat, im Bedarfsfall (z.B. bei Krankheit oder Tod) Zugriff auf die Konten der Erblasserin zu erhalten.
Andernfalls wäre ein – gegebenenfalls ergänzender – Abschluss eines Vertrags auf den Todesfall (§ 331 BGB) zugunsten der Beteiligten zu 1 naheliegend gewesen.
OLG München 31 Wx 33/10
(2) Gegen die Annahme, dass die Erblasserin fälschlich von einer abschließenden Verfügung über den Tod hinaus bei der Erteilung der Kontovollmacht ausgegangen ist,
spricht zudem, dass die vorgelegten Vollmachtsurkunden einen optisch mit Fettdruck hervorgehobenen Hinweis enthalten, dass in dem Fall, dass das Sparguthaben nach dem Tod des Kontoinhabers dem Bevollmächtigten zustehen soll, die erteilte Vollmacht hierfür nicht genügt.
Auch hat die Erblasserin eine solche Vollmacht über den Tod hinaus nicht zum ersten Mal erteilt. Wie die vorgelegten Bankunterlagen belegen, hat die Erblasserin sowohl 1998 als auch 2007 bereits an andere Personen solche Vollmachten erteilt.
Insofern ist der Schluss naheliegend, dass ihr das Rechtsinstitut der Vollmacht über den Tod hinaus nicht völlig unbekannt war.
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(3) Die Frage, ob die Erblasserin der Beteiligten zu 1, wie von dieser behauptet, tatsächlich vollumfänglich Kontovollmacht eingeräumt hat (bei der von der Beteiligten zu 1 eingereichten Nachweise fehlen die Unterschriften der Erblasserin, bzw. die von der Bank übersandten Kopien betreffen nicht alle Konten der Erblasserin), kann daher dahingestellt bleiben.
c) Im Wege der individuellen Auslegung kann somit kein Wille der Erblasserin zweifelsfrei festgestellt werden, dass sie mit der Zuwendung der Wohnungseinrichtung die Beteiligte zu 1 als ihre Erbin einsetzen wollte,
bzw. dass sie fälschlich davon ausgegangen war, mit der Erteilung der Kontovollmacht der Beteiligten zu 1 endgültig über ihren Tod hinaus auch dieses Vermögen zugewandt zu haben. Es verbleibt deshalb bei der Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB.
OLG München 31 Wx 33/10
Die Beteiligte zu 1 ist daher neben H.K. Vermächtnisnehmerin, im Übrigen tritt gesetzliche Erbfolge ein.
2. Eine Kostenentscheidung ist nicht geboten.
Das Verfahren der Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei (§ 131 Abs. 3 KostO); die Kostentragungspflicht der Beteiligten zu 1 hinsichtlich der Zurückweisung ihres Antrags auf Erteilung des Erbscheins ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz (§ 130 Abs. 1 KostO).
Von einer Anordnung der Kostenerstattung hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 2 zulasten der Beteiligten zu 1 sieht der Senat im Rahmen seines Ermessens gemäß § 81 FamFG ab.
Eine Festsetzung des Geschäftswerts durch den Senat war daher nicht veranlasst.
3. Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 70 FamFG).
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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
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Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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